Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Mai 2010 - 6 AZR 976/08
Gericht
Tenor
-
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. September 2008 - 11 Sa 944/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für nach 20.00 Uhr erteilten Unterricht eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten zusteht.
-
Der Kläger ist beim beklagten Land als Lehrer angestellt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich seit dem 1. November 2006 nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L). Der Kläger unterrichtet am Abendgymnasium des Weiterbildungskollegs E, das auch ein Institut zur Erlangung der Hochschulreife (Kolleg) umfasst. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung in den Bildungsgängen des Weiterbildungskollegs(APO-WbK) in Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2000 (GV. NRW 2000, 290) führt der Bildungsgang des Abendgymnasiums Erwachsene, die andauernde Berufstätigkeit und schulische Ausbildung miteinander verbinden, zur allgemeinen Hochschulreife. Der Bildungsgang des Kollegs führt gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 APO-WbK Erwachsene, die nach Berufsausbildung oder Berufstätigkeit ihre schulische Ausbildung wieder aufnehmen, ohne eine geregelte Berufstätigkeit auszuüben, zur allgemeinen Hochschulreife. Die Ausbildung dauert in beiden Bildungsgängen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 APO-WbK in der Regel sechs Semester. Am Abendgymnasium findet anders als im Kolleg auch Unterricht nach 20.00 Uhr statt. Der Kläger erteilte im Sommersemester 2007, im Wintersemester 2007/2008 und im Sommersemester 2008 nach 20.00 Uhr Unterricht im Umfang von insgesamt 324 Unterrichtsstunden zu jeweils 45 Minuten. Im TV-L heißt es:
-
„§ 44 Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte.
Nr. 1: Zu § 1 - Geltungsbereich -
1Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (zum Beispiel Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
...
Protokollerklärung:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 2: Zu Abschnitt II - Arbeitszeit -
1Die §§ 6 bis 10 finden keine Anwendung. 2Es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung.
...“
-
Die Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen (EZulV) in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (EZulV aF) regelte ua.:
-
„1. Abschnitt Allgemeine Vorschriften
...
§ 3 Allgemeine Voraussetzungen
(1) Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern und Empfänger von Anwärterbezügen erhalten eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten, wenn sie mit mehr als fünf Stunden im Kalendermonat zum Dienst zu ungünstigen Zeiten herangezogen werden.
(2) Dienst zu ungünstigen Zeiten ist der Dienst
1.
an Sonntagen und gesetzlichen Wochenfeiertagen,
2.
an Samstagen nach 13.00 Uhr,
3.
an den Samstagen vor Ostern und Pfingsten nach 12.00 Uhr; dies gilt auch für den 24. und 31. Dezember jeden Jahres, wenn diese Tage nicht auf einen Sonntag fallen,
4.
an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr.
...
§ 4 Höhe und Berechnung der Zulage
(1) Die Zulage beträgt für Dienst
1.
an Sonntagen und gesetzlichen Wochenfeiertagen, an den Samstagen vor Ostern und Pfingsten nach 12.00 Uhr sowie am 24. und 31. Dezember jeden Jahres nach 12.00 Uhr, wenn diese Tage nicht auf einen Sonntag fallen, 2,72 Euro je Stunde,
2.
a)
an den übrigen Samstagen in der Zeit zwischen 13.00 Uhr und 20.00 Uhr 0,64 Euro je Stunde sowie
b)
im Übrigen in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr 1,28 Euro je Stunde.
§ 6 Sonstiger Ausschluß der Zulage
Die Zulage entfällt oder sie verringert sich, soweit der Dienst zu ungünstigen Zeiten auf andere Weise als mit abgegolten oder ausgeglichen gilt.“
- 4
-
Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer beträgt nach § 2 Abs. 1 der Verordnung vom 18. März 2005 zur Ausführung des § 93 Abs. 2 des Schulgesetzes für Nordrhein-Westfalen(VO) vom 15. Februar 2005 (Schulgesetz NRW - SchulG) in der Regel am Gymnasium 25,5 Stunden sowie am Abendgymnasium und am Kolleg jeweils 22 Stunden.
- 5
-
Der Kläger ist der Ansicht, er habe für nach 20.00 Uhr erteilten Unterricht Anspruch auf die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten.
-
Der Kläger hat beantragt:
-
1.
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 414,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger auch künftig eine Erschwerniszulage nach den Voraussetzungen und Regelungen der Erschwerniszulagenverordnung für Unterrichtsstunden zu zahlen, die er nach 20.00 Uhr leistet.
- 7
-
Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, den Anspruch des Klägers auf Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten hindere bereits, dass an einem Abendgymnasium Unterricht nach 20.00 Uhr typisch und damit keine außergewöhnliche Erschwernis für die Lehrkräfte sei. Jedenfalls schließe § 6 EZulV aF den Anspruch auf diese Zulage aus. Die im Vergleich zu den Lehrkräften eines Gymnasiums um wöchentlich 3,5 Unterrichtsstunden geringere Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums stelle einen Ausgleich für Unterricht nach 20.00 Uhr dar.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Feststellungsklage sowie der Zahlungsklage in Höhe von 311,04 Euro brutto stattgegeben. Es hat die vom Kläger im Sommersemester 2007, im Wintersemester 2007/2008 und im Sommersemester 2008 nach 20.00 Uhr erteilten 324 Unterrichtsstunden zu jeweils 45 Minuten in 243 Stunden umgerechnet, dem Kläger für diese 243 Stunden eine Erschwerniszulage in Höhe von jeweils 1,28 Euro brutto zugesprochen und die weitergehende Zahlungsklage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 9
-
I. Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht größtenteils stattgegeben.
- 10
-
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Feststellungsantrag bedarf jedoch der Auslegung. Der Kläger will die Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt haben, ihm „eine Erschwerniszulage nach den Voraussetzungen und Regelungen der Erschwerniszulagenverordnung“ für die nach 20.00 Uhr geleisteten Unterrichtsstunden zu zahlen. Damit hat der Kläger nicht ausdrücklich angegeben, nach welcher Fassung der EZulV sich die Zahlungsverpflichtung des beklagten Landes richten soll. Empfänger von Dienst- und Anwärterbezügen des Bundes erhalten aufgrund der Änderung der EZulV vom 29. Juli 2008 für Dienst in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr ab dem 1. Januar 2009 eine Zulage in Höhe von 1,36 Euro je Stunde. Diese nach dem 31. August 2006 erfolgte Änderung der EZulV erfasst jedoch nicht Empfänger von Dienst- und Anwärterbezügen des beklagten Landes. Für diese gilt gemäß Art. 125a Abs. 1 GG die als Bundesrecht erlassene EZulV aF fort(vgl. Schwegmann/Summer Besoldungsrecht des Bundes und der Länder Teil B IV/6.1 EZulV Einführung Rn. 7 ff. Stand Januar 2010). Da der Kläger nach der Klagebegründung Erschwerniszulage in der den Empfängern von Dienst- und Anwärterbezügen des beklagten Landes zustehenden Höhe beansprucht, ist sein Antrag so zu verstehen, dass sich die Zahlungsverpflichtung des beklagten Landes nach der EZulV aF richten soll. Dies hat der Kläger in der Revisionsverhandlung ausdrücklich klargestellt. Mit diesem Inhalt des Feststellungsantrags liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das vom Kläger angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass das beklagte Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird (Senat 21. Januar 2010 - 6 AZR 449/09 - Rn. 14; 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 13, AP BGB § 241 Nr. 4).
- 11
-
II. Dem Kläger steht für die von ihm im Sommersemester 2007, im Wintersemester 2007/2008 und im Sommersemester 2008 nach 20.00 Uhr erteilten 324 Unterrichtsstunden gemäß § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L iVm. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EZulV aF Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten in Höhe von insgesamt 311,04 Euro brutto zu. Über die Anzahl der in diesem Zeitraum vom Kläger nach 20.00 Uhr erteilten Unterrichtsstunden zu jeweils 45 Minuten, die 243 Stunden entsprechen, besteht kein Streit. Nicht strittig ist auch, dass der Kläger im Kalendermonat mehr als fünf Stunden Unterricht nach 20.00 Uhr erteilt hat. Auch die Höhe der Zulage von 1,28 Euro brutto je Stunde ist unstreitig.
- 12
-
1. Der Einwand des beklagten Landes, an einem Abendgymnasium sei Unterricht nach 20.00 Uhr typisch und damit für eine Lehrkraft eines Abendgymnasiums keine außergewöhnliche Erschwernis, trägt nicht. Nach § 3 Abs. 1 EZulV aF erhalten ua. Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten, wenn sie mehr als fünf Stunden im Kalendermonat zum Dienst zu ungünstigen Zeiten herangezogen werden. Damit stellt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht darauf ab, ob Dienst zu ungünstigen Zeiten für die Tätigkeit des Beamten typisch ist. Sie erfasst alle Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern und damit auch beamtete Lehrkräfte(vgl. OVG NRW 3. Mai 2006 - 6 A 1565/04 - Rn. 22, Schütz BeamtR ES/C I 1.4 Nr. 75). Da § 3 Abs. 1 EZulV aF alle beamteten Lehrkräfte erfasst und somit auch beamtete Lehrkräfte eines Abendgymnasiums, gelten die Bestimmungen der EZulV aF gemäß § 44 Nr. 2 Satz 2 TV-L auch für Beschäftigte als Lehrkräfte eines Abendgymnasiums.
- 13
-
2. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes schließt § 6 EZulV aF den Anspruch einer Lehrkraft eines Abendgymnasiums auf die Zulage nicht aus. Nach dieser Bestimmung entfällt oder verringert sich die Zulage, soweit der Dienst zu ungünstigen Zeiten auf andere Weise als mit abgegolten oder ausgeglichen gilt. Unter Abgeltung ist die Gewährung einer finanziellen Entschädigung zu verstehen, während mit Ausgleich die Gewährung sonstiger Vorteile gemeint ist(OVG NRW 3. Mai 2006 - 6 A 1565/04 - Rn. 26, Schütz BeamtR ES/C I 1.4 Nr. 75). Der in dieser Vorschrift geregelte Ausschluss der Zulage bezweckt, Doppelleistungen zu vermeiden (BVerwG 8. Juli 1994 - 2 C 4/93 - BVerwGE 96, 227, 230). Die im Vergleich zu den Lehrkräften eines Gymnasiums geringere Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums ist kein Ausgleich iSv. § 6 EZulV aF.
- 14
-
a) Allerdings trifft es zu, dass die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums um 3,5 Unterrichtsstunden geringer ist als die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte eines Gymnasiums. Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft ist jedoch nicht ihre wöchentliche Arbeitszeit. Die Pflichtstundenzahl betrifft nur einen Teil der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer, die im Übrigen entsprechend ihrer pädagogischen Aufgabe wegen der neben dem Unterricht erforderlichen Vorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt werden kann(BVerwG 13. Juli 1977 - VI C 85.75 - Rn. 23, VerwRspr 29, 544). Davon geht auch das Schulgesetz des beklagten Landes aus. § 93 Abs. 2 SchulG legt die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für die Lehrerinnen und Lehrer nicht fest, sondern regelt, dass diese nach den pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der einzelnen Schulformen, Schulstufen und Klassen durch Rechtsverordnung zu bestimmen ist. Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung vom 18. März 2005 (VO) zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG beträgt die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrerinnen und Lehrer in der Regel an der Grund-, Haupt- und Realschule jeweils 28, an der Realschule, am Gymnasium, an der Gesamtschule und am Berufskolleg jeweils 25,5 sowie am Abendgymnasium, am Kolleg und am Studienkolleg für ausländische Studierende jeweils 22.
- 15
-
b) Die Gründe für die unterschiedlichen Pflichtstundenzahlen ergeben sich aus § 93 Abs. 2 SchulG. Danach ist ua. die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der Lehrerinnen und Lehrer nach den pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der einzelnen Schulformen, Schulstufen und Klassen zu bestimmen. Daraus wird deutlich, dass die Pflichtstundenermäßigung für Lehrkräfte an einem Abendgymnasium nicht eine Kompensation für den Unterricht zu ungünstigen Zeiten bezweckt. Die geringere wöchentliche Unterrichtsverpflichtung beruht auf den pädagogischen und/oder verwaltungsmäßigen Bedürfnissen dieser Schulform.
- 16
-
c) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes zwingt der Vergleich der Situation der Lehrkräfte eines Gymnasiums mit jener der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums nicht zu der Annahme, die Stundenermäßigung diene dem Ausgleich für den Dienst zu ungünstigen Zeiten. Ein Gymnasium unterscheidet sich von einem Abendgymnasium nicht nur dadurch, dass der Unterricht an einem Gymnasium in der Regel vormittags und teilweise auch nachmittags erteilt wird, während Unterricht an einem Abendgymnasium regelmäßig abends stattfindet, wie dies schon der Begriff „Abendgymnasium“ zum Ausdruck bringt.
- 17
-
aa) Gemäß § 29 Abs. 1 SchulG erlässt das Ministerium in der Regel schulformspezifische Unterrichtsvorgaben(Richtlinien, Rahmenvorgaben, Lehrpläne). Diese legen insbesondere die Ziele und Inhalte für die Bildungsgänge, Unterrichtsfächer und Lernbereiche fest. Nach § 52 Abs. 1 SchulG erlässt das Ministerium Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, die ua. Regelungen über Aufnahmevoraussetzungen und den Schulformwechsel, die Stundentafel, die Gliederung und die Dauer der Ausbildung, die Unterrichtsorganisation, die Unterrichtsfächer, die Lernbereiche, die Pflichtbedingungen, die Wahlmöglichkeiten, die Zulassung zur Prüfung und den Ablauf und das Verfahren der Prüfung enthalten. Auf dieser Rechtsgrundlage sind mit der APO-WbK einerseits und mit den für die Gymnasien maßgeblichen Verordnungen über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (APO-S I) sowie über den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe (APO-GOSt) andererseits völlig unterschiedliche Regelungskomplexe geschaffen worden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen eines Gymnasiums und eines Abendgymnasiums Rechnung tragen.
- 18
-
bb) In den Bildungsgang des Abendgymnasiums wird nach § 3 Abs. 2 APO-WbK aufgenommen, wer bei Eintritt in das erste Fachsemester mindestens 18 Jahre alt ist und eine Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes, eine Berufsausbildung in einem schulischen Bildungsgang oder eine entsprechende Ausbildung in einem Beamtenverhältnis abgeschlossen hat oder eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit nachweist. Die Ausbildung wird gemäß § 14 Satz 1 APO-WbK nach erwachsenenpädagogischen Grundsätzen gestaltet, wobei die Lehrpläne die Lebens- und Berufserfahrung der Studierenden zu berücksichtigen haben(§ 14 Satz 3 APO-WbK). Durch die in § 2 Abs. 2 Satz 2 APO-WbK ausdrücklich angeordnete Berücksichtigung der besonderen Bedingungen erwachsenengerechter Bildungsarbeit und die andauernde Berufstätigkeit der Studierenden unterscheidet sich ein Abendgymnasium bezüglich der für den Umfang der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung maßgeblichen pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnisse dieser Schulform ganz wesentlich von einem Gymnasium, dessen Schüler nach dem Besuch der Grundschule gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 APO-S I in die Klasse 5 der Sekundarstufe I des Gymnasiums aufgenommen werden und während des Besuchs des Gymnasiums ganz überwiegend noch nicht 18 Jahre alt sind. Hinzu kommt, dass die Schüler eines Abendgymnasiums nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SchulG in einem dreijährigen Bildungsgang zur allgemeinen Hochschulreife geführt werden, während dies bei den Schülern eines Gymnasiums in einem achtjährigen Bildungsgang der Fall ist. Unterschiede zwischen einem Gymnasium und einem Abendgymnasium bestehen auch bezüglich der Schülerzahlen, hinsichtlich der Klassenbildungs-, der Klassenfrequenzricht- und der Klassenfrequenzhöchstwerte sowie des zeitlichen Umfangs des wöchentlichen Unterrichts. Während der Unterricht im Bildungsgang des Abendgymnasiums mindestens 20 Unterrichtsstunden in der Woche umfasst, sind am Gymnasium zB 30 bis 33 Unterrichtsstunden in der Jahrgangsstufe 11 und 28 bis 31 Unterrichtsstunden in der Jahrgangsstufe 12 zu erteilen.
- 19
-
d) Das für die Lehrkräfte eines Kollegs ebenso wie für die Lehrkräfte eines Abendgymnasiums auf wöchentlich 22 Unterrichtsstunden festgesetzte Stundenmaß bestätigt die Annahme, dass die Stundenermäßigung der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums kein Ausgleich für den Dienst zu ungünstigen Zeiten ist. Am Kolleg findet nach den vom beklagten Land nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kein Unterricht nach 20.00 Uhr und damit kein Unterricht zu ungünstigen Zeiten iSv. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EZulV aF statt, der durch eine ermäßigte Unterrichtsverpflichtung ausgeglichen werden könnte.
- 20
-
aa) Dafür, dass die Pflichtstundenermäßigung der Lehrkräfte eines Kollegs auf ganz anderen pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen beruht als die Pflichtstundenermäßigung für die Lehrkräfte eines Abendgymnasiums, fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Beide Bildungsgänge führen Erwachsene zur allgemeinen Hochschulreife. Die Ausbildung dauert in beiden Bildungsgängen in der Regel sechs Semester. Die unterschiedliche zeitliche Lage des Unterrichts ist Folge des unterschiedlichen Zeitbudgets der Schüler. Während der „klassische Abendkurs“ des Bildungsgangs des Abendgymnasiums Erwachsene mit andauernder Berufstätigkeit zur allgemeinen Hochschulreife führt, ist Unterricht am Vormittag ua. auf das Zeitbudget von „Familienfrauen“(vgl. zu dieser Bezeichnung die Internetseite des Schulministeriums, http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulsystem/Schulformen/Weiterbildungskolleg/index.html, Stand 20. Mai 2010) oder Berufstätige mit Schichtdienst zugeschnitten.
- 21
-
bb) Soweit der erst nach Ablauf der Frist von zwei Monaten zur Begründung der Revision(§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) beim Bundesarbeitsgericht eingegangene Schriftsatz des beklagten Landes vom 12. Mai 2010 neues tatsächliches Vorbringen zu Mehrbelastungen der Lehrkräfte im Bildungsgang Kolleg im Vergleich zu den Lehrkräften im Bildungsgang Abendgymnasium enthält, war dieser neue Tatsachenvortrag vom Senat nicht zu berücksichtigen. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen worden ist. Allerdings hat die Rechtsprechung die Berücksichtigung neuen tatsächlichen Vorbringens in der Revisionsinstanz dann zugelassen, wenn es unstreitig oder seine Richtigkeit offenkundig ist (GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 74 Rn. 116 mwN). Diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfüllt. Dass die Lehrkräfte eines Abendgymnasiums im Vergleich zu den Lehrkräften eines Kollegs bezüglich der außerhalb des Unterrichts erforderlichen Tätigkeiten, wie zB Unterrichtsvorbereitung und Korrekturen, und aufgrund anderer pädagogischer Aufgaben geringer belastet sind, ist weder offenkundig noch unstreitig. Soweit das beklagte Land für seine Rechtsauffassung auf die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. August 2000 (- 1 N 2320/96 - ZTR 2000, 577) verweist, geht dieser Hinweis fehl. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat zwar den Vortrag des Antragstellers in jenem Verfahren wiedergegeben, wonach für eine Lehrkraft eines Abendgymnasiums die besonderen Belastungen in erster Linie in der Eigenart des Unterrichts in den Abend- und Nachtstunden bestehen. Er hat jedoch keine eigenen Ausführungen dazu gemacht, ob diese Belastungen durch eine geringere Unterrichtsverpflichtung ausgeglichen werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verneint. Es hat einer beamteten Lehrkraft, die nach 20.00 Uhr Unterricht erteilt hat, die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten zugesprochen (3. Mai 2006 - 6 A 1565/04 - Rn. 26, Schütz BeamtR ES/C I 1.4 Nr. 75).
- 22
-
III. Da § 6 EZulV aF den Anspruch einer Lehrkraft eines Abendgymnasiums auf die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten nicht ausschließt, ist auch die Feststellungsklage begründet.
-
IV. Das beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Fischermeier
Brühler
Spelge
Oye
B. Schipp
moreResultsText
Annotations
(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 74a, 75 oder 98 Abs. 3 Satz 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden.
(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann.
(3) Recht, das als Landesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 73 nicht mehr als Landesrecht erlassen werden könnte, gilt als Landesrecht fort. Es kann durch Bundesrecht ersetzt werden.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern und Empfänger von Anwärterbezügen erhalten eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten, wenn sie mit mehr als fünf Stunden im Kalendermonat zum Dienst zu ungünstigen Zeiten herangezogen werden.
(2) Dienst zu ungünstigen Zeiten ist der Dienst
- 1.
an Sonntagen und gesetzlichen Wochenfeiertagen, - 2.
an Samstagen nach 13.00 Uhr, - 3.
an den Samstagen vor Ostern und Pfingsten nach 12.00 Uhr; dies gilt auch für den 24. und 31. Dezember jeden Jahres, wenn diese Tage nicht auf einen Sonntag fallen, - 4.
an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr.
(3) Zulagefähig sind nur Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung; Bereitschaftsdienst, der zu ungünstigen Zeiten geleistet wird, ist voll zu berücksichtigen.
(4) Zum Dienst zu ungünstigen Zeiten gehören nicht Reisezeiten bei Dienstreisen und die Rufbereitschaft.
(5) Rufbereitschaft im Sinne von Absatz 4 ist das Bereithalten des hierzu Verpflichteten in seiner Häuslichkeit (Hausrufbereitschaft) oder das Bereithalten an einem von ihm anzuzeigenden und dienstlich genehmigten Ort seiner Wahl (Wahlrufbereitschaft), um bei Bedarf zu Dienstleistungen sofort abgerufen werden zu können. Beim Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft gilt als Häuslichkeit die Gemeinschaftsunterkunft.
(1) Die Frist für die Einlegung der Revision beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Revisionsbegründungsfrist kann einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muß unverzüglich erfolgen. § 552 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt. Die Verwerfung der Revision ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluß des Senats und ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)