Amtsgericht Siegen Beschluss, 17. Sept. 2014 - 31 IV 618/10

Gericht
Tenor
Der Antrag der Beteiligten vom ? (ohne Datum), hier eingegangen am 11. September 2014 auf Zurücknahme des unter VwBNr. 73148 verwahrten Erbvertrags vom 9. März 2010 – UR und des im Schreiben der Beteiligten konkludent enthaltenen Antrags auf Bestimmung eines Termins zur Rückgabe der Verfügung von Todes wegen wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
Gründe:
2Die Beteiligten, welche bereits am 15. August 2014 hier erschienen zwecks Rücknahme des o.g. Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung wurden bereits in diesem Termin auf die Voraussetzungen der Rücknahmemöglichkeit eines Erbvertrags hingewiesen, woraufhin sie wegen der von mir mündlich geäußerten Bedenken von ihrem Vorhaben Abstand nahmen und um erneute Inverwahrnahme des Vertrages baten.
3Inhalt dieses Gespräches war auch der Umstand, dass die Rückgabe der Verfügung von Todes wegen nur persönlich – also nicht auf dem Postweg- erfolgen könne, § 2300 Abs. 2 BGB, weshalb bei verständiger Würdigung des Ansinnens der Beteiligten dieses auch auf Bestimmung eines erneuten Termins zur Rückgabe auszulegen und zu werten ist.
4Hierfür fehlt allerdings das Rechtsschutzbedürfnis, da der Inhalt des Vertrags aus den bereits mündlich erläuterten Gründen , vgl. Protokoll vom 15. August 2014, Blatt 4 dieser Akte, eine Rückgabe nicht erlaubt, und zwar wegen der dort unter Ziffer 3 getroffenen Regelungen zur Vermögenssorge hinsichtlich des unter Ziffer 1 beschriebenen Vermächtnisses.
5- Soweit im Protokoll vom 15. August 2014 auf Ziffer 2 des Vertrags verwiesen wurde, handelte es sich um einen Schreibfehler, da es insoweit „unter Ziffer 3“ hätte heißen müssen.-
6Hierin bestimmte der der als Erblasser aufgetretene Herr , dass die Vermögenssorge der Eltern des Vermächtnisnehmers dahingehend beschränkt werde, dass „für den Fall dass der Vermächtnisnehmer...zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig sein sollte“ insoweit „alleine vom Kindesvater ...., ausgeübt werden“ solle, was nach Auffassung der Unterzeichnerin keine Verfügung von Todes wegen im klassischen Sinne darstellt, weshalb die Rückgabe im o.g. Termin nicht erfolgte.
7Durch das OLGVertrÄndG wurde zwar die Vorschrift des § 2300 BGB um einen Absatz 2 ergänzt, der die Regelung zur Rückgabe eines Erbvertrags (die bis dahin nicht (mit Widerrufswirkung) möglich war) lockerte, aber die Rückgabe aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung mit der Widerrufsfiktion des § 2256 Abs. 1 BGB nur für den Fall erlaubt, dass der Erbvertrag ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält.
8Im hier am 11. September 2014 eingegangenen Schreiben der Beteiligten führen diese aus, dass es sich bei der Anordnung hinsichtlich der Vermögenssorge nur um „Festlegungen im erbrechtlichen Bereich zur näheren Ausgestaltung des ... Vermächtnisses“ handele und wiesen auf die „nach dem Erbrecht gegebenen Beschränkungsmöglichkeit“ der §§ 1638, 1649 BGB hin.
9Zwar ist § 1649 BGB im Zusammenhang mit der Beschränkungsmöglichkeit des § 1638 BGB nicht einschlägig, da sich erstere Vorschrift mit der Verwendung der Einkünfte des Kindesvermögens beschäftigt. Aus dem Zitat auch dieser Vorschrift wird jedoch deutlich, dass es den Beteiligten nicht um eine erbrechtliche, sondern eine Regelung mit familienrechtlichem Bezug ging, nämlich um die Sicherstellung, dass lediglich der am Vertrag beteiligte Vater des Vermächtnisnehmers über die Verwendung des vermächtnisweise zugedachten Vermögens zu entscheiden hatte, was gem. § 1638 BGB möglich ist. Die hierdurch mögliche Beschränkung der Vermögenssorge bezieht sich nämlich ausschließlich auf den Ausschluss der Verwaltung des zugewendeten Vermögens, betrifft also einen familienrechtlichen Aspekt. Die – erbrechtlich relevante- Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung des zugewendeten Vermögens kann hierdurch nicht beeinflusst werden, vgl. Palandt, 72. Auflage, Rz 2 zu § 1638.
10Unbestritten können auch andere als die “klassischen“ Anordnungen wie Erbeinsetzung, Vermächtnisse und Auflagen Inhalt von Verfügungen von Todes wegen sein. Neben erbrechtlichen Erklärungen können auch andere Erklärungen darin enthalten sein, vgl. Palandt, 72. Auflage, Rz 6 ff, wozu (vgl. Rz 9) auch die o.g. „familienrechtliche Anordnung“ zählt.
11Da es sich hierbei jedoch dem Inhalt nach um keine erbrechtliche Bestimmung handelt, kann das Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen, also einer „erbvertragstypischen Verfügung“ , § 2278 BGB, nicht bejaht werden.
12Nicht nur die im Schrieben der Beteiligten erwähnten Rechtsgeschäfte unter Lebenden fallen aus dem Kreis der Verfügungen von Todes wegen heraus, falls im Erbvertrag enthalten, sondern auch Regelungen im Sinne von § 1638 BGB, weil hierdurch kein erbrechtlich relevanter Bereich berührt wird, sondern es um die Verfügungsbefugnis gesetzlicher Vertreter über durch erbrechtliche Regelungen angefallenes Vermögen der Vertretenen geht, wobei nur in die Verwaltung des zugewendeten Vermögens eingegriffen wird und werden kann, nicht aber in den – erbrechtlichen- Vorgang des Anfalls, s.o.
13Der Umstand, dass der Vermächtnisnehmer nach dem im Vertrag angegebenen Geburtsdatum (11.5.1994) inzwischen volljährig ist und damit die getroffene Regelung zu seiner gesetzlichen Vertretung hinfällig geworden sein dürfte, konnte die Entscheidung über die Rückgabemöglichkeit nicht positiv beeinflussen, da weder im Testamentseröffnungs- noch im Rücknahmeverfahren eine Prüfung der Wirksamkeit der getroffenen Anordnungen zu erfolgen hat. Abzustellen war daher lediglich auf den Umstand, dass die besagte Regelung Inhalt des Vertrags ist, ungeachtet von deren tatsächlichem Durchgreifen.
14Nach alledem kann bei einer solchen Anordnung nicht vom Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen ausgegangen werden, weshalb der Antrag zurückzuweisen war.
15Für den Fall, dass es den Beteiligten nicht – auch – um Anberaumung eines Termins zur Rückgabe ging, sondern der Antrag ausschließlich auf Rückgabe im Postweg zielte, hatte Zurückweisung bereits wegen dieses nicht möglichen Rückgabeverfahrens zu erfolgen, s.o.
16Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von einem Monat seit seiner schriftlichen Bekanntgabe Beschwerde beim Amtsgericht –Nachlassgericht- Siegen, Berliner Str. 21-22, 57072 Siegen schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Sie soll begründet werden.
17Die Beschwerde ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, sofern der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat. Kann die schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Beschwerdefrist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts erklärt werden, muss jedoch innerhalb der Beschwerdefrist bei dem vorgenannten Amtsgericht eingegangen sein.
18Ist die Beschwerde nach den Ausführungen oben Absatz 2, Satz 1 nicht zulässig, kann der Beschluss mit der Erinnerung angegriffen werden. Die Erinnerung ist schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle innerhalb von einem Monat bei dem Amtsgericht –Nachlassgericht-Siegen, Berliner Str. 21-22, 57072 Siegen einzulegen. Die Erinnerung soll begründet werden. Hinsichtlich der Fristberechnung und der möglichen Einlegung der Erinnerung zur Niederschrift der Geschäftsstelle gelten die Ausführungen über die Beschwerde entsprechend.

moreResultsText
Annotations
(1) Die §§ 2259 und 2263 sind auf den Erbvertrag entsprechend anzuwenden.
(2) Ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, kann aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und den Vertragsschließenden zurückgegeben werden. Die Rückgabe kann nur an alle Vertragsschließenden gemeinschaftlich erfolgen; § 2290 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 gilt entsprechend. Wird ein Erbvertrag nach den Sätzen 1 und 2 zurückgenommen, gilt § 2256 Abs. 1 entsprechend.
(1) Ein vor einem Notar oder nach § 2249 errichtetes Testament gilt als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. Die zurückgebende Stelle soll den Erblasser über die in Satz 1 vorgesehene Folge der Rückgabe belehren, dies auf der Urkunde vermerken und aktenkundig machen, dass beides geschehen ist.
(2) Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit verlangen. Das Testament darf nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 gelten auch für ein nach § 2248 hinterlegtes Testament; die Rückgabe ist auf die Wirksamkeit des Testaments ohne Einfluss.
(1) Die Vermögenssorge erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen, durch unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall oder unter Lebenden erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
(2) Was das Kind auf Grund eines zu einem solchen Vermögen gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vermögen gehörenden Gegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vermögen bezieht, können die Eltern gleichfalls nicht verwalten.
(3) Ist durch letztwillige Verfügung oder bei der Zuwendung bestimmt, dass ein Elternteil das Vermögen nicht verwalten soll, so verwaltet es der andere Elternteil. Insoweit vertritt dieser das Kind.
(1) Die Einkünfte des Kindesvermögens, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Vermögens nicht benötigt werden, sind für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Soweit die Vermögenseinkünfte nicht ausreichen, können die Einkünfte verwendet werden, die das Kind durch seine Arbeit oder durch den ihm nach § 112 gestatteten selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt.
(2) Die Eltern können die Einkünfte des Vermögens, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Vermögens und für den Unterhalt des Kindes nicht benötigt werden, für ihren eigenen Unterhalt und für den Unterhalt der minderjährigen Geschwister des Kindes verwenden, soweit dies unter Berücksichtigung der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Beteiligten der Billigkeit entspricht.
(1) Die Vermögenssorge erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen, durch unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall oder unter Lebenden erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
(2) Was das Kind auf Grund eines zu einem solchen Vermögen gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vermögen gehörenden Gegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vermögen bezieht, können die Eltern gleichfalls nicht verwalten.
(3) Ist durch letztwillige Verfügung oder bei der Zuwendung bestimmt, dass ein Elternteil das Vermögen nicht verwalten soll, so verwaltet es der andere Elternteil. Insoweit vertritt dieser das Kind.
(1) Die Vermögenssorge erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen, durch unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall oder unter Lebenden erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
(2) Was das Kind auf Grund eines zu einem solchen Vermögen gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vermögen gehörenden Gegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vermögen bezieht, können die Eltern gleichfalls nicht verwalten.
(3) Ist durch letztwillige Verfügung oder bei der Zuwendung bestimmt, dass ein Elternteil das Vermögen nicht verwalten soll, so verwaltet es der andere Elternteil. Insoweit vertritt dieser das Kind.