Amtsgericht Nürtingen Urteil, 25. Jan. 2013 - 46 C 1399/12

bei uns veröffentlicht am25.01.2013

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert: 600,00 Euro

Tatbestand

 
Mit der beim Amtsgericht Nürtingen am 05.08.2012 eingegangenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in B, die Zahlung von 600,00 Euro nebst Zinsen im Hinblick auf den vom Kläger gebuchten Flug mit der Nr. ... vom 22.02.2009 von Stuttgart-Flughafen nach Z und den geplanten und gebuchten Weiterflug von Z nach H mit der Flugnummer ....
Planmäßiger Abflug des Fluges am 22.02.2009 ab Stuttgart war um 21.10 Uhr, vorgesehene Ankunftszeit in Z 21.55 Uhr. Der anschließende Weiterflug nach H war für 22.40 Uhr (Abflug) geplant, die Ankunft in H sollte am darauffolgenden Tag, also dem 23.02.2009 um 17.25 Uhr erfolgen.
Unstreitig verzögerte sich der Abflug ab Stuttgart derart, dass es dem Kläger zeitlich nicht möglich war, den Anschlussflug Nr. ... von Z nach H zu erreichen. Zwar sind die tatsächlichen Abflug- und Landedaten des Fluges von Stuttgart nach Z von beiden Parteien nicht detailliert vorgetragen worden, der Kläger spricht von einer Verspätung von ca. 1 Stunde, unstreitig ist jedoch, dass die Verspätung unter 2 Stunden geblieben ist (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.10.2012, Bl. 34 d. GA.).
Weiter unstreitig ist, dass die SE AG den Flug von Stuttgart nach Z am 22.02.2009 ausgeführt hat, worauf der Richter nicht nur in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Nürtingen vom 14.01.2013 explizit hingewiesen hat, vgl. Protokoll S. 2, Bl. 38 d. GA., sondern auch bereits in der Ladungsverfügung vom 18.09.2012, Bl. 19 d. GA.
Der Kläger legte dem Gericht einen detaillierten Reiseplan vor, der das jeweils ausführende Luftfahrtunternehmen nennt, sowie genaue Abflug- und Landedaten der geplanten Flüge enthält. Aus diesem Reiseplan ist ersichtlich, dass die SE AG den Flug von Stuttgart nach Z durchführen sollte, vgl.Bl. 23 d.GA.
Nach Übernachtung in Z trat der Kläger am Folgetag 23.02.2009 den Weiterflug nach H an, wobei er zunächst mit dem Flug ... von Z nach F und von dort weiter mit der De (Flug Nr. ...) um 17.35 Uhr mit der vom Kläger behaupteten Landung in H am 24.02.2009 um ca. 11.20 Uhr Ortszeit geflogen ist. Geplante und tatsächliche Ankunft in H weichen nach Angaben des Klägers ca. 18 Stunden voneinander ab, vgl. Bl. 3 d. GA.
Die Bordkarten der zuletzt genannten Flüge (Z-F, F-H) legte der Kläger dem Gericht nach Aufforderung durch Verfügung vom 18.09.2012 zusammen mit der Bordkarte des Fluges Stuttgart-Z mit der Flugnummer ... (Boarding 20.40 Uhr) vor, vgl. Bl. 24 d. GA.
Die nach den Behauptungen des Klägers ihm ebenfalls bereits in Stuttgart ausgestellten Bordkarten für den ursprünglich am 22.02.2009 geplanten Weiterflug von Z nach H seien von einem Mitarbeiter der "S" am Flughafen Z einbehalten worden.
Der Kläger fasst die ursprünglich geplanten Flüge als Einheit auf und bestimmt die Flugstrecke auf über 3.500 km und verlangt aus diesem Grund von der Beklagten Ausgleichszahlung i.H.v. 600,00 Euro gemäß Art. 7 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden nur: Verordnung).
10 
Der Kläger weist insoweit auf die Rechtsprechung des EuGH, Aktenzeichen C - 402/07 und C - 432/07 vom 19.11.2009 sowie auf die Urteile des Amtsgerichts Bremen vom 08.05.2007, Aktenzeichen 4 C 420/06 und des OLG Bremen, Urteil vom 23.04.2010, Aktenzeichen 2 U 50/07 hin, wonach nicht nur im Falle eines annullierten Fluges, sondern auch dann Ausgleichsansprüche in Betracht kommen, wenn der Fluggast wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleidet.
11 
Unstreitig ist, dass außergewöhnliche Umstände in dem Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung nicht vorgelegen haben.
12 
Dass die SE AG - und nicht die vom Kläger in Anspruch genommene SI AG - den Flug von Stuttgart nach Z am 22.02.2009 ausgeführt habe, ist nach der in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2013 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Klägers, in Anbetracht der Urteile des Amtsgerichts Erding vom 19.12.2012, Aktenzeichen 3 C 893/12 und aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 07.07.2010, Aktenzeichen 109 C 7651/09, auf die er insoweit verweist, dann nicht entscheidend, wenn unter einer ( einzigen ) Bezeichnung Bordkarten ausgegeben werden, hier also die Bordkarte für den Flug Stuttgart-Z (Flug Nr. ...) unter der Bezeichnung "S". Dieser Umstand führe dazu, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass ausführendes Luftfahrtunternehmen ein juristisch unterscheidbares Unternehmen sei. Überdies sei, wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.09.2012 erklärt, vgl. Bl. 22 d.GA., die SE AG eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten, sodass, in Anlehnung an eine Entscheidung des Amtsgerichts Bremen vom 10.10.2011, Aktenzeichen 16 C 89/11, auch hier das Mutterunternehmen, also die SI AG, die hiesige Beklagte, passivlegitimiert sei.
13 
Weiter weist der Kläger in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der von ihm in seiner Sache per E-Mail vom 03.05.2012 angeschriebene Customer Service der SI AG ihn am 08.05.2012 per E-Mail antwortete und eine Kompensationszahlung ablehne, ohne jedoch in der mit ihm geführten Korrespondenz auf die Nichtzuständigkeit bereits dem Grunde nach hinzuweisen, vgl. Bl. 5 d. GA.
14 
Der Kläger beantragt wie folgt für Recht zu erkennen:
15 
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 25.09.2012 zu bezahlen.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Mit Schriftsatz vom 22.10.2012, vgl. Bl. 33/34 d. GA., weist die Beklagte darauf hin, dass keine Annullierung des Fluges vorliege, weshalb Art. 5 der Verordnung als Anspruchsgrundlage ausscheide.
19 
Auch sei keine große Verspätung gegeben, da sich der Abflug in Stuttgart unstreitig um weniger als 2 Stunden verzögert habe.
20 
Darüber hinaus bestehe bei einem direkten Anschlussflug ohnehin kein Ausgleichsanspruch aus Art. 4 Abs. 3 Art. 7 der Verordnung, sofern der Fluggast diesen aufgrund eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht habe. Dies habe der BGH in NJW 2009, S. 2740 klar gestellt, wobei etwas anderes auch dann nicht gelte, wenn beide Flüge gemeinsam gebucht und von demselben Luftverkehrsunternehmen durchgeführt worden seien.
21 
Auch aus der Entscheidung des EuGH vom 04.10.2012, Aktenzeichen C - 321/11 erfolge letztlich nichts anderes, da die Passagiere ebenda - im Gegensatz zu hier - rechtzeitig am Flugsteig eingetroffen seien.
22 
Schließlich sei ausführendes Luftfahrtunternehmen die SE AG, mithin eine von der Beklagten verschiedene selbständige juristische Person gewesen.
23 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie auf ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist zulässig jedoch nicht begründet.
25 
Ein Ausgleichsanspruch des Klägers i.H.v. 600,00 Euro aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung scheidet bereits aufgrund fehlender Passivlegitimation der Beklagten aus.
26 
Gemäß Art. 5 Abs. 1 c)/ Art. 6 der Verordnung in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Annullierungsfällen und Nur-Verspätungsfällen, richtet sich der Anspruch gegen"das ausführende Luftfahrtunternehmen". Nach Art. 2 b) der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Dabei besteht zurecht Einigkeit darüber, dass grundsätzlich entscheidend ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt und nicht mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen wurde (vgl. BGH NJW 2010, S. 1522; Urteil des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11). Hintergrund dessen ist, dass das tatsächlich agierende Unternehmen aufgrund seiner Präsens am Flughafen vor Ort in der Regel am besten dazu in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. hierzu BGH NJW 2010, S. 1522.
27 
Ausführendes Luftfahrtunternehmen des verspäteten Fluges Nr. ... ... von Stuttgart nach Z Z war hier die SE AG, die zwar eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten darstellt, gleichwohl eine selbständige juristische Person ist und somit nicht identisch mit der Beklagten ist.
28 
Vorliegend besteht auch kein Grund hiervon abzuweichen - etwa im Anschluss an eine vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.09.2012, vgl. Bl. 22 d.GA. angesprochene Entscheidung des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11 - und ausnahmsweise dennoch eine Passivlegitimation der Beklagten anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass "ausführendes Luftfahrtunternnehmen" immer nur ein Unternehmen sein kann, weshalb auch Eigentumsverhältnisse an dem für den Flug eingesetzten Flugzeug nichts ändern, vgl. etwa BGH NJW 2010, S. 1522 ff. Dass sich Luftfahrtunternehmen der Praxis des sog. Codesharing bedienen oder wiederum eigene Tochtergesellschaften gründen bzw. ausgliedern und damit Einfluss auf die Durchführung anderer "ausführender Luftfahrtunternehmen" haben, war dem Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung bekannt, vermag somit an der zu treffenden Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" letztlich nichts zu ändern.
29 
So gehört etwa die Beklagte ihrerseits zum Konzern der De AG und ist Mitglied der St. Diese "Zusammengehörigkeit" hatte möglicherweise im vorliegenden Fall insoweit für den Kläger Bedeutung, dass er am 23.02.2009 mit einer Maschine der De von F nach H fliegen konnte/musste. Dass bei diesem Flug nicht die SI AG, die Beklagte, trotz ihrer Zugehörigkeit zum De-Konzern und trotz ursprünglich vom Kläger geplanten Fluges mit der Beklagten nach H nicht "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist, bietet keinen Anlass zur Diskussion.
30 
Des weiteren hat die Beklagte hier auch nicht bewusst verschleiert wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" des Fluges Stuttgart-Z ist. Zwar mag allein die Bezeichnung auf der Bordkarte "S" in der Tat nicht hinreichend klar sein zur Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens", allerdings sind die Gesamtumstände entscheidend. Insoweit konnte der Kläger sowohl seinem Reiseplan die genaue Bezeichnung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" entnehmen, als auch vor Ort in Stuttgart konnte er beim Betreten des Flugzeuges erkennen, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist. Letztlich hat auch die - zwar uneindeutige - Bordkarte jedenfalls nicht suggeriert, die Beklagte sei "ausführendes Luftfahrtunternehmen". Vielmehr erlaubte diese lediglich keine genauere Bestimmung.
31 
Schließlich vermag auch die mit dem Kläger geführte Korrespondenz, vgl. Bl. 5 d. GA., nichts Gegenteiliges auszusagen. Der hinter diesem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerte Vortrag stehende Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verfängt letztlich nicht, da auch ein "möglicherweise" gemeinsamer Customer - Servie der SI AG und der SE AG nichts darüber aussagt, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" im Sinne der Verordnung ist. Entscheidend hierfür ist - wie bereits näher dargelegt - wer aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen (hier Stuttgarter Flughafen) am besten in der Lage ist, die gegenüber den Passagieren bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dies ist nach dem Willen des Verordnungsgebers und damit der richtig passiv Legitimierte das tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen, hier also nicht die Beklagte.
32 
Unabhängig davon ist hier auch keine große Verspätung zu bejahen, sodass die Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Nur-Verspätungsfällen mit den in der Verordnung geregelten Annullierungsfällen auch aus diesem Grund von vornherein nicht zur Begründung des vom Kläger begehrten Anspruchs führt.
33 
Die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter Flüge mit Fluggästen annullierter Flüge im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch kommt nach der Rechtsprechung des EuGH erst dann in Betracht, wenn die Fluggäste verspäteter Flüge einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, vgl. EuGH C - 402/07 sowie in den verbundenen Rechtssachen C - 581/10 und C - 629/10.
34 
Vorliegend betrug die Abflugverspätung des Fluges Stuttgart-Z nach dem Klägervortrag nur ca. eine Stunde. Ein Abstellen auf die - ca. 18 Stunden verspätete - Ankunft des Weiterfluges in H kommt schließlich nach der Verordnung nicht in Betracht.
35 
Entscheidend ist hierbei, was unter dem Begriff "Flug" im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil vom 13.11.2012, AZ: X ZR 14/12 ist von einer autonomen Bestimmung des Begriffs durch die Fluggastrechteverordnung auszugehen. Da diese den Begriff des "Fluges" nicht legal definiert, muss diese aus dem Sinn und Zweck der Verordnung entwickelt werden. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass die Verordnung den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes nicht in den Blick nimmt, sondern stattdessen die Fluggäste sozusagen als Kollektiv auffasst. Deutlich wird dies daran, dass von Rechten der Fluggäste (plural) gesprochen wird. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Einzelnen schließt die Verordnung gleichwohl nicht aus, erfasst werden diese Schadensersatzansprüche von der Verordnung aber jedenfalls nicht, vgl. hierzu Art. 12 der Verordnung.
36 
Bei der vom Kläger gewählten Buchungsfolge mit einem Zubringerflug Stuttgart-Z und einem daran anschliessenden Transkontinentalflug Z-H, wobei es die Beklagte nicht von vorneherein übernommen hatte, bezüglich des Hauptfluges (Z-H ) auf alle gebuchten Passagiere der mehreren Zubringerflüge zum Drehkreuz Z in deren Verspätungsfällen mit der Konsequenz der Verspätung des Hauptfluges zu warten, zeigt sich, dass gerade dichte Zeitabfolgen bezüglich der Landung des Zubringerfluges und des Abfluges des Hauptfluges bei nur geringer Verzögerung des Abfluges des Zubringerfluges ( 1 Stunde ) das Erreichen des Hauptfluges durch den Fluggast verunmöglichen.
37 
Dieses Risiko hat jedoch der Kläger mit der von ihm bzw. des von ihm eingeschalteten Reisebüros Bo, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2012, Bl. 22 der GA., selbst auf sich genommen.
38 
Der Vortrag des Klägers bereits in der Klage vom 05.08.2012, wonach bereits durch das Bordpersonal des Fluges ... wahrheitswidrig versichert worden sei, um Panik zu verhindern, alle Anschlussflüge würden trotz der Verspätung erreicht werden, wirft zwar ein verheerendes Licht auf das Verhalten des Bordpersonals, vermag jedoch nicht zu einer Zusprechung der begehrten Ausgleichszahlung zu führen.
39 
Die vom Bundesgerichtshof insoweit vorgenommene Auslegung der Verordnung überzeugt. Insbesondere lässt sich hiergegen nicht der Einwand erheben, eine solche Auslegung widerspreche dem Zweck der Verordnung, einen hohen Schutz der Fluggäste sicherzustellen.
40 
Die Verordnung stellt schließlich kein umfassendes Regelwerk dar, das sämtliche Fälle einer Beeinträchtigung eines Fluggastes als ausgleichwürdig erachtet, in diesem Sinn auch bereits BGH NJW 2009, S. 2740.
41 
Insbesondere stellt die Verordnung nicht darauf ab, ob ein einheitlicher Buchungsvorgang vorliegt oder - worauf der Kläger etwa in seinem Schriftsatz vom 07.09.2012 abstellt - ein von vornherein von ihm gegenüber der Beklagten geäußertes Interesse (pünktlich) von Stuttgart nach H befördert zu werden.
42 
Ein Ausgleichsanspruch aufgrund einer entsprechenden Anwendung des Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung auf den Fall der Nur-Verspätung ist somit nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt zum einen an der Passivlegitimation der Beklagten, zum anderen liegt keine hinreichend große Abflugverspätung vor, die eine Ausdehnung der Ausgleichsansprüche auf Nur-Verspätungsfälle erlaubt.
43 
Dahin stehen kann zur Entscheidung dieses Rechtsstreites somit die nach wie vor aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen nicht abschließend geklärte Frage, woher der EuGH die Kompetenz nimmt, bei Nichtvorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, gleichwohl eine (entsprechende) Anwendung des Art. 7 der Verordnung auf Nur-Verspätungsfälle zu bejahen, vgl. zur Problematik bereits ausführlich Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.09.2010, AZ: 11 C 1219/10, das den Parteien bekannt gemacht wurde, vgl. Bl. 10 ff. d. GA. Insoweit hält das AG Nürtingen, Referate 11 C und 46 C, an der im Urteil vom 27.09.2010 dargestellten Rechtsauffassung fest.
44 
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45 
Die Berufung wurde gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die problematisierte Frage der Passivlegitimation der Beklagten bei Durchführung eines Fluges durch eine 100 %ige Tochtergesellschaft und in Anbetracht der unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Gründe

 
24 
Die Klage ist zulässig jedoch nicht begründet.
25 
Ein Ausgleichsanspruch des Klägers i.H.v. 600,00 Euro aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung scheidet bereits aufgrund fehlender Passivlegitimation der Beklagten aus.
26 
Gemäß Art. 5 Abs. 1 c)/ Art. 6 der Verordnung in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Annullierungsfällen und Nur-Verspätungsfällen, richtet sich der Anspruch gegen"das ausführende Luftfahrtunternehmen". Nach Art. 2 b) der Verordnung ist "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Dabei besteht zurecht Einigkeit darüber, dass grundsätzlich entscheidend ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt und nicht mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen wurde (vgl. BGH NJW 2010, S. 1522; Urteil des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11). Hintergrund dessen ist, dass das tatsächlich agierende Unternehmen aufgrund seiner Präsens am Flughafen vor Ort in der Regel am besten dazu in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. hierzu BGH NJW 2010, S. 1522.
27 
Ausführendes Luftfahrtunternehmen des verspäteten Fluges Nr. ... ... von Stuttgart nach Z Z war hier die SE AG, die zwar eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten darstellt, gleichwohl eine selbständige juristische Person ist und somit nicht identisch mit der Beklagten ist.
28 
Vorliegend besteht auch kein Grund hiervon abzuweichen - etwa im Anschluss an eine vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 23.09.2012, vgl. Bl. 22 d.GA. angesprochene Entscheidung des AG Bremen vom 10.10.2011, AZ: 16 C 89/11 - und ausnahmsweise dennoch eine Passivlegitimation der Beklagten anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr, dass "ausführendes Luftfahrtunternnehmen" immer nur ein Unternehmen sein kann, weshalb auch Eigentumsverhältnisse an dem für den Flug eingesetzten Flugzeug nichts ändern, vgl. etwa BGH NJW 2010, S. 1522 ff. Dass sich Luftfahrtunternehmen der Praxis des sog. Codesharing bedienen oder wiederum eigene Tochtergesellschaften gründen bzw. ausgliedern und damit Einfluss auf die Durchführung anderer "ausführender Luftfahrtunternehmen" haben, war dem Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung bekannt, vermag somit an der zu treffenden Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" letztlich nichts zu ändern.
29 
So gehört etwa die Beklagte ihrerseits zum Konzern der De AG und ist Mitglied der St. Diese "Zusammengehörigkeit" hatte möglicherweise im vorliegenden Fall insoweit für den Kläger Bedeutung, dass er am 23.02.2009 mit einer Maschine der De von F nach H fliegen konnte/musste. Dass bei diesem Flug nicht die SI AG, die Beklagte, trotz ihrer Zugehörigkeit zum De-Konzern und trotz ursprünglich vom Kläger geplanten Fluges mit der Beklagten nach H nicht "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist, bietet keinen Anlass zur Diskussion.
30 
Des weiteren hat die Beklagte hier auch nicht bewusst verschleiert wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" des Fluges Stuttgart-Z ist. Zwar mag allein die Bezeichnung auf der Bordkarte "S" in der Tat nicht hinreichend klar sein zur Bestimmung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens", allerdings sind die Gesamtumstände entscheidend. Insoweit konnte der Kläger sowohl seinem Reiseplan die genaue Bezeichnung des "ausführenden Luftfahrtunternehmens" entnehmen, als auch vor Ort in Stuttgart konnte er beim Betreten des Flugzeuges erkennen, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist. Letztlich hat auch die - zwar uneindeutige - Bordkarte jedenfalls nicht suggeriert, die Beklagte sei "ausführendes Luftfahrtunternehmen". Vielmehr erlaubte diese lediglich keine genauere Bestimmung.
31 
Schließlich vermag auch die mit dem Kläger geführte Korrespondenz, vgl. Bl. 5 d. GA., nichts Gegenteiliges auszusagen. Der hinter diesem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerte Vortrag stehende Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verfängt letztlich nicht, da auch ein "möglicherweise" gemeinsamer Customer - Servie der SI AG und der SE AG nichts darüber aussagt, wer "ausführendes Luftfahrtunternehmen" im Sinne der Verordnung ist. Entscheidend hierfür ist - wie bereits näher dargelegt - wer aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen (hier Stuttgarter Flughafen) am besten in der Lage ist, die gegenüber den Passagieren bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dies ist nach dem Willen des Verordnungsgebers und damit der richtig passiv Legitimierte das tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen, hier also nicht die Beklagte.
32 
Unabhängig davon ist hier auch keine große Verspätung zu bejahen, sodass die Rechtsprechung des EuGH zur Gleichstellung von Nur-Verspätungsfällen mit den in der Verordnung geregelten Annullierungsfällen auch aus diesem Grund von vornherein nicht zur Begründung des vom Kläger begehrten Anspruchs führt.
33 
Die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter Flüge mit Fluggästen annullierter Flüge im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch kommt nach der Rechtsprechung des EuGH erst dann in Betracht, wenn die Fluggäste verspäteter Flüge einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, vgl. EuGH C - 402/07 sowie in den verbundenen Rechtssachen C - 581/10 und C - 629/10.
34 
Vorliegend betrug die Abflugverspätung des Fluges Stuttgart-Z nach dem Klägervortrag nur ca. eine Stunde. Ein Abstellen auf die - ca. 18 Stunden verspätete - Ankunft des Weiterfluges in H kommt schließlich nach der Verordnung nicht in Betracht.
35 
Entscheidend ist hierbei, was unter dem Begriff "Flug" im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteil vom 13.11.2012, AZ: X ZR 14/12 ist von einer autonomen Bestimmung des Begriffs durch die Fluggastrechteverordnung auszugehen. Da diese den Begriff des "Fluges" nicht legal definiert, muss diese aus dem Sinn und Zweck der Verordnung entwickelt werden. Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass die Verordnung den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes nicht in den Blick nimmt, sondern stattdessen die Fluggäste sozusagen als Kollektiv auffasst. Deutlich wird dies daran, dass von Rechten der Fluggäste (plural) gesprochen wird. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Einzelnen schließt die Verordnung gleichwohl nicht aus, erfasst werden diese Schadensersatzansprüche von der Verordnung aber jedenfalls nicht, vgl. hierzu Art. 12 der Verordnung.
36 
Bei der vom Kläger gewählten Buchungsfolge mit einem Zubringerflug Stuttgart-Z und einem daran anschliessenden Transkontinentalflug Z-H, wobei es die Beklagte nicht von vorneherein übernommen hatte, bezüglich des Hauptfluges (Z-H ) auf alle gebuchten Passagiere der mehreren Zubringerflüge zum Drehkreuz Z in deren Verspätungsfällen mit der Konsequenz der Verspätung des Hauptfluges zu warten, zeigt sich, dass gerade dichte Zeitabfolgen bezüglich der Landung des Zubringerfluges und des Abfluges des Hauptfluges bei nur geringer Verzögerung des Abfluges des Zubringerfluges ( 1 Stunde ) das Erreichen des Hauptfluges durch den Fluggast verunmöglichen.
37 
Dieses Risiko hat jedoch der Kläger mit der von ihm bzw. des von ihm eingeschalteten Reisebüros Bo, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 23.09.2012, Bl. 22 der GA., selbst auf sich genommen.
38 
Der Vortrag des Klägers bereits in der Klage vom 05.08.2012, wonach bereits durch das Bordpersonal des Fluges ... wahrheitswidrig versichert worden sei, um Panik zu verhindern, alle Anschlussflüge würden trotz der Verspätung erreicht werden, wirft zwar ein verheerendes Licht auf das Verhalten des Bordpersonals, vermag jedoch nicht zu einer Zusprechung der begehrten Ausgleichszahlung zu führen.
39 
Die vom Bundesgerichtshof insoweit vorgenommene Auslegung der Verordnung überzeugt. Insbesondere lässt sich hiergegen nicht der Einwand erheben, eine solche Auslegung widerspreche dem Zweck der Verordnung, einen hohen Schutz der Fluggäste sicherzustellen.
40 
Die Verordnung stellt schließlich kein umfassendes Regelwerk dar, das sämtliche Fälle einer Beeinträchtigung eines Fluggastes als ausgleichwürdig erachtet, in diesem Sinn auch bereits BGH NJW 2009, S. 2740.
41 
Insbesondere stellt die Verordnung nicht darauf ab, ob ein einheitlicher Buchungsvorgang vorliegt oder - worauf der Kläger etwa in seinem Schriftsatz vom 07.09.2012 abstellt - ein von vornherein von ihm gegenüber der Beklagten geäußertes Interesse (pünktlich) von Stuttgart nach H befördert zu werden.
42 
Ein Ausgleichsanspruch aufgrund einer entsprechenden Anwendung des Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung auf den Fall der Nur-Verspätung ist somit nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt zum einen an der Passivlegitimation der Beklagten, zum anderen liegt keine hinreichend große Abflugverspätung vor, die eine Ausdehnung der Ausgleichsansprüche auf Nur-Verspätungsfälle erlaubt.
43 
Dahin stehen kann zur Entscheidung dieses Rechtsstreites somit die nach wie vor aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen nicht abschließend geklärte Frage, woher der EuGH die Kompetenz nimmt, bei Nichtvorliegen einer planwidrigen Regelungslücke, gleichwohl eine (entsprechende) Anwendung des Art. 7 der Verordnung auf Nur-Verspätungsfälle zu bejahen, vgl. zur Problematik bereits ausführlich Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.09.2010, AZ: 11 C 1219/10, das den Parteien bekannt gemacht wurde, vgl. Bl. 10 ff. d. GA. Insoweit hält das AG Nürtingen, Referate 11 C und 46 C, an der im Urteil vom 27.09.2010 dargestellten Rechtsauffassung fest.
44 
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45 
Die Berufung wurde gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die problematisierte Frage der Passivlegitimation der Beklagten bei Durchführung eines Fluges durch eine 100 %ige Tochtergesellschaft und in Anbetracht der unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle grundsätzliche Bedeutung zukommt.

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Amtsgericht Nürtingen Urteil, 25. Jan. 2013 - 46 C 1399/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Amtsgericht Nürtingen Urteil, 25. Jan. 2013 - 46 C 1399/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2012 - X ZR 14/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 14/12 Verkündet am: 13. November 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ha

Amtsgericht Nürtingen Urteil, 27. Sept. 2010 - 11 C 1219/10

bei uns veröffentlicht am 27.09.2010

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheit

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 14/12 Verkündet am:
13. November 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens und die Richter Gröning, Dr. Grabinski
und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 5. Januar 2012 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger begehren jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 €
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gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/2001, ABl. Nr. L 46 S. 1 (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung - FluggastrechteVO), pauschalen Schadenersatz von jeweils 20 € für nicht gewährte Betreuungsleistungen sowie Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Luftverkehrsunternehmen
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mit Sitz im Sultanat Oman, einen Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok über Maskat und zurück. Der Hinflug von Frankfurt am Main nach Maskat mit der Flugnummer … erfolgte planmäßig. In Maskat traten die Kläger den Anschlussflug mit der Flugnummer … nach Bangkok an, der jedoch erst rund 8 Stunden später als vorgesehen startete, so dass die Fluggäste etwa 8 Stunden später als geplant in Bangkok eintrafen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist
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ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Berufungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
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Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zulässig. Die
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internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ergebe sich aus § 29 ZPO. Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift für die geltend gemachten Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung sei nach dem Rechtsgedanken des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) (nachfolgend: Brüssel-I-VO) auch der vereinbarte Abflugort in Frankfurt am Main. Dies gelte, auch wenn die Verspätung sich nicht am vertragsgemäßen Abflugort, sondern erst im Rahmen eines Anschlussflugs an einem anderen Ort ereignet habe. Allerdings sei der Anspruch nicht begründet, da die Fluggastrechtever6 ordnung auf die vorliegende Fallkonstellation nicht anwendbar sei. Die Kläger hätten den verspäteten Flug in Maskat und damit nicht auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union angetreten. Auf den originären vertragsgemäßen Abflugort in Frankfurt am Main könne nicht abgestellt werden, da die Kläger den Flug von Maskat nach Bangkok mit einem anderen Flugzeug und unter anderer Flugnummer als den Flug von Frankfurt am Main nach Maskat hätten antreten sollen und es sich damit um zwei separate Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung gehandelt habe. Dass beide Flüge gemeinsam gebucht und jeweils von der Beklagten durchgeführt worden seien, sei nicht von Bedeutung. Auch ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von jeweils 20 € pauschalen und fiktiven Schadenersatz für nicht gewährte Betreuungsleistungen bestehe mangels Anspruchsgrundlage nicht.
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II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Die auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende interna8 tionale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Sie ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 39 ZPO jedenfalls daraus, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die erhobene Rüge mangelnder internationaler Zuständigkeit ausdrücklich nicht aufrechterhalten und die Sachentscheidung des Berufungsgerichts verteidigt hat. 2. Das Berufungsgericht hat den Klägern zu Recht einen Ausgleichsan9 spruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO wegen der Verspätung des Flugs von Maskat nach Bangkok versagt.
a) Ein Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift steht den Fluggästen
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eines Flugs zu, wenn in einer anderen Vorschrift der Verordnung auf Art. 7 Bezug genommen wird (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Art 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO bestimmt insoweit, dass das ausführende Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 schuldet. Eine entsprechende Ausgleichsleistung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2010, 93 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10 - Nelson/Lufthansa), der der Bundesgerichtshof beigetreten ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93), gegenüber den Fluggästen eines verspäteten Fluges zu erbringen, wenn diese infolge der Verspätung einen erheblichen Zeitverlust bei der Ankunft an ihrem letzten Zielort erleiden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO).
b) Der Begriff des Fluges ist nicht nach nationalem Luftbeförderungs11 recht zu bestimmen, sondern wird von der Fluggastrechteverordnung autonom definiert. Sie enthält allerdings keine ausdrückliche Definition, insbesondere nicht
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in Art. 2, der die Bedeutung verschiedener Begriffe bestimmt. Die Definition des Flugs ist daher aus Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung und insbesondere derjenigen Vorschriften der Verordnung zu entwickeln, die sich dieses Begriffs bedienen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07, Slg. 2008 I-5252 = NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rn. 28 - Emirates/Schenkel). Einen entscheidenden Hinweis darauf, was Flug im Sinne der Verord13 nung ist, gibt dabei bereits Art. 3 Abs. 1 FluggastrechteVO, der bestimmt, dass die Verordnung für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen auf dem Gebiet der Europäischen Union einen Flug antreten oder die - sofern das ausführende Luftverkehrsunternehmen ein Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft ist - von einem Flughafen eines Drittstaates einen Flug zu einem Flughafen auf dem Gebiet der Union antreten. Die Verordnung bezieht sich damit auf die (Gesamtheit der) Fluggäste eines Fluges, der von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Flugroute ausgeführt wird und mit dem die Fluggäste von einem Flughafen A zu einem Flughafen B befördert werden (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Sprachfassungen der Verordnung (so bereits EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 24 f. - Emirates/Schenkel ), die zwar - etwa in der englischen oder französischen Fassung - in Art. 3 Abs. 1 selbst den Begriff des Fluges nicht erwähnen, jedoch in Art. 3 Abs. 2 auf ihn Bezug nehmen ("the flight concerned"; "le vol concerné"). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dies dahin ausgedrückt, dass es bei einem Flug im Sinne der Verordnung im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handele, der in gewisser Weise eine "Einheit" dieser Beförderung darstelle, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt werde, das die entsprechende Flugroute festlege (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 40 - Emirates/Schenkel). Eine einheitliche Buchung wirkt sich auf die Eigenständigkeit zweier Flüge nicht aus (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 51 - Emirates/Schenkel). Den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes und den von ihm
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abgeschlossenen Beförderungsvertrag nimmt die Verordnung nicht in den Blick, sondern betrachtet die Fluggäste eines Flugs sozusagen als Kollektiv, dessen Mitgliedern bei einem in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Flug bestimmte Rechte eingeräumt werden, die grundsätzlich unabhängig davon sind, ob die einzelnen Fluggäste nur diesen Flug oder auch weitere, dem betreffenden Flug vorangehende oder sich an ihn anschließende Flüge gebucht haben und von welchem Luftverkehrsunternehmen diese weiteren Flüge durchgeführt werden. Die Verordnung spricht deswegen auch regelmäßig nicht von (individuellen) Ansprüchen des einzelnen Fluggastes, sondern von Rechten der Fluggäste. Auch inhaltlich sind diese Rechte auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges, bezogen, wie etwa Art. 5 deutlich macht, nach dem bei Annullierung eines Flugs gegenüber den Fluggästen dieses Flugs, d.h. denjenigen, die - wie immer ihr individueller Reiseplan aussehen mag - über eine bestätigte Buchung für die unter einer bestimmten Flugnummer von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auszuführende "Luftbeförderungseinheit" verfügen, Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung sowie Ausgleichszahlungen zu erbringen sind. Ähnliches gilt nach Art. 6 im Verspätungsfall. Die Verpflichtung zu Betreuungsleistungen nach Art. 9 knüpft daran an, dass für ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen vernünftigerweise absehbar ist, dass sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit erheblich verzögern wird. Sie kann nicht anders verstanden wer- den als eine Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit der von der Abflugverspätung eines konkreten Fluges betroffenen Fluggäste. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung davon ausgehe, dass die Störungen des vorgesehenen Flugablaufs, an die die Verpflichtungen des Luftverkehrsunternehmens anknüpfen , bei einem Flug nur einmal auftreten könnten, und die Fluggäste deshalb den ihnen gewährten Schutz nur einmal in Anspruch nehmen könnten (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 36 - Emirates/Schenkel); auch dazu stünde es in Widerspruch, wenn bei einer Anschlussverbindung die Verspätungen des Erst- und des Zweitfluges als zwei Verspätungen ein- und desselben Flugs gewertet würden oder die zweite Verspätung als nicht den Abflug eines einheitlichen Flugs betreffend außer Betracht gelassen werden müsste. Für Ausgleichszahlungen gilt nichts anderes. Der Ausgleichsanspruch
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knüpft ebenso wie die anderen Fluggastrechte an den Flug an, der annulliert oder verspätet durchgeführt worden ist oder auf dem Fluggästen die Beförderung verweigert worden ist. Lediglich bei der Höhe der Ausgleichszahlung berücksichtigt die Verordnung (in pauschalierter Weise), dass die einzelnen Fluggäste durch die Annullierung eines Fluges oder durch die Verweigerung der Beförderung in unterschiedlicher Weise betroffen sein können, je nachdem, wie sich diese Maßnahme auf die Erreichung ihres individuellen Endziels auswirkt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO wird deshalb bei der Ermittlung der für die Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast (hier und nur hier verwendet die Verordnung im erörterten Zusammenhang den Singular) infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Der Senat kann diese Auslegung seiner Entscheidung zugrunde legen,
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ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der Gerichtshof hat zwar ausdrücklich nur entschieden, dass bei einer einheitlichen Buchung eines Hin- und Rückflugs zwei Flüge im Sinne der Ver- ordnung vorliegen. Die hierfür vom Gerichtshof gegebene Begründung gilt jedoch gleichermaßen für eine Flugreise, die sich aus zwei unterschiedlichen Flügen im Sinne von jeweils von einem Luftverkehrsunternehmen unter einer bestimmten Flugnummer auf einer bestimmten Route durchgeführten Luftbeförderungsvorgängen zusammensetzt, und entspricht, wie ausgeführt, dem Grundkonzept der Verordnung, zu dem die Zusammenfassung zweier oder mehrerer Flüge zu einem aus der Sicht des einzelnen Fluggastes und seiner Reiseroute definierten einzigen "Flug" in einen unheilbaren Widerspruch träte.
c) Danach hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass den
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Klägern ein Ausgleichsanspruch nicht zusteht. Dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfällt nur der Flug von Frankfurt am Main nach Maskat. Er wurde weder annulliert, noch war er verspätet oder wurde den Klägern die Beförderung verweigert. Auf den erheblich verspäteten Flug von Maskat nach Bangkok kann die Verordnung hingegen weder nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a noch nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO angewendet werden. 3. Auch ein Anspruch auf Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verord18 nung bestand mithin nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Grabinski Hoffmann
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.06.2011 - 31 C 291/11 (83) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.01.2012 - 2-24 S 145/11 -

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert: 500,- EUR .

Tatbestand

 
Mit der an das Amtsgericht Stuttgart gerichteten Klage vom 30.03.2010 verlangten die beiden Kläger von der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in K, jeweils die Zahlung von 250,- EUR nebst Zinsen im Hinblick auf den von den Klägern bei der Beklagten gebuchten Flug mit der Nr…., dessen Abflug ab H für 21.00 Uhr geplant war. Planmäßige Ankunft in S war für 22.15 Uhr vorgesehen.
Das Amtsgericht Stuttgart hat auf seine örtliche Unzuständigkeit hingewiesen und den Rechtsstreit schließlich mit Beschluss vom 30.06.2010 auf Antrag der Kläger an das Amtsgericht Nürtingen verwiesen, da der Flughafen S im Bezirk des Amtsgerichts Nürtingen liegt.
Die Kläger haben vorgebracht, der Flug sei gegen Mitternacht kurzfristig abgesagt worden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei den Passagieren angeboten worden, wahlweise den ersten oder zweiten Flug, der am folgenden Tag nach S ging, wahrzunehmen. Darauf hin gelangten unstreitig die Kläger am 12.10.2007 mit dem Flug Nr. ..., Abflugszeit 08.10 Uhr in H, an den Ankunftsort Flughafen S.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2010, vgl. Bl. 196 ff. d. Gerichtsakten, haben die Kläger kundgetan, dass kurz vor Mitternacht oder kurz nach Mitternacht alle Passagiere im Flugzeug gesessen hätten und auf den Start gewartet hätten. Es habe vielleicht 15 Minuten gedauert, dann sei eine Durchsage aus dem Cockpit gekommen, leider findet der Flug heute Nacht nach S nicht statt, es gebe eine technische Störung.
Die Klägerin Ziffer 1 hat ergänzt, dass sie sich auch noch an das Stichwort „Nachtflugverbot“ erinnere. Es könne aber sein, dass dies von einem Passagier gekommen sei.
Die Kläger haben weiter in der mündlichen Verhandlung kundgetan, dass eine junge Dame von der Beklagten auch den Klägern bekannt gegeben habe, dass es die Möglichkeit gäbe, drei verschiedene Flüge am kommenden Morgen zu benutzen und zwar einen Flug ganz früh am Morgen, so um 06.00 Uhr herum. Hier sei der Vorschlag verbunden gewesen, dass sich die betreffenden Passagiere in einer noch zu öffnenden Halle des Flughafens niederlassen könnten zum Campieren, um auch wirklich pünktlich da zu sein. Ein zweiter Flug wurde angeboten nach 08.00 Uhr, und diesen zweiten Flug hätten die Kläger dann auch genommen. Die Kläger haben sich entschieden, die angebotene Hotelübernachtung in Anspruch zu nehmen und wurden mit einem Taxi ins Hotel gebracht und auch zurück vom Hotel zum Flughafen. Die Kläger haben vorgetragen, es möge sein, dass der 06.00 Uhr-Flug, der angeboten worden sei, ein solcher sei, der nur deswegen angeboten wurde, weil der 21.00 Uhr-Flug am Vortag ausgefallen war.
Die Kläger haben in der Klageschrift sich auf einen Ausgleichsanspruch aus Artikel 7 Abs. I a) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden nur noch Verordnung genannt) wegen großer Verspätung/Annullierung des von ihnen gebuchten Fluges berufen.
Gegenüber dem bereits außergerichtlich von der Beklagten geäußerten Sachvortrag, den die Beklagte im Prozessgeschehen wiederholt hat, dass nämlich der gebuchte Flug Nr. ..., planmäßiger Abflug H 21.00 Uhr, am Folgetag um 04.16 Uhr UTC (06.16 Uhr MEZ) „off-block“ gegangen sei, der Flug sei somit nicht annulliert gewesen, sondern nur verspätet durchgeführt worden, haben die Kläger bereits in der Klageschrift die Auffassung vertreten, hierauf komme es nicht an, weil Fluggästen bei – wie hier – großer Verspätung im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 der Verordnung ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Artikel 7 zustehe, wie bei einer Annullierung des Fluges. Dabei hat sich die Klägerseite ausdrücklich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, Aktenzeichen X a ZR 95/06 vom 18.02.2010, sowie die vorangegangene Entscheidung des EuGH, Aktenzeichen C-402/07 und C-432/07 vom 19.11.2009, berufen.
Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, die Annullierung oder Verspätung sei nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 5 Abs. III der Verordnung beruhend.
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Die Kläger haben beantragt , wie folgt für Recht zu erkennen:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 250,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 07.11.2007 zu bezahlen.
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Die Beklagte hat
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Klageabweisung beantragt .
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Sie macht geltend, der erhobene Anspruch bestehe bereits mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen von vornherein nicht. Er sei jedenfalls gemäß Artikel 5 Abs. III der Verordnung ausgeschlossen und im Übrigen wegen verspäteter Klageerhebung gemäß Artikel 35 Montrealer Übereinkommen untergegangen.
15 
Im Einzelnen hat die Beklagte sich umfangreich gegen die Gleichstellung von Annullierung und Verspätung (Artikel 5 und Artikel 6 der Verordnung) gewandt und hierzu umfangreiche Ausführungen gemacht, vgl. Schriftsatz vom 19.08.2010, ab Seite 2 bis Seite 29, vgl. Bl. 91/118 d. Gerichtsakten.
16 
Die Beklagte beruft sich weiterhin darauf, dass das Flugzeug mit der Kennung D-, das den Flug Nr. … durchführen sollte, vom Typ A, nach der Landung in H am 11.10.2007 gegen 17.30 Uhr plötzlich einen Austritt von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes aufgewiesen habe. Da die Hydraulikflüssigkeit mit einer Geschwindigkeit von mehr als 60 Tropfen pro Minute ausgetreten sei, habe das Flugzeug vor seiner weiteren Verwendung zunächst repariert werden müssen und ein weiterer Einsatz sei bis dahin aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen. Der technische Defekt sei bereits um 23.53 Uhr wieder so behoben gewesen, dass das Fluggerät 2 Std. 53 Min. nach dem planmäßigen Abflug einsatzbereit gewesen sei. Die weitere Verzögerung habe jedoch aufgrund der Nachtflugverbote, insbesondere auf dem Flughafen S, hingenommen werden müssen. Daher sei der Flug eben um 06.16 Uhr am Folgetag verspätet durchgeführt worden. Auf dem Flughafen H habe noch eine Ausnahmegenehmigung für den Start erreicht werden können, aber wegen der nicht durchführbaren Landung in S sei es schließlich zu der tatsächlichen eingetretenen Verzögerung gekommen.
17 
Die Flugzeuge der Beklagten, und so auch der betreffende A, werde von der Beklagten den Herstellerangaben und den behördlichen Auflagen entsprechend regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet und instand gesetzt. Der an dem A aufgetretene technische Defekt sei zumindest als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 5 Abs. III der Verordnung zu werten.
18 
Nach Auffassung der Beklagten unterliegt der geltend gemachte Anspruch der Ausschlussfrist des Artikels 35 Montrealer Übereinkommen und wegen Nichteinhaltung der 2-Jahres-Frist, gerechnet ab 11.10.2007, sei die Klage verspätet erhoben worden. Der Anspruch, wenn er denn bestanden hätte, sei untergegangen. Vorsorglich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
21 
Von vornherein die geltend gemachten Ansprüche, im Hinblick auf Artikel 5 Abs. III der Verordnung, auszuschließen, weil die Beklagte es nachgewiesen habe, dass die Annullierung/Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, ist hier nicht gegeben.
22 
Trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts in der Verfügung vom 20.08.2010, dort Seite 2, Buchstabe c), Bl. 148 d. Gerichtsakten, wo nachgefragt wurde, was die Ursache des plötzlichen Austritts von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes gewesen sein soll, hat sich die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 08.09.2010, dort Seite 2, vgl. Bl. 174 d. Gerichtsakten, lediglich dahin erklärt, dass eine Leitung (Flexleitung) defekt gewesen sei. Damit ist die Ursache des Defekts eben nicht erklärt und allein die Beachtung aller vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten fristgerechter und ordnungsgemäßer Art begründen für sich gesehen, keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der genannten Vorschrift, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.11.2009, Aktenzeichen X a ZR 76/07.
II.
23 
Ebenfalls der Rechtsprechung des BGH folgend, hier Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen X a ZR 61/09, verneint das Gericht sowohl den Untergang des möglichen Anspruches auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung im Hinblick auf die Ausschlussfrist des Artikel 35 Abs. I des Montrealer Übereinkommens, sondern vertritt ebenfalls die Auffassung, dass deutsches Sachrecht anwendbar ist und die Regelverjährung nach § 195 BGB (3 Jahre) Platz greift.
III.
24 
Das Gericht ist jedoch aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen heraus nicht bereit, bei der Frage, ob eine „Verspätung“ der „Annullierung“ gleich zu erachten ist, den von den Klägern zitierten Entscheidungen des EuGH und des BGH zu folgen. In der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 nimmt dieser nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen zunächst zutreffend an, dass nach der Begrifflichkeit ein verspäteter Flug, unabhängig von der Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn der Abflug entsprechend der ursprünglichen Flugplanung stattfindet. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h. wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten, vgl. hierzu die gleichlautenden Ausführungen des EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009, Rdnr. 34-36. Der EuGH hat mithin nach der Begrifflichkeit weiterhin an der Unterscheidung von annulliertem Flug und verspätetem Flug festgehalten.
25 
In den Ausführungen ab der Rdnr. 40 der Entscheidung des EuGH wird zwar konzediert, dass sich aus dem Wortlaut der Verordnung nicht unmittelbar ergibt, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch zusteht. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit der Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“, unter denen die Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Verordnung EG Nr. 261/2004 frei werden könnten, zwar nur in Artikel 5 Abs. III der Verordnung vorgesehen sei, der die Annullierung eines Fluges betrifft, doch heiße es im 15. Erwägungsgrund der Verordnung (die Erwägungsgründe sind dieser vorangestellt), dass dieser Rechtfertigungsgrund (außergewöhnliche Umstände) auch dann geltend gemacht werden könne, wenn eine Entscheidung des Flugmanagements zu einem einzelnem Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge habe, dass es zu einer „großen Verspätung – oder – einer Verspätung bis zum nächsten Tag“ komme. Da der Begriff der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände genannt sei, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft habe.
26 
Implizit werde dies durch das Ziel der Verordnung bestätigt, da sich aus den ersten vier Erwägungsgründen und insbesondere aus dem 2. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergäbe, dass sie darauf abziele, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung oder Verspätung eines Fluges betroffen seien, da sie alle von vergleichbaren Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit dem Luftverkehr betroffen sind.
27 
Dies gelte umso mehr, als die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen seien. Unter diesen Umständen könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge keinen Ausgleichsanspruch haben und im Hinblick auf die Anerkennung eines solchen Anspruches nicht den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können.
28 
Insgesamt spricht sich der EuGH im Hinblick auf die bedeutende Verspätung dafür aus, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von annullierten Flügen zu vergleichen sei. Mit diesen Maßnahmen solle die Verordnung unter anderem den Schaden ausgleichen, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden könne.
29 
Der EuGH stellt heraus, dass eine unterschiedliche Behandlung der mit einem annullierten Flug konfrontierten Fluggäste oder von einer großen Verspätung des Fluges betroffenen Fluggäste durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden könne.
30 
Eine unterschiedliche Behandlung sieht der EuGH als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot an.
31 
Der EuGH ist der Auffassung, dass diese Schlussfolgerung nicht dadurch widerlegt werde, dass Artikel 6 der Verordnung für die Fluggäste verspäteter Flüge verschiedene Formen von Unterstützungsleistungen nach den Artikeln 8 und 9 der Verordnung vorsehe.
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Dem allem vermag das Amtsgericht Nürtingen nicht zu folgen.
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Gegen die vom EuGH vorgenommene Auslegung spricht bereits der Wortlaut, nämlich Artikel 1 der Verordnung, der die Fallgruppen a) Nichtbeförderung gegen den Willen der Fluggäste, b) Annullierung des Fluges und c) Verspätung des Fluges voneinander unterscheidet. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist sinnlos, wenn anschließend durch Richterrecht die unterschiedlichen Rechtsfolgen wieder eingeebnet würden. Der Verordnungsgeber hat mit der akribischen Begrifflichkeit seinen Willen klar ausgedrückt, unter welchen Umständen welche Leistungen die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu erbringen haben, und hat damit seinen politischen Willen in Gesetzesform gegossen.
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Für den Fall der Nichtbeförderung wird gemäß Artikel 4 Abs. III in vollem Umfang auf den Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9 verwiesen.
35 
Im Falle der Annullierung wird gem. Artikel 5 auf die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 verwiesen, sowie die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Abs. I a) und Abs. II. Es handelt sich bei Artikel 5 mit den weiteren Bestimmungen um ein filigranes System der Ansprüche, bezüglich derer der Rechtsanwender nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen davon ausgehen muss, dass es einer Interessenabwägung des Gesetzgebers entsprungen ist und nach dem Prinzip der Gewaltenteilung der Richter sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen darf, wenn ihm bestimmte Ergebnisse der Regelung nicht gefallen. Der Richter ist jeweils Rechtsanwender, jedoch nicht Ersatzgesetzgeber. Eine Regelungslücke in dem Normengebilde der Verordnung ist von vornherein nicht auszumachen, da die Verordnung per se nur fragmentarischen Charakter hat und keine „ungeplante“ Regelungslücke aufweist.
36 
Ein Hauptargument des EuGH für die Gleichstellung von Verspätung und Annullierung bei größerer Verspätung ist die Formulierung der Vorerwägungen in Nr. 15. Es heißt dort „Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Fluges zu einer großen Verspätung, oder Verspätung bis zum nächsten Tag, oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“
37 
Es mutet schon eigenartig an, dass das Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des in dem Erwägungsgrund Nr. 14 versuchsweise näher definierten Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ im Erwägungsgrund Nr. 15 zur Einschränkung von Ansprüchen zu umschreiben, dazu benutzt wird, aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen explizit in der eigentlichen Verordnung nicht zugebilligte Ansprüche durch Richterrecht zu kreieren. Der gesetzgeberische Wille des Verordnungsgebers hat sich im Wortlaut der Verordnung manifestiert und dort wurde die Feinabgrenzung vorgenommen, mögen auch die vorangestellten Erwägungen die Motive für den Erlass der Verordnung umschreiben.
38 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die für den Verspätungsfall in Artikel 6 der Verordnung im Einzelnen aufgeführten Unterstützungsleistungen, insbesondere die Betreuungsleistungen, die in Artikel 9 genannt sind, auch bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Das bedeutet, der Verordnungsgeber hat, entgegen den Vorerwägungen in Nr. 14, etwa im Fall der mehrnächtigen Hotelunterbringung, dem Flugunternehmen das unentgeltliche Anbieten dieser Leistung auferlegt. Insoweit findet in der Verordnung weder eine Beschränkung noch ein Ausschluss statt. Als Beispiel sei hier genannt, die Situation der mehrtägigen Unterbrechung des Flugverkehres durch die Folgen eines größeren Vulkanausbruchs mit den entsprechenden Folgen für die Lahmlegung des Flugverkehrs. Hier ist für Jedermann ersichtlich, dass für diese Störungsart die Flugunternehmung keinerlei Verschulden oder auch nur eine nach Beherrschungsräumen abgegrenzte Verantwortung zukommen kann und dennoch hat der Verordnungsgeber es für richtig befunden, den Fluggästen den Anspruch auf unentgeltliche Betreuungsleistungen zuzubilligen. Nach dem Wortlaut der Verordnung werden in dem beschriebenen Falle die annullierungsbetroffenen Fluggäste mit den verspätungsbetroffenen Fluggästen gleich behandelt.
39 
In dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall hat die Beklagte den Fluggästen zur Wahl gestellt, über die Regelung der Verordnung hinaus, ob sie den dann doch noch durchgeführten Flug ab H um 06.16 Uhr wahrnehmen wollen (ohne Hotelunterbringung) und sie aufgrund des Zeitablaufes im Flughafengebäude auf den Frühflug, der der verspätete Flug war, warten wollen, wofür sich im konkreten Falle etliche andere Fluggäste entschieden haben, oder ob sie den weiteren planmäßigen Flug …, Abflugzeit 08.10 Uhr ( mit Hotelunterbringung) ersatzweise wahrnehmen wollen, wofür sich die Kläger entschieden haben.
40 
Ein Blick in die Nomenklatur der übrigen Vorerwägungen zur Verordnung ergibt, dass die Folgen der unterschiedlichen Kategorien (Nichtbeförderung, Annullierung und große Verspätung, vgl. Erwägungsgrund Nr. 2) in unterschiedlicher Weise angesprochen sind.
41 
So ist etwa im Erwägungsgrund Nr. 9 im Falle der Nichtbeförderung von einer vollwertigen Ausgleichsleistung die Rede. Auch im Erwägungsgrund Nr. 12 ist im Satz 3 von einem Ausgleich die Rede, den die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu leisten hätten, wobei hier nur der Fall der Annullierung angesprochen ist, und als Korrelat mit Rücksichtnahme auf die Interessen der Luftfahrtunternehmungen dieser wieder entfallen solle, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
42 
Sämtliche Vorerwägungen lassen nicht erkennen, dass Ausgleichsleistungen im Falle von Nur-Verspätungen auch nur andeutungsweise angesprochen werden.
43 
Vielmehr ist in Nr. 17 der Vorerwägungen formuliert „Fluggäste, deren Flüge sich um eine bestimmte Zeit verspäten, sollten angemessen betreut werden und es sollte ihnen möglich sein, ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu stornieren, oder diese unter zufriedenstellenden Bedingungen fortzusetzen.“ Von einer Ausgleichsleistung ist im Verspätungsfalle, jedenfalls bei genauer Lektüre der Vorerwägungen, überhaupt nicht die Rede.
44 
Für die Verspätungsfälle, sieht in Erfüllung der Vorerwägung Nr. 17, Artikel 6, in abgestufter Weise, Unterstützungsleistungen (Betreuungsleistungen) vor, indem auf Artikel 9 Bezug genommen wird. Auch die Stornierungsmöglichkeit des Fluges durch den Fluggast unter Rückerstattung des Flugpreises ist über Artikel 6 Abs. I lit. iii) in Verbindung mit Artikel 8 Abs. I lit. a) der Verordnung angesprochen, während bereits eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühest möglichen Zeitpunkt oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, schon gar nicht mehr vorgesehen ist. Im hier entschiedenen Fall hat die Beklagte jedoch genau das den Klägern angeboten und die Kläger haben davon Gebrauch gemacht.
45 
Für das Gericht steht es nach den vorstehenden Ausführungen außer Frage, dass die Verordnung auch unter Berücksichtigung der Vorerwägungen für den Verspätungsfall eine Ausgleichszahlung im Sinne von Artikel 7 der Verordnung weder ausdrücklich vorsieht, noch in analoger Anwendung dieser Vorschrift bejaht werden kann.
46 
Auch eine darüber hinaus vorgenommene Interessenabwägung führt nicht dazu, gewillkürte Nichtbeförderung oder die Annullierung mit dem Verspätungsfall gleich zu setzen. Im Verspätungsfall hat sich das Luftfahrtunternehmen, jedenfalls im Anwendungsbereich der Verordnung, im Ergebnis erfolgreich bemüht, die Ursachen für die Verspätung in der Weise zu beseitigen, dass der ursprünglich geplante Flug dann doch noch durchgeführt wird, während im Nichtbeförderungsfall eine gewillkürte Verweigerung der Mitnahme des Fluggastes stattgefunden hat und im Fall der Annullierung der gesamte Flug zur Nichtdurchführung kam.
47 
Dieser entscheidende Unterschied, der im Falle der Verspätung mit Sicherheit mit Zusatzkosten auf Seiten des Flugunternehmens verbunden ist, hat für das Amtsgericht Nürtingen nachvollziehbar zur aufgezeigten Differenzierung der Fallgestaltungen, Nichtbeförderung – Annullierung und Verspätung, geführt. Eine Gleichsetzung, in Ansehung der Ausgleichsregelung, von Annullierung und Verspätung, wenn nur die Verspätung lange genug dauert, so wie es der EuGH für Recht befunden hat, ist nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen weder nach den Vorerwägungsgründen, noch nach dem Wortlaut der Verordnung möglich.
48 
Da im hier zu entscheidenden Falle die Kläger im Ergebnis nicht unter Beweis gestellt haben, dass der Flug tatsächlich ersatzlos annulliert wurde, vielmehr die Kläger in der mündlichen Verhandlung Bekundungen von sich gegeben haben, die die Darstellung der Beklagten für zutreffend halten lassen (Durchführung eines sonst nicht geplanten Fluges ab H am 12.10.2007 um 06.16 Uhr), geht das Gericht von einem Verspätungsfall aus, der eine Ausgleichszahlung in Höhe der verlangten jeweils 250,- EUR nicht nach sich zieht.
49 
Nach allem war die Klage abzuweisen.
50 
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
51 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52 
Das Amtsgericht Nürtingen ist sich bewusst, dass mit dieser Entscheidung von der oben zitierten Entscheidung des EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht abgewichen wird.
53 
Im Hinblick auf § 511 Abs. IV Nr. 1 und Nr. 2 ZPO hat das Gericht die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
54 
Nachdem die Berufung zugelassen wurde, war das Amtsgericht Nürtingen zur Anrufung des EuGH gemäß Artikel 234 Abs. III des Vertrages zur Gründung zur Europäischen Gemeinschaft nicht verpflichtet.
55 
Es bleibt vielmehr dem weiteren Gang des Verfahrens vorbehalten, ob es zu einer Anrufung des EuGH kommt oder nicht.

Gründe

 
20 
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
21 
Von vornherein die geltend gemachten Ansprüche, im Hinblick auf Artikel 5 Abs. III der Verordnung, auszuschließen, weil die Beklagte es nachgewiesen habe, dass die Annullierung/Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, ist hier nicht gegeben.
22 
Trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts in der Verfügung vom 20.08.2010, dort Seite 2, Buchstabe c), Bl. 148 d. Gerichtsakten, wo nachgefragt wurde, was die Ursache des plötzlichen Austritts von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes gewesen sein soll, hat sich die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 08.09.2010, dort Seite 2, vgl. Bl. 174 d. Gerichtsakten, lediglich dahin erklärt, dass eine Leitung (Flexleitung) defekt gewesen sei. Damit ist die Ursache des Defekts eben nicht erklärt und allein die Beachtung aller vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten fristgerechter und ordnungsgemäßer Art begründen für sich gesehen, keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der genannten Vorschrift, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.11.2009, Aktenzeichen X a ZR 76/07.
II.
23 
Ebenfalls der Rechtsprechung des BGH folgend, hier Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen X a ZR 61/09, verneint das Gericht sowohl den Untergang des möglichen Anspruches auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung im Hinblick auf die Ausschlussfrist des Artikel 35 Abs. I des Montrealer Übereinkommens, sondern vertritt ebenfalls die Auffassung, dass deutsches Sachrecht anwendbar ist und die Regelverjährung nach § 195 BGB (3 Jahre) Platz greift.
III.
24 
Das Gericht ist jedoch aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen heraus nicht bereit, bei der Frage, ob eine „Verspätung“ der „Annullierung“ gleich zu erachten ist, den von den Klägern zitierten Entscheidungen des EuGH und des BGH zu folgen. In der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 nimmt dieser nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen zunächst zutreffend an, dass nach der Begrifflichkeit ein verspäteter Flug, unabhängig von der Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn der Abflug entsprechend der ursprünglichen Flugplanung stattfindet. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h. wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten, vgl. hierzu die gleichlautenden Ausführungen des EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009, Rdnr. 34-36. Der EuGH hat mithin nach der Begrifflichkeit weiterhin an der Unterscheidung von annulliertem Flug und verspätetem Flug festgehalten.
25 
In den Ausführungen ab der Rdnr. 40 der Entscheidung des EuGH wird zwar konzediert, dass sich aus dem Wortlaut der Verordnung nicht unmittelbar ergibt, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch zusteht. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit der Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“, unter denen die Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Verordnung EG Nr. 261/2004 frei werden könnten, zwar nur in Artikel 5 Abs. III der Verordnung vorgesehen sei, der die Annullierung eines Fluges betrifft, doch heiße es im 15. Erwägungsgrund der Verordnung (die Erwägungsgründe sind dieser vorangestellt), dass dieser Rechtfertigungsgrund (außergewöhnliche Umstände) auch dann geltend gemacht werden könne, wenn eine Entscheidung des Flugmanagements zu einem einzelnem Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge habe, dass es zu einer „großen Verspätung – oder – einer Verspätung bis zum nächsten Tag“ komme. Da der Begriff der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände genannt sei, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft habe.
26 
Implizit werde dies durch das Ziel der Verordnung bestätigt, da sich aus den ersten vier Erwägungsgründen und insbesondere aus dem 2. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergäbe, dass sie darauf abziele, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung oder Verspätung eines Fluges betroffen seien, da sie alle von vergleichbaren Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit dem Luftverkehr betroffen sind.
27 
Dies gelte umso mehr, als die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen seien. Unter diesen Umständen könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge keinen Ausgleichsanspruch haben und im Hinblick auf die Anerkennung eines solchen Anspruches nicht den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können.
28 
Insgesamt spricht sich der EuGH im Hinblick auf die bedeutende Verspätung dafür aus, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von annullierten Flügen zu vergleichen sei. Mit diesen Maßnahmen solle die Verordnung unter anderem den Schaden ausgleichen, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden könne.
29 
Der EuGH stellt heraus, dass eine unterschiedliche Behandlung der mit einem annullierten Flug konfrontierten Fluggäste oder von einer großen Verspätung des Fluges betroffenen Fluggäste durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden könne.
30 
Eine unterschiedliche Behandlung sieht der EuGH als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot an.
31 
Der EuGH ist der Auffassung, dass diese Schlussfolgerung nicht dadurch widerlegt werde, dass Artikel 6 der Verordnung für die Fluggäste verspäteter Flüge verschiedene Formen von Unterstützungsleistungen nach den Artikeln 8 und 9 der Verordnung vorsehe.
32 
Dem allem vermag das Amtsgericht Nürtingen nicht zu folgen.
33 
Gegen die vom EuGH vorgenommene Auslegung spricht bereits der Wortlaut, nämlich Artikel 1 der Verordnung, der die Fallgruppen a) Nichtbeförderung gegen den Willen der Fluggäste, b) Annullierung des Fluges und c) Verspätung des Fluges voneinander unterscheidet. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist sinnlos, wenn anschließend durch Richterrecht die unterschiedlichen Rechtsfolgen wieder eingeebnet würden. Der Verordnungsgeber hat mit der akribischen Begrifflichkeit seinen Willen klar ausgedrückt, unter welchen Umständen welche Leistungen die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu erbringen haben, und hat damit seinen politischen Willen in Gesetzesform gegossen.
34 
Für den Fall der Nichtbeförderung wird gemäß Artikel 4 Abs. III in vollem Umfang auf den Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9 verwiesen.
35 
Im Falle der Annullierung wird gem. Artikel 5 auf die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 verwiesen, sowie die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Abs. I a) und Abs. II. Es handelt sich bei Artikel 5 mit den weiteren Bestimmungen um ein filigranes System der Ansprüche, bezüglich derer der Rechtsanwender nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen davon ausgehen muss, dass es einer Interessenabwägung des Gesetzgebers entsprungen ist und nach dem Prinzip der Gewaltenteilung der Richter sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen darf, wenn ihm bestimmte Ergebnisse der Regelung nicht gefallen. Der Richter ist jeweils Rechtsanwender, jedoch nicht Ersatzgesetzgeber. Eine Regelungslücke in dem Normengebilde der Verordnung ist von vornherein nicht auszumachen, da die Verordnung per se nur fragmentarischen Charakter hat und keine „ungeplante“ Regelungslücke aufweist.
36 
Ein Hauptargument des EuGH für die Gleichstellung von Verspätung und Annullierung bei größerer Verspätung ist die Formulierung der Vorerwägungen in Nr. 15. Es heißt dort „Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Fluges zu einer großen Verspätung, oder Verspätung bis zum nächsten Tag, oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“
37 
Es mutet schon eigenartig an, dass das Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des in dem Erwägungsgrund Nr. 14 versuchsweise näher definierten Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ im Erwägungsgrund Nr. 15 zur Einschränkung von Ansprüchen zu umschreiben, dazu benutzt wird, aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen explizit in der eigentlichen Verordnung nicht zugebilligte Ansprüche durch Richterrecht zu kreieren. Der gesetzgeberische Wille des Verordnungsgebers hat sich im Wortlaut der Verordnung manifestiert und dort wurde die Feinabgrenzung vorgenommen, mögen auch die vorangestellten Erwägungen die Motive für den Erlass der Verordnung umschreiben.
38 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die für den Verspätungsfall in Artikel 6 der Verordnung im Einzelnen aufgeführten Unterstützungsleistungen, insbesondere die Betreuungsleistungen, die in Artikel 9 genannt sind, auch bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Das bedeutet, der Verordnungsgeber hat, entgegen den Vorerwägungen in Nr. 14, etwa im Fall der mehrnächtigen Hotelunterbringung, dem Flugunternehmen das unentgeltliche Anbieten dieser Leistung auferlegt. Insoweit findet in der Verordnung weder eine Beschränkung noch ein Ausschluss statt. Als Beispiel sei hier genannt, die Situation der mehrtägigen Unterbrechung des Flugverkehres durch die Folgen eines größeren Vulkanausbruchs mit den entsprechenden Folgen für die Lahmlegung des Flugverkehrs. Hier ist für Jedermann ersichtlich, dass für diese Störungsart die Flugunternehmung keinerlei Verschulden oder auch nur eine nach Beherrschungsräumen abgegrenzte Verantwortung zukommen kann und dennoch hat der Verordnungsgeber es für richtig befunden, den Fluggästen den Anspruch auf unentgeltliche Betreuungsleistungen zuzubilligen. Nach dem Wortlaut der Verordnung werden in dem beschriebenen Falle die annullierungsbetroffenen Fluggäste mit den verspätungsbetroffenen Fluggästen gleich behandelt.
39 
In dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall hat die Beklagte den Fluggästen zur Wahl gestellt, über die Regelung der Verordnung hinaus, ob sie den dann doch noch durchgeführten Flug ab H um 06.16 Uhr wahrnehmen wollen (ohne Hotelunterbringung) und sie aufgrund des Zeitablaufes im Flughafengebäude auf den Frühflug, der der verspätete Flug war, warten wollen, wofür sich im konkreten Falle etliche andere Fluggäste entschieden haben, oder ob sie den weiteren planmäßigen Flug …, Abflugzeit 08.10 Uhr ( mit Hotelunterbringung) ersatzweise wahrnehmen wollen, wofür sich die Kläger entschieden haben.
40 
Ein Blick in die Nomenklatur der übrigen Vorerwägungen zur Verordnung ergibt, dass die Folgen der unterschiedlichen Kategorien (Nichtbeförderung, Annullierung und große Verspätung, vgl. Erwägungsgrund Nr. 2) in unterschiedlicher Weise angesprochen sind.
41 
So ist etwa im Erwägungsgrund Nr. 9 im Falle der Nichtbeförderung von einer vollwertigen Ausgleichsleistung die Rede. Auch im Erwägungsgrund Nr. 12 ist im Satz 3 von einem Ausgleich die Rede, den die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu leisten hätten, wobei hier nur der Fall der Annullierung angesprochen ist, und als Korrelat mit Rücksichtnahme auf die Interessen der Luftfahrtunternehmungen dieser wieder entfallen solle, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
42 
Sämtliche Vorerwägungen lassen nicht erkennen, dass Ausgleichsleistungen im Falle von Nur-Verspätungen auch nur andeutungsweise angesprochen werden.
43 
Vielmehr ist in Nr. 17 der Vorerwägungen formuliert „Fluggäste, deren Flüge sich um eine bestimmte Zeit verspäten, sollten angemessen betreut werden und es sollte ihnen möglich sein, ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu stornieren, oder diese unter zufriedenstellenden Bedingungen fortzusetzen.“ Von einer Ausgleichsleistung ist im Verspätungsfalle, jedenfalls bei genauer Lektüre der Vorerwägungen, überhaupt nicht die Rede.
44 
Für die Verspätungsfälle, sieht in Erfüllung der Vorerwägung Nr. 17, Artikel 6, in abgestufter Weise, Unterstützungsleistungen (Betreuungsleistungen) vor, indem auf Artikel 9 Bezug genommen wird. Auch die Stornierungsmöglichkeit des Fluges durch den Fluggast unter Rückerstattung des Flugpreises ist über Artikel 6 Abs. I lit. iii) in Verbindung mit Artikel 8 Abs. I lit. a) der Verordnung angesprochen, während bereits eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühest möglichen Zeitpunkt oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, schon gar nicht mehr vorgesehen ist. Im hier entschiedenen Fall hat die Beklagte jedoch genau das den Klägern angeboten und die Kläger haben davon Gebrauch gemacht.
45 
Für das Gericht steht es nach den vorstehenden Ausführungen außer Frage, dass die Verordnung auch unter Berücksichtigung der Vorerwägungen für den Verspätungsfall eine Ausgleichszahlung im Sinne von Artikel 7 der Verordnung weder ausdrücklich vorsieht, noch in analoger Anwendung dieser Vorschrift bejaht werden kann.
46 
Auch eine darüber hinaus vorgenommene Interessenabwägung führt nicht dazu, gewillkürte Nichtbeförderung oder die Annullierung mit dem Verspätungsfall gleich zu setzen. Im Verspätungsfall hat sich das Luftfahrtunternehmen, jedenfalls im Anwendungsbereich der Verordnung, im Ergebnis erfolgreich bemüht, die Ursachen für die Verspätung in der Weise zu beseitigen, dass der ursprünglich geplante Flug dann doch noch durchgeführt wird, während im Nichtbeförderungsfall eine gewillkürte Verweigerung der Mitnahme des Fluggastes stattgefunden hat und im Fall der Annullierung der gesamte Flug zur Nichtdurchführung kam.
47 
Dieser entscheidende Unterschied, der im Falle der Verspätung mit Sicherheit mit Zusatzkosten auf Seiten des Flugunternehmens verbunden ist, hat für das Amtsgericht Nürtingen nachvollziehbar zur aufgezeigten Differenzierung der Fallgestaltungen, Nichtbeförderung – Annullierung und Verspätung, geführt. Eine Gleichsetzung, in Ansehung der Ausgleichsregelung, von Annullierung und Verspätung, wenn nur die Verspätung lange genug dauert, so wie es der EuGH für Recht befunden hat, ist nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen weder nach den Vorerwägungsgründen, noch nach dem Wortlaut der Verordnung möglich.
48 
Da im hier zu entscheidenden Falle die Kläger im Ergebnis nicht unter Beweis gestellt haben, dass der Flug tatsächlich ersatzlos annulliert wurde, vielmehr die Kläger in der mündlichen Verhandlung Bekundungen von sich gegeben haben, die die Darstellung der Beklagten für zutreffend halten lassen (Durchführung eines sonst nicht geplanten Fluges ab H am 12.10.2007 um 06.16 Uhr), geht das Gericht von einem Verspätungsfall aus, der eine Ausgleichszahlung in Höhe der verlangten jeweils 250,- EUR nicht nach sich zieht.
49 
Nach allem war die Klage abzuweisen.
50 
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
51 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52 
Das Amtsgericht Nürtingen ist sich bewusst, dass mit dieser Entscheidung von der oben zitierten Entscheidung des EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht abgewichen wird.
53 
Im Hinblick auf § 511 Abs. IV Nr. 1 und Nr. 2 ZPO hat das Gericht die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
54 
Nachdem die Berufung zugelassen wurde, war das Amtsgericht Nürtingen zur Anrufung des EuGH gemäß Artikel 234 Abs. III des Vertrages zur Gründung zur Europäischen Gemeinschaft nicht verpflichtet.
55 
Es bleibt vielmehr dem weiteren Gang des Verfahrens vorbehalten, ob es zu einer Anrufung des EuGH kommt oder nicht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 14/12 Verkündet am:
13. November 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens und die Richter Gröning, Dr. Grabinski
und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 5. Januar 2012 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger begehren jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 €
1
gemäß § 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/2001, ABl. Nr. L 46 S. 1 (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung - FluggastrechteVO), pauschalen Schadenersatz von jeweils 20 € für nicht gewährte Betreuungsleistungen sowie Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Luftverkehrsunternehmen
2
mit Sitz im Sultanat Oman, einen Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok über Maskat und zurück. Der Hinflug von Frankfurt am Main nach Maskat mit der Flugnummer … erfolgte planmäßig. In Maskat traten die Kläger den Anschlussflug mit der Flugnummer … nach Bangkok an, der jedoch erst rund 8 Stunden später als vorgesehen startete, so dass die Fluggäste etwa 8 Stunden später als geplant in Bangkok eintrafen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist
3
ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Berufungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
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Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zulässig. Die
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internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ergebe sich aus § 29 ZPO. Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift für die geltend gemachten Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung sei nach dem Rechtsgedanken des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) (nachfolgend: Brüssel-I-VO) auch der vereinbarte Abflugort in Frankfurt am Main. Dies gelte, auch wenn die Verspätung sich nicht am vertragsgemäßen Abflugort, sondern erst im Rahmen eines Anschlussflugs an einem anderen Ort ereignet habe. Allerdings sei der Anspruch nicht begründet, da die Fluggastrechtever6 ordnung auf die vorliegende Fallkonstellation nicht anwendbar sei. Die Kläger hätten den verspäteten Flug in Maskat und damit nicht auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union angetreten. Auf den originären vertragsgemäßen Abflugort in Frankfurt am Main könne nicht abgestellt werden, da die Kläger den Flug von Maskat nach Bangkok mit einem anderen Flugzeug und unter anderer Flugnummer als den Flug von Frankfurt am Main nach Maskat hätten antreten sollen und es sich damit um zwei separate Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung gehandelt habe. Dass beide Flüge gemeinsam gebucht und jeweils von der Beklagten durchgeführt worden seien, sei nicht von Bedeutung. Auch ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von jeweils 20 € pauschalen und fiktiven Schadenersatz für nicht gewährte Betreuungsleistungen bestehe mangels Anspruchsgrundlage nicht.
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II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Die auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende interna8 tionale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Sie ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 39 ZPO jedenfalls daraus, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die erhobene Rüge mangelnder internationaler Zuständigkeit ausdrücklich nicht aufrechterhalten und die Sachentscheidung des Berufungsgerichts verteidigt hat. 2. Das Berufungsgericht hat den Klägern zu Recht einen Ausgleichsan9 spruch nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO wegen der Verspätung des Flugs von Maskat nach Bangkok versagt.
a) Ein Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift steht den Fluggästen
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eines Flugs zu, wenn in einer anderen Vorschrift der Verordnung auf Art. 7 Bezug genommen wird (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Art 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO bestimmt insoweit, dass das ausführende Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 schuldet. Eine entsprechende Ausgleichsleistung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, Slg. 2009, I-10923 = NJW 2010, 43 = RRa 2010, 93 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10 - Nelson/Lufthansa), der der Bundesgerichtshof beigetreten ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 95/06, NJW 2010, 2281 = RRa 2010, 93), gegenüber den Fluggästen eines verspäteten Fluges zu erbringen, wenn diese infolge der Verspätung einen erheblichen Zeitverlust bei der Ankunft an ihrem letzten Zielort erleiden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO).
b) Der Begriff des Fluges ist nicht nach nationalem Luftbeförderungs11 recht zu bestimmen, sondern wird von der Fluggastrechteverordnung autonom definiert. Sie enthält allerdings keine ausdrückliche Definition, insbesondere nicht
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in Art. 2, der die Bedeutung verschiedener Begriffe bestimmt. Die Definition des Flugs ist daher aus Sinn und Zweck der Fluggastrechteverordnung und insbesondere derjenigen Vorschriften der Verordnung zu entwickeln, die sich dieses Begriffs bedienen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07, Slg. 2008 I-5252 = NJW 2008, 2697 = RRa 2008, 237 Rn. 28 - Emirates/Schenkel). Einen entscheidenden Hinweis darauf, was Flug im Sinne der Verord13 nung ist, gibt dabei bereits Art. 3 Abs. 1 FluggastrechteVO, der bestimmt, dass die Verordnung für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen auf dem Gebiet der Europäischen Union einen Flug antreten oder die - sofern das ausführende Luftverkehrsunternehmen ein Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft ist - von einem Flughafen eines Drittstaates einen Flug zu einem Flughafen auf dem Gebiet der Union antreten. Die Verordnung bezieht sich damit auf die (Gesamtheit der) Fluggäste eines Fluges, der von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Flugroute ausgeführt wird und mit dem die Fluggäste von einem Flughafen A zu einem Flughafen B befördert werden (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Sprachfassungen der Verordnung (so bereits EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 24 f. - Emirates/Schenkel ), die zwar - etwa in der englischen oder französischen Fassung - in Art. 3 Abs. 1 selbst den Begriff des Fluges nicht erwähnen, jedoch in Art. 3 Abs. 2 auf ihn Bezug nehmen ("the flight concerned"; "le vol concerné"). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dies dahin ausgedrückt, dass es bei einem Flug im Sinne der Verordnung im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handele, der in gewisser Weise eine "Einheit" dieser Beförderung darstelle, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt werde, das die entsprechende Flugroute festlege (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 40 - Emirates/Schenkel). Eine einheitliche Buchung wirkt sich auf die Eigenständigkeit zweier Flüge nicht aus (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 51 - Emirates/Schenkel). Den individuellen Reiseplan des einzelnen Fluggastes und den von ihm
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abgeschlossenen Beförderungsvertrag nimmt die Verordnung nicht in den Blick, sondern betrachtet die Fluggäste eines Flugs sozusagen als Kollektiv, dessen Mitgliedern bei einem in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Flug bestimmte Rechte eingeräumt werden, die grundsätzlich unabhängig davon sind, ob die einzelnen Fluggäste nur diesen Flug oder auch weitere, dem betreffenden Flug vorangehende oder sich an ihn anschließende Flüge gebucht haben und von welchem Luftverkehrsunternehmen diese weiteren Flüge durchgeführt werden. Die Verordnung spricht deswegen auch regelmäßig nicht von (individuellen) Ansprüchen des einzelnen Fluggastes, sondern von Rechten der Fluggäste. Auch inhaltlich sind diese Rechte auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges, bezogen, wie etwa Art. 5 deutlich macht, nach dem bei Annullierung eines Flugs gegenüber den Fluggästen dieses Flugs, d.h. denjenigen, die - wie immer ihr individueller Reiseplan aussehen mag - über eine bestätigte Buchung für die unter einer bestimmten Flugnummer von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auszuführende "Luftbeförderungseinheit" verfügen, Unterstützungsleistungen nach Art. 8 und Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verordnung sowie Ausgleichszahlungen zu erbringen sind. Ähnliches gilt nach Art. 6 im Verspätungsfall. Die Verpflichtung zu Betreuungsleistungen nach Art. 9 knüpft daran an, dass für ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen vernünftigerweise absehbar ist, dass sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit erheblich verzögern wird. Sie kann nicht anders verstanden wer- den als eine Verpflichtung gegenüber der Gesamtheit der von der Abflugverspätung eines konkreten Fluges betroffenen Fluggäste. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Verordnung davon ausgehe, dass die Störungen des vorgesehenen Flugablaufs, an die die Verpflichtungen des Luftverkehrsunternehmens anknüpfen , bei einem Flug nur einmal auftreten könnten, und die Fluggäste deshalb den ihnen gewährten Schutz nur einmal in Anspruch nehmen könnten (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - C-173/07 Rn. 36 - Emirates/Schenkel); auch dazu stünde es in Widerspruch, wenn bei einer Anschlussverbindung die Verspätungen des Erst- und des Zweitfluges als zwei Verspätungen ein- und desselben Flugs gewertet würden oder die zweite Verspätung als nicht den Abflug eines einheitlichen Flugs betreffend außer Betracht gelassen werden müsste. Für Ausgleichszahlungen gilt nichts anderes. Der Ausgleichsanspruch
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knüpft ebenso wie die anderen Fluggastrechte an den Flug an, der annulliert oder verspätet durchgeführt worden ist oder auf dem Fluggästen die Beförderung verweigert worden ist. Lediglich bei der Höhe der Ausgleichszahlung berücksichtigt die Verordnung (in pauschalierter Weise), dass die einzelnen Fluggäste durch die Annullierung eines Fluges oder durch die Verweigerung der Beförderung in unterschiedlicher Weise betroffen sein können, je nachdem, wie sich diese Maßnahme auf die Erreichung ihres individuellen Endziels auswirkt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO wird deshalb bei der Ermittlung der für die Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast (hier und nur hier verwendet die Verordnung im erörterten Zusammenhang den Singular) infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Der Senat kann diese Auslegung seiner Entscheidung zugrunde legen,
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ohne eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der Gerichtshof hat zwar ausdrücklich nur entschieden, dass bei einer einheitlichen Buchung eines Hin- und Rückflugs zwei Flüge im Sinne der Ver- ordnung vorliegen. Die hierfür vom Gerichtshof gegebene Begründung gilt jedoch gleichermaßen für eine Flugreise, die sich aus zwei unterschiedlichen Flügen im Sinne von jeweils von einem Luftverkehrsunternehmen unter einer bestimmten Flugnummer auf einer bestimmten Route durchgeführten Luftbeförderungsvorgängen zusammensetzt, und entspricht, wie ausgeführt, dem Grundkonzept der Verordnung, zu dem die Zusammenfassung zweier oder mehrerer Flüge zu einem aus der Sicht des einzelnen Fluggastes und seiner Reiseroute definierten einzigen "Flug" in einen unheilbaren Widerspruch träte.
c) Danach hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass den
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Klägern ein Ausgleichsanspruch nicht zusteht. Dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfällt nur der Flug von Frankfurt am Main nach Maskat. Er wurde weder annulliert, noch war er verspätet oder wurde den Klägern die Beförderung verweigert. Auf den erheblich verspäteten Flug von Maskat nach Bangkok kann die Verordnung hingegen weder nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a noch nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b FluggastrechteVO angewendet werden. 3. Auch ein Anspruch auf Betreuungsleistungen nach Art. 9 der Verord18 nung bestand mithin nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Grabinski Hoffmann
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.06.2011 - 31 C 291/11 (83) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.01.2012 - 2-24 S 145/11 -

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert: 500,- EUR .

Tatbestand

 
Mit der an das Amtsgericht Stuttgart gerichteten Klage vom 30.03.2010 verlangten die beiden Kläger von der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in K, jeweils die Zahlung von 250,- EUR nebst Zinsen im Hinblick auf den von den Klägern bei der Beklagten gebuchten Flug mit der Nr…., dessen Abflug ab H für 21.00 Uhr geplant war. Planmäßige Ankunft in S war für 22.15 Uhr vorgesehen.
Das Amtsgericht Stuttgart hat auf seine örtliche Unzuständigkeit hingewiesen und den Rechtsstreit schließlich mit Beschluss vom 30.06.2010 auf Antrag der Kläger an das Amtsgericht Nürtingen verwiesen, da der Flughafen S im Bezirk des Amtsgerichts Nürtingen liegt.
Die Kläger haben vorgebracht, der Flug sei gegen Mitternacht kurzfristig abgesagt worden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei den Passagieren angeboten worden, wahlweise den ersten oder zweiten Flug, der am folgenden Tag nach S ging, wahrzunehmen. Darauf hin gelangten unstreitig die Kläger am 12.10.2007 mit dem Flug Nr. ..., Abflugszeit 08.10 Uhr in H, an den Ankunftsort Flughafen S.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2010, vgl. Bl. 196 ff. d. Gerichtsakten, haben die Kläger kundgetan, dass kurz vor Mitternacht oder kurz nach Mitternacht alle Passagiere im Flugzeug gesessen hätten und auf den Start gewartet hätten. Es habe vielleicht 15 Minuten gedauert, dann sei eine Durchsage aus dem Cockpit gekommen, leider findet der Flug heute Nacht nach S nicht statt, es gebe eine technische Störung.
Die Klägerin Ziffer 1 hat ergänzt, dass sie sich auch noch an das Stichwort „Nachtflugverbot“ erinnere. Es könne aber sein, dass dies von einem Passagier gekommen sei.
Die Kläger haben weiter in der mündlichen Verhandlung kundgetan, dass eine junge Dame von der Beklagten auch den Klägern bekannt gegeben habe, dass es die Möglichkeit gäbe, drei verschiedene Flüge am kommenden Morgen zu benutzen und zwar einen Flug ganz früh am Morgen, so um 06.00 Uhr herum. Hier sei der Vorschlag verbunden gewesen, dass sich die betreffenden Passagiere in einer noch zu öffnenden Halle des Flughafens niederlassen könnten zum Campieren, um auch wirklich pünktlich da zu sein. Ein zweiter Flug wurde angeboten nach 08.00 Uhr, und diesen zweiten Flug hätten die Kläger dann auch genommen. Die Kläger haben sich entschieden, die angebotene Hotelübernachtung in Anspruch zu nehmen und wurden mit einem Taxi ins Hotel gebracht und auch zurück vom Hotel zum Flughafen. Die Kläger haben vorgetragen, es möge sein, dass der 06.00 Uhr-Flug, der angeboten worden sei, ein solcher sei, der nur deswegen angeboten wurde, weil der 21.00 Uhr-Flug am Vortag ausgefallen war.
Die Kläger haben in der Klageschrift sich auf einen Ausgleichsanspruch aus Artikel 7 Abs. I a) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden nur noch Verordnung genannt) wegen großer Verspätung/Annullierung des von ihnen gebuchten Fluges berufen.
Gegenüber dem bereits außergerichtlich von der Beklagten geäußerten Sachvortrag, den die Beklagte im Prozessgeschehen wiederholt hat, dass nämlich der gebuchte Flug Nr. ..., planmäßiger Abflug H 21.00 Uhr, am Folgetag um 04.16 Uhr UTC (06.16 Uhr MEZ) „off-block“ gegangen sei, der Flug sei somit nicht annulliert gewesen, sondern nur verspätet durchgeführt worden, haben die Kläger bereits in der Klageschrift die Auffassung vertreten, hierauf komme es nicht an, weil Fluggästen bei – wie hier – großer Verspätung im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 der Verordnung ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Artikel 7 zustehe, wie bei einer Annullierung des Fluges. Dabei hat sich die Klägerseite ausdrücklich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, Aktenzeichen X a ZR 95/06 vom 18.02.2010, sowie die vorangegangene Entscheidung des EuGH, Aktenzeichen C-402/07 und C-432/07 vom 19.11.2009, berufen.
Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, die Annullierung oder Verspätung sei nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 5 Abs. III der Verordnung beruhend.
10 
Die Kläger haben beantragt , wie folgt für Recht zu erkennen:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 250,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 07.11.2007 zu bezahlen.
12 
Die Beklagte hat
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Klageabweisung beantragt .
14 
Sie macht geltend, der erhobene Anspruch bestehe bereits mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen von vornherein nicht. Er sei jedenfalls gemäß Artikel 5 Abs. III der Verordnung ausgeschlossen und im Übrigen wegen verspäteter Klageerhebung gemäß Artikel 35 Montrealer Übereinkommen untergegangen.
15 
Im Einzelnen hat die Beklagte sich umfangreich gegen die Gleichstellung von Annullierung und Verspätung (Artikel 5 und Artikel 6 der Verordnung) gewandt und hierzu umfangreiche Ausführungen gemacht, vgl. Schriftsatz vom 19.08.2010, ab Seite 2 bis Seite 29, vgl. Bl. 91/118 d. Gerichtsakten.
16 
Die Beklagte beruft sich weiterhin darauf, dass das Flugzeug mit der Kennung D-, das den Flug Nr. … durchführen sollte, vom Typ A, nach der Landung in H am 11.10.2007 gegen 17.30 Uhr plötzlich einen Austritt von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes aufgewiesen habe. Da die Hydraulikflüssigkeit mit einer Geschwindigkeit von mehr als 60 Tropfen pro Minute ausgetreten sei, habe das Flugzeug vor seiner weiteren Verwendung zunächst repariert werden müssen und ein weiterer Einsatz sei bis dahin aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen. Der technische Defekt sei bereits um 23.53 Uhr wieder so behoben gewesen, dass das Fluggerät 2 Std. 53 Min. nach dem planmäßigen Abflug einsatzbereit gewesen sei. Die weitere Verzögerung habe jedoch aufgrund der Nachtflugverbote, insbesondere auf dem Flughafen S, hingenommen werden müssen. Daher sei der Flug eben um 06.16 Uhr am Folgetag verspätet durchgeführt worden. Auf dem Flughafen H habe noch eine Ausnahmegenehmigung für den Start erreicht werden können, aber wegen der nicht durchführbaren Landung in S sei es schließlich zu der tatsächlichen eingetretenen Verzögerung gekommen.
17 
Die Flugzeuge der Beklagten, und so auch der betreffende A, werde von der Beklagten den Herstellerangaben und den behördlichen Auflagen entsprechend regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet und instand gesetzt. Der an dem A aufgetretene technische Defekt sei zumindest als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 5 Abs. III der Verordnung zu werten.
18 
Nach Auffassung der Beklagten unterliegt der geltend gemachte Anspruch der Ausschlussfrist des Artikels 35 Montrealer Übereinkommen und wegen Nichteinhaltung der 2-Jahres-Frist, gerechnet ab 11.10.2007, sei die Klage verspätet erhoben worden. Der Anspruch, wenn er denn bestanden hätte, sei untergegangen. Vorsorglich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
21 
Von vornherein die geltend gemachten Ansprüche, im Hinblick auf Artikel 5 Abs. III der Verordnung, auszuschließen, weil die Beklagte es nachgewiesen habe, dass die Annullierung/Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, ist hier nicht gegeben.
22 
Trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts in der Verfügung vom 20.08.2010, dort Seite 2, Buchstabe c), Bl. 148 d. Gerichtsakten, wo nachgefragt wurde, was die Ursache des plötzlichen Austritts von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes gewesen sein soll, hat sich die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 08.09.2010, dort Seite 2, vgl. Bl. 174 d. Gerichtsakten, lediglich dahin erklärt, dass eine Leitung (Flexleitung) defekt gewesen sei. Damit ist die Ursache des Defekts eben nicht erklärt und allein die Beachtung aller vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten fristgerechter und ordnungsgemäßer Art begründen für sich gesehen, keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der genannten Vorschrift, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.11.2009, Aktenzeichen X a ZR 76/07.
II.
23 
Ebenfalls der Rechtsprechung des BGH folgend, hier Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen X a ZR 61/09, verneint das Gericht sowohl den Untergang des möglichen Anspruches auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung im Hinblick auf die Ausschlussfrist des Artikel 35 Abs. I des Montrealer Übereinkommens, sondern vertritt ebenfalls die Auffassung, dass deutsches Sachrecht anwendbar ist und die Regelverjährung nach § 195 BGB (3 Jahre) Platz greift.
III.
24 
Das Gericht ist jedoch aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen heraus nicht bereit, bei der Frage, ob eine „Verspätung“ der „Annullierung“ gleich zu erachten ist, den von den Klägern zitierten Entscheidungen des EuGH und des BGH zu folgen. In der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 nimmt dieser nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen zunächst zutreffend an, dass nach der Begrifflichkeit ein verspäteter Flug, unabhängig von der Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn der Abflug entsprechend der ursprünglichen Flugplanung stattfindet. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h. wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten, vgl. hierzu die gleichlautenden Ausführungen des EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009, Rdnr. 34-36. Der EuGH hat mithin nach der Begrifflichkeit weiterhin an der Unterscheidung von annulliertem Flug und verspätetem Flug festgehalten.
25 
In den Ausführungen ab der Rdnr. 40 der Entscheidung des EuGH wird zwar konzediert, dass sich aus dem Wortlaut der Verordnung nicht unmittelbar ergibt, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch zusteht. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit der Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“, unter denen die Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Verordnung EG Nr. 261/2004 frei werden könnten, zwar nur in Artikel 5 Abs. III der Verordnung vorgesehen sei, der die Annullierung eines Fluges betrifft, doch heiße es im 15. Erwägungsgrund der Verordnung (die Erwägungsgründe sind dieser vorangestellt), dass dieser Rechtfertigungsgrund (außergewöhnliche Umstände) auch dann geltend gemacht werden könne, wenn eine Entscheidung des Flugmanagements zu einem einzelnem Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge habe, dass es zu einer „großen Verspätung – oder – einer Verspätung bis zum nächsten Tag“ komme. Da der Begriff der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände genannt sei, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft habe.
26 
Implizit werde dies durch das Ziel der Verordnung bestätigt, da sich aus den ersten vier Erwägungsgründen und insbesondere aus dem 2. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergäbe, dass sie darauf abziele, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung oder Verspätung eines Fluges betroffen seien, da sie alle von vergleichbaren Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit dem Luftverkehr betroffen sind.
27 
Dies gelte umso mehr, als die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen seien. Unter diesen Umständen könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge keinen Ausgleichsanspruch haben und im Hinblick auf die Anerkennung eines solchen Anspruches nicht den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können.
28 
Insgesamt spricht sich der EuGH im Hinblick auf die bedeutende Verspätung dafür aus, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von annullierten Flügen zu vergleichen sei. Mit diesen Maßnahmen solle die Verordnung unter anderem den Schaden ausgleichen, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden könne.
29 
Der EuGH stellt heraus, dass eine unterschiedliche Behandlung der mit einem annullierten Flug konfrontierten Fluggäste oder von einer großen Verspätung des Fluges betroffenen Fluggäste durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden könne.
30 
Eine unterschiedliche Behandlung sieht der EuGH als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot an.
31 
Der EuGH ist der Auffassung, dass diese Schlussfolgerung nicht dadurch widerlegt werde, dass Artikel 6 der Verordnung für die Fluggäste verspäteter Flüge verschiedene Formen von Unterstützungsleistungen nach den Artikeln 8 und 9 der Verordnung vorsehe.
32 
Dem allem vermag das Amtsgericht Nürtingen nicht zu folgen.
33 
Gegen die vom EuGH vorgenommene Auslegung spricht bereits der Wortlaut, nämlich Artikel 1 der Verordnung, der die Fallgruppen a) Nichtbeförderung gegen den Willen der Fluggäste, b) Annullierung des Fluges und c) Verspätung des Fluges voneinander unterscheidet. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist sinnlos, wenn anschließend durch Richterrecht die unterschiedlichen Rechtsfolgen wieder eingeebnet würden. Der Verordnungsgeber hat mit der akribischen Begrifflichkeit seinen Willen klar ausgedrückt, unter welchen Umständen welche Leistungen die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu erbringen haben, und hat damit seinen politischen Willen in Gesetzesform gegossen.
34 
Für den Fall der Nichtbeförderung wird gemäß Artikel 4 Abs. III in vollem Umfang auf den Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9 verwiesen.
35 
Im Falle der Annullierung wird gem. Artikel 5 auf die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 verwiesen, sowie die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Abs. I a) und Abs. II. Es handelt sich bei Artikel 5 mit den weiteren Bestimmungen um ein filigranes System der Ansprüche, bezüglich derer der Rechtsanwender nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen davon ausgehen muss, dass es einer Interessenabwägung des Gesetzgebers entsprungen ist und nach dem Prinzip der Gewaltenteilung der Richter sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen darf, wenn ihm bestimmte Ergebnisse der Regelung nicht gefallen. Der Richter ist jeweils Rechtsanwender, jedoch nicht Ersatzgesetzgeber. Eine Regelungslücke in dem Normengebilde der Verordnung ist von vornherein nicht auszumachen, da die Verordnung per se nur fragmentarischen Charakter hat und keine „ungeplante“ Regelungslücke aufweist.
36 
Ein Hauptargument des EuGH für die Gleichstellung von Verspätung und Annullierung bei größerer Verspätung ist die Formulierung der Vorerwägungen in Nr. 15. Es heißt dort „Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Fluges zu einer großen Verspätung, oder Verspätung bis zum nächsten Tag, oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“
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Es mutet schon eigenartig an, dass das Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des in dem Erwägungsgrund Nr. 14 versuchsweise näher definierten Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ im Erwägungsgrund Nr. 15 zur Einschränkung von Ansprüchen zu umschreiben, dazu benutzt wird, aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen explizit in der eigentlichen Verordnung nicht zugebilligte Ansprüche durch Richterrecht zu kreieren. Der gesetzgeberische Wille des Verordnungsgebers hat sich im Wortlaut der Verordnung manifestiert und dort wurde die Feinabgrenzung vorgenommen, mögen auch die vorangestellten Erwägungen die Motive für den Erlass der Verordnung umschreiben.
38 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die für den Verspätungsfall in Artikel 6 der Verordnung im Einzelnen aufgeführten Unterstützungsleistungen, insbesondere die Betreuungsleistungen, die in Artikel 9 genannt sind, auch bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Das bedeutet, der Verordnungsgeber hat, entgegen den Vorerwägungen in Nr. 14, etwa im Fall der mehrnächtigen Hotelunterbringung, dem Flugunternehmen das unentgeltliche Anbieten dieser Leistung auferlegt. Insoweit findet in der Verordnung weder eine Beschränkung noch ein Ausschluss statt. Als Beispiel sei hier genannt, die Situation der mehrtägigen Unterbrechung des Flugverkehres durch die Folgen eines größeren Vulkanausbruchs mit den entsprechenden Folgen für die Lahmlegung des Flugverkehrs. Hier ist für Jedermann ersichtlich, dass für diese Störungsart die Flugunternehmung keinerlei Verschulden oder auch nur eine nach Beherrschungsräumen abgegrenzte Verantwortung zukommen kann und dennoch hat der Verordnungsgeber es für richtig befunden, den Fluggästen den Anspruch auf unentgeltliche Betreuungsleistungen zuzubilligen. Nach dem Wortlaut der Verordnung werden in dem beschriebenen Falle die annullierungsbetroffenen Fluggäste mit den verspätungsbetroffenen Fluggästen gleich behandelt.
39 
In dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall hat die Beklagte den Fluggästen zur Wahl gestellt, über die Regelung der Verordnung hinaus, ob sie den dann doch noch durchgeführten Flug ab H um 06.16 Uhr wahrnehmen wollen (ohne Hotelunterbringung) und sie aufgrund des Zeitablaufes im Flughafengebäude auf den Frühflug, der der verspätete Flug war, warten wollen, wofür sich im konkreten Falle etliche andere Fluggäste entschieden haben, oder ob sie den weiteren planmäßigen Flug …, Abflugzeit 08.10 Uhr ( mit Hotelunterbringung) ersatzweise wahrnehmen wollen, wofür sich die Kläger entschieden haben.
40 
Ein Blick in die Nomenklatur der übrigen Vorerwägungen zur Verordnung ergibt, dass die Folgen der unterschiedlichen Kategorien (Nichtbeförderung, Annullierung und große Verspätung, vgl. Erwägungsgrund Nr. 2) in unterschiedlicher Weise angesprochen sind.
41 
So ist etwa im Erwägungsgrund Nr. 9 im Falle der Nichtbeförderung von einer vollwertigen Ausgleichsleistung die Rede. Auch im Erwägungsgrund Nr. 12 ist im Satz 3 von einem Ausgleich die Rede, den die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu leisten hätten, wobei hier nur der Fall der Annullierung angesprochen ist, und als Korrelat mit Rücksichtnahme auf die Interessen der Luftfahrtunternehmungen dieser wieder entfallen solle, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
42 
Sämtliche Vorerwägungen lassen nicht erkennen, dass Ausgleichsleistungen im Falle von Nur-Verspätungen auch nur andeutungsweise angesprochen werden.
43 
Vielmehr ist in Nr. 17 der Vorerwägungen formuliert „Fluggäste, deren Flüge sich um eine bestimmte Zeit verspäten, sollten angemessen betreut werden und es sollte ihnen möglich sein, ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu stornieren, oder diese unter zufriedenstellenden Bedingungen fortzusetzen.“ Von einer Ausgleichsleistung ist im Verspätungsfalle, jedenfalls bei genauer Lektüre der Vorerwägungen, überhaupt nicht die Rede.
44 
Für die Verspätungsfälle, sieht in Erfüllung der Vorerwägung Nr. 17, Artikel 6, in abgestufter Weise, Unterstützungsleistungen (Betreuungsleistungen) vor, indem auf Artikel 9 Bezug genommen wird. Auch die Stornierungsmöglichkeit des Fluges durch den Fluggast unter Rückerstattung des Flugpreises ist über Artikel 6 Abs. I lit. iii) in Verbindung mit Artikel 8 Abs. I lit. a) der Verordnung angesprochen, während bereits eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühest möglichen Zeitpunkt oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, schon gar nicht mehr vorgesehen ist. Im hier entschiedenen Fall hat die Beklagte jedoch genau das den Klägern angeboten und die Kläger haben davon Gebrauch gemacht.
45 
Für das Gericht steht es nach den vorstehenden Ausführungen außer Frage, dass die Verordnung auch unter Berücksichtigung der Vorerwägungen für den Verspätungsfall eine Ausgleichszahlung im Sinne von Artikel 7 der Verordnung weder ausdrücklich vorsieht, noch in analoger Anwendung dieser Vorschrift bejaht werden kann.
46 
Auch eine darüber hinaus vorgenommene Interessenabwägung führt nicht dazu, gewillkürte Nichtbeförderung oder die Annullierung mit dem Verspätungsfall gleich zu setzen. Im Verspätungsfall hat sich das Luftfahrtunternehmen, jedenfalls im Anwendungsbereich der Verordnung, im Ergebnis erfolgreich bemüht, die Ursachen für die Verspätung in der Weise zu beseitigen, dass der ursprünglich geplante Flug dann doch noch durchgeführt wird, während im Nichtbeförderungsfall eine gewillkürte Verweigerung der Mitnahme des Fluggastes stattgefunden hat und im Fall der Annullierung der gesamte Flug zur Nichtdurchführung kam.
47 
Dieser entscheidende Unterschied, der im Falle der Verspätung mit Sicherheit mit Zusatzkosten auf Seiten des Flugunternehmens verbunden ist, hat für das Amtsgericht Nürtingen nachvollziehbar zur aufgezeigten Differenzierung der Fallgestaltungen, Nichtbeförderung – Annullierung und Verspätung, geführt. Eine Gleichsetzung, in Ansehung der Ausgleichsregelung, von Annullierung und Verspätung, wenn nur die Verspätung lange genug dauert, so wie es der EuGH für Recht befunden hat, ist nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen weder nach den Vorerwägungsgründen, noch nach dem Wortlaut der Verordnung möglich.
48 
Da im hier zu entscheidenden Falle die Kläger im Ergebnis nicht unter Beweis gestellt haben, dass der Flug tatsächlich ersatzlos annulliert wurde, vielmehr die Kläger in der mündlichen Verhandlung Bekundungen von sich gegeben haben, die die Darstellung der Beklagten für zutreffend halten lassen (Durchführung eines sonst nicht geplanten Fluges ab H am 12.10.2007 um 06.16 Uhr), geht das Gericht von einem Verspätungsfall aus, der eine Ausgleichszahlung in Höhe der verlangten jeweils 250,- EUR nicht nach sich zieht.
49 
Nach allem war die Klage abzuweisen.
50 
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
51 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52 
Das Amtsgericht Nürtingen ist sich bewusst, dass mit dieser Entscheidung von der oben zitierten Entscheidung des EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht abgewichen wird.
53 
Im Hinblick auf § 511 Abs. IV Nr. 1 und Nr. 2 ZPO hat das Gericht die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
54 
Nachdem die Berufung zugelassen wurde, war das Amtsgericht Nürtingen zur Anrufung des EuGH gemäß Artikel 234 Abs. III des Vertrages zur Gründung zur Europäischen Gemeinschaft nicht verpflichtet.
55 
Es bleibt vielmehr dem weiteren Gang des Verfahrens vorbehalten, ob es zu einer Anrufung des EuGH kommt oder nicht.

Gründe

 
20 
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
21 
Von vornherein die geltend gemachten Ansprüche, im Hinblick auf Artikel 5 Abs. III der Verordnung, auszuschließen, weil die Beklagte es nachgewiesen habe, dass die Annullierung/Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, ist hier nicht gegeben.
22 
Trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts in der Verfügung vom 20.08.2010, dort Seite 2, Buchstabe c), Bl. 148 d. Gerichtsakten, wo nachgefragt wurde, was die Ursache des plötzlichen Austritts von Hydrauliköl an der Verschlusskappe des Hauptfahrwerkes gewesen sein soll, hat sich die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 08.09.2010, dort Seite 2, vgl. Bl. 174 d. Gerichtsakten, lediglich dahin erklärt, dass eine Leitung (Flexleitung) defekt gewesen sei. Damit ist die Ursache des Defekts eben nicht erklärt und allein die Beachtung aller vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten fristgerechter und ordnungsgemäßer Art begründen für sich gesehen, keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der genannten Vorschrift, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.11.2009, Aktenzeichen X a ZR 76/07.
II.
23 
Ebenfalls der Rechtsprechung des BGH folgend, hier Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen X a ZR 61/09, verneint das Gericht sowohl den Untergang des möglichen Anspruches auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung im Hinblick auf die Ausschlussfrist des Artikel 35 Abs. I des Montrealer Übereinkommens, sondern vertritt ebenfalls die Auffassung, dass deutsches Sachrecht anwendbar ist und die Regelverjährung nach § 195 BGB (3 Jahre) Platz greift.
III.
24 
Das Gericht ist jedoch aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen heraus nicht bereit, bei der Frage, ob eine „Verspätung“ der „Annullierung“ gleich zu erachten ist, den von den Klägern zitierten Entscheidungen des EuGH und des BGH zu folgen. In der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 nimmt dieser nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen zunächst zutreffend an, dass nach der Begrifflichkeit ein verspäteter Flug, unabhängig von der Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, nicht als annulliert angesehen werden kann, wenn der Abflug entsprechend der ursprünglichen Flugplanung stattfindet. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h. wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten, vgl. hierzu die gleichlautenden Ausführungen des EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009, Rdnr. 34-36. Der EuGH hat mithin nach der Begrifflichkeit weiterhin an der Unterscheidung von annulliertem Flug und verspätetem Flug festgehalten.
25 
In den Ausführungen ab der Rdnr. 40 der Entscheidung des EuGH wird zwar konzediert, dass sich aus dem Wortlaut der Verordnung nicht unmittelbar ergibt, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ein Ausgleichsanspruch zusteht. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit der Berufung auf „außergewöhnliche Umstände“, unter denen die Luftfahrtunternehmen von der Ausgleichszahlung nach Artikel 7 der Verordnung EG Nr. 261/2004 frei werden könnten, zwar nur in Artikel 5 Abs. III der Verordnung vorgesehen sei, der die Annullierung eines Fluges betrifft, doch heiße es im 15. Erwägungsgrund der Verordnung (die Erwägungsgründe sind dieser vorangestellt), dass dieser Rechtfertigungsgrund (außergewöhnliche Umstände) auch dann geltend gemacht werden könne, wenn eine Entscheidung des Flugmanagements zu einem einzelnem Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge habe, dass es zu einer „großen Verspätung – oder – einer Verspätung bis zum nächsten Tag“ komme. Da der Begriff der großen Verspätung im Kontext der außergewöhnlichen Umstände genannt sei, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch ihn mit dem Ausgleichsanspruch verknüpft habe.
26 
Implizit werde dies durch das Ziel der Verordnung bestätigt, da sich aus den ersten vier Erwägungsgründen und insbesondere aus dem 2. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergäbe, dass sie darauf abziele, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung oder Verspätung eines Fluges betroffen seien, da sie alle von vergleichbaren Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit dem Luftverkehr betroffen sind.
27 
Dies gelte umso mehr, als die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, einschließlich derjenigen, die einen Ausgleichsanspruch vorsehen, weit auszulegen seien. Unter diesen Umständen könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge keinen Ausgleichsanspruch haben und im Hinblick auf die Anerkennung eines solchen Anspruches nicht den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können.
28 
Insgesamt spricht sich der EuGH im Hinblick auf die bedeutende Verspätung dafür aus, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von annullierten Flügen zu vergleichen sei. Mit diesen Maßnahmen solle die Verordnung unter anderem den Schaden ausgleichen, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste besteht und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden könne.
29 
Der EuGH stellt heraus, dass eine unterschiedliche Behandlung der mit einem annullierten Flug konfrontierten Fluggäste oder von einer großen Verspätung des Fluges betroffenen Fluggäste durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden könne.
30 
Eine unterschiedliche Behandlung sieht der EuGH als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot an.
31 
Der EuGH ist der Auffassung, dass diese Schlussfolgerung nicht dadurch widerlegt werde, dass Artikel 6 der Verordnung für die Fluggäste verspäteter Flüge verschiedene Formen von Unterstützungsleistungen nach den Artikeln 8 und 9 der Verordnung vorsehe.
32 
Dem allem vermag das Amtsgericht Nürtingen nicht zu folgen.
33 
Gegen die vom EuGH vorgenommene Auslegung spricht bereits der Wortlaut, nämlich Artikel 1 der Verordnung, der die Fallgruppen a) Nichtbeförderung gegen den Willen der Fluggäste, b) Annullierung des Fluges und c) Verspätung des Fluges voneinander unterscheidet. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist sinnlos, wenn anschließend durch Richterrecht die unterschiedlichen Rechtsfolgen wieder eingeebnet würden. Der Verordnungsgeber hat mit der akribischen Begrifflichkeit seinen Willen klar ausgedrückt, unter welchen Umständen welche Leistungen die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu erbringen haben, und hat damit seinen politischen Willen in Gesetzesform gegossen.
34 
Für den Fall der Nichtbeförderung wird gemäß Artikel 4 Abs. III in vollem Umfang auf den Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9 verwiesen.
35 
Im Falle der Annullierung wird gem. Artikel 5 auf die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 verwiesen, sowie die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Abs. I a) und Abs. II. Es handelt sich bei Artikel 5 mit den weiteren Bestimmungen um ein filigranes System der Ansprüche, bezüglich derer der Rechtsanwender nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen davon ausgehen muss, dass es einer Interessenabwägung des Gesetzgebers entsprungen ist und nach dem Prinzip der Gewaltenteilung der Richter sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen darf, wenn ihm bestimmte Ergebnisse der Regelung nicht gefallen. Der Richter ist jeweils Rechtsanwender, jedoch nicht Ersatzgesetzgeber. Eine Regelungslücke in dem Normengebilde der Verordnung ist von vornherein nicht auszumachen, da die Verordnung per se nur fragmentarischen Charakter hat und keine „ungeplante“ Regelungslücke aufweist.
36 
Ein Hauptargument des EuGH für die Gleichstellung von Verspätung und Annullierung bei größerer Verspätung ist die Formulierung der Vorerwägungen in Nr. 15. Es heißt dort „Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Fluges zu einer großen Verspätung, oder Verspätung bis zum nächsten Tag, oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“
37 
Es mutet schon eigenartig an, dass das Bemühen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des in dem Erwägungsgrund Nr. 14 versuchsweise näher definierten Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ im Erwägungsgrund Nr. 15 zur Einschränkung von Ansprüchen zu umschreiben, dazu benutzt wird, aus der Sicht des Amtsgerichts Nürtingen explizit in der eigentlichen Verordnung nicht zugebilligte Ansprüche durch Richterrecht zu kreieren. Der gesetzgeberische Wille des Verordnungsgebers hat sich im Wortlaut der Verordnung manifestiert und dort wurde die Feinabgrenzung vorgenommen, mögen auch die vorangestellten Erwägungen die Motive für den Erlass der Verordnung umschreiben.
38 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die für den Verspätungsfall in Artikel 6 der Verordnung im Einzelnen aufgeführten Unterstützungsleistungen, insbesondere die Betreuungsleistungen, die in Artikel 9 genannt sind, auch bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, weder beschränkt noch ausgeschlossen werden. Das bedeutet, der Verordnungsgeber hat, entgegen den Vorerwägungen in Nr. 14, etwa im Fall der mehrnächtigen Hotelunterbringung, dem Flugunternehmen das unentgeltliche Anbieten dieser Leistung auferlegt. Insoweit findet in der Verordnung weder eine Beschränkung noch ein Ausschluss statt. Als Beispiel sei hier genannt, die Situation der mehrtägigen Unterbrechung des Flugverkehres durch die Folgen eines größeren Vulkanausbruchs mit den entsprechenden Folgen für die Lahmlegung des Flugverkehrs. Hier ist für Jedermann ersichtlich, dass für diese Störungsart die Flugunternehmung keinerlei Verschulden oder auch nur eine nach Beherrschungsräumen abgegrenzte Verantwortung zukommen kann und dennoch hat der Verordnungsgeber es für richtig befunden, den Fluggästen den Anspruch auf unentgeltliche Betreuungsleistungen zuzubilligen. Nach dem Wortlaut der Verordnung werden in dem beschriebenen Falle die annullierungsbetroffenen Fluggäste mit den verspätungsbetroffenen Fluggästen gleich behandelt.
39 
In dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall hat die Beklagte den Fluggästen zur Wahl gestellt, über die Regelung der Verordnung hinaus, ob sie den dann doch noch durchgeführten Flug ab H um 06.16 Uhr wahrnehmen wollen (ohne Hotelunterbringung) und sie aufgrund des Zeitablaufes im Flughafengebäude auf den Frühflug, der der verspätete Flug war, warten wollen, wofür sich im konkreten Falle etliche andere Fluggäste entschieden haben, oder ob sie den weiteren planmäßigen Flug …, Abflugzeit 08.10 Uhr ( mit Hotelunterbringung) ersatzweise wahrnehmen wollen, wofür sich die Kläger entschieden haben.
40 
Ein Blick in die Nomenklatur der übrigen Vorerwägungen zur Verordnung ergibt, dass die Folgen der unterschiedlichen Kategorien (Nichtbeförderung, Annullierung und große Verspätung, vgl. Erwägungsgrund Nr. 2) in unterschiedlicher Weise angesprochen sind.
41 
So ist etwa im Erwägungsgrund Nr. 9 im Falle der Nichtbeförderung von einer vollwertigen Ausgleichsleistung die Rede. Auch im Erwägungsgrund Nr. 12 ist im Satz 3 von einem Ausgleich die Rede, den die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen zu leisten hätten, wobei hier nur der Fall der Annullierung angesprochen ist, und als Korrelat mit Rücksichtnahme auf die Interessen der Luftfahrtunternehmungen dieser wieder entfallen solle, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
42 
Sämtliche Vorerwägungen lassen nicht erkennen, dass Ausgleichsleistungen im Falle von Nur-Verspätungen auch nur andeutungsweise angesprochen werden.
43 
Vielmehr ist in Nr. 17 der Vorerwägungen formuliert „Fluggäste, deren Flüge sich um eine bestimmte Zeit verspäten, sollten angemessen betreut werden und es sollte ihnen möglich sein, ihre Flüge unter Rückerstattung des Flugpreises zu stornieren, oder diese unter zufriedenstellenden Bedingungen fortzusetzen.“ Von einer Ausgleichsleistung ist im Verspätungsfalle, jedenfalls bei genauer Lektüre der Vorerwägungen, überhaupt nicht die Rede.
44 
Für die Verspätungsfälle, sieht in Erfüllung der Vorerwägung Nr. 17, Artikel 6, in abgestufter Weise, Unterstützungsleistungen (Betreuungsleistungen) vor, indem auf Artikel 9 Bezug genommen wird. Auch die Stornierungsmöglichkeit des Fluges durch den Fluggast unter Rückerstattung des Flugpreises ist über Artikel 6 Abs. I lit. iii) in Verbindung mit Artikel 8 Abs. I lit. a) der Verordnung angesprochen, während bereits eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühest möglichen Zeitpunkt oder eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, schon gar nicht mehr vorgesehen ist. Im hier entschiedenen Fall hat die Beklagte jedoch genau das den Klägern angeboten und die Kläger haben davon Gebrauch gemacht.
45 
Für das Gericht steht es nach den vorstehenden Ausführungen außer Frage, dass die Verordnung auch unter Berücksichtigung der Vorerwägungen für den Verspätungsfall eine Ausgleichszahlung im Sinne von Artikel 7 der Verordnung weder ausdrücklich vorsieht, noch in analoger Anwendung dieser Vorschrift bejaht werden kann.
46 
Auch eine darüber hinaus vorgenommene Interessenabwägung führt nicht dazu, gewillkürte Nichtbeförderung oder die Annullierung mit dem Verspätungsfall gleich zu setzen. Im Verspätungsfall hat sich das Luftfahrtunternehmen, jedenfalls im Anwendungsbereich der Verordnung, im Ergebnis erfolgreich bemüht, die Ursachen für die Verspätung in der Weise zu beseitigen, dass der ursprünglich geplante Flug dann doch noch durchgeführt wird, während im Nichtbeförderungsfall eine gewillkürte Verweigerung der Mitnahme des Fluggastes stattgefunden hat und im Fall der Annullierung der gesamte Flug zur Nichtdurchführung kam.
47 
Dieser entscheidende Unterschied, der im Falle der Verspätung mit Sicherheit mit Zusatzkosten auf Seiten des Flugunternehmens verbunden ist, hat für das Amtsgericht Nürtingen nachvollziehbar zur aufgezeigten Differenzierung der Fallgestaltungen, Nichtbeförderung – Annullierung und Verspätung, geführt. Eine Gleichsetzung, in Ansehung der Ausgleichsregelung, von Annullierung und Verspätung, wenn nur die Verspätung lange genug dauert, so wie es der EuGH für Recht befunden hat, ist nach Auffassung des Amtsgerichts Nürtingen weder nach den Vorerwägungsgründen, noch nach dem Wortlaut der Verordnung möglich.
48 
Da im hier zu entscheidenden Falle die Kläger im Ergebnis nicht unter Beweis gestellt haben, dass der Flug tatsächlich ersatzlos annulliert wurde, vielmehr die Kläger in der mündlichen Verhandlung Bekundungen von sich gegeben haben, die die Darstellung der Beklagten für zutreffend halten lassen (Durchführung eines sonst nicht geplanten Fluges ab H am 12.10.2007 um 06.16 Uhr), geht das Gericht von einem Verspätungsfall aus, der eine Ausgleichszahlung in Höhe der verlangten jeweils 250,- EUR nicht nach sich zieht.
49 
Nach allem war die Klage abzuweisen.
50 
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
51 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52 
Das Amtsgericht Nürtingen ist sich bewusst, dass mit dieser Entscheidung von der oben zitierten Entscheidung des EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht abgewichen wird.
53 
Im Hinblick auf § 511 Abs. IV Nr. 1 und Nr. 2 ZPO hat das Gericht die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
54 
Nachdem die Berufung zugelassen wurde, war das Amtsgericht Nürtingen zur Anrufung des EuGH gemäß Artikel 234 Abs. III des Vertrages zur Gründung zur Europäischen Gemeinschaft nicht verpflichtet.
55 
Es bleibt vielmehr dem weiteren Gang des Verfahrens vorbehalten, ob es zu einer Anrufung des EuGH kommt oder nicht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.