Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) Beschluss, 15. Feb. 2018 - 71 F 268/17
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Von der Kostenerhebung wird abgesehen.
Gründe
I.
- 1
Die am XX.XX.2001 geborene Antragsgegnerin und der am XX.XX.1996 geborene Antragsgegner haben am XX.XX.2017 in ihrem Geburtsort in Ort, Bulgarien, die Ehe geschlossen. Die Antragsgegner wohnen in Frankenthal.
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Mit Verfügung vom 05.12.2017 wurde die Zustellung des Antrags an die Antragsgegner veranlasst und diese auf den im Verfahren bestehenden Anwaltszwang hingewiesen. Ferner wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des Antrags bestehen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die am XX.XX.2017 in Ort/Bulgarien geschlossene Ehe aufzuheben.
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Die nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegner beantragen den Antrag zurückzuweisen.
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Das Gericht hat die Beteiligten persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll vom 16.01.2018 (Blatt 33 der Akte) verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Ehe der Antragsgegner ist nicht aufzuheben. Angesichts der Unbegründetheit des Antrags kommt es auf den Umstand, dass die Antragsgegner entgegen §§ 121 Nr. 2, 114 Abs. 1 FamFG nicht anwaltlich vertreten sind, nicht an.
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1. Die Voraussetzungen der Eheaufhebung liegen nicht vor.
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1.1 Die Ehe der Antragsgegner wurde in Bulgarien wirksam geschlossen. Gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Beide Antragsgegner sind bulgarischer Staatsangehörigkeit. Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen somit bulgarischem Recht. Wie sich aus der antragstellerseits vorgelegten Eheurkunde vom XX.XX.2017 jedenfalls indiziell ergibt, haben die Antragsgegner in Bulgarien formwirksam die Ehe geschlossen. Nachdem entgegenstehende Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Ehe nach den in Bulgarien geltenden Vorschriften wirksam zu Stande gekommen ist.
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1.2 Gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB ist die nach ausländischem Recht geschlossene Ehe nach deutschem Recht aufhebbar, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Antragsgegnerin der Fall. Die Ehemündigkeit als Voraussetzung der Schließung einer Ehe nach deutschem Recht ergibt sich aus § 1303 Satz 1 BGB. Hiernach darf eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Gemäß § 2 BGB tritt die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Die Aufhebung der Ehe nach deutschem Recht richtet sich nach den §§ 1313 ff. BGB. Die Aufhebung ist nach § 1313 S. 1 auf Antrag durch richterliche Entscheidung möglich. Gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn sie entgegen § 1303 Satz 1 BGB mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hat. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Antragsgegnerin der Fall. Die Antragsberechtigung der Antragstellerin folgt aus § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Antragsfrist des § 1317 Abs. 1 Satz 1 BGB ist unproblematisch eingehalten.
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1.3 § 1314 BGB ist indes als „Kann-Vorschrift" ausgestaltet und räumt daher dem Familiengericht ein Ermessen dahingehend ein, ob die Ehe aufgehoben wird. Da es sich vorliegend um die Ehe von EU-Bürgern handelt, ist die Vorschrift auch im Lichte des Europarechts auszulegen. Vor dem Hintergrund des europäischen Grundsatzes der Freizügigkeit, wie er insbesondere in der namensrechtlichen Rechtsprechung des EuGH zum Ausdruck gekommen ist (vgl. hierzu Coester in FamRZ 2017, 77) sind im EU-Ausland wirksam geschlossene Ehen grundsätzlich anzuerkennen. Die generelle Einstufung von im Ausland nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Minderjährigenehen als Nicht-Ehen würde dazu führen, dass eine in Schottland oder Portugal oder wie hier in Bulgarien geschlossene Ehe mit einem 16-jährigen Partner ebenso wie eine in Frankreich oder Italien mit richterlichem Dispens oder in Spanien nach Mündigkeitserklärung geschlossene Minderjährigenehe nicht existent würde, auch wenn die Ehegatten - unter Umstände erst nach vielen Jahren - nach Deutschland kämen (so jedenfalls für den Fall der Nichtehe Coester, a.a.O.). Ob dies im Einzelfall anders zu beurteilen ist, wenn einer der Partner das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder etwa die Ehe erkennbar gegen dessen Willen geschlossen wurde, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn die Antragsgegnerin hatte im Zeitpunkt der Eheschließung jedenfalls das 16. Lebensjahr vollendet und im Rahmen der Anhörung zum Ausdruck gebracht, den Antragsgegner freiwillig geheiratet zu haben.
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1.4 Die Aufhebung der Ehe ist darüber hinaus gem. § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b ausgeschlossen. Die Aufrechterhaltung der Ehe erscheint ausnahmsweise geboten, da aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde. Die Antragsgegner haben freiwillig und wirksam in Bulgarien die Ehe geschlossen. Sie haben bereits ein Kind und erwarten ein zweites Kind. Die Antragsgegnerin verfügt abgesehen von der Grundschule über keinerlei Schulabschluss und auch keine berufliche Ausbildung. Die wirksame Eheschließung bietet ihr insofern zumindest einen gewissen Grad an wirtschaftlicher Absicherung. Die Aufhebung der Ehe würde sich insofern und zudem im Hinblick auf den oben dargestellten Eingriff in die Freizügigkeit der Antragsgegner als EU-Bürger als schwere Härte für die Antragsgegnerin darstellen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG.
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Annotations
Ehesachen sind Verfahren
- 1.
auf Scheidung der Ehe (Scheidungssachen), - 2.
auf Aufhebung der Ehe und - 3.
auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten.
Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.
Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie
- 1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder - 2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.
(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn
- 1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand; - 2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt; - 3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist; - 4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist; - 5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.
Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.
(1) Antragsberechtigt
- 1.
sind bei Verstoß gegen § 1303 Satz 1, die §§ 1304, 1306, 1307, 1311 sowie in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 und 5 jeder Ehegatte, die zuständige Verwaltungsbehörde und in den Fällen des § 1306 auch die dritte Person. Die zuständige Verwaltungsbehörde wird durch Rechtsverordnung der Landesregierungen bestimmt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Satz 2 durch Rechtsverordnung auf die zuständigen obersten Landesbehörden übertragen; - 2.
ist in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 der dort genannte Ehegatte.
(2) Der Antrag kann für einen geschäftsunfähigen Ehegatten nur von seinem gesetzlichen Vertreter gestellt werden. Bei einem Verstoß gegen § 1303 Satz 1 kann ein minderjähriger Ehegatte den Antrag nur selbst stellen; er bedarf dazu nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
(3) Bei Verstoß gegen die §§ 1304, 1306, 1307 sowie in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 und 5 soll die zuständige Verwaltungsbehörde den Antrag stellen, wenn nicht die Aufhebung der Ehe für einen Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint. Bei einem Verstoß gegen § 1303 Satz 1 muss die zuständige Behörde den Antrag stellen, es sei denn, der minderjährige Ehegatte ist zwischenzeitlich volljährig geworden und hat zu erkennen gegeben, dass er die Ehe fortsetzen will.
(1) Der Antrag kann in den Fällen des § 1314 Absatz 2 Nummer 2 und 3 nur binnen eines Jahres, im Falle des § 1314 Absatz 2 Nummer 4 nur binnen drei Jahren gestellt werden. Die Frist beginnt mit der Entdeckung des Irrtums oder der Täuschung oder mit dem Aufhören der Zwangslage; für den gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten beginnt die Frist jedoch nicht vor dem Zeitpunkt, in welchem ihm die den Fristbeginn begründenden Umstände bekannt werden. Auf den Lauf der Frist sind die §§ 206, 210 Abs. 1 Satz 1 entsprechend anzuwenden.
(2) Hat der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten den Antrag nicht rechtzeitig gestellt, so kann der Ehegatte selbst innerhalb von sechs Monaten nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit den Antrag stellen.
(3) Ist die Ehe bereits aufgelöst, so kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.
(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie
- 1.
entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder - 2.
entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.
(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn
- 1.
ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand; - 2.
ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt; - 3.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist; - 4.
ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist; - 5.
beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.