Amtsgericht Mülheim an der Ruhr Urteil, 21. Juli 2016 - 23 C 489/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Tierärzte.
3Im Juli 2014 begab sich die Beklagte mit ihrem Mischlingshund „Sally“ in die Kleintierpraxis der Kläger, um diesen behandeln zu lassen, da das Tier am ganzen Körper Krampfanfälle bekommen hatte. Der Kläger zu 2) war der behandelnde Arzt des Hundes.
4Dem Hund wurden zunächst Medikamente verabreicht, welche den Zustand jedoch nicht verbesserten. Eine vorgenommene Blutuntersuchung ergab ebenfalls keine Auffälligkeiten.
5Der Kläger zu 2) fertigte daraufhin Röntgenaufnahmen an, auf dem ein Fremdkörper, der richtigerweise als Nadel eingeordnet wurde, zwischen Speiseröhrenausgang und Mageneingang erkennbar war.
6Zur Entfernung des Fremdkörpers wurde in der Praxis durch den Kläger zu 2) eine Probelaparatomie durchgeführt. Dabei wurden der Brustkorb und der Magen des Hundes geöffnet, um die Nadel durch Ertasten zu entfernen. Bei dem Eingriff konnte der Kläger zu 2) die Nadel jedoch weder im Magen noch im Mageneingangsbereich ertasten und somit auch nicht entfernen. Der Magen und der Bauch des Hundes wurden wieder verschlossen.
7Der Hund wurde nach dem Eingriff drei Tage und Nächte zur Beobachtung und Kontrolle in der Praxis behalten.
8Am 25.07.2015 zeigte sich der Allgemeinzustand des Tieres als stabil, so dass der Hund nach Rücksprache mit der Beklagten nach Hause entlassen wurde.
9Die Beklagte erschien in der Folgezeit nicht mehr bei den Klägern.
10Am 27.07.2014 besuchte die Beklagte mit ihrem Hund die Tierklinik am Kaiserberg in Duisburg, da sich der Zustand des Tieres verschlechtert hatte. Dort wurde ein CT durchgeführt. Dieses zeigte, dass sich die Nadel nun in der Lunge des Tieres befand. Daraufhin wurde das Tier in der Klinik operiert und der Fremdkörper wurde entfernt. Der Hund überlebte den lebensbedrohlichen Eingriff.
11Für die tierärztlichen Leistungen der Kläger erstellten diese am 21.08.14 eine Rechnung über Honorar in Höhe von 1.181,52 € und weitere 7,68 € und 28,81 € für Medikamente. Auf die Rechnungen (Bl. 31-34 d.A.) wird Bezug genommen.
12Die Beklagte bezahlte diese Rechnungen trotz mehrfacher Mahnung nicht. Zuletzt erging ein Mahnschreiben vom 02.12.2014 mit einer Zahlungsfrist bis zum 12.12.2014. Auf das Schreiben vom 02.12.2014 (Bl. 12, 13 d.A.) wird Bezug genommen.
13Mit anwaltlichen Schreiben vom 13.12.2014 wurde die Beklagte erneut erfolglos zur Zahlung unter Fristsetzung zum 28.12.2014 aufgefordert. Auf das Schreiben vom 13.12.2014 (Bl. 14 d.A.) wird Bezug genommen.
14Die Kläger behaupten, dass die erbrachte tierärztliche Leistung sach- und fachgerecht nach den Regeln der tierärztlichen Kunst erfolgt sei, ein Erfolg – der vorliegend unstreitig ausgeblieben ist – sei nicht geschuldet worden.
15Ferner behaupten sie, dass eine ausführliche Aufklärung stattgefunden habe. Sie führen dazu aus, dass die Beklagte darauf hingewiesen worden sei, dass auf einer Röntgenaufnahme die exakte Lokalisierung des Fremdkörpers nicht möglich sei und im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs durch Ertasten nur eventuell gefunden werden könne. Weiter sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass eine genaue Lokalisierung mittels eines CTs möglich sei, dies jedoch nicht in der Praxis der Kläger erfolgen könne und diese Behandlungsalternative mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei, woraufhin sich die Beklagte für den Eingriff bei den Klägern entschieden habe.
16Sie behaupten weiterhin, dass sie die Beklagte gebeten hätten am Tag nach der Entlassung mit dem Hund erneut zur Nachkontrolle in ihrer Praxis zu erscheinen.
17Die Kläger beantragen,
181. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 1.218,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2014 zu zahlen und
192. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger weitere 201,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2014 wegen vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte behauptet, dass die Kläger bei der Untersuchung des Hundes einen epileptischen Anfall diagnostiziert und darauf behandelt hätten.
23Sie behauptet weiter, dass die Untersuchung und Behandlung durch die Kläger unzureichend gewesen sei und diese ihren Hund in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzt hätten.
24Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 09.09.2015. Wegen dem Ergebnisses wird auf das Sachverständigengutachten vom 08.03.2016 (Bl. 84-88 d.A.) verwiesen.
25Entscheidungsgründe
26Die Klage ist unbegründet.
27Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen der ihren Rechnungen vom 21.08.2014 zugrunde liegenden tierärztlichen Leistungen gegen die Beklagte nicht zu, §§ 611 Abs. 1, 612 BGB.
28Als die Beweisaufnahme erforderlich wurde, sind bei den Klägern Dokumentationsdefizite zutage getreten, die angesichts des Fehlschlagens der Operation jedenfalls nicht mehr lapidar mit einer Häufung von Zufällen erklärt werden können.
29Der Sachverständige hat ausgeführt, es fehle ein ausführlicher Operationsbericht, aus dem hervorgehe, von welcher Seite der Magen wie weit eröffnet worden sei, ob seine sichtbaren Aussenseiten unversehrt gewesen seien, etc.Die Kläger erklären dieses Fehlen nicht, teilen nicht einmal mit, ob der Kläger zu 2 jemals einen aufgenommen habe. Bei einer fehlgeschlagenen Operation besteht mehr als sonst Anlass, das eigene Vorgehen zu dokumentieren.Gravierender noch und hiermit im Zusammenhang stehend ist, dass die Röntgenbilder, die dem Kläger zu 2 die Indikation für seine Operation gegeben haben, nicht vorgelegt worden sind. Die Kläger erklären den von ihnen angegeben Verlust damit, dass der Kläger zu 1 Herr Dr. H aus der gemeinschaftlichen Tierarztpraxis ausgeschieden sei und im Rahmen des Umzuges die Röntgenbilder verloren gegangen seien. Da nicht der Kläger zu 1 sondern der Kläger zu 2 die Operation durchgeführt hat, ist schon nicht plausibel, dass die Röntgenbilder von dem Umzug des Klägers zu 1 zu erfasst gewesen seien. Abstrakt ist das Verlieren von Röntgenbildern in der heutigen Zeit angesichts der einfachen Speichermöglichkeiten und Kopiermöglichkeiten wenig glaubhaft. Um Fotos, auch Röntgenbilder, von einem Speichermedium nachhaltig zu löschen bedarf es des Einsatzes von Spezialprogrammen.Es kann durchaus so sein, dass dem Kläger zu 2 nach seiner erfolglosen Operation der Gedanke reifte, den Hund doch besser noch in einer anderen Ebene geröntgt haben zu sollen. Irgendwo musste die von ihm auf seinem Röntgen gesehene Nähnadel ja geblieben sein.Das Nichtvorlegen seiner Röntgenaufnahmen weckt hiernach nicht nur bei der Beklagten sondern allgemein zulasten der Kläger den Verdacht, in der Diagnostik angreifbar gewesen zu sein.
30Im Zusammenhang mit ungeschmälert geltend gemachten Gebührenansprüchen zu vermuten, dass schon alles in Ordnung gewesen sei, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts angesichts des Fehlens eines Operationsberichts und der Röntgenbilder nicht möglich. So darf ein Operateur schon bei seinen erfolgreichen Operationen nicht arbeiten, erst recht nicht bei seinen fehlgeschlagenen.
31Auch für die behauptete und von der Beklagten bestrittene Aufklärung, dass ein vorherig anderweitig zu fertigendes CT eine größere Sicherheit im Hinblick auf den Operationserfolg bieten könnte, gibt es keinen Beweis. Dokumentiert ist nichts. Im Nachhinein weiß das die Beklagte auch. Die Ausführungen des Klägers zu 2 mit seiner Email vom 10.08.2015, 15:43 Uhr, Bl. 35 d. A., kamen zu spät.
32Der Hund ist anderweitig erfolgreich operiert worden. Dass die Kläger den Regeln der tierärztlichen Kunst entsprechend vorgegangen sind wie für ihren Vergütungsanspruch erforderlich, das kann so sein, ist aber bei den gravierenden Verletzungen ihrer Dokumentationspflichten nicht zu vermuten. Den Beweisnachteil tragen die Kläger, die zumindest die von ihnen gefertigten Röntgenbilder dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen hätten zugänglich machen müssen.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
34Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
371. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
382. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, L-Platz, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Annotations
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.