Amtsgericht Kehl Beschluss, 04. Nov. 2015 - 2 Cs 308 Js 20828/14

published on 04/11/2015 00:00
Amtsgericht Kehl Beschluss, 04. Nov. 2015 - 2 Cs 308 Js 20828/14
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Tenor

1. Der Erlass des beantragten Strafbefehls wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Mit dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten vor, er habe bei der Einreise mit dem Zug TGV 9573 nach Deutschland von Frankreich kommend am 27.12.2014, wie er gewusst habe, einen gefälschten bulgarischen Führerschein mit sich geführt und aufgrund neuen Willensentschlusses sich bei der Kontrolle nach der Einreise durch die Bundespolizei in Kehl mittels einer, wie er gewusst habe, gefälschten bulgarischen ID-Karte ausgewiesen, strafbar als Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen und Urkundenfälschung in zwei Fällen gemäß den §§ 276 Abs. 1 Nr. 1, 267 Abs. 1, 53 StGB. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Entwurf des Strafbefehls verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeschuldigten ist aus Rechtsgründen abzulehnen. Der Erlass des beantragten Strafbefehls ist bereits aus formellen Gründen unzulässig, weil er dem Angeschuldigten nicht zugestellt werden kann (vgl. Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 17.10.2014, Az. 8 Qs 5/14). Der Angeschuldigte ist ohne festen Wohnsitz; sein Aufenthalt ist nicht bekannt. Die vom Angeschuldigten erteilte Zustellungsvollmacht ist unwirksam. Die vom Angeschuldigten aufgrund einer richterlichen Anordnung nach § 132 StPO erteilte Zustellungsvollmacht ist unwirksam.
1.
Die richterliche Anordnung zur Erteilung einer Zustellungsvollmacht nach § 132 StPO war rechtswidrig ergangen, weil der Angeschuldigte zuvor nicht gemäß § 33 StPO angehört wurde (zur grundsätzlichen Erforderlichkeit der Anhörung siehe Beschluss des Amtsgerichts Kehl vom 23.10.2015, Az. 3 Cs 206 Js 1716/15, veröffentlicht bei juris.de; Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 58. Aufl. 2015, § 132, Rn. 12; Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2007, § 132, Rn. 11).
a.
Die Anhörung des Angeschuldigten vor der richterlichen Entscheidung über die Anordnung der Erteilung der Zustellungsvollmacht hätte nach Aktenlage, gegebenenfalls telefonisch, durchgeführt werden können.
(1.)
Aus der Akte lässt sich folgender zeitliche Ablauf rekonstruieren:
Um 13:55 Uhr des Tattages wurde der Angeschuldigte im TGV 7573 von Beamten der Bundespolizei kontrollierte, die an den vom Angeschuldigten vorgelegten Dokumenten Fälschungsmerkmale festgestellt wurden. Daraufhin wurde der Angeschuldigte zu den Tatvorwürfe gemäß den §§ 267 StGB sowie wegen eines ausländerrechtlichen Verstoßes nach § 95 Abs. 1 AufenthG als Beschuldigter belehrt und anschließend zum Bundespolizeirevier Karlsruhe sowie später zur Bundespolizeiinspektion Offenburg verbracht.
Um 16:50 Uhr traf auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Richter des Amtsgerichts Offenburg die mündliche Anordnung nach § 132 StPO, dass der Angeschuldigte eine Zustellungsvollmacht zu erteilen und eine Sicherheitsleistung in Höhe von 150 EUR zu leisten habe.
Zwischen 19:43 Uhr und 20:34 Uhr wurde der Angeschuldigte schriftlich zu den Vorwürfen vernommen. Die Vernehmung erfolgte mit einem Dolmetscher.
Gegen 21:30 Uhr ordnete derselbe Richter des Amtsgerichts Offenburg im Wege der einstweiligen Anordnung die Haft des Betroffenen zur Sicherung seiner Zurückschiebung nach Frankreich bis zum 28.12.2014, 12 Uhr, an. Der Beschluss wurde der Bundespolizei per E-Mail um 21:35 Uhr übermittelt.
10 
Um 9:00 Uhr des nächsten Tages wurde der Angeschuldigte nach Frankreich zurückgeschoben.
(2.)
11 
Unter diesen Umständen wäre eine Anhörung des Angeschuldigten vor der richterlichen Anordnung zur Erteilung einer Zustellungsvollmacht ohne Weiteres mittels Dolmetscher möglich gewesen.
12 
Da von Anfang an der dringende Tatverdacht einer unerlaubten Einreise bestand, lag es nahe, dass die Bundespolizei die Zurückschiebung des Angeschuldigten verfügen und zwangsweise durchsetzen wird, wie es letztendlich auch geschah. Bis zum Vollzug dieser Maßnahme stand der Angeschuldigte für eine Anhörung zur Verfügung. Ob zum Zeitpunkt der Anordnung nach § 132 StPO womöglich davon ausgegangen wurde, dass die Zurückschiebung zeitnah bzw. unmittelbar und nicht erst am nächsten Tag vollzogen werden kann, ergibt sich aus der Akte nicht und kann deshalb nur vermutet werden. Dass der Vollzug einer solchen Maßnahme regelmäßig nicht mehr am späteren Nachmittag möglich ist, weil die französischen Behörden ab einer bestimmten Tageszeit nicht mehr zu einer Übernahme des Betroffenen bereit sind, und deshalb die Zurückschiebung oft erst am nächsten Tag vollzogen werden kann, ist den damit befassten Behörden bei Polizei und Justiz im Grenzbereich bekannt. Selbst wenn aber von der Möglichkeit einer unmittelbaren Zurückschiebung ausgegangen wurde, ist dies nicht dokumentiert. Im Zweifel ist deshalb zu Gunsten des Angeschuldigten anzunehmen, dass dies nicht der Fall war.
13 
Die Anhörung wäre auch mit Dolmetscher möglich gewesen, wie die Beschuldigtenvernehmung zeigt.
b.
14 
Selbst wenn die Anordnung nach § 132 StPO um 16:50 Uhr ohne vorherige Anhörung des Angeschuldigten zunächst rechtmäßig war, weil man davon ausging, dass wegen mangelnder rechtlicher Grundlage für ein - weiteres - Festhalten des Angeschuldigten die Anhörung nicht möglich sei, ist die Anordnung im Ergebnis rechtswidrig. Der weitere Verlauf der polizeilichen Maßnahmen eröffnete nämlich die Möglichkeit, den Angeschuldigten nachträglich anzuhören. Aufgrund der besonderen Tragweite der Zustellungsvollmacht im Strafverfahren (vgl. dazu auch den Beschluss des Amtsgerichts Kehl vom 03.03.2015, Aktenzeichen 3 Cs 206 Js 13333/14, veröffentlicht bei juris.de), hätte diese Möglichkeit genutzt werden müssen.
(1.)
15 
Der Angeschuldigte befand sich noch bis zum Morgen des nächsten Tages im Gewahrsam der Bundespolizei. Der richterlicher Bereitschaftsdienst endete gemäß des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Offenburg vom 25.11.2013 zur Geschäftsverteilung betreffend den Bereitschaftsdienst beim Amtsgericht Offenburg für das Jahr 2014 für diesen Tag um 22:00 Uhr. Zwischenzeitlich stand, zumindest ab 19:43 Uhr, ein Dolmetscher zur Verfügung. Weshalb die gegen 21.30 Uhr getroffenen richterliche Anordnung der Zurückschiebehaft mit der Begründung, es habe kein Dolmetscher zur Verfügung gestanden, ohne vorherige Anhörung des Angeschuldigten ergangen ist, kann nicht nachvollzogen werden. Es ist nicht ersichtlich, welche Gründe vorgelegen haben könnten, deretwegen die nachträglichen Anhörung des Angeschuldigten unter diesen Umständen nicht möglich gewesen wäre.
(2.)
16 
Im Übrigen ist es unerheblich, ob der Richter oder die Staatsanwaltschaft Kenntnis von der nachträglichen Möglichkeit zur Anhörung des Angeklagten Kenntnis erlangt haben. Eine mangelnder Informationsfluss zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen darf nicht zur Verkürzung der Rechte des Beschuldigten führen.
(3.)
17 
Schließlich kann auf die nachträgliche Anhörung des Beschuldigten wegen der schwerwiegenden Folgen der Zustellungsvollmacht im Strafverfahren nicht mit dem Hinweis auf die mögliche Beschwerde gegen die Anordnung nach § 132 StPO verzichtet werden. Zwar wird es von Teilen der Rechtsprechung für ausreichend erachtet, wenn dem Beschuldigten durch die Beschwerde erstmals rechtliches Gehör gewährt wird (Beschluss des Landgerichts Dresden vom 13.01.2015, Az. 3 Qs 7/15, veröffentlicht bei juris.de; Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 29.09.2015, Az. 3 Qs 84/15, soweit ersichtlich bislang nicht veröffentlicht). Dabei handelt es sich aber um Fälle, in denen der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Erlass der Anordnung nach § 132 StPO den Strafverfahrensbehörden nicht unmittelbar zur Verfügung stand, um die Anordnung sofort zu vollziehen (sogenannte „Anordnungen auf Vorrat“ mit gleichzeitiger Ausschreibung des Beschuldigten zur Aufenthaltsermittlung). Hier liegt der Fall anders. Der Angeschuldigte befand sich nach wie vor im Gewahrsam der Polizei.
c.
18 
Von der Anhörung konnte nicht nach § 33 Abs. 4 StPO abgesehen werden. Es ist nicht ersichtlich, wie die Anhörung des Angeschuldigten den Zweck der Anordnung hätte gefährden können.
2.
19 
Die rechtswidrig unterbliebene Anhörung muss im Ergebnis zur unmittelbaren Unwirksamkeit der Zustellungsvollmacht führen (siehe dazu auch den Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 14.11.2014, Az. 3 Qs 13/13), was bei der Prüfung der Zustellungsmöglichkeiten durch das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
20 
Es ist nicht zu fordern, dass der Angeschuldigte zunächst erfolgreich Beschwerde gegen die richterliche Anordnung einlegt, bevor die Zustellungsvollmacht als unwirksam angesehen werden kann. Denn regelmäßig wird der Angeschuldigte von der Anordnung erst dann Kenntnis erlangen, wenn bereits strafprozessuale Entscheidungen gegen ihn ergangen sind, deren Wirksamkeit von der förmlichen Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten abhängen. Nicht selten wird der Angeschuldigte sogar erstmals vom gerichtlichen Verfahren erfahren, wenn freiheitsentziehende Zwangsmaßnahmen vollzogen werden, beispielsweise - wie hier - im Strafbefehlsverfahren die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459e StPO oder die Festnahme aufgrund eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO wegen unentschuldigtem Fernbleiben bei der Hauptverhandlung. Dies kann nicht hingenommen werden.
III.
21 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Annotations

(1) Wer einen unechten oder verfälschten amtlichen Ausweis oder einen amtlichen Ausweis, der eine falsche Beurkundung der in den §§ 271 und 348 bezeichneten Art enthält,

1.
einzuführen oder auszuführen unternimmt oder
2.
in der Absicht, dessen Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überläßt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Hat der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist, im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt, liegen aber die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vor, so kann, um die Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen, angeordnet werden, daß der Beschuldigte

1.
eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet und
2.
eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt.
§ 116a Abs. 1 gilt entsprechend.

(2) Die Anordnung dürfen nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) treffen.

(3) Befolgt der Beschuldigte die Anordnung nicht, so können Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden. Die §§ 94 und 98 gelten entsprechend.

(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.

(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.

(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.

(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Hat der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist, im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt, liegen aber die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vor, so kann, um die Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen, angeordnet werden, daß der Beschuldigte

1.
eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet und
2.
eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt.
§ 116a Abs. 1 gilt entsprechend.

(2) Die Anordnung dürfen nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) treffen.

(3) Befolgt der Beschuldigte die Anordnung nicht, so können Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden. Die §§ 94 und 98 gelten entsprechend.

(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.

(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.

(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.

(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.

(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt.

(2) Die Anordnung setzt voraus, daß die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 unterbleibt.

(3) Wegen eines Teilbetrages, der keinem vollen Tag Freiheitsstrafe entspricht, darf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht angeordnet werden.

(4) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, soweit die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder die Vollstreckung nach § 459d unterbleibt. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.