Amtsgericht Bocholt Urteil, 13. März 2014 - 11 C 101/12
Tenor
Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bocholt vom 04.09.2012 (AZ. 11 C 101/12) wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Der Einspruch war vorliegend zu verwerfen, weil er nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Die Frist zur Einspruchseinlegung beträgt gemäß § 339 Abs. 1 zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Diese Frist ist vorliegend nicht gewahrt.
3Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Klageschrift und die Verfügung über die Anordnung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 176 ZPO vom 08.06.2012 der Beklagten am 13.06.2012 ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Gemäß § 178 ZPO Abs. 1 Nr. 2 können Schriftstücke im Wege der Ersatzzustellung an Geschäftsräumen beschäftigte Personen zugestellt werden. Diese Voraussetzung ist vorliegend zur Überzeugung des Gerichts gegeben. Denn die oben genannten Schriftstücke wurden laut Zustellervermerk Herrn XXXXXXXXXXXX übergeben am 13.06.2012, der zu diesem Zeitpunkt beim XXXXXXXXXX beschäftigt war.
4Nach § 182 ZPO in Verbindung mit § 418 Abs. 1 ZPO begründet diese Postzustellungsurkunde den Beweis für die Richtigkeit der in ihr bekundeten Tatsachen mithin der Ersatzzustellung an Herrn XXXXXXXXXXX. Der Gegenbeweis, dass die Postzustellungsurkunde fehlerhaft ist, gemäß § 418 Abs. 2 ZPO, ist der Beklagten nicht gelungen. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge XXXXXXXXX im Termin vom 24.06.2013 ausgesagt hat, dass er am 13.06.2012 in Salzburg gewesen sei und bereits am 04.06.2012 nach Salzburg gefahren sei. Denn diese Aussage steht im Widerspruch zu seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24.10.2012, Blatt 47 der Akte, wonach er am 13. Juni 2012 gegen 6.30 Uhr mit dem PKW nach Salzburg gefahren ist. Offensichtlich weiß der Zeuge somit nicht mehr genau, wann er nach Salzburg gefahren ist. Nur so lässt sich der Widerspruch hinsichtlich des Datums (11.06.2012 in der gerichtlichen Aussage und 13.06.2012 in der eidesstattlichen Versicherung) erklären. Wenn der Zeuge aber nicht einmal mehr den Tag sagen kann, wann er nach Salzburg aufgebrochen ist, dann kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er nicht um 6.30 Uhr nach Salzburg gefahren ist, sondern zu einem späteren Zeitpunkt und vorher noch in den Praxisräumen gewesen ist, um das Schriftstück in Empfang zu nehmen. Letzeres wird durch den Zeugen XXXXXXXXX bestätigt. Diese hatte zwar keine genaue Erinnerung mehr daran, was am 13.06.2012 passiert ist, er führte jedoch aus, dass wenn er den Namen XXXXXXX in die Postzustellungsurkunde eingetragen hat, dann sei er sich auch sicher gewesen, dass er die Schriftstücke Herrn XXXXXXXX übergeben hat. Zwar kannte er zu dem damaligen Zeitpunkt Herrn XXXX noch nicht persönlich. Allerdings hat er ausgesagt, dass er in diesen Fällen üblicherweise nachfragt, wem er Schriftstücke übergibt und diesen Namen dann auch einträgt. Dass er Herrn XXXX bei Angehörigen eingetragen hat, konnte der Zeuge damit erklären, dass Herr XXXXX ja auch Angehöriger der Inhaberin des XXXX-Pfegedienstes ist. Von daher ist die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden.
5Auch das Versäumnisurteil selbst wurde ordnungsgemäß zugestellt, wie sich aus der Zustellungsurkunde vom 07.09.2012 ergibt. Aus dieser Zustellungsurkunde ergibt sich, dass das Versäumnisurteil Herrn XXXXXXX übergeben worden ist. Auch in diesem Fall bestreitet Herr XXXX, zum Zeitpunkt der Übergabe anwesend gewesen zu sein. Allerdings kann die Aussage von Herrn XXXX den Gegenbeweis gemäß § 418 Abs. 2 ZPO nicht erbringen. Herr XXXXX hat ausgeführt, am 07.09.2012 ab 8.30 Uhr bei der Eröffnungsfeier eines XXXX-Zentrums in XXXXXX gewesen zu sein. Allerdings vermag diese Aussage den Gegenbeweis nicht zu führen. Denn bereits bei der Zustellung der Klageschrift war aufgefallen, dass der Zeuge widersprüchliche Behauptungen aufstellt. Wenn wegen Widersprüchen der Aussage des Zeugen, dass er am 13.06.2012 in Salzburg gewesen war und deshalb die Postsendung nicht in Empfang habe nehmen können, nicht geglaubt werden kann, dann folgt hieraus, dass auch der zweiten Aussage betreffend die Zustellung des Versäumnisurteils keinen Glauben geschenkt werden kann. Eine Zeugenaussage, die sich in Widersprüche verwickelt an wesentlichen Punkten ist nicht glaubhaft.
6Aus der Zeugenaussage der Zeugin XXXXXXX kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass das Versäumnisurteil nicht zugestellt worden ist. Die Zeugin hat an den Termin vom 07.09.2012 keine genaue Erinnerung mehr. Sie meint, dass zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr man zum XXXXX - Zentrum gefahren sei. Diese Relativierung schließt nicht aus, dass möglicherweise auch zu einem späteren Zeitpunkt zum XXXXX-Zentrum gefahren worden ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Urzeit der Zustellung üblicherweise nicht auf der Postzustellungsurkunde vermerkt worden ist. Der Zeuge XXXXXXXXXXX hat ausgesagt, dass er üblicherweise die Post zwischen 9.30 Uhr und 10.00 Uhr in die Praxis bringt. Allerdings kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass möglicherweise er auch nicht zu einem früheren Zeitpunkt mal die Post überbracht hat. Der Zeuge hat überzeugend ausgeführt, dass er Herrn XXXXXXXXXX kenne. Von daher kann ausgeschlossen werden, dass er irrtümlich dort einen falschen Namen eingetragen hat.
7Zusammenfassend bleibt somit festzustellen, dass der Gegenbeweis der Beklagten nicht gelungen ist, so dass davon auszugehen ist, dass das Versäumnisurteil am 07.09.2012 zugestellt worden ist.
8Gegen dieses Urteil wurde am 22.10.2012 Einspruch eingelegt. Der Einspruch ist damit verspätet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war vorliegend nicht zu gewähren, da weder Gründe vorgetragen wurden, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen noch wurden diese glaubhaft gemacht.
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 ZPO analog, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11 ZPO.
10Rechtsbehelfsbelehrung:
11Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
12a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
13b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
14Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
15Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
16Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
17Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
18Unterschrift
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Bocholt Urteil, 13. März 2014 - 11 C 101/12
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Bocholt Urteil, 13. März 2014 - 11 C 101/12
Referenzen - Gesetze
(1) Ein Schriftstück kann durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein.
(2) Wird die Post, ein Justizbediensteter oder ein Gerichtsvollzieher mit der Zustellung eines Schriftstücks beauftragt oder wird eine andere Behörde um die Zustellung ersucht, so übergibt die Geschäftsstelle das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde. Die Zustellung erfolgt nach den §§ 177 bis 181.
(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden
- 1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, - 2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person, - 3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.
(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.
(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.
(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll, - 2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde, - 3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat, - 4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde, - 5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde, - 6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist, - 7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung, - 8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.
(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.
(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.
(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.
(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.