Amtsgericht Pankow Urteil, 8. Mai 2019 - 2 C 358/18

published on 25/09/2024 12:36
Amtsgericht Pankow Urteil, 8. Mai 2019 - 2 C 358/18
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Gericht

Richter

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Rechtsanwalt

Daniel Schwarz

Amtsgericht Pankow/Weißensee

Urteil vom 8. Mai 2019

Az.: 2 C 353/18

 

 

                                          

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

S____ _____, ___________ ___, ____ Berlin

- Kläger -

 

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Daniel Schwarz, Potsdamer Straße 107, 10785 Berlin

 

gegen

 

1)    T_____ GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer T___ _____, __________ ___, _____ Berlin

-  Beklagte -

 

2)    ____ B____, _________ ___, _____ _______

-  Beklagter -

 

Prozessbevollmächtigte  zu  1 und 2:

Rechtsanwälte BSP - Bierbach, Streifler & Partner, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin

 

 

hat das Amtsgericht Pankow/Weißensee durch den Richter am Amtsgericht Gellermann am 08.05.2019 aufgrund des Sachstands vom 24.04.2019 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

 

 

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, das am 10.3.2018 und am 30.7.2018 ausgesprochene Hausverbot zurückzunehmen.

 

2. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu·1) je zur Hälfte. Der Kläger trägt die außergerichtlichen  Kosten des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) die des Klägers zur Hälfte. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils beitreibbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

 

Tatbestand

Die Beklagte zu 1) betreibt unter der im Passivrubrum angegebenen Anschrift ein sogenanntes Sportcenter in welchem unter anderem verschiedene Sportarten ausgeübt werden können. Der Angebotsbereich ergibt sich aus der als Anlage-K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.12.2018 eingereichten Website der Beklagten zu 1) Der Kläger ist Amateurtennisspieler  und nimmt an Verbandsspi elen teil. Darüber hinaus gibt er Trainingsstunden und buchte in der Vergangenheit Plätze bei der Beklagten zu 1). Im September 2015 sprach der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), der im Rahmen dieses Verfahrens zunächst ebenfalls in Anspruch genommene Beklagte zu 2), dem Kläger gegenüber ein Hausverbot aus. Der als Anlage-K1 zur Klageschrift eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Beklagten zu 2) zufolge waren Anlass unter anderem Vorfälle, die auch Gegenstand des von Frau B____ zur Geschäftsnummer  ______/___ des hiesigen. Gerichts eingeleiteten Gewaltsschutzverfahrens gewesen sind. Die als Anlage-K1 zur hiesigen Akte gereichte eidesstattliche Versicherung wurde von der dortigen Antragstellerin im Original zum  dortigen  Verfahren  eingereicht,  nachdem  Frau  B______  die einstweilige Anordnung  vom 21.9.2019 erwirkt hatte, welche bis zum 21.3.2016 befristet war und der hiesige Kläger darauf hin einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Durch Beschluss des Familiengerichts vom 30.10.2015 wurde die Gewaltsschutzanordnung aufrechterhalten, die es dem hiesigen Kläger unter anderem untersagte, sich der Arbeitsstelle der Antragstellerin bei der Beklagten auf eine Entfernung weniger als 50 m zu nähern. Das ursprünglich für die Dauer eines Jahres ausgesprochene Hausverbot von 2015 wurde zunächst mündlich am 10.3.2018 aufrechterhalten. An diesem Tag verwies die Beklagte zu 1) durch den Beklagten zu 2) den Kläger, der aus Anlass eines Mannschaftsspiel der Berliner Meisterklasse erschienen war, aus dem Räumen. Mit dem in Ablichtung als Anlage K3 eingereichten Schreiben zu 1)  vom 30.7.2018 ließ diese über ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mitteilten, dass das Hausverbot aus fortbestehenden Gründen seiner Erteilung unverändert und auf unbestimmte Zeit bestehen bleibe.

 

Nachdem in der Kläger zunächst beide Beklagte in Anspruch genommen hat und den Antrag angekündigt hat,

 

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dem Kläger gegenüber ein Hausverbot zu erteilen, soweit dies ohne Veranlassung geschieht,

 

hat der Kläger die Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) zurückgenommen  und beantragt nun­ mehr,

 

wie erkannt.

 

Die Beklagte zu   1), welcher der Klageänderung widersprochen hat, beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt, dem  Kläger  die Kosten des Rechtsstaats  aufzuerlegen,  soweit die Klage zurückgenommen wurde.

 

Die Beklagten  behaupten, der  Kläger habe ungeachtet der Umstände, die zu dem Erlass der einstweiligen  Anordnung  in dem im Tatbestand  bezeichneten Verfahren geführt habe, den Betriebsfrieden ständig gestört. Hierbei sei es unter anderem um Vorfälle mit anderen Tennistrainern im Bezug auf die Zuteilung von Trainingsplätzen,  der Verteilung von Tennisschülern und der Beschädigung von Trainingsmaterial gegangen. Bereits im Jahre 2002 sei erstmals gegenüber dem Kläger ein Hausverbot erteilt worden. Dieses Hausverbot sei zunächst 2004 aufgehoben worden.

Auch während des bestehenden Hausverbotes habe der Kläger die Anlage immer wieder betreten und damit gegen das Hausverbot verstoßen. Wegen der fortdauernden Störung des Betriebsablaufes sei auch die Erneuerung des Hausverbotes mit Schreiben vom 30. 7. 2018 keinesfalls willkürlich oder grundlos erfolgt, wie der unstreitige Versuch der Teilnahme an einem Punktspiel am 10.3.2018 dokumentiere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst der dazu eingereichten Anlagen.

Das Gericht hat mit Zustimmung der Parteien durch Beschlüsse vom 12.3.2019 das schriftliche Verfahren angeordnet und eine Schriftsatzfrist bis zum 24.4.2019 gesetzt.

 

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem nach der teilweisen Klagerücknahme noch verbliebenen Umfang zulässig. Den zunächst unzulässigen, weil zu unbestimmt geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegenüber beiden Beklagten verfolgt der Kläger nicht mehr weiter. Nach der teilweisen Klagerücknahme macht er nunmehr einen Leistungsantrag, welcher dem Anwendungsbereich des § 894 ZPO unterfällt, lediglich noch gegenüber der Beklagten zu 1) geltend. Hierbei handelt es sich um eine nicht der Regelung des § 263 ZPO unterfallende Klageänderung, sondern um eine sogenannte qualitative Antragsänderung ( vergleiche hierzu Zöller, ZPO 32 Aufl. § 264 Rnr. 3b), auf die gemäß § 264 Nummer 2 ZPO nicht die Grundsätze über die Klageänderung anzuwenden sind, wonach im übrigen aber auch die Zulässigkeit der Klageänderung infolge von Sachlichkeitserwägungen zu bejahen wäre.

 

Die Klage - soweit gegenüber der Beklagten zu 2) noch rechtshängig - auch begründet.

 

Nach ihrem im Tatbestand erwähnten Internetauftritt bietet die Klägerin ihre Leistungen öffentlich einem nicht näher bestimmten Personenkreis an, mit der Folge, dass ein Hausverbot gegenüber Kunden nach wohl einhelliger  Meinung nur aus Anlass eines rechtfertigenden Grundes ausgesprochen werden kann. Diese bereits nach der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung postulierte Einschränkung wurde zunächst mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens begründet, wonach  es dem Eigentümer eines Betriebes untersagt war, willkürlich Hausverbote zu verhängen, wenn er ein Geschäft für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Zugangsbeschränkung eröffnet und damit zum Ausdruck bringt, dass er an jeden Kunden Leistungen erbringen will (vgl. BGH NJW 1994,188). Im weiteren Verlauf wurden diese Einschränkungen auch mit der zivilrechtlichen Bindung an die Grundrechte begründet, wonach das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Kunden mit den Grundrechten der unternehmerischen Freiheit (Art. 12 GG) sowie der Ausübung der Eigentumsrechte (Art. 14 GG) und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) abzuwägen ist (vergleiche BGH NJW 2010,534; NJW 2012, 1275).

 

Das allgemeine Hausrecht der Beklagten zu 2) steht vorliegend nicht zur Debatte und wird vom Kläger auch gar nicht in Zweifel gezogen. Indessen beruft sich der Kläger zu Recht darauf, dass nach den eingangs erwähnten Kriterien der Rechtsprechung der erneute Ausspruch bzw. die Aufrechterhaltung des im Jahre 2015 erteilten Hausverbotes durch die im Urteilstenor zur 1 erwähnten Handlungen nicht gerechtfertigt ist. Hierzu hat das Gericht in seinem Hinweisbeschluss vom 19.2.2019 folgendes ausgeführt:

 

1.

Das Gericht weist zunächst auf hin, dass sich nach Beiziehung der Akten des Familiengerichts ________/__ der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt bestätigt. Der in der mündlichen Verhandlung angesprochen  Beschluss hält lediglich den Ausgangsbeschluss  aufrecht und ist zustande gekommen, nachdem der hiesige Kläger im dortigen Verfahren einen Antrag. auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 Familienverfahrensgesetz nach Erlass des Ausgangsbeschlusses gestellt hat. Er ist damit seinerseits befristet.

 

2.

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, erfordert der Ausspruch eines Hausverbots einen sachlichen Grund. Dies gilt auch für die Beklagte, der insoweit die Kenntnisnahme der vom Kläger zitierten Rechtsprechung anheimgestellt wird. Jedenfalls ist bisher nichts dafür vorgetragen, dass die Beklagte ihre Dienstleistungen nur gegenüber einem ganz beschränkten Kreis an Kunden oder Vereinsmitgliedern anbietet. Dieser sachliche Grund kann nach Auffassung des Gerichts nicht mehr mit den in der Vergangenheit liegenden Vorfällen gerechtfertigt werden, denn ausweislich der als Anlage K1 eingereichten „eidesstattlichen Versicherung" war das Hausverbot wegen sämtlicher in der Vergangenheit  liegender Vorfälle zunächst zetlich befristet ausgesprochen worden. Dies kann ein unbefangener Betrachter  nur so verstehen, dass nach Fristablauf jedenfalls dann nicht mehr mit der Fortsetzung eines auf alte Vorfälle begründeten Hausverbots gerechnet werden  muss, wenn nicht ein neuerlicher Vorfall Anlass zur weiteren Aufrechterhaltung des Hausverbots gibt. Aus diesem Grunde rechtfertigt jedenfalls das Erscheinen des Klägers auf dem Betriebsgelände  der  Beklagten am  10.3.2018 für  sich genommen  nicht den neuerlichen Ausspruch/die  Aufrechterhaltung  des zunächst ausgesprochenen Verbotes.  Gerechtfertigt  sein könnte dies allenfalls, wenn der Kläger während der einjährigen Befristung des Hausverbotes gegen dieses selbst verstoßen hätte oder nach Ablauf der einjährigen Befristung Anlass für· den Ausspruch eines neuen Hausverbotes gegeben hätte. Hierzu müsste die Beklagte schon im einzelnen  und unter  Beweisantritt  vortragen,  wann genau  auf welche Weise während der Befristungsdauer des Hausverbotes oder danach ein Vorfall stattgefunden hat, welcher sich auf den ungestörten Betriebsablauf auswirkt. Hieran fehlt es bisher.

 

Die Beklagte zu 2) hat hierzu auch in ihrem Schriftsatz vom 6.3.2019 nichts Substanzielles vor­ getragen.  Ob die von der Beklagten zu 2) im einzelnen benannten Vorfälle ein zeitlich unbeschränktes Hausverbot rechtfertigen würden, kann hier dahinstehen. Durch die - im allgemeinen auch sachgerechte - zeitliche Beschränkung hat sie sich gebunden und kann sich nunmehr nicht zur Aufrechterhaltung oder dem Ausspruch eines neuen Hausverbotes auf Umstände berufen, welche zum Zeitpunkt des Ausspruchs des ursprünglichen Vertretungsverbotes vorgelegen haben. Gründe in der Person der Angestellten der Beklagten zu 2), die eine erneute Gewaltsschutzanordnung gegenüber dem Kläger nach Auslauf der vorangegangenen rechtfertigen würden, hat die Beklagte zu 2) ebenfalls nicht unter Beweisantritt vorgetragen. Hiernach kann sie dem Kläger nicht unter Bezugnahme auf alte Gründe den Zutritt zu ihren Räumlichkeiten für alle Ewigkeit untersagen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,269 Abs. 3,92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

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