Amtsgericht Kehl Beschluss, 05. Aug. 2008 - 6 OWi 3/08

bei uns veröffentlicht am05.08.2008

Tenor

1. Der Kostenbescheid der Stadt K. vom 20.05.2008, Az. ..., wird

aufgehoben .

2. Die notwendigen Auslagen der Antragstellerin trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Am 21.02.2008 wurde mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeug in K. ein Parkverstoß begangen. Am 12.03.2008 erließ die Bußgeldstelle der Stadt K. gegen die Antragstellerin einen Verwarngeldbescheid. In diesem Bescheid wurde ihr auch erstmals die Möglichkeit eingeräumt, sich zur Sache zu äußern. Schließlich erließ die Bußgeldstelle der Stadt K. am 20.05.2008 einen Kostenbescheid gegen die Antragstellerin, mit dem das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Parkverstoßes eingestellt und ihr als Halterin des Fahrzeugs die Verfahrenskosten von insgesamt 18,50 EUR auferlegt wurden. Der Kostenbescheid wurde der Antragstellerin am 28.05.2008 zugestellt. Mit Schreiben vom 06.06.2008, eingegangen bei der Bußgeldstelle der Stadt K. am 10.10.2008, legte die Antragstellerin dagegen „Widerspruch“ ein, den sie damit begründete, dass sie bereits nach Erhalt des Verwarngeldbescheides das Verwarngeld in Höhe von 5 EUR in den Briefkasten des Kulturamtes der Stadt eingeworfen habe.
II.
Der „Widerspruch“ der Antragstellerin ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG auszulegen, als solcher zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt, und auch begründet.
Der Kostenbescheid ist zwar zunächst zu Recht ergangen. Er kann aber im Ergebnis keinen Bestand haben.
1. Nach § 25 a StVG werden in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes dem Halter des Kraftfahrzeugs oder seinem Beauftragten die Kosten des Verfahrens auferlegt, wenn der Führer des Kraftfahrzeugs vor Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht ermittelt werden kann oder seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde. Dazu genügt es regelmäßig, wenn nach der objektiven Feststellung des Verstoßes der Halter rechtzeitig dazu befragt wird, wer das Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat und die Befragung ergebnislos verläuft. Weitere Ermittlungen sind grundsätzlich ohne konkreten Anlass nicht erforderlich (vgl. Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 25 a StVG, Rn. 7 a). Der Eintritt der Verfolgungsverjährung muss dann nicht abgewartet werden.
Nach dieser Maßgabe war die Verwaltungsbehörde berechtigt und gehalten, den angegriffenen Kostenbescheid gegen die Antragstellerin zu erlassen. Die Antragstellerin hat auf den Verwarngeldbescheid, in dem ihr auch die Möglichkeit gegeben wurde, zur Sache Angaben zu machen und gegebenenfalls einen anderen als Fahrzeugführer zu bezeichnen, nicht geantwortet; zumindest ist dies nicht zur Kenntnis der Bußgeldstelle gelangt. Weitere Ermittlungsansätze bestanden für die Verwaltungsbehörde nicht.
2. Die Verwaltungsbehörde war aber nach Eingang des Schreibens der Antragstellerin vom 06.06.2008, mit dem sie gegen den Kostenbescheid „Widerspruch“ einlegte, gehalten, das Bußgeldverfahren wieder auf- und den Kostenbescheid zurückzunehmen, weil nunmehr gegen die Antragstellerin ein hinreichender Tatverdacht bestand, dass sie selbst den Parkverstoß begangen hatte, und das Verfahren mit einem Bußgeldbescheid gegen sie abgeschlossen werden konnte.
a. Zweck der Regelung des § 25 a StVG ist es, die entstandenen Kosten eines Bußgeldverfahrens, nach dem Veranlasserprinzip demjenigen aufzuerlegen, der für das Fahrzeug verantwortlich ist, nämlich der Halter, wenn bei Kennzeichenanzeigen im ruhenden Verkehr (hier Halt- und Parkverstöße) eine Ermittlung des Täters nur unter Mithilfe des Halters möglich ist, der diese aber nicht leisten kann oder will (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 25 a StVG, Rn. 1). Ergeben sich im Laufe des Verfahrens, Hinweise auf den Fahrzeugführer, die letztendlich zum Erlass eines Bußgeldbescheides führen können, ist eine Entscheidung nach § 25 a StVG unzulässig (vgl. Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage, § 25 a StVG, Rn. 7). Ist das Verfahren wegen mangelnden Tatverdachts bereits eingestellt, so ist es – wie sonst auch – wieder aufzunehmen. Allerdings müssen die neuen Erkenntnisse so rechtzeitig vorliegen, dass das Verfahren auch noch vor Verjährungseintritt ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen werden kann (vgl. AG Augsburg, Beschluss vom 31.05.1988, Az. IV OWi 562/88, bei juris mit Leitsatz).
b. Dies ist hier der Fall. Mit dem Schreiben vom 06.06.2008 lieferte die Antragstellerin genügend Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht gegen sie, indem sie in diesem Schreiben behauptete, das Verwarngeld in Höhe von 5 EUR in einen Briefkasten der Stadt geworfen zu haben. Ohne weitere Erklärung der Antragstellerin wäre somit mit einer etwaigen Verurteilung wegen dieses Parkverstoßes zu rechnen gewesen, weil dies den Schluss zulässt, dass sie ihr Fahrzeug selbst benutzt und den Verstoß begangen hat.
Zum Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens war auch noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die 3-monatige Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 1. Halbsatz StVG) wurde durch den Erlass des Verwarngeldbescheides am 12.03.2008 unterbrochen, so dass nunmehr erst mit Ablauf des 12.06.2008 Verjährung eingetreten ist. Denn mit diesem Bescheid wurde die erste Vernehmung der Antragstellerin zur Sache angeordnet (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG), indem ihr erstmals Gelegenheit gegeben wurde, zur Sache Angaben zu machen.
10 
Ab Eingang des Schreibens der Antragstellerin vom 06.06.2008 bei der Bußgeldstelle am 10.06.2008 bestand darüber hinaus noch ausreichend Zeit, das Verfahren wieder aufzunehmen und durch Erlass eines Bußgeldbescheides gegen die Antragstellerin vor Eintritt der Verfolgungsverjährung zum Abschluss zu bringen. Einer (erneuten) Anhörung der Antragstellerin bedurfte es nicht. Auch sonst sind keine weiteren Verfahrensschritte mehr erforderlich gewesen. Der Bußgeldbescheid hätte ohne weiteres sofort, jedenfalls innerhalb der nächsten beiden Tage (Mittwoch und Donnerstag), erlassen werden können.
11 
Nach alldem war der Kostenbescheid aufzuheben.
III.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.
IV.
13 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Kehl Beschluss, 05. Aug. 2008 - 6 OWi 3/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Kehl Beschluss, 05. Aug. 2008 - 6 OWi 3/08

Referenzen - Gesetze

Amtsgericht Kehl Beschluss, 05. Aug. 2008 - 6 OWi 3/08 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 33 Unterbrechung der Verfolgungsverjährung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des Bet

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 62 Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde


(1) Gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, können der Betroffene und andere Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, gerichtliche Entscheidung beantragen. Dies

Referenzen

(1) Gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, können der Betroffene und andere Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, gerichtliche Entscheidung beantragen. Dies gilt nicht für Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Entscheidung, ob ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, getroffen werden und keine selbständige Bedeutung haben.

(2) Über den Antrag entscheidet das nach § 68 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309 und 311a der Strafprozeßordnung sowie die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gelten sinngemäß. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Betroffenen oder eines Zeugen oder die Anordnung dieser Vernehmung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn vorher der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter sowie jede Anordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Ermittlung des Aufenthalts des Betroffenen oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
6.
jedes Ersuchen der Verfolgungsbehörde oder des Richters, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen,
7.
die gesetzlich bestimmte Anhörung einer anderen Behörde durch die Verfolgungsbehörde vor Abschluß der Ermittlungen,
8.
die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde nach § 43,
9.
den Erlaß des Bußgeldbescheides, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten durch die Zustellung,
10.
den Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 und die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 69 Abs. 5 Satz 1,
11.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
12.
den Hinweis auf die Möglichkeit, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden (§ 72 Abs. 1 Satz 2),
13.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
14.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
15.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung.
Im selbständigen Verfahren wegen der Anordnung einer Nebenfolge oder der Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 31 Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist, mindestens jedoch zwei Jahre verstrichen sind. Wird jemandem in einem bei Gericht anhängigen Verfahren eine Handlung zur Last gelegt, die gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist, so gilt als gesetzliche Verjährungsfrist im Sinne des Satzes 2 die Frist, die sich aus der Strafdrohung ergibt. § 32 bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. Die Unterbrechung tritt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7, 11 und 13 bis 15 auch dann ein, wenn die Handlung auf die Verfolgung der Tat als Straftat gerichtet ist.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, können der Betroffene und andere Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, gerichtliche Entscheidung beantragen. Dies gilt nicht für Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Entscheidung, ob ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, getroffen werden und keine selbständige Bedeutung haben.

(2) Über den Antrag entscheidet das nach § 68 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309 und 311a der Strafprozeßordnung sowie die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gelten sinngemäß. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.