Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Mai 2011 - 10 AZR 255/10

bei uns veröffentlicht am18.05.2011

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2010 - 3 Sa 638/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf die tarifliche Zulage für ständige Wechselschichtarbeit.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Juni 2000 bei der Beklagten in Vollzeit tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bund geltenden Fassung Anwendung.

3

Der Kläger arbeitet als Fachpfleger für Anästhesie im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. In der Abteilung Anästhesie wird nach einem Schichtplan im 3-Schicht-Modell gearbeitet:

        

-       

Frühschicht von 7:00 Uhr bis 15:18 Uhr

        

-       

Spätschicht von 11:42 Uhr bis 20:00 Uhr

        

-       

Nachtschicht von 18:30 Uhr bis 7:30 Uhr

4

Für die Zeit von 0:00 Uhr bis 5:12 Uhr ist in der Nachtschicht für alle Beschäftigten in der Abteilung Bereitschaftsdienst angeordnet. Wer Nachtschicht hat, hat automatisch auch Bereitschaftsdienst, der gesondert vergütet wird. Daneben gibt es einen Rufdienst, der an keine Schicht gebunden ist. Die Schichtzeiten beruhen auf einer Dienstvereinbarung.

5

Bis einschließlich Februar 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit in Höhe von 105,00 Euro monatlich, seither nur noch die Zulage für ständige Schichtarbeit in Höhe von 40,00 Euro monatlich.

6

§§ 7 und 8 TVöD in der gemäß § 46 Nr. 18 TVöD-BT-V(Bund) für die Bundeswehrkrankenhäuser anwendbaren Fassung des § 48 TVöD-BT-K lauten auszugsweise wie folgt:

        

„§ 7   

        

Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

        

...     

        

§ 8     

        

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

        

...     

        
        

(5)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde.

        

(6)     

Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 Euro pro Stunde.“

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Bereitschaftsdienstzeiten innerhalb der Schicht stellten keine Unterbrechung der Wechselschichtarbeit dar. Ein Fachpfleger für Anästhesie stehe während des Bereitschaftsdienstes auf Abruf bereit und sei daher eher einem Rettungssanitäter als einem Krankenpfleger vergleichbar. Im Übrigen würden während der Bereitschaftsdienste nicht nur Notfälle behandelt, sondern es komme auch zu geplanten Operationen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.235,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer Staffelung zu zahlen und

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat Oktober 2009 eine Wechselschichtzulage von monatlich 105,00 Euro brutto zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, Wechselschichtarbeit liege nicht vor, da eine Unterbrechung durch den Bereitschaftsdienst erfolge. Die verantwortungsvolle und wichtige Tätigkeit des Klägers ändere daran nichts. Die Zahlung in der Vergangenheit sei erfolgt, da man die Tariflage nicht richtig erkannt habe.

10

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der gezahlten Zulage für ständige Schichtarbeit und der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit (§ 8 Abs. 5 TVöD iVm. § 46 Nr. 18 TVöD-BT-V [Bund], § 48 TVöD-BT-K), da er keine Wechselschichtarbeit im Tarifsinn leistet.

13

1. Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn liegt vor, wenn in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen in aller Regel keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Unerheblich ist hingegen, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern tätig ist (st. Rspr., BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 15, AP TVöD § 8 Nr. 11; vgl. 20. Januar 2010 - 10 AZR 990/08 - Rn. 12 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Krankenanstalten Nr. 8; 24. September 2008 - 10 AZR 669/07 - Rn. 19 ff., BAGE 128, 29).

14

Dabei liegt eine Unterbrechung der Arbeit nicht nur bei völliger Arbeitsruhe vor, sondern auch dann, wenn Bereitschaftsdienst für alle Beschäftigten des Arbeitsbereichs, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, angeordnet ist (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 42). Bereitschaftsdienst ist nach der tariflichen Regelung seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden. Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Damit unterscheidet sich dieser Dienst von der vollen Arbeitstätigkeit, die von dem Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - zu III 2 der Gründe, BAGE 109, 254). Der Bereitschaftsdienst wird gesondert vergütet, und zwar zusätzlich zur regulären Vergütung (BAG 20. Januar 2010 - 10 AZR 990/08 - Rn. 18, AP TVG § 1 Tarifverträge: Krankenanstalten Nr. 8).

15

Hingegen führen Bereitschaftszeiten iSv. § 9 TVöD nicht zu einer Unterbrechung der Arbeit. Diese liegen innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und werden mit der regelmäßigen Vergütung entgolten. Der Beschäftigte muss damit zwar insgesamt keine höhere Arbeitsleistung erbringen, aber er muss dem Arbeitgeber für das vereinbarte monatliche Entgelt mehr Arbeits- und Anwesenheitszeiten für die Zeiten zur Verfügung stellen, in denen ein geringerer Arbeitsanfall vorliegt. Auch wenn nach dem äußeren Bild Bereitschaftsdienst und Bereitschaftszeiten häufig vergleichbar scheinen, bestehen Unterschiede in der Belastung. Arbeitnehmer, die Bereitschaftszeiten leisten, sind in stärkerem Maße an den Aufenthaltsort gebunden als Arbeitnehmer, die im Bereitschaftsdienst sind. Die Tarifvertragsparteien haben diese Unterschiede in der Intensität der Beanspruchung als unterschiedlich belastend angesehen und daher unterschiedlich ausgeglichen (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 669/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 29 [Rettungssanitäter]; 24. September 2008 - 10 AZR 939/07 - Rn. 32 ff. [Rettungsassistent]).

16

2. Eine für den Anspruch nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD schädliche Unterbrechung der Arbeit liegt auch dann vor, wenn der für alle Beschäftigten der Abteilung angeordnete Bereitschaftsdienst innerhalb einer Schicht liegt und vorher und nachher Vollarbeit erbracht wird. Entscheidend ist nach der tariflichen Regelung nicht, wann die Unterbrechung der Vollarbeit erfolgt, sondern dass für alle Beschäftigten der Abteilung eine solche Unterbrechung vorliegt.

17

Dass nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in geringem Umfang auch geplante Operationen im Bereitschaftsdienst durchgeführt wurden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dass die tariflichen Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst (§ 46 Nr. 18 TVöD-BT-V [Bund] iVm. § 45 Abs. 1 Satz 2 TVöD-BT-K) nicht vorgelegen hätten.

18

3. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht auf seine Qualifikation und deren Wertigkeit im Vergleich zu einem „normalen“ Krankenpfleger oder einem Rettungssanitäter an. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob im Arbeitsbereich Bereitschaftsdienst oder Bereitschaftszeiten iSv. § 9 TVöD geleistet werden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist Ersteres der Fall. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung zu Bereitschaftszeiten der Rettungssanitäter bzw. Rettungsassistenten (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 669/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 29 [Rettungssanitäter]; 24. September 2008 - 10 AZR 939/07 - Rn. 32 ff. [Rettungsassistent]) ist auf den vorliegenden Fall deshalb nicht anwendbar.

19

4. Bei der Behauptung des Klägers, im Schichtdienst eingesetzte Ärzte würden die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit erhalten, obwohl neben dem Frühdienst, dem Spätdienst und dem Nachtdienst Bereitschaftsdienst geleistet werde, handelt es sich um neuen Sachvortrag in der Revisionsinstanz, der gemäß § 559 ZPO keine Berücksichtigung finden kann.

20

II. Dementsprechend kann auch der Feststellungsantrag des Klägers keinen Erfolg haben.

21

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Walter Huber    

                 

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Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Oktober 2008 - 6 Sa 1777/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Wechselschichtzulage.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 2002 als Krankenschwester bei der Beklagten, die ein Klinikum betreibt, beschäftigt. Im Streitzeitraum von Februar bis November 2007 war sie im Bereich der Anästhesiologie/Intensivmedizin der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie tätig. Im Arbeitsbereich der Klägerin bestand ein Schichtplan, nach dem an Wochentagen im Dreischichtdienst „rund um die Uhr“ gearbeitet wurde. An Wochenenden und Feiertagen waren jeweils kombinierte Früh- und Spätschichten eingerichtet. Samstags wurde in der Zeit von 15:30 Uhr bis 18:30 Uhr und sonn- und feiertags von 2:50 Uhr bis 7:15 Uhr Bereitschaftsdienst geleistet.

3

Ab Januar 2007 trat ein Haustarifvertrag in Kraft, der auf der Basis des TVöD abgeschlossen wurde (Tarifvertrag für die Charité - Universitätsmedizin Berlin vom 1. Januar 2007, im Folgenden: TV-Charité). Nach § 8 Abs. 5 TV-Charité erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage von 105,00 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde. Ab Februar 2007 zahlte die Beklagte die Wechselschichtzulage nicht mehr, sondern nur noch die Schichtzulage von 40,00 Euro monatlich.

4

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe alle Voraussetzungen für die Wechselschichtzulage erfüllt. Die kurzfristige Unterbrechung der Vollarbeitszeiten durch Bereitschaftszeiten an Wochenenden und Feiertagen hindere den Anspruch nicht. Der Begriff der „ununterbrochenen“ Arbeit sei wie der Begriff der „ständigen“ Wechselschichtarbeit im Sinne von „fast ausschließlich“ zu verstehen. Der Umfang der Unterbrechung betrage weniger als 5 % der Gesamtarbeitszeit und sei daher unschädlich. Halte man derart kurze Unterbrechungen für anspruchshindernd, seien missbräuchliche Gestaltungen möglich. Darauf, dass der Personalrat bei der Erstellung der Schichtpläne mitwirke, komme es nicht an. Da die Beklagte bei der gleichen Arbeitszeitgestaltung unter der Geltung des BAT die Zulage gezahlt habe, sei es treuwidrig, sie nunmehr zu verweigern.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 650,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2007 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für die Wechselschichtzulage lägen nicht vor, da im Arbeitsbereich der Klägerin nicht ununterbrochen an allen sieben Tagen der Woche über 24 Stunden Vollarbeit geleistet worden sei.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet.

9

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin kein Anspruch nach § 8 Abs. 5 TV-Charité auf eine Wechselschichtzulage zusteht.

10

1. Der TV-Charité ist gemäß § 6 des Arbeitsvertrags auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbar.

11

2. Nach § 8 Abs. 5 TV-Charité erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro monatlich. Gemäß § 7 Abs. 1 TV-Charité ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

12

3. Ein Anspruch besteht nicht, da in dem Arbeitsbereich, in dem die Klägerin tätig war, nicht ununterbrochen bei Tag und Nacht in wechselnden Arbeitsschichten gearbeitet wurde.

13

a) Die Tarifvorschrift stellt für die Frage, ob Wechselschichten vorliegen, darauf ab, ob im Arbeitsbereich des Beschäftigten ununterbrochen eine Arbeitsleistung erbracht wird. § 7 Abs. 1 TV-Charité ist nahezu gleichlautend mit § 7 Abs. 1 TVöD und den Vorgängervorschriften § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT bzw. § 67 Nr. 45 BMT-G II. Daher kann zu ihrer Auslegung die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.

14

b) Aus dem Zusammenhang der Vorschriften ergibt sich, dass sich das Merkmal „ununterbrochen“ nur auf den Arbeitsbereich des Beschäftigten bezieht. Ob in anderen Abteilungen des Betriebs oder im gesamten Betrieb „rund um die Uhr“ gearbeitet wird, ist unerheblich (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 23 mwN, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 6). Durch die Wechselschichtzulage soll ungeachtet einzelner konkreter Belastungsfaktoren die generelle Belastung durch die Schichtarbeit honoriert werden, die im Wesentlichen durch die unterschiedlichen, den Lebensrhythmus bestimmenden Wechselschichten zum Ausdruck kommt. Diese werden durch den Schichtplan der Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist, definiert.

15

c) In der Abteilung der Klägerin wurde nicht ununterbrochen in wechselnden Arbeitsschichten gearbeitet.

16

aa) In Wechselschichten wird ununterbrochen „rund um die Uhr“ an allen Kalendertagen gearbeitet (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 25, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 6; 22. Februar 2001 - 6 AZR 603/99 - zu B I 2 der Gründe, ZTR 2002, 332). Wird an Sonn- und Feiertagen keine Schichtarbeit geleistet oder die tägliche Arbeit unterbrochen, liegt keine ununterbrochene Wechselschichtarbeit vor. Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Definition in § 7 Abs. 1 TV-Charité den Begriff der Wechselschicht abschließend und eindeutig formuliert. Danach steht jede Unterbrechung der täglichen Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, der Annahme von Wechselschichtarbeit entgegen.

17

bb) Bereitschaftsdienst oder eine völlige Arbeitsruhe unterbrechen die tägliche Arbeit. Ist Bereitschaftsdienst angeordnet, kann keine Wechselschichtzulage anfallen.

18

Der Senat hat in der Entscheidung vom 24. September 2008 (- 10 AZR 770/07 - EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 6) an diesem Erfordernis, das zu der fast wortgleichen Vorschrift des § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT aufgestellt worden war, bezüglich des Bereitschaftsdienstes auch für den TVöD festgehalten. Bereitschaftsdienst ist keine Arbeitszeit im Sinne der Tarifvorschrift, da sich die Beschäftigten dabei auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (§ 7 Abs. 3 TV-Charité). Der Bereitschaftsdienst ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden. Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Der Bereitschaftsdienst unterscheidet sich seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die von dem Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 29, aaO), aber auch von den Bereitschaftszeiten, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen (wie sie beispielsweise bei Rettungssanitätern üblich sind, vgl. BAG 24. September 2008 - 10 AZR 669/07 - EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 5). Bereitschaftsdienst wird gesondert vergütet, und zwar zusätzlich zur regulären Vergütung (§ 8 Abs. 4 TV-Charité).

19

Sieht der Schichtplan einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in verschiedenen Schichten und an bestimmten Tagen daneben Bereitschaftsdienst vor, legt er die regelmäßige Arbeitszeit des Beschäftigten mit einem im Voraus feststehenden Unterbrechungszeitraum fest. Dieser Zeitraum liegt außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit. Hätten die Tarifvertragsparteien den Bereitschaftsdienst als ununterbrochene Arbeit berücksichtigen wollen, hätten sie dies im Tarifvertrag ausdrücken müssen. Die nahezu wortgleiche Übernahme von § 7 Abs. 1 TVöD und dessen Vorgängerregelung spricht dafür, dass sie ihrer Regelung keine andere Bedeutung geben wollten.

20

cc) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Unterbrechungszeitraum im Verhältnis zur Schichtarbeit gering ist. Die Tarifvertragsparteien haben dem Begriff „ununterbrochen“ nicht den Sinn beigelegt, dass geringfügige Unterbrechungen unschädlich sein sollen. Wäre dies der Fall, müssten sich aus dem Tarifvertrag Anhaltspunkte dafür ergeben, ab welchem Umfang Unterbrechungen unerheblich sein sollten. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich keine Parallele zu dem Begriff der „ständigen“ Schichtarbeit ziehen, deren Unterbrechung im Umfang von 25 % der Gesamtarbeitszeit unschädlich ist, denn der Begriff „ständig“ ist gleichbedeutend mit „sehr häufig“, „regelmäßig“ oder „fast ausschließlich“ zu verstehen (BAG 12. November 1997 - 10 AZR 27/97 - zu II 2 a der Gründe, ZTR 1998, 181). Die Tarifvertragsparteien haben die Begriffe in Kenntnis ihrer unterschiedlichen Interpretation durch das Bundesarbeitsgericht auch in dem neuen Tariftext verwendet. Daraus geht hervor, dass sie an der Unterscheidung festhalten wollten. Der Begriff der ununterbrochenen Wechselschichtarbeit bezieht sich auf die vom Arbeitgeber durch die Schichtpläne vorgenommene Organisation der Arbeit. Der Begriff der ständigen Schichtarbeit bezieht sich auf die persönliche Arbeitsleistung des jeweiligen Arbeitnehmers, bei der gewisse Unterbrechungen dem Anspruch auf die Zulage nicht entgegenstehen.

21

Der Zweck der Wechselschichtzulage als Erschwerniszulage zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Die Zulage soll die Belastung ausgleichen, die durch zeitlich versetzte wechselnde Arbeitsschichten und deren Einfluss auf den Biorhythmus entsteht. Dem ist die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 2 TV-Charité geschuldet, wonach ein stundenweiser anteiliger Ausgleich für nicht ständige Wechselschichtarbeit gezahlt wird. Unter dieser Erschwernis können auch Arbeitnehmer leiden, die innerhalb einer Schicht nur kurze Bereitschaftsdienste leisten (vgl. BAG 24. September 2008 - 10 AZR 669/07 - Rn. 40, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 5). Den Tarifvertragsparteien steht es jedoch frei, die Voraussetzungen für Zulagen festzulegen. Sie haben danach an die Organisationsebene strengere Anforderungen gestellt als an die persönlich zu leistende Arbeitszeit innerhalb der Wechselschichten und damit einen über den Ausgleich der jeweiligen persönlichen Belastung hinausgehenden Zweck bestimmt.

22

4. Dass die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, nunmehr Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EG Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9) kein anderes Auslegungsergebnis vorgibt, hat der Senat im Urteil vom 24. September 2008 (- 10 AZR 770/07 - Rn. 34 ff., EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 6) eingehend begründet. Die Klägerin hat hiergegen keine durchgreifenden Bedenken geäußert. Die Tarifvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen oder eine unterschiedliche Vergütung vorsehen (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - BAGE 109, 254).

23

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Bereitschaftsdienst treuwidrig angeordnet hätte, um den Arbeitnehmern den an sich bestehenden Anspruch auf die Zulage vorzuenthalten, sind nicht vorgetragen. Die Beklagte handelt auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Tariflage beruft, selbst wenn sie in der Vergangenheit bei gleicher Schichtgestaltung die Zulage gezahlt hat.

        

    Mikosch    

        

    Marquardt    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Walter Huber    

        

    Kiel    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)