Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 07. Nov. 2016 - L 11 AS 641/16 B ER

published on 07/11/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 07. Nov. 2016 - L 11 AS 641/16 B ER
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Sozialgericht Bayreuth, S 13 AS 641/16, 24/08/2016

Gericht

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Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.08.2016 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist die Aufforderung, zu einer ärztlichen Untersuchung zu erscheinen.

Der Antragsteller (ASt) bezog vom Antragsgegner (Ag) zeitweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit einem undatierten Schreiben forderte der Ag den ASt auf, zu einer persönlichen Untersuchung durch den ärztlichen Dienst am 19.08.2016 zu erscheinen. Es solle dabei seine Erwerbsfähigkeit überprüft werden. Den Untersuchungstermin nahm der ASt nicht wahr. Am 17.08.2016 wandte sich der ASt gegen die Aufforderung an den Ag. Bereits mit Schreiben vom 16.08.2016 versagte der Ag das Alg II ab 15.08.2016. Der ASt habe sich geweigert, Unterlagen vorzulegen und an den geplanten Untersuchungen mitzuwirken. Wichtige Gründe, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien, lägen nicht vor. Dagegen wandte sich der ASt mit Schreiben vom 19.08.2016 an den Ag.

Mit einem Schreiben vom 12.08.2016 hat der ASt beim Sozialgericht Bayreuth (SG) unter Vorlage des Aufforderungsschreibens zur ärztlichen Untersuchung am 19.08.2016 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 24.08.2016 abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig, da es gegen die Mitwirkungsaufforderung keines gerichtlichen Rechtsschutzes bedürfe. Die Teilnahme an der Untersuchung stelle lediglich eine Obliegenheit des ASt dar. Eine Verpflichtung sei durch den Ag nicht möglich. Gegen eine belastende Entscheidung, die wegen einer fehlenden Mitwirkung ergehe, könne er sich mit den vorgesehenen Rechtsbehelfen wehren. Da der ASt Leistungen anderer Grundsicherungsträger erhalten habe und erhalte, fehle es für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf den Versagungsbescheid an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Unabhängig davon, ob die Aufforderung des Ag nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) einen Verwaltungsakt darstellt (siehe zum Meinungsstand: Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 59 Rn. 10; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 02/2012, § 39 Rn. 118) und ob ein solcher nach § 39 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG sofort vollziehbar ist - dies könnte im Hinblick darauf zweifelhaft sein, dass es nicht um eine Vorsprache bei der Agentur für Arbeit sondern um eine nicht vom Wortlaut der Vorschrift genannte Untersuchung beim ärztlichen Dienst geht (vgl. dazu auch: Hengelhaupt a. a. O. Rn. 117 m. w. N.) -, mithin sich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG richten würde oder andernfalls § 86b Abs. 2 SGG einschlägig wäre, fehlt es vorliegend an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Das Aufforderungsschreiben bezog sich ausdrücklich alleine auf einen ärztlichen Untersuchungstermin am 19.08.2016. Dieser Zeitpunkt liegt bereits in der Vergangenheit, so dass sich die Aufforderung zwischenzeitlich erledigt hat. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer dagegen gerichteten Klage bzw. eines Widerspruchs ist nicht mehr möglich (vgl. Beschluss des Senats vom 16.05.2013 - L 11 AS 250/13 B ER). Mit der Erledigung der Meldeaufforderung ist in der Hauptsache auch eine Anfechtungsklage nicht mehr statthafter Rechtsbehelf. Es hätte ggf. eine Umstellung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu erfolgen. Einstweiliger Rechtsschutz im Hinblick auf eine solche Klage kann aber nicht gewährt werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 40 und 9b). Dem ASt droht dadurch auch nicht die Gefahr, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen werden, oder ein nicht mehr gutzumachender Schaden entsteht (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 13.08.2012 - L 11 AS 473/12 B ER und Beschluss vom 16.05.2013 - L 11 AS 250/13 B ER). Im Falle der Festsetzung einer Sanktion oder Leistungsversagung durch den Ag steht dem ASt die Möglichkeit der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen solchen Bescheid, bei dem inzident die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung zu prüfen wäre, zu.

Ein entsprechender Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Versagungsbescheid des Ag vom 16.08.2016 ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der ASt erwähnt weder die Leistungsversagung noch den Bescheid vom 16.08.2016 und er macht nicht geltend, ihm würden zu Unrecht Leistungen vorenthalten. Zudem datiert sein an das SG gerichtetes Antragsschreiben auf den 12.08.2016. Zu diesem Zeitpunkt war der Versagungsbescheid vom 16.08.2016 noch gar nicht existent.

Das SG hat damit den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde war zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Annotations

Die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309 des Dritten Buches, und über die Meldepflicht bei Wechsel der Zuständigkeit, § 310 des Dritten Buches, sind entsprechend anzuwenden.

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung.

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt

1.
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten,
2.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen,
3.
für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen,
4.
in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen,
5.
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die nächsthöhere Behörde zuständig, es sei denn, diese ist eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde. Die Entscheidung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Die Stelle kann die Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben.

(4) Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geändert worden ist, aufgehoben oder nicht verlängert wird. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.