Amtsgericht Bonn Urteil, 28. Juni 2016 - 113 C 350/15
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 568,48 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 15.01.2016 sowie außergerichtliche Anwaltsgebühren von 101,40 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 15.01.2016 zu zahlen.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 19 % und der Beklagte 81 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin klagt auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall.
3Der Unfall ereignete sich im Bezirk des Amtsgerichts Bonn. Das beteiligte Kfz war nicht bei dem Beklagten versichert, der jedoch seine Passivlegitimation ausdrücklich nicht rügt, Bl. 33 d. A. Die Haftung dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.
4Die Geschädigte mietete vom 19. bis 30.03.2012 von der Klägerin einen klassentieferen (Klasse 2) als den beschädigten Pkw (Klasse 3). Die Klägerin finanzierte ihre Leistungen vor. Die Dauer des Mietvertrages war unbestimmt. Es wurde eine Vollkasko- und Teilkaskoversicherung mit 300,- bzw. 150,- € Selbstbeteiligung vereinbart, Bl 18 d. A. Die Klägerin gab die Fahrzeuge ohne Sicherheitsleistung heraus; die Geschädigte setzte keine Kreditkarte ein.
5Die Geschädigte trat ihren Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten an die Klägerin ab, Bl. 19 d. A.
6Die Rechnung der Klägerin vom 04.04.2013 betrug 1.291,58 € und enthält Vergütungen für Winterreifen sowie Zustellen und Abholen des Mietwagens, Bl. 17 d. A. Der Beklagte zahlte 507,- €. Der Restbetrag bildet die Hauptforderung.
7Der Klägervertreter forderte den Beklagten mehrmals vergeblich zur Zahlung auf.
8Im Rechtsstreit berechnet die Klägerin die Grundgebühr nach dem arithmetischen Mittel zwischen der Schwacke-Liste und der Erhebung Fraunhofer. Die Klägerin ist der Ansicht, ein Aufschlag von 20 % auf die Grundgebühr sei angemessen, da sie diverse unfallspezifische Mehrleistungen erbracht habe. Der Pkw sei mit Winterreifen ausgestattet gewesen. Sie habe ihn in die Werkstatt der Geschädigten gebracht und ihn dort wieder abgeholt.
9Sie vertritt die Ansicht, die Geschädigte habe nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Alternativangebote des Beklagten seien nämlich nicht vergleichbar.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an sie 705,59 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 27.04.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 101,40 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Klage ist dem Beklagten am 14.01.2016 zugestellt worden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Einen Zuschlag von 20 % hält er nicht für ersatzfähig, da unfallspezifische Leistungen weder vorgetragen noch ersichtlich seien.
16Für ersparte Eigenaufwendungen sei ein Abzug von 15 % vorzunehmen.
17Der Beklagte ist der Auffassung, die Geschädigte habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Sie sei verpflichtet gewesen, billigere Angebote anzunehmen, die zugänglich gewesen seien.
18Die Leistungen Winterreifen, Zustellen und Abholen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen.
19Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist das Gericht auf den Akteninhalt.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
22Sie ist zulässig. Das Amtsgericht Bonn ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, weil sich der Verkehrsunfall in seinem Bezirk ereignete.
23Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt weiteren 568,48 € zu. Das erkennende Gericht folgt mit seiner Berechnungsweise der Rechtsprechung des OLG Köln und des LG Bonn.
24Als Normaltarif ist das arithmetische Mittel zwischen der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste in dem Postleitzahlengebiet der Vermieterin anzusetzen, § 287 ZPO. Der tatsächlich erreichten Gesamtmietdauer ist der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken zu entnehmen. Daraus ist ein entsprechender Ein-Tages-Wert zu errechnen, den man sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert (OLG Köln, Urteile vom 30.07. und 01.08.2013, 15 U 212/12 und 15 U 9/12; LG Bonn, Urteile vom 15.01.2014 und 17.11.2015, 5 S 48/13 und 8 S 107/15).
25Die Klägerin hat die tatsächliche Mietdauer demgegenüber nicht durchweg nach dem Wochentarif berechnet, sondern für die weiteren Tage den Drei-Tages-Tarif bzw. den Tagestarif zugrunde gelegt. Hieraus ergeben sich Abzüge.
26Der Grundtarif ist um 20 % zu erhöhen.
27Ein pauschaler Aufschlag von 20 % ist zuzubilligen, § 287 ZPO, wenn die Vermietenden Leistungen erbringen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und die infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Als unfallbedingte Besonderheiten sind anerkannt: Das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen; das nicht endgültige Feststehen der Mietzeit; die Vorfinanzierung durch das Mietunternehmen; die Eilbedürftigkeit bzw. Notlage der Kundschaft nach dem Verkehrsunfall; erhöhter Verwaltungsaufwand und Zinsverluste aufgrund von längeren Zahlungsfristen. Dabei müssen diese Merkmale nicht kumulativ vorliegen. Es reicht, wenn eines gegeben ist (OLG Köln, Urteil vom 16.06.2015, 15 U 220/14; LG Bonn, Urteil vom 17.11.2015, 8 S 107/15).
28Es lagen mehrere der oben genannten Merkmale vor, so dass der Aufschlag gerechtfertigt ist. Abschläge gegenüber der geltend gemachten Forderung ergeben sich daraus, dass der Normaltarif - wie oben dargelegt - niedriger anzusetzen ist.
29Abzüge sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorzunehmen.
30Die Geschädigte braucht sich keine ersparten Eigenaufwendungen, die nach der aktuellen Rechtsprechung 4 % vom Normaltarif betragen würden, anrechnen zu lassen.
31Dies lehnen OLG Köln und LG Bonn ab, sofern die Geschädigten klassentiefere Fahrzeuge gemietet haben (OLG Köln, Urteile vom 30.07.2013 und 01.08.2013, 15 U 212/12 und 15 U 9/12; LG Bonn, Beschluss vom 09.01.2012, 8 S 255/11, Urteile vom 18.12.2012 und 15.01.2014, 8 S 158/12 und 5 S 48/13). Dasselbe gilt, wenn die Geschädigten zwar ein Kfz der gleichen Klasse wie das verunfallte angemietet haben, die vermietende Firma jedoch nur ein klassentieferes Fahrzeug abrechnet (LG Bonn, Urteil vom 27.06.2013, 8 S 13/13).
32Die Geschädigte wählte einen Pkw einer tieferen Klasse.
33Sie hat nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.
34Die Versicherung der Schädigenden hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass den Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen ohne weiteres zugänglich war (LG Bonn, Urteile vom 28.06.2011 und 27.06.2013, 8 S 86/11 und 8 S 13/13).
35Alternativangebote, die Versicherungen unterbreiten, müssen folgende Anforderungen erfüllen: Sie müssen sich auf Zeitpunkt und Ort der Anmietung beziehen. Die Angebote dürfen nicht aus einem Sondermarkt stammen, wozu auch Internetangebote gehören. Es ist ein bestimmtes Fahrzeugmodell und nicht nur Beispiele für bestimmte Fahrzeugklassen anzugeben. Die Höhe des Grundtarifs, gegebenenfalls mit einem Aufschlag für einen Unfallersatztarif muss ersichtlich sein. Daneben sind die Kosten für die Zusatzleistungen gemäß Tabellenwerken anzugeben. Hinsichtlich der Kaskoversicherung ist die Höhe der Selbstbeteiligung zu nennen. Es sind Angaben zur Vorfinanzierung zu machen. Schließlich müssen die Leistungen am Wohnort des Geschädigten im fraglichen Zeitraum tatsächlich verfügbar sein (OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, 15 U 212/12; LG Bonn, Beschlüsse vom 09.01.2012 und 30.07.2012, 8 S 255/11 und 5 S 94/12; LG Bonn, Urteile vom 18.12.2012 und 26.02.2013, 8 S 158/12 und 8 S 280/12 sowie Urteile vom 27.06.2013 und 15.01.2014, 8 S 13/13 und 5 S 48/13).
36Die Angebote, die der Beklagte vorgelegt hat, sind mit dem der Klägerin nicht vergleichbar.
37Sie stammen aus 2016 und wohl aus dem Internet. Das Angebot der Firma T sieht vor, dass die Miete schon beim Abholen des Fahrzeugs gezahlt wird. Die Selbstbeteiligung liegt höher als bei der Klägerin, die Kilometerleistung ist beschränkt. Der Pkw der Firma F hätte dort abgeholt werden müssen. Außer 3.300 Freikilometern enthält das Angebot keine Leistungen und gegebenenfalls deren Preise. Von der Firma B liegt nur ein Screenshot ohne Details vor.
38Sämtliche Zusatzleistungen, die die Rechnungen der Klägerin enthalten, sind dem Grunde nach ersatzfähig.
39Das Bestreiten des Beklagten ist unerheblich, da es unsubstantiiert ist. Die Klägerin hat in ihrer Replik umfassend zu den Positionen Winterreifen, Zustellen und Abholen vorgetragen und Beweis für ihre Behauptungen angeboten. Hierauf hat der Beklagte nicht reagiert. Das Landgericht Bonn sieht das Bestreiten in einem gleichgelagerten Fall als unsubstantiiert und damit unbeachtlich an (LG Bonn, Hinweisbeschluss vom 28.05.2013, 8 S 59/13). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an.
40Die weiteren Leistungen sind in Höhe des arithmetischen Mittels der Schwacke-Liste abzurechnen, da die Fraunhofer-Liste keine Nebenleistungen enthält (OLG Köln, Urteile vom 30.07. und 01.08.2013, 15 U 212/12 und 15 U 9/12; LG Bonn, Urteile vom 19.11.2013 und 17.11.2015, 8 S 311/12 und 8 S 107/15 sowie Urteil vom 15.01.2014, 5 S 48/13). Sind die aus dem konkreten Mietvertrag ersichtlichen tatsächlichen Kosten für die betreffende Nebenleistung niedriger, sind diese maßgeblich (LG Bonn, Urteil vom 19.11.2013, 8 S 311/12).
41Es ergibt sich folgende Abrechnung:
42
Grundtarif |
638,33 € |
20 % Aufschlag |
127,67 € |
Zustellen/Abholen |
34,48 € |
Winterreifen |
104,28 € |
Kaskoversicherung |
170,72 € |
Summe |
1.075,48 € |
abzüglich Zahlung |
507,00 € |
offener Restbetrag |
568,48 € |
Der Zinsanspruch ist erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen, § 291 BGB. Wann der Beklagte bzw. die Versicherung vor diesem Zeitpunkt in Verzug geriet, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.
44Der Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten besteht unabhängig von dieser Frage. Nach Verkehrsunfällen dürfen Geschädigte sich anwaltlicher Hilfe bedienen, ohne die Gegner zunächst selbst zur Zahlung aufzufordern. Die Anwaltskosten sind gemäß § 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
45Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO. Der Streitwert wird auf 705,59 EUR festgesetzt.
46Rechtsbehelfsbelehrung:
47Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
481. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
492. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
50Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
51Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
52Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
53Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 25.11.2014 (13 O 175/14) verurteilt, an die Klägerin weitere 916,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 78,00 Euro sei dem 20.7.2013, aus 146,58 Euro seit dem 1.9.2013, aus 68,53 Euro seit dem 15.2.2014, aus 100,45 Euro seit dem 24.4.2014, aus 220,51 Euro seit dem 15.5.2014 und aus 302,06 Euro seit dem 7.6.2014 sowie weitere außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 78,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.7.2014 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 23 % und die Beklagte zu 77 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.
Das Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Zahlung von Mietwagenkosten geltend, die aus unfallbedingten Anmietungen resultieren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4Das Landgericht hat mit Urteil vom 25.11.2014 der Klage nur teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Schätzung des ortsüblichen Normaltarifs habe sich am arithmetischen Mittel aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Liste zu orientieren. Ein pauschaler Aufschlag für unfallbedingte Sonderleistungen in Höhe von 20 % sei nicht gerechtfertigt.
5Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge im Umfang der Zurückweisung weiter. Sie macht unter Verweis auf ein Gutachten der TU E vom 15.6.2014 geltend, die Fraunhofer-Liste sei aufgrund schwerwiegender Erhebungsmängel als Schätzungsgrundlage ungeeignet. Das Landgericht habe unter Verkennung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ihre diesbezüglichen Beweisangebote übergangen. Daneben habe es die Beweislast bezüglich der Frage eines Kreditkarteneinsatzes unzutreffend bewertet und den Grundpreis durch Umrechnung der Wochen- auf Tageswerte falsch berechnet.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte unter teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.181,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 166,83 Euro seit dem 20.7.2013, aus 287,68 Euro seit dem 1.9.2013, aus 128,08 Euro seit dem 15.2.2014, aus 270,12 Euro seit dem 24.4.2014, aus 507,53 Euro seit dem 15.5.2014 und aus 821,11 Euro seit dem 7.6.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 404,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Verweis der Klägerin auf das Gutachten der TU E stelle keinen konkreten Tatsachenvortrag dar, der die Tauglichkeit der Fraunhofer-Liste in Zweifel ziehen könne, da nicht dargelegt werde, wie sich die angeblichen Mängel in den zu entscheidenden Fällen konkret ausgewirkt hätten. In der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2015 hat die Beklagte klargestellt, dass die fehlende Möglichkeit der Geschädigten, bei Anmietung des Ersatzfahrzeugs eine Kreditkarte in Anspruch zu nehmen, nicht bestritten werde.
11Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
12II.
13Die Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet. Die Klägerin kann über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus einen Aufschlag in Höhe von 20 % auf den nach § 287 ZPO geschätzten Normalpreis verlangen, weil der fehlende Einsatz von Kreditkarten bei Anmietung der Ersatzfahrzeuge zu unfallbedingten Mehrleistungen führte. Dagegen kann sie nicht den allein nach der Schwacke-Liste berechneten Normalpreis verlangen.
14Im Einzelnen:
151. Die Einwendungen der Klägerin gegen die vom Landgericht gewählte Grundlage der Schätzung des Normalpreises nach § 287 ZPO greifen nicht durch.
16a. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf ein Gutachten der TU E vom 15.6.2014 geltend macht, die Fraunhofer-Liste sei aufgrund gravierender Verstöße gegen elementare Grundsätze einer Preiserhebung nicht geeignet, als Schätzungsgrundlage herangezogen zu werden, führt dies nicht zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung im Hinblick auf die Ermittlung des erstattungsfähigen Normalpreises. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass dieses konkrete Gutachten dem Senat bei Erlass seiner Urteile vom 1.8.2013 (15 U 9/12) und 30.7.2013 (15 U 186/12), auf die das Landgericht sich bezieht, noch nicht bekannt war. Im Ergebnis ändert jedoch auch dieses Gutachten nichts an der Beurteilung der Sach- und Rechtslage: Kernpunkt der Vorwürfe aus dem Gutachten ist die Beschränkung der Fraunhofer-Liste auf die sieben größten Anbieter sowie die Abfrage von Preisen für zukünftig geplante Anmietungen statt für sofortige Anmietungen. Diese Umstände werden allerdings von den Gegnern einer Schätzung des Normalpreises auf Grundlage der Fraunhofer-Liste bereits seit längerer Zeit ins Feld geführt und sind nicht erstmals durch die von der Klägerin vorgelegte Begutachtung der TU E festgestellt worden. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände bei der Preiserhebung hat der Bundesgerichtshof sowohl die Fraunhofer-Liste als auch die Bildung eines arithmetischen Mittels zwischen Fraunhofer-Liste und Schwacke-Liste nicht beanstandet. Soweit er teilweise in seinen Entscheidungen ausführt, dass eventuellen Mängeln einer Liste durch Auf- oder Abschläge Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2011 – VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947), wird diese Vorgabe durch die Rechtsprechung des Senats schon dadurch umgesetzt, dass eben nicht allein die (geringeren) Werte der Fraunhofer-Liste, sondern vielmehr der Mittelwert aus beiden Erhebungen im Rahmen der Schätzung herangezogen wird.
17b. Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht genügt, angebliche Fehler einer als Schätzgrundlage dienenden Liste aufzuzeigen. Die Eignung von Listen oder Tabellen zur Schadensschätzung bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang ausgewirkt haben (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 316/11, NJW 2013, 1539 m.w.N.). Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. deutlich ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen. Diesbezüglich hat die Klägerin hat zwar in erster Instanz diverse Details zu den Umständen der einzelnen Anmietungen dargelegt. Dabei finden sich jedoch – ebenso wie in der Berufungsbegründung – keine Angaben dazu, dass im konkreten Zeitraum am Ort der jeweiligen Anmietung ausschließlich deutlich ungünstigere Angebote anderer Anbieter vorhanden waren, die die Sätze nach dem arithmetischen Mittel aus Schwacke und Fraunhofer überstiegen.
18c. Auch soweit die Klägerin geltend macht, die Fraunhofer-Liste sei eine Parteierhebung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft mit dem Ziel, einen möglichst niedrigen Preis für Mietwagen darzustellen, wobei sowohl im Rahmen der kostenfreien Abgabe des Programms als auch bei der Implementierung in die elektronischen Schadensregulierungssysteme eine erhebliche wirtschaftliche Verquickung zwischen dem Fraunhofer Institut und den Kraftfahrzeugversicherern festzustellen sei, kann sie damit die vom Senat vertretene Ansicht zur Bestimmung der Schätzungsgrundlage nicht erschüttern. Denn auch dies sind keine Umstände, die die generelle Eignung der Liste als Teil einer Schätzung des Normalpreises nach § 287 ZPO entfallen lassen. Da es im Bereich der Bestimmung des Normaltarifs für unfallbedingt angemietete Fahrzeuge ein gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten aufgrund des notwendigen Rückbezugs der Schadensfeststellung im Regelfall wenig aussagekräftig ist (so auch die Klägerin, Bl. 50 d.A.), ist auf Listen und Tabellen zurück zu greifen, die je nach Position ihres Auftraggebers bzw. Erstellers mehr oder minder stark parteilich ausgeprägte Züge tragen.
192. Die Berufung der Klägerin hat jedoch Erfolg, soweit sie sich gegen die Aberkennung eines pauschalen Aufschlags in Höhe von 20 % für unfallbedingte Mehraufwendungen durch das Landgericht wendet. Zwar hat das Landgericht – entgegen den Ausführungen der Klägerin – die Zubilligung eines solchen Aufschlages nicht an den vermeintlich fehlenden Darlegungen der Klägerin zur Einsatzmöglichkeit einer Kreditkarte scheitern lassen (vgl. die Ausführungen auf Seite 8 UA). Es hat vielmehr ausgeführt, dass trotz des von ihm festgestellten fehlenden Einsatzes von Kreditkarten kein erhöhter Aufwand der Klägerin infolge einer unfalltypischen Ausnahmesituation im Sinne einer Eilbedürftigkeit, Notlage oder Ungewissheit über die tatsächliche Mietzeit erkennbar gewesen sei. Dies ist jedoch für die Zubilligung eines pauschalen Aufschlags in Höhe von 20 % auf den nach § 287 ZPO geschätzten Normalpreis auch nicht kumulativ erforderlich:
20Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die Zubilligung eines pauschalen Aufschlags davon ab, ob die Mehrkosten auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst wurden. Einen solchen unfallspezifischen Kostenfaktor kann die Vorfinanzierung des Mietpreises darstellen, wenn der Geschädigte weder zum Einsatz einer Kreditkarte noch zu einer sonstigen Art der Vorleistung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen rechtfertigt also allein schon die fehlende Möglichkeit oder Zumutbarkeit, eine Kreditkarte bei Anmietung des Ersatzfahrzeuges einzusetzen, einen pauschalen Zuschlag. Ob daneben noch eine unfalltypische Ausnahmesituation im Hinblick auf Eilbedürftigkeit, Notlage oder flexible Laufzeit des Mietvertrages vorlag, ist dagegen nicht von Belang.
21Da angesichts der weiteren Stellungnahme der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2015 unstreitig ist, dass die Geschädigten in den hier streitgegenständlichen Fällen keine zumutbare Möglichkeit hatten, bei Anmietung der Ersatzfahrzeuge eine Kreditkarte einzusetzen, steht der Klägerin damit auch der pauschale Auflage auf den Normalpreis zu, der mit 20 % zu veranschlagen ist. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht mehr darauf an, ob daneben noch eine Eil- oder Notsituation vorlag oder ob aufgrund des in sämtlichen Verträgen bestehenden offenen Mietzeitendes ebenfalls der pauschale Aufschlag gerechtfertigt gewesen wäre.
22Die berechtigte Mehrforderung der Klägerin beläuft sich bei Schadensfall:
23Nr.1 auf 78 Euro
24Nr. 2 auf 146,58 Euro
25Nr. 3 auf 68, 53 Euro
26Nr. 4 auf 100,45 Euro
27Nr. 5 auf 220,51 Euro
28Nr. 6 auf 302,06 Euro
29und somit auf insgesamt 916,13 Euro. Daneben kann die Klägerin die Erstattung weiterer (in diesem Sinn ist der Berufungsantrag zu verstehen) außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 78,90 Euro verlangen. Denn eine 1,3-fache Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) nebst Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) beläuft sich bei der berechtigten Forderung von 4.303,00 Euro auf insgesamt 492,54 Euro.
303. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht.
31Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.181,35 €
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.