Amtsgericht Köln Urteil, 22. Aug. 2014 - 215 C 90/14
Tenor
1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.03.2014 zu TOP 2 über die Jahresgesamt- und –einzelabrechnung 2013 wird, soweit es die Kosten „Betriebskosten: Reinigung Sanitäranlagen Mansarde“ betrifft, für ungültig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten gesamtschuldnerisch auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft Gstr. in Köln, die aus drei Sondereigentumseinheiten besteht.
3Der Kläger ist Sondereigentümer der Wohnung Nr. 1 und besitzt gemäß Teilungserklärung ein Sondernutzungsrecht für die im Dachgeschoss/Mansarde gelegenen Zimmer 3 und 4, welche mittlerweile miteinander verbunden sind. An den weiteren, im Dachgeschoss befindlichen Zimmern 1 und 2 haben die übrigen Eigentümer jeweils ein Sondernutzungsrecht. Zudem befindet sich im Dachgeschoss/Mansarde, welches Gemeinschaftseigentum darstellt, ein Zimmer mit Dusche und WC, welches ebenfalls im Gemeinschaftseigentum steht und an dem keine Sondernutzungsrechte eingeräumt wurden.
4In § 8 der maßgeblichen Teilungserklärung findet sich u.a. folgende Regelung:
5§ 8
6(…)
71. Die Wohnungseigentümer müssen alle Betriebskosten gemeinsam tragen.
8Entsprechend den Miteigentumsanteilen werden
9a) die Kosten der Gemeinschaftsantenne,
10b) das Wassergeld, die öffentlichen Abgaben, soweit dies nicht unmittelbar gezahlt werden, Versicherungen und sonstige Betriebskosten
11umgelegt.
12Im Übrigen erfolgt die Kostenverteilung nach dem jeweiligen Verbrach, wenn dieser durch Messeinrichtungen ermittelt wird. Kosten, die nur bestimmten Miteigentümern zuzuordnen sind, sind nur von diesen zu tragen.“
13Wegen der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung (Bl. 30 ff. GA) Bezug genommen.
14Der Kläger hat die sich im Dachgeschoss befindlichen Zimmern an seinen Bruder zu Wohnzwecken vermietet.
15Auf der Eigentümerversammlung vom 06.08.2012 wurde unter TOP 10 mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:
16„TOP 10
17Die Verwaltung wurde von dem Eigentümer Herrn E. darüber informiert, dass es bereits seit einigen Jahren einen Beschluss gibt, laut dem die Pflege des Treppenhauses durch eine Reinigungskraft erfolgen sollte. Diese Information ist aus den Protokollen nicht ersichtlich. Entsprechend soll entschieden werden, ob die Hausreinigung, wie bisher in Eigenregie durchgeführt werden soll oder ob die Aufgabe an ein Reinigungsunternehmen vergeben werden soll.
18Beschluss:
19Die Eigentümerversammlung beschließt, die Hausverwaltung zu bevollmächtigen eine Reinigungsfirma mit der Treppenhausreinigung zu beauftragen. Hierzu wird die Verwaltung zuvor Preise vergleichen. Der günstigste Anbieter bekommt den Auftrag. Die Kosten für die Einigung der in der Mansarde befindlichen sanitären Einrichtungen gehen ausschließlich zu Lasten von Herrn E..“
20Auf das Protokoll (Bl. 52 ff. GA) wird Bezug genommen. Der Beschluss ist bestandskräftig.
21Auf der Eigentümerversammlung vom 25.03.2014 wurde unter TOP 2 die Jahresabrechnung 2013 in Form der Gesamt- und Einzelabrechnungen mehrheitlich beschlossen. Die Jahresabrechnung weist unter der Position 1 „Wohngeldabrechnung“/“Betriebskosten“/“Reinigung Sanitäranlagen Kosten von insgesamt € 999,60 aus, welche gesamt dem Kläger belastet wurden.
22Der Kläger ist der Auffassung, der Beschluss zu TOP 10 der Versammlung vom 06.08.2012 sei nichtig. Eine ausschließliche Nutzung des streitgegenständlichen Badezimmers durch den Kläger oder dessen Mieter sei nicht erfolgt, so dass auch § 8 der Teilungserklärung keine Anwendung fände. Die ausschließliche Kostenbelastung des Klägers habe insofern keine tragfähige Grundlage.
23Der Kläger beantragt,
24den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.03.2014 zu TOP 2 über die Jahresgesamt- und –einzelabrechnung 2013, soweit es die Kosten „Betriebskosten: Reinigung Sanitäranlagen Mansarde“ betrifft, für ungültig zu erklären.
25Die Beklagten beantragen,
26die Klage abzuweisen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
30Der angefochtene Beschluss zu TOP 2 war – bezogen auf die Kosten „Betriebskosten: Reinigung Sanitäranlagen Mansarde“ – für ungültig zu erklären, da er ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.
31Eine alleinige Kostentragungspflicht des Klägers ergibt sich nicht aus der Regelung des § 8 TE. Danach sind Kosten grundsätzlich von allen entsprechend der jeweiligen Miteigentumsanteilen zu tragen. Ausgenommen sind Kosten, die nur bestimmten Miteigentümern zuzuordnen sind. Diese sind nur von dem entsprechenden Eigentümer zu tragen. Hiervon ist indes vorliegend nicht auszugehen.
32Die im Dachgeschoss befindlichen Sanitäranlagen sind weiterhin frei nutzbar und für jeden frei zugänglich. Selbiges gilt im Hinblick auf das Treppenhaus. Eine Zuweisung der Sanitäranlagen allein an den Beklagten im Wege eines Sondernutzungsrechtes o.ä. ist nicht erfolgt. Aufgrund der freien Zugangsmöglichkeit kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ausschließlich der Beklagte bzw. sein Mieter diese Räumlichkeiten nutzt und hierdurch eine Reinigung erforderlich sei.
33Aber auch im Hinblick auf den Beschluss zu Top 10 der Eigentümerversammlung vom 06.08.2012 ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Der dortige Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig. Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 3 WEG zulässigerweise eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels vornehmen können. Dies ist nicht nur im Wege einer Vereinbarung, sondern auch im Rahmen eines Mehrheitsbeschlusses möglich.
34Im Rahmen einer bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung kann mithin nach Maßgabe dieser Regelung allein ein anderer Verteilungsmaßstab gewählt werden. Hiermit wird aber gerade keine Kompetenz eingeräumt, durch einen Mehrheitsbeschluss eine Kostenbeteiligungspflicht überhaupt zu begründen (vgl. auch AG Bremen, NJW-RR 2010, 811 f.; in diese Richtung auch BGH, NJW 2012, 2578).
35Mit der Bezugnahme der Vorschrift auf § 16 Abs. 2 WEG, wonach die Wohnungseigentümer die Lasten und Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile tragen, knüpft § 16 Abs. 3 WEG an eine dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht an und begründet lediglich die Möglichkeit zur Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels. Die erstmalige Begründung einer Kostentragungspflicht stellt jedoch keine Veränderung des Kostenverteilungsmaßstabes dar (BGH, NJW 2012, 2578). Es gibt weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach der Intention des Gesetzgebers eine Kompetenz der Wohnungseigentümer, durch einen Mehrheitsbeschluss entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung in der Teilungserklärung/Miteigentümerordnung eine Zahlungspflicht zu begründen (AG Bremen, aaO).
36So liegt der Fall indes hier. Der Beschluss zu TOP 10 ändert nicht eine dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht. Ausweislich des vorgelegten Protokolls wurde – im Übrigen auf Initiative des Beklagten – zunächst über die Reinigung des Treppenhauses gesprochen. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, die Reinigung erstmalig auf eine Reinigungsfirma zu übertragen. Die für die Reinigung der Sanitäranlagen anfallenden Kosten wurden sodann allein dem Beklagten auferlegt. Unabhängig davon, ob Reinigungskosten überhaupt als Betriebskosten im Sinne des § 16 Abs. 3 WEG oder nicht doch als Kosten der laufenden Instandhaltung im Sinne des § 16 Abs. IV WEG zu qualifizieren sind, wurde aufgrund der Beschlussfassung erstmalig eine neue Kostenposition geschaffen und hierfür erstmalig eine Kostenverteilung – und zwar in Abweichung der gesetzlichen Regelung und auch der Bestimmung in § 8 der Teilungserklärung – bestimmt. Dass der Beklagte bereits im Rahmen der Jahresabrechnung 2012 mit diesen Kosten belastet wurde, ändert an der rechtlichen Bewertung und der Nichtigkeit des Beschlusses nichts.
37Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
38Der Streitwert wird auf 666,40 EUR festgesetzt.
39Rechtsbehelfsbelehrung:
40Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
41a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
42b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
43Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
44Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
45Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
46Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
47Köln, 22.08.2014AmtsgerichtRichterin am Amtsgericht |
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(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.
(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.