Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) Beschluss, 18. Feb. 2016 - 3d C 139/15

ECLI:ECLI:DE:AGFRAPF:2016:0218.3DC139.15.0A
bei uns veröffentlicht am18.02.2016

Tenor

1. Der Streitwert wird auf 1.898,98 EUR bis 16.12.2015, danach auf 21.918,98 € festgesetzt.

2. Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) erklärt sich für sachlich unzuständig.

3. Der Rechtsstreit wird auf Antrag der klagenden Partei nach Anhörung der Gegenseite an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) verwiesen.

Gründe

1

Die Entscheidung beruht auf §§ 506 Abs. 1, 2, 281 Abs. 2, 3 Satz 1 ZPO.

2

Nachdem die Klägerin zunächst klageweise Zahlungsansprüche aus einem Krankenversicherungsvertrag in Höhe von 1.898,98 € an rückständigen Versicherungsbeiträgen geltend gemacht hatte, hat der Beklagte mit am 21.12.2015 förmlich zugestelltem Schriftsatz hilfsweise widerklagend beantragt, die Klägerin zur Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von 17.520,00 € und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Arztrechnungen zu verurteilen. Nunmehr hat die Beklagte hilfsweise Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) beantragt.

3

Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist durch Erhebung der Widerklage, die Ansprüche von über 5.000,00 € zum Gegenstand hat, sachlich unzuständig geworden, so dass gemäß §§ 506 Abs. 1, 2, 281 Abs. 2, 3 Satz 1 ZPO ZPO der Rechtsstreit an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zu verweisen ist. In diesem Zusammenhang unerheblich ist der Umstand, dass die Widerklage nur hilfsweise erhoben worden ist. Zwar ist es nicht unumstritten, ob in einem solchen Falle umgehend nach § 506 ZPO zu verfahren ist oder ob das Amtsgericht zunächst im Wege eines Teilurteils über die Klage zu entscheiden und erst bei Eintritt der innerprozessualen Bedingung über die Hilfswiderklage zu befinden und im Falle der beantragten Verweisung an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen hat (vgl. Toussaint, NJ 2006, 392 ff m. w. N.). Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) folgt indes der überzeugenden Auffassung, die eine Verweisung des gesamten Rechtsstreit nach § 506 ZPO auch im Falle der lediglich hilfsweisen Widerklageerhebung ohne vorherige Entscheidung über die Klage für geboten erachtet. Dafür spricht zum einen, dass der Wortlaut des § 506 Abs. 1 ZPO insoweit nicht zwischen einer unbedingt und einer lediglich hilfsweise erhobenen Widerklage unterscheidet, die Hilfswiderklage aber nach allgemeiner Auffassung sofort mit Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes - auflösend bedingt durch den Nichteintritt des Falles, für den sie gestellt wurde - rechtshängig wird (BGH, NJW 1973, 98). Zum anderen folgt dies aus der Zielsetzung des § 506 ZPO, dass über Klage und Widerklage möglichst einheitlich entschieden werden soll; dieser Gedanke kommt auch bei der Hilfswiderklage zum Tragen, wegen des bestehenden Eventualverhältnisses sogar in noch größerem Maße als bei der unbedingt erhobenen Klage (so auch Toussaint, a. a. O.). Schließlich ist es dem Amtsgericht davon unabhängig ohnehin verwehrt, gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden, wenn Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen oder wie hier von derselben Vorfrage abhängen oder in untrennbarem Zusammenhang stehen (vgl. Vollkommen in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 301 Rz. 9 a m. w. N.). Auch dies gebietet eine Verweisung nach § 506 ZPO im Falle der bloßen Erhebung einer Eventualwiderklage (OLG Celle, Beschluss vom 05.06.2009 - 4 AR 19/09; OLG München, Beschluss vom 13.11.2014 - 34 AR 153/14).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 506 Nachträgliche sachliche Unzuständigkeit


(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Lan

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Oberlandesgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - 34 AR 153/14

bei uns veröffentlicht am 13.11.2014

Tenor I. Zuständig ist das Landgericht (Traunstein). II. Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 9. Oktober 2014 wird aufgehoben. Gründe I. Mit ihrer Klage vom 5.12.2013 zum Amtsgericht Trau

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(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.

(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.

(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.

Tenor

I.

Zuständig ist das Landgericht (Traunstein).

II.

Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 9. Oktober 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Mit ihrer Klage vom 5.12.2013 zum Amtsgericht Traunstein (Az. 311 C 1432/13) begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, ein von ihnen gemietetes und bewohntes Anwesen in Ruhpolding zu räumen und herauszugeben. Nach dem Klägervortrag ist zunächst beabsichtigt gewesen, das Anwesen an die Beklagten zu übereignen. Bis dahin hätten die Beklagten im Anwesen aufgrund zweier Mietverträge vom 21.9. und 21.10.2011 wohnen können. Im Herbst 2013 habe sich die Klägerin aber entschlossen, nicht zu verkaufen. Widerklagend begehren die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 75.000 €. Sie stützen ihren Anspruch auf Investitionen in das Anwesen in der enttäuschten Erwartung, es kaufen zu können. Sie haben deshalb zugleich mit Schriftsatz vom 26.3.2014 Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht (Traunstein) beantragt. Letzterem hat die Klägerin ausdrücklich zugestimmt.

Mit Beschluss vom 29.4.2014 hat sich das Amtsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf § 281 ZPO, §§ 23, 71 GVG an das Landgericht verwiesen. Das Landgericht (Az. 2 O 1612/14) hat Bedenken gegen seine Zuständigkeit geäußert, weil es sich um Vermietung von Wohnraum handle, der Streitwert unerheblich sei und die Widerklage an der amtsgerichtlichen Zuständigkeit nichts ändere. Im (Güte-) Termin vom 3.7.2014 wurde vorsorglich in das streitige Verfahren übergeleitet; die Parteien haben Sachanträge gestellt, der Kläger hat hilfsweise die Zurückverweisung an das Amtsgericht beantragt. Mit Beschluss vom 9.10.2014 hat das Landgericht schließlich den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückverwiesen. Es vertritt die Auffassung, eine Bindungswirkung bestehe nicht.

Das Amtsgericht hat am 15.10.2014 eine (Rück-) Übernahme abgelehnt und die Akten zur Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht vorgelegt. Es meint, das Landgericht sei an den Verweisungsbeschluss vom 29.4.2014 gebunden. Für mietrechtliche Streitigkeiten bestehe zwar eine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, jedoch sei der Gegenstand der Widerklage keine mietrechtliche Streitigkeit. Der verlangte Aufwendungsersatz stehe mit dem Mietvertrag in keinerlei Zusammenhang und es sei auch nicht sachlich geboten, die Sache als schwerpunktmäßig mietrechtliche Angelegenheit zu behandeln. Jedenfalls sei die Verweisung nicht willkürlich.

II.

Auf die zulässige Vorlage ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts auszusprechen. Dieses ist an den erstergangenen Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts gebunden. Die spätere Zurückverweisung entfaltet hingegen keine Bindungswirkung (Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 281 Rn. 19). Dieser Beschluss wird aus Klarstellungsgründen aufgehoben.

1. Mit den Beschlüssen vom 29.4.2014 und 9.10.2014 liegt eine regelmäßig bindende (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) Kompetenzleugnung zweier als zuständig in Betracht kommenden Gerichte vor. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH NJW-RR 2013, 764; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 24 f. m. w. N.).

2. Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rspr.; BGHZ 102, 338/340; BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 16).

a) Die Bindungswirkung entfällt indessen, wenn der ergangene Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 m. w. N.), also wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, offensichtlich unhaltbar ist und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür reicht jedoch nicht aus, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig und fehlerhaft ist oder von der herrschenden Rechtsansicht abweicht (siehe etwa BGH NJW-RR 2011, 1364; NJW 2003, 3201; Beispiele bei Zöller/Greger § 281 Rn. 17).

b) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist das Landgericht an die ausgesprochene Verweisung durch das Amtsgericht gebunden (§ 281 Abs. 2 Satz 4, § 506 Abs. 2 ZPO).

(1) Dass die Auffassung des Amtsgerichts, den Gegenstand der Widerklage bilde kein Anspruch aus einem Mietverhältnis (vgl. § 23 Nr. 2a GVG), weshalb sich die landgerichtliche - streitwertabhängige -Zuständigkeit für die Widerklage aus § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG ergebe, sachlich zutrifft, wird nicht in Frage gestellt. Auch der Senat erkennt insoweit jedenfalls keine Willkür.

(2) Nicht in Zweifel zu ziehen ist ferner der Klageanspruch als solcher aus einem Mietverhältnis mit der dafür begründeten ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2a GVG).

(3) Im Fall einer nachträglichen sachlichen Unzuständigkeit regelt § 506 ZPO, dass das Amtsgericht, sofern eine Partei darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen hat. Offenbar auf dieser Grundlage - wenn auch ohne Zitierung - hat das Amtsgericht auf Antrag der Beklagten und mit ausdrücklicher Zustimmung der Klägerin entschieden.

Fraglich erscheint indessen, ob § 506 Abs. 1 ZPO zur Anwendung kommt, wenn für die Klage eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts besteht, welche nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich der Parteidisposition entzogen ist (vgl. OLG Karlsruhe vom 9.5.2011, 9 AR 13/11, bei juris Rn. 12). Über die Widerklage könnte dies ausgehebelt werden. Zudem ist § 506 ZPO eine Ausnahmevorschrift, die die perpetuatio fori durchbricht und demgemäß eng auszulegen ist (Zöller/Herget § 506 Rn. 1 und 2; MüKo/Deubner ZPO 4. Aufl. § 506 Rn. 1). Überwiegend wird deshalb bei nachträglicher Widerklage (§ 33 ZPO), die zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, ein derartiger Konflikt dadurch gelöst, dass die Widerklage - auf entsprechenden Antrag - abgetrennt (§ 145 ZPO) und nur diese sodann nach § 281 ZPO verwiesen wird (OLG Münchenvom 10.6.2008, 31 AR 53/08, bei juris; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. § 33 Rn. 18; Zöller/Vollkommer § 33 Rn. 12; Wern in PG ZPO 3. Aufl. § 33 Rn. 29; MüKo/Patzina § 33 Rn. 4; Hk-ZPO/Bendtsen 5. Aufl. § 33 Rn. 8). Für diese Lösung mag § 33 Abs. 2 ZPO sprechen, der indessen unmittelbar nur den Gegenstand der Widerklage, nicht den der Klage, betrifft und beim Verbot der Prorogation (§ 40 Abs. 2 ZPO) auch den durch Widerklage begründeten besonderen Gerichtsstand des § 33 Abs. 1 ZPO ausschließt. Der Wortlaut des § 506 Abs. 1 ZPO besagt dazu jedoch nichts; die Verweisung auf dieser Grundlage erfasst nach gängiger Auffassung (MüKo/Deubner § 506 Rn. 1; Musielak/Wittschier ZPO 11. Aufl. § 506 Rn. 3; HK-ZPO/Pukall § 506 Rn. 5) den gesamten Rechtsstreit und nicht etwa nur die die Zuständigkeit ändernde Widerklage. Die ZPO kennt überdies auch bei ausschließlichen Zuständigkeiten Durchbrechungen, wonach jedenfalls Abweichungen hiervon hinzunehmen sind (siehe OLG Karlsruhe a. a. O. bei Rn. 13). Deshalb entfernt sich der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts, der zudem im ausdrücklichen Einvernehmen mit beiden Parteien ergangen ist, jedenfalls nicht derart von jeder gesetzlichen Grundlage, dass er offensichtlich unhaltbar ist und deshalb als willkürlich beurteilt werden muss (OLG Karlsruhe a. a. O.; Zöller/Herget § 506 Rn. 2 a. E.; a. A. OLG München vom 10.6.2008, jedoch ohne Ausführungen zur Willkürfrage).

Bei der landgerichtlichen Zuständigkeit für den gesamten Rechtsstreit hat es deshalb zu verbleiben.