Bundesarbeitsgericht Beschluss, 15. Mai 2018 - 3 AZB 8/18

Gericht
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Januar 2018 - 5 Sa 150/16 - aufgehoben.
Gründe
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I. Die Parteien haben zunächst erstinstanzlich darüber gestritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers iHv. 1.140,40 Euro brutto monatlich ab dem 1. Januar 2013 anzupassen und ihm mindestens eine Betriebsrente iHv. insgesamt 1.151,80 Euro brutto monatlich zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 41.464,80 Euro festgesetzt.
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Der Kläger hat gegen dieses Urteil ohne Einschränkung Berufung eingelegt und diese gesondert begründet. Mit der Berufungsbegründung hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Januar 2013 seine Betriebsrente um monatlich 10,00 Euro zu erhöhen und ab diesem Zeitpunkt monatlich an ihn 1.151,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zudem hat er im Wege der Klageerweiterung begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die handelsrechtlichen Abschlüsse für die Jahre 2013 und 2014 sowie den vorläufigen Abschluss für das Jahr 2015 vorzulegen.
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Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe den Beschwerdewert von 600,00 Euro nicht erreicht, weil er seine Berufung auf den Anpassungsbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränkt habe, und die Berufung durch Beschluss verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde.
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II. Die zulässige (§ 77 Satz 1 und Satz 4 ArbGG iVm. § 575 ZPO) Revisionsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger kann gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG Berufung einlegen.
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1. Das ArbGG enthält keine Regelungen über die Ermittlung des Beschwerdewerts, nach dem sich bestimmt, ob die Berufung statthaft ist. Damit gelten die Vorschriften der ZPO über die Berufung entsprechend (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG). Der Beschwerdewert bestimmt sich nach den §§ 3 bis 9 ZPO(vgl. BAG 4. Juni 2008 - 3 AZB 37/08 - Rn. 8).
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2. Der Beschwerdewert beträgt vorliegend 48.375,60 Euro. Damit übersteigt er den Wert des Beschwerdegegenstands nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG iHv. 600,00 Euro.
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a) Für die Berechnung des Beschwerdewerts sind die Klageanträge des Klägers in der Berufungsinstanz maßgeblich. Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Berufungskläger im Umfang des Berufungsantrags durch das arbeitsgerichtliche Urteil beschwert ist (vgl. hierzu ausführlich BAG 4. Juni 2008 - 3 AZB 37/08 - Rn. 11 mwN). Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung bei der Festlegung des Beschwerdewerts nicht berücksichtigt werden kann.
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b) Für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist der Gesamtbetrag der begehrten künftigen monatlichen Betriebsrente iHv. 1.151,80 Euro, die Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger seine Berufung nicht auf die streitige Rentendifferenz von 10,00 Euro monatlich beschränkt.
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aa) Zwar kann ein Versorgungsempfänger lediglich den streitigen Differenzbetrag zwischen der vom Arbeitgeber gezahlten und der von ihm begehrten monatlichen Betriebsrente einklagen und hinsichtlich des unstreitigen Betrags voraussetzen, dass dieser nicht nur derzeit, sondern auch künftig freiwillig bezahlt wird. Ein solches prozessuales Vorgehen hat wegen der damit verbundenen Kostenersparnis auch Vorteile. Allerdings umfasst die Rechtskraft des Urteils bei der Geltendmachung von Teilansprüchen nur diesen Teil, nicht den freiwillig gezahlten Sockelbetrag (vgl. BAG 8. März 2017 - 3 AZN 886/16 (A) - Rn. 7 mwN). Bis zur Höhe des streitigen Differenzbetrags ist der Anspruch nicht Streitgegenstand des Verfahrens, sondern lediglich ein für die zu treffende Entscheidung vorgreifliches Rechtsverhältnis (vgl. BGH 30. Januar 1985 - IVb ZR 67/83 - zu I 1 a der Gründe mwN, BGHZ 93, 330). Deshalb hat die Partei regelmäßig ein Interesse daran, eine gerichtliche Entscheidung über den vollen Betrag der wiederkehrenden Leistungen zu erstreiten (vgl. BAG 8. März 2017 - 3 AZN 886/16 (A) - Rn. 7; 14. Februar 2012 - 3 AZB 59/11 - Rn. 10, BAGE 140, 362). Dieser Betrag ist, soweit er Gegenstand des Klageverfahrens ist, auch für die Ermittlung der Beschwer maßgeblich. Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 4. Juni 2008 (- 3 AZB 37/08 -) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.
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bb) Danach lässt der Berufungsantrag unter Heranziehung der Berufungsbegründung und unter Berücksichtigung der richtig verstandenen Interessenlage des Klägers nicht den Schluss zu, dass dieser seine Berufung auf den streitigen Spitzenbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränken wollte (zu den Auslegungsgrundsätzen von Klageanträgen vgl. BAG 27. Juni 2017 - 9 AZR 120/16 - Rn. 11 mwN). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut. Dieser bezeichnet ausdrücklich die beanspruchte monatliche Gesamtrente von 1.151,80 Euro. Bei einer beabsichtigten Beschränkung des Streitgegenstands in der Berufung hätte es nahegelegen, neben dem streitigen Anpassungsbetrag nur den unstreitigen Sockelbetrag zu benennen und etwa durch eine entsprechende Formulierung wie „über die gezahlte Betriebsrente iHv. 1.140,40 Euro brutto monatlich hinaus weitere 10,00 Euro brutto monatlich zu zahlen“ zu verdeutlichen, dass nur der Anpassungsbetrag streitgegenständlich sein soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufungsbegründung. Vielmehr weist der Kläger auf Seite 3 der Begründung ausdrücklich darauf hin, dass er bei seinem ursprünglichen Antrag bleiben wolle. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem wohlverstandenen Interesse des Klägers an einer rechtskräftigen Entscheidung über den gesamten Betrag seiner Betriebsrente.
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cc) Der Beschwerdewert errechnet sich nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Rentenbezugs (§ 9 Satz 1 ZPO). Er beträgt danach 48.375,60 Euro (42 x 1.151,80 Euro).
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III. Mit der Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses wird das Verfahren wieder in der Berufungsinstanz anhängig. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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Zwanziger
Ahrendt
Wemheuer

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Gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, der die Berufung als unzulässig verwirft, findet die Revisionsbeschwerde statt, wenn das Landesarbeitsgericht sie in dem Beschluss oder das Bundesarbeitsgericht sie zugelassen hat. Für die Zulassung der Revisionsbeschwerde gelten § 72 Absatz 2 und § 72a entsprechend. Über die Nichtzulassungsbeschwerde und die Revisionsbeschwerde entscheidet das Bundesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde gelten entsprechend.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
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die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
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wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
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das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.