Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Sept. 2010 - 6 AZR 338/09

published on 23/09/2010 00:00
Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Sept. 2010 - 6 AZR 338/09
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Tenor

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 3. März 2009 - 2 Sa 376/08 - teilweise aufgehoben.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 2. September 2008 - 6 Ca 1546 b/08 - hinsichtlich des Zinsausspruchs abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 179,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 3. Juni 2008 zu zahlen.

III. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über ein undifferenziertes Leistungsentgelt für das Jahr 2007.

2

Der Kläger ist seit 1989 als Müllwerker bei der Beklagten in deren Entsorgungsbetrieben beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 2005 der TVöD Anwendung. Der Kläger war vom 26. Juni 2007 bis zum 10. Oktober 2007 arbeitsunfähig erkrankt. Im September 2007 erhielt er deswegen kein Arbeitsentgelt und auch keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mehr, sondern bezog Krankengeld.

3

§ 18 TVöD (VKA) sieht die Einführung eines Leistungsentgelts wie folgt vor:

        

„(1)   

Die leistungs- und/oder erfolgsorientierte Bezahlung soll dazu beitragen, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Zugleich sollen Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz gestärkt werden.

        

(2)     

Ab dem 1. Januar 2007 wird ein Leistungsentgelt eingeführt. Das Leistungsentgelt ist eine variable und leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt.

        

(3)     

Ausgehend von einer vereinbarten Zielgröße von 8 v.H. entspricht bis zu einer Vereinbarung eines höheren Vomhundertsatzes das für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen 1 v.H. der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. …

                 

Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 1:           

                 

Ständige Monatsentgelte sind insbesondere das Tabellenentgelt …, die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen einschließlich Besitzstandszulagen sowie Entgelt im Krankheitsfall (§ 22) und bei Urlaub, soweit diese Entgelte in dem betreffenden Kalenderjahr ausgezahlt worden sind; nicht einbezogen sind dagegen insbesondere Abfindungen, Aufwandsentschädigungen, Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen, Leistungsentgelte, Strukturausgleiche, unständige Entgeltbestandteile und Entgelte der außertariflichen Beschäftigten. …

        

(4)     

Das Leistungsentgelt wird zusätzlich zum Tabellenentgelt als Leistungsprämie, Erfolgsprämie oder Leistungszulage gewährt; das Verbinden verschiedener Formen des Leistungsentgelts ist zulässig. … Leistungsentgelt muss grundsätzlich allen Beschäftigten zugänglich sein. …

                 

Protokollerklärungen zu Absatz 4:           

                 

1.    

1Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die zeitgerechte Einführung des Leistungsentgelts sinnvoll, notwendig und deshalb beiderseits gewollt ist. 2Sie fordern deshalb die Betriebsparteien dazu auf, rechtzeitig vor dem 1. Januar 2007 die betrieblichen Systeme zu vereinbaren. 3Kommt bis zum 30. September 2007 keine betriebliche Regelung zustande, erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2008 6 v.H. des für den Monat September jeweils zustehenden Tabellenentgelts. 4Das Leistungsentgelt erhöht sich im Folgejahr um den Restbetrag des Gesamtvolumens. 5Solange auch in den Folgejahren keine Einigung entsprechend Satz 2 zustande kommt, gelten die Sätze 3 und 4 ebenfalls. 6Für das Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2007 12 v.H. des für den Monat September 2007 jeweils zustehenden Tabellenentgelts ausgezahlt, insgesamt jedoch nicht mehr als das Gesamtvolumen gemäß Absatz 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Juli 2007 keine Einigung nach Satz 3 zustande gekommen ist.

                 

...     

        
        

(6)     

Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart. … Die Ausgestaltung geschieht durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung, …“

4

Eine Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 18 Abs. 3 TVöD (VKA) lautet:

        

„Das als Zielgröße zu erreichende Gesamtvolumen von 8 v.H. wird wie folgt finanziert

        

-       

Anteil aus auslaufenden Besitzständen in pauschalierter Form,

        

-       

im Rahmen zukünftiger Tarifrunden.

        

...“   

        
5

In den Entsorgungsbetrieben der Beklagten wurde am 27. September 2007 eine Dienstvereinbarung über das betriebliche System einer leistungsorientierten Bezahlung (LOB) geschlossen, die am 30. September 2007 in Kraft getreten ist. Für das Jahr 2007 trifft diese in § 13 Abs. 2 folgende Regelung:

        

„Für das Kalenderjahr 2007 gilt abweichend von der in dieser Dienstvereinbarung definierten Vorgehensweise: Es wird eine Pauschale in Höhe von 12 % des Septembergehaltes - in der Summe begrenzt auf maximal 1 % des Jahresbudgets - entsprechend § 18 TVöD in Verbindung mit § 4, Satz 1 der Rahmendienstvereinbarung der L zur Auszahlung gebracht.

        

…“    

6

Der Kläger begehrt nach schriftlicher Geltendmachung vom 6. Februar 2008 ein anteiliges, undifferenziertes Leistungsentgelt für die neun Monate, in denen er im Jahr 2007 gearbeitet oder Entgeltfortzahlung bezogen hat. Ausgehend von einem Tabellenentgelt von 1.995,00 Euro brutto monatlich im Jahr 2007 fordert er ein pauschaliertes Leistungsentgelt in rechnerisch unstreitiger Höhe von 179,55 Euro brutto.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für den tariflichen Anspruch auf ein undifferenziertes Leistungsentgelt reiche es aus, wenn im September 2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Das Tabellenentgelt sei nur eine Bemessungsgrundlage. Dafür spreche auch der Zweck der Pauschalierung des Leistungsentgelts. Mit der Regelung in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) habe Druck auf die Betriebsparteien ausgeübt und verhindert werden sollen, dass ihre Nichteinigung zulasten der Arbeitnehmer gehe. Gegenstand der Pauschalierung des Leistungsentgelts sei eine sich auf das gesamte Jahr erstreckende Leistung des Arbeitnehmers. Darum komme es nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer, der im September 2007 in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe, tatsächlich in diesem Monat Entgelt bezogen habe. Anderenfalls sei die Zahlung des Leistungsentgelts von zufälligen Umständen abhängig, was zu sachwidrigen Ergebnissen führe.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 179,55 Euro brutto als leistungsorientierte Bezahlung nach TVöD für das Jahr 2007 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag auf ihre Auffassung gestützt, das undifferenzierte Leistungsentgelt sei eine Einmalzahlung mit Stichtagsregelung. Nur der Beschäftigte erhalte diese Zahlung, der im September 2007 Entgelt bezogen habe. Ein Bezug zur bisherigen Arbeit des Beschäftigten sowie zur weiteren Entwicklung des Arbeitsverhältnisses bestehe nicht. Die getroffene Stichtagsregelung sei zulässig. Sie führe zu einer einfachen Berechnung der Leistung und einer unkomplizierten Abwicklung. Der Kläger werde nicht anders behandelt als jemand, der aus anderen Gründen im September 2007 keinen Anspruch auf die Auszahlung von Tabellenentgelt gehabt habe.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

11

Der Senat hat im Termin die Akte - 6 AZR 715/09 - im Hinblick auf die darin vom Arbeitsgericht Dortmund (- 6 Ca 2696/08 -) eingeholten Tarifauskünfte beigezogen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist bis auf einen geringen Teil des Zinsausspruchs begründet.

13

I. Der Anspruch des Klägers auf die undifferenzierte Auszahlung des Leistungsentgelts für das Jahr 2007 in der geltend gemachten Höhe folgt aus Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Satz 4 TVöD (VKA). Dies ergibt die Auslegung dieser Protokollerklärung, die materieller Bestandteil des Tarifvertrags ist (vgl. Senat 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 14, BAGE 128, 317, für die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA). Dieser Anspruch hängt weder von der Zahlung des Entgelts noch dem Bestehen eines Entgeltersatzanspruchs für den Monat September 2007 ab.

14

1. Der Wortlaut der tariflichen Regelung ist nicht eindeutig.

15

a) Die Tarifvertragsparteien haben in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) nicht ausdrücklich festgelegt, ob sie die Zahlung des Tabellenentgelts oder eines Entgeltersatzes im September 2007 zur Anspruchsvoraussetzung für eine undifferenzierte Auszahlung des Leistungsentgelts für das Jahr 2007 machen wollten. Der Umschreibung „jeweils zustehendes Tabellenentgelt“ ist dies nicht eindeutig zu entnehmen. „Zustehen“ bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ua. „einen rechtmäßigen Anspruch auf etwas haben, etwas zu bekommen haben, ein Recht auf etwas haben“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „zustehen“; Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort „zustehen“). Verstünde man den von den Tarifvertragsparteien verwendeten Begriff in diesem Sinne, müsste der Beschäftigte im September 2007 Anspruch auf das Tabellenentgelt gehabt haben, um das undifferenzierte Leistungsentgelt zu erhalten.

16

Vom Wortsinn her lässt der Tarifbegriff „zustehen“ jedoch auch die Auslegung zu, dass es ausreicht, wenn der Beschäftigte im September 2007 im Arbeitsverhältnis stand und ihm damit grundsätzlich „für“ diesen Monat ein Tabellenentgelt zustand (vgl. für den Begriff „Berechtigung“ Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 668/08 - Rn. 16, ZTR 2010, 198). So ist dem Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 1 EFZG das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit „zustehende“ Arbeitsentgelt fortzuzahlen, also das Entgelt, das er bei Arbeitsfähigkeit während seiner regelmäßigen Arbeitszeit erzielt hätte. § 4 Abs. 1 EFZG legt mit dem Verweis auf das dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt die Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts fest(§ 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG).

17

Dem TVöD lässt sich kein einheitlicher Sprachgebrauch entnehmen. Die Tarifvertragsparteien verwenden auch die Begriffe „gezahlt“ (§ 20 Abs. 2 Satz 1 und § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD) bzw. stellen auf das „erhaltene Tabellenentgelt“ ab (§ 20 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 TVöD), wenn sie einen Anspruch an die tatsächliche Zahlung des Entgelts oder eines Entgeltbestandteils knüpfen wollen.

18

b) Aus dem Rundschreiben der VKA vom 13. Juni 2007 (- R 164/07 - dort VII) und der Tarifinformation von ver.di „TS berichtet“ Nr. 63/07 vom 5. Dezember 2007 lässt sich ein übereinstimmender Wille der Tarifvertragsparteien, den Begriff „zustehen“ im Sinne einer Stichtagsregelung zu verstehen, nicht entnehmen. Zwar setzt nach beiden Tarifinformationen die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) Satz 6 voraus, dass der Beschäftigte im September 2007 tatsächlich ein Tabellenentgelt erhalten hat. Rundschreiben der Tarifvertragsparteien sind jedoch selbst dann, wenn sie anders als hier zwischen ihnen abgestimmt sind, kein Bestandteil des Tarifvertrags und können auch nur insoweit zur Auslegung einer Tarifnorm herangezogen werden, als ihr Inhalt in der Tarifnorm zum Ausdruck kommt (Senat 27. April 1995 - 6 AZR 902/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 22). Die Tarifinformationen geben hier lediglich die Meinung ihrer Verfasser wieder. Im Übrigen ergibt sich aus der Tarifauskunft von ver.di gegenüber dem Arbeitsgericht Dortmund im Verfahren - 6 Ca 2696/08 -, dass in den Tarifverhandlungen das Verständnis der Regelung in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) als Stichtagsregelung weder von einer der beiden Parteien zum Ausdruck gebracht worden sei noch dass dies eindeutiger gemeinsamer Wille der Tarifvertragsparteien gewesen sei. Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich demnach kein übereinstimmendes Verständnis der streitbefangenen Regelung im Sinne einer Stichtagsregelung entnehmen.

19

2. Sinn und Zweck der undifferenzierten Auszahlung des Leistungsentgelts für das Jahr 2007 verbieten ein Verständnis der Regelung in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) als Stichtagsregelung. Eine derartige Stichtagsregelung stünde in keinerlei Beziehung zum Zweck der Zahlung des undifferenzierten Leistungsentgelts, würde sich damit nicht am gegebenen Sachverhalt orientieren und würde deshalb den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Die Tarifvertragsparteien haben unter Bezug auf das „zustehende Tabellenentgelt“ vielmehr lediglich eine Bemessungsgrundlage des Anspruchs auf ein undifferenziertes Leistungsentgelt für die Beschäftigten festgelegt, die im September 2007 im Arbeitsverhältnis standen.

20

a) Es wäre willkürlich, den Anspruch auf das undifferenzierte Leistungsentgelt an den Entgeltanspruch in einem einzigen Monat, nämlich im September 2007, zu knüpfen. Anders als bei einer Besitzstandszulage für einen abgeschafften Entgeltbestandteil (vgl. Senat 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 17, 20, BAGE 128, 219 für § 11 TVÜ-VKA) steht der Anspruch auf Entgeltzahlung in nur einem einzigen Monat des gesamten Jahres 2007 in keinerlei Beziehung zum Zweck dieser Zahlung, die Surrogat für das differenzierte Leistungsentgelt des gesamten Jahres 2007 sein sollte und für die die Mittel im Jahr 2006 erwirtschaftet worden waren. Auch ließe sich nicht erklären, warum dafür gerade die Verhältnisse im September 2007 und nicht etwa die im Juli 2007 oder Dezember 2007 maßgeblich sein sollten.

21

aa) Das undifferenzierte Leistungsentgelt stand in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung im Monat September 2007. Es wurde vielmehr „für“ das gesamte Jahr 2007 gezahlt (Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA)). Mit der Regelung in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) haben die Tarifvertragsparteien sichergestellt, dass der für das Leistungsentgelt an sich zur Verfügung stehende Leistungstopf auch dann ausgeschüttet wurde, wenn die Betriebsparteien entgegen der in Satz 1 und 2 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) zum Ausdruck gebrachten Intention der Tarifvertragsparteien die zur Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung erforderlichen Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen nicht rechtzeitig vereinbart hatten. Dieses Surrogat des differenzierten Leistungsentgelts haben sie grundsätzlich unabhängig vom Umfang der Arbeitsleistung im Jahr 2007 ausgestaltet. Sie haben den Anspruch lediglich an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im September 2007 und möglicherweise - was hier offenbleiben kann - an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Dezember 2007 geknüpft. Von einer Zwölftelungsregelung, mit der die Höhe des Anteils an der undifferenzierten Ausschüttung des Leistungsentgelts vom Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung im Jahr 2006 und/oder 2007 bzw. von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses in diesem Zeitraum abhängig gemacht worden wäre, haben die Tarifvertragsparteien abgesehen. Arbeitnehmer, die spätestens am 31. August 2007 ausgeschieden waren, sollten keinen Anspruch haben. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Jahr 2007 spätestens zum 1. September 2007 begründet worden war, sollten den vollen Anspruch erwerben (vgl. auch Rundschreiben der VKA vom 13. Juni 2007 - R 164/07 - dort VII). Auf den tatsächlichen Umfang der Arbeitsleistung im Jahr 2007 sollte es also nach dem tariflichen Regelungszweck gerade nicht ankommen.

22

bb) Die als undifferenziertes Leistungsentgelt ausgeschütteten Mittel wiesen ebenfalls keinen Bezug zum September 2007 und nicht einmal zum Jahr 2007 auf. Sie waren vielmehr aus umgewidmeten bisher fixen Entgeltbestandteilen des Jahres 2006 erwirtschaftet worden, wie sich aus § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) ergibt. Danach beträgt das zur Verfügung stehende Gesamtvolumen 1 vH der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. Nach der Niederschriftserklärung zu § 18 Abs. 3 TVöD (VKA) wird das als Zielgröße zu erreichende Gesamtvolumen von 8 vH aus den auslaufenden Besitzständen in pauschalierter Form sowie im Rahmen zukünftiger Tarifrunden finanziert. Dazu zählen umgewidmete tarifliche Entgeltbestandteile wie Einsparungen infolge der Umstrukturierung von Urlaubsgeld und Sonderzuwendungen zur Jahressonderzahlung sowie rückfließende Besitzstände durch den Wegfall des Anspruchs auf die Besitzstandszulage nach § 11 der Überleitungstarifverträge(BeckOK TVöD-AT/Schmidt-Rudloff Stand Juni 2010 § 18 (VKA) Rn. 8).

23

cc) Das im Jahr 2006 erwirtschaftete Volumen sollte also an die Beschäftigten, mit denen im September 2007 ein Arbeitsverhältnis bestand, nach dem „Gießkannenprinzip“ ausgeschüttet werden. Darauf, ob ein Arbeitnehmer in einem oder mehreren Monaten des Jahres 2007 einen Entgeltanspruch hatte oder nicht, kam es nach diesem Zweck der Leistung nicht an. Hätten die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund gleichwohl den Anspruch auf das undifferenzierte Leistungsentgelt für das Jahr 2007 vom Bezug von Entgelt oder Entgeltersatzleistungen im September 2007 abhängig machen wollen, hätten sie dies eindeutig geregelt und regeln müssen. Eine derartige Regelung wäre aber, wie schon dargelegt, willkürlich.

24

b) Die von der Beklagten angeführten Praktikabilitätsgesichtspunkte einer einfachen Berechnung der Leistung und einer unkomplizierten Abwicklung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Höhe des dem Beschäftigten im September 2007 zustehenden Entgelts sich ohne Weiteres aus der Entgelttabelle ablesen lässt und dies für die Zahlstelle keinen größeren Aufwand bedeutet als die Ermittlung, ob dem Beschäftigten in diesem Monat überhaupt ein (evtl. anteiliger) Anspruch auf das Tabellenentgelt zustand.

25

c) Die Bezugnahme auf das „zustehende Tabellenentgelt“ in Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) lässt sich danach nur als Festlegung einer Bemessungsgrundlage verstehen. Eine solche Festlegung war erforderlich, weil sich die persönlichen Verhältnisse der Beschäftigten und damit die Höhe des Tabellenentgelts im Laufe eines Jahres ändern können, etwa durch Höhergruppierungen oder Änderungen der Arbeitszeit. Insbesondere der allgemeine Stufenaufstieg der aus dem BAT übergeleiteten Angestellten zum 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA erforderte die Bestimmung einer Bemessungsgrundlage. Dabei war es vor dem Hintergrund, dass die Tarifvertragsparteien die Betriebsparteien dazu anhalten wollten, die erforderlichen betrieblichen Systeme zu schaffen, naheliegend, auf den September 2007 abzustellen. So war vor Durchführung des allgemeinen Stufenaufstiegs für eine Vielzahl von Beschäftigten noch ein niedrigeres Tabellenentgelt als ab Oktober 2007 maßgeblich. Wollten die Betriebsparteien den Beschäftigten die Chance auf ein höheres echtes Leistungsentgelt eröffnen, mussten sie bis zum 31. Juli 2007 eine Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung abschließen.

26

3. Die tarifliche Systematik steht dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar darf nach Satz 6 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA) das Gesamtvolumen nach § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) nicht überschritten werden. In diesem sind nur die tatsächlich ausgezahlten ständigen Monatsentgelte enthalten, wie sie in der Protokollerklärung zu § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) definiert sind. Maßgeblich sind aber nach § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) die im Vorjahr, also im Jahr 2006, ausgezahlten Beträge. Darum kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm (20. August 2009 - 17 Sa 701/09 -) und des Hessischen Landesarbeitsgerichts (18. Dezember 2009 - 19/3 Sa 213/09 -) aus der Deckelung des Anspruchs nicht geschlossen werden, dass die Berücksichtigung von Arbeitnehmern, die im September 2007 kein Entgelt bezogen haben, das zur Verfügung stehende Gesamtvolumen sprengen würde.

27

Ohnehin war systembedingt der 12%-Topf für das Jahr 2007 kleiner, als es der 1%-Topf bei Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung gewesen wäre. Dies folgt daraus, dass der Topf der 1%-Regelung sich nicht wie der der 12%-Regelung nur aus den Tabellenentgelten, sondern zusätzlich auch aus den in der Protokollerklärung zu § 18 Abs. 3 Satz 1 TVöD (VKA) aufgeführten Zulagen und anderen Bezügen speiste(Kuner Leistungsorientierte Bezahlung im TVöD und TV-L S. 73).

28

II. Zinsen stehen dem Kläger erst seit dem 3. Juni 2008 und nicht - wie vom Arbeitsgericht zugesprochen - seit dem 30. Mai 2008 zu. Insoweit war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern.

29

III. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    B. Stang    

        

    Augat    

                 
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 14/11/2017 00:00

Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02. Februar 2017 - 10 Ca 2304/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)