Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagten Ziff. 3 und 4 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die jeweils vollstreckende Partei vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Streitwert: 2.000,- EUR

Tatbestand

 
Die Kläger sind Mieter einer Wohnung im 1. Stock des Mehrfamilienhauses K-Straße 5 in R. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 sind Mieter der Wohnung darunter, die Beklagten Ziff. 3 und 4 Mieter der Wohnung im Erdgeschoss des danebenliegenden Gebäudeteils. Alle Wohnungen haben zur Gartenseite hin Balkone bzw. Terrassen, auf denen die Beklagten regelmäßig rauchen, weil in den Wohnungen Rauchen untersagt ist. Teilweise rauchen die Beklagten auch vor dem Haus im Eingangsbereich, an den PKW-Stellplätze angrenzen. Darüber liegen Fenster der Wohnung der Kläger.
Die Kläger behaupten alle Beklagten seien starke Raucher. Deren Rauchen im Freien beeinträchtige sie erheblich, weil der Rauch nicht nur laufend zum Balkon der Kläger aufstellte, sondern von dort auch in die angrenzenden Räume dringe, beim Lüften auch in weitere Räume. Sie legen dazu eine selbst aufgestellte Liste vor, in denen die Uhrzeiten aufgelistet, zu denen die Beklagten geraucht haben sollen (Anl. K2). Die Kläger tragen vor, der eindringende Rauch sei nicht nur lästig und hindere sie, ihren Balkon zu benutzen, sondern stelle für sie auch eine Gesundheitsgefahr dar. Innerhalb der Hausgemeinschaft habe man sich nicht auf rauchfreie Zeiten verständigen können. Zwar hätten die Vermieter M. in einem Schreiben vom 14.06.2015 (Anl. K3, Bl. 11 d.A.) einseitig rauchfreie Zeiten festgelegt, nämlich montags bis freitags sieben Stunden verteilt rund um die Uhr und an Wochenenden und Feiertagen neun Stunden. Diese Zeiten stellten aber keine gerechte und angemessene Lösung dar und berücksichtige die Interessen der Kläger nicht ausreichend. Die Kläger behaupten zudem, die Beklagten hielten sich nicht an die vom Vermieter festgelegten Zeiten. Die Kläger verlangen daher mit der vorliegenden Klage, dass die Beklagten während 12 Stunden (rund um die Uhr verteilt) das Rauchen im Freien unterlassen.
Im gerichtlichen Ortstermin vom 21.09.2016 haben sich die Kläger mit den Beklagten Ziff. 3 und Ziff. 4 durch Teilvergleich daraufhin geeinigt, dass im Eingangsbereich und den angrenzenden Parkplätzen nicht geraucht wird und auf der Gartenseite bestimmte, nach Werktagen und Wochenendtagen differenzierte Zeiten rauchfrei bleiben, die über die vermieterseits festgelegten Zeiten hinausgehen (werktags neun Stunden über den Tag verteilt und an Wochenenden bzw. Feiertagen neuneinhalb Stunden).
Im Verhältnis zu den Beklagten Ziff. 1 und 2 beantragen die Kläger,
die Beklagten (Ziff. 1 und 2) zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu folgenden Tageszeiten nicht auf dem Balkon/der Terrasse ihrer Wohnung sowie auf dem Grundstück im Eingangsbereich des Gebäudes K-Straße 5 in R. zu rauchen und dafür Sorge zu tragen, dass auch niemand anderes auf dem Balkon/der Terrasse ihrer Wohnung raucht.
02:00 bis 5:00 Uhr, 06:00 bis 07:00 Uhr, 10:00 bis 12:00 Uhr, 14:00 bis 16:00 Uhr, 18:00 bis 20:00 Uhr, 22:00 bis 24:00 Uhr.
Die Beklagten Ziff. 1 und 2 beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie stellen die Aktivlegitimation der Kläger in Frage, weil sich die Kläger während der regelmäßigen Arbeitszeiten nicht in der Wohnung aufhielten und der in D. tätige Kläger Ziff. 2 überhaupt nur äußerst selten in R. auftauche. Die Beklagten halten den Rauch für unwesentlich und wollen die Kläger darauf verweisen, die Wohnung von der Straßenseite aus zu lüften. Sie behaupten, bei Ost- oder Südwind oder im Winter bemerkten die Kläger den Rauch ohnehin nicht. Sie tragen weiter vor, bei einer Versammlung der Hausgemeinschaft sei eine feste Regelung über die rauchfreie Zeiten getroffen worden, die von der anwesenden Klägerin akzeptiert worden sei. Außerdem betonen die Beklagten, sie hielten sich an die rauchfreien Zeiten aus dem Vermieterschreiben vom 01.06.2015. Die von den Klägern verlangten rauchfreien Zeiten halten die Beklagten für willkürlich und einseitig.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll des gerichtlichen Ortstermins vom 21.09.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Den Klägern steht kein Unterlassungsanspruch dahingehend zu, dass die Beklagten Ziff. 1 und 2 das Rauchen auf ihrem Balkon zu den von den Klägern verlangten Zeiten unterlassen oder andere Nutzer ihres Balkons während dieser Zeiten dazu anhalten.
1.
12 
Ein Anspruch aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB besteht nicht.
13 
a) Zwar beeinträchtigt das Rauchen im Freien den Besitz der Kläger sowohl auf ihrem Balkon als auch in der Wohnung, soweit Rauch in nicht ganz unerheblichem Maß auf den Balkon oder durch geöffnete Fenster oder die Balkontür in die Wohnung dringt. Zigarettenrauch ist für viele Menschen unangenehm und nicht nur der Gesundheitsgefahren wegen mit gutem Grund inzwischen in öffentlichen Bereichen zunehmend ausgeschlossen oder reglementiert. Die Auffassung, Rauchen im Freien sei sozial üblich und die davon ausgehende Beeinträchtigung stets unerheblich, also von den Nachbarn hinzunehmen, ist überholt (BGH, U. v. 16.01.2015, Az. V ZR 110/14, NJW 2015, 2023, Tz. 13).
14 
Allerdings reicht das Recht der Kläger, ihre Wohnung und Balkon nach Belieben zu nutzen, nicht weiter als das Recht der Beklagten, dasselbe mit ihrer Wohnung und ihrem Balkon zu tun. Es ist ebenso legitim, Wohnung und Balkon möglichst von Rauchgeruch freizuhalten, wie auf dem Balkon zu rauchen, insbesondere, wenn der Vermieter Rauchen innerhalb der Wohnung untersagt hat. Diese Freiheiten sind insbesondere bei Zusammenleben auf engem Raum nur miteinander in Einklang zu bringen, wenn alle Mieter auf die Bedürfnisse der anderen Rücksicht nehmen. Dieses Gebot der gegenseitige Rücksichtnahme schränkt demnach die Freiheit jedes Mieters so weit ein, als die Freiheit der Nachbarn es erfordert.
15 
Wie weit der Mietgebrauch bzw. die Freiheit des einzelnen Mieters reicht, ergibt sich in erster Linie aus vertraglichen Vereinbarungen mit dem Vermieter, weil solche Vereinbarungen zugleich Duldungspflichten der übrigen Mieter begründen, in zweiter Linie aus der Hausordnung, die die Rücksichtnahmepflichten der Mieter konkretisiert, und, falls eine solche Regelung fehlt, aus einer im Einzelfall durch das Gericht vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 12. Aufl., § 535 BGB Rn. 375 ff.; BGH a.a.O. Tz. 8 u. 18).
16 
b) Im vorliegenden Fall existiert bereits eine wirksame Regelung über das Rauchen im Freien. Eine darüber hinausgehende Regelung durch das Gericht kann daher nicht verlangt werden.
17 
In den Mietverträgen der Parteien ist das Rauchen im Freien zwar nicht geregelt, auch nicht in dem darin enthaltenen Teil der Hausordnung (§ 22 des Mietvertrages, Anl. K 13, Bl. 57/50 d.A.). Die Frage, inwieweit im Freien auf dem Grundstück geraucht werden darf, ist im Haus K-Straße 5 in R. aber trotzdem bindend geordnet. Denn eine Hausordnung ist nicht statisch und kann bzw. muss bei Bedarf angepasst werden. Dies kann auch nachträglich geschehen, insbesondere dann, wenn die Hausordnung lediglich vertragliche und gesetzliche Pflichten - wie das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - konkretisiert (Schmidt-Futterer/Eisenschmid a.a.O. Rn. 379). So kann der Vermieter bei Bedarf nicht nur die Kehrwoche im Treppenhaus einseitig regeln oder Regeln über die ordnungsgemäße Verwaltung und Bewirtschaftung aufstellen oder ändern (Schmidt-Futterer/Eisenschmid ebd.), sondern auch Regelungen zum Rauchen im und um das Haus aufstellen.
18 
Von dieser Befugnis haben die Vermieter M. aus gegebenem Anlass, nämlich dem Streit der Parteien um das Rauchen im Freien, durch Schreiben vom 01.06.2015 (Anl. K3, Bl. 11 d.A.) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht und rauchfreie Zeiten festgelegt. Folglich ist es nicht mehr nötig, dass das Gericht die Details des Zusammenlebens im Haus in Bezug auf das Rauchen festlegt. Ob die Klägerin zuvor einem Verhandlungsergebnis bei der Versammlung der Hausgemeinschaft zugestimmt hat, spielt keine Rolle mehr, denn diese Einigung ist überholt.
19 
In die Hausordnung und die von Vermieterseite festgelegten rauchfreien Zeiten könnte das Gericht nur eingreifen, wenn die Festlegungen Vermieterseite ermessensfehlerhaft wären (§ 315 BGB; vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass die im Schreiben vom 01.06.2015 festgelegten rauchfreien Zeiten willkürlich wären oder die Interessen der Kläger überhaupt nicht oder völlig unzureichend berücksichtigten.
20 
Die Regelung des Vermieters aus dem Jahr 2015 ist ersichtlich darum bemüht, vor allem während der Freizeit der erwerbstätigen Bevölkerung jeder Mietpartei "ihren" Zeitraum zu sichern, in denen ungestört geraucht oder vom Rauch ungestört im Freien gesessen werden kann. In die Abwägung ist einbezogen, dass mehr Nichtraucher als Raucher im Haus leben, wie die Begründung zeigt. Eine mathematische Gleichheit der rauchfreien Zeiten kann und muss es daher nicht geben, vor allem, weil die Kläger nicht in jeder Minute der "Raucherzeit" (d.h. der zum Rauchen freigegebenen Zeit) mit erheblichem Rauch auf ihrem Balkon rechnen müssen. Das zeigt sich an der selbst vorgelegten Liste (Anl. K 2), wenn man deren Richtigkeit einmal unterstellt. Denn danach haben es auch alle Beklagten gemeinsam an den Tagen mit dem häufigsten Rauchgeruch (z.B. 06.06. und 07.06.2016) nach Behauptung der Kläger nicht geschafft, mehr als 20 mal am Tag zu rauchen. Bei ca. 5 Minuten je Zigarette wären danach gut 1,5 Stunden von insgesamt 16 wachen Stunden eines Tages "belastet" gewesen, der Rest aber nicht. Insofern genügt es, wenn weniger als die Hälfte der Stunden des Tages von dem Rauchverbot erfasst sind.
21 
Hinzu kommt, dass es von subjektiven Einschätzungen und der jeweiligen Situation im Haus abhängt, wieviel Zeit welcher Interessengruppe zuzugestehen ist. Es gibt kein objektives "richtig" oder "falsch" bzw. "ausreichend" oder "ungenügend". Es kommt daher auch nicht darauf an, ob das Gericht dieselben Zeiträume gewählt hätte oder etwas großzügigere rauchfreie Zeiten als angemessen angesehen hätte. Dem Vermieter steht ein nicht zu enger Beurteilungsspielraum zu. Auch wenn die Vermieterregelung so ausgefallen wäre, dass nur an sieben bzw. neun Stunden pro Tag das Rauchen im Freien erlaubt (statt verboten) wäre, so wäre sie nicht zu beanstanden.
22 
Dass es zunächst dem Vermieter vorbehalten bleiben muss, das Zusammenleben im Haus zu regeln, ehe die Gerichte bemüht werden, ergibt sich auch daraus, dass die Hausordnung flexibel bleiben und auf geänderte Zusammensetzungen und Bedürfnisse der Hausgemeinschaft reagieren können muss. Das zeigt der vorliegende Sachverhalt. Der Vermieter muss prüfen und abwägen können, ob neue Regelungen nötig sind, ob sich einmal getroffene Regelungen bewähren oder ob sie angepasst werden müssen, um den Hausfrieden zu wahren. So wäre es keineswegs ausgeschlossen, dass die Vermieter M. den vorliegenden Streit zum Anlass nehmen, ihre Regelung aus dem Jahr 2015 noch einmal zu ändern und z.B. die Vergleichsregelung zwischen den Klägern und den Beklagten Ziff. 3 und 4 für alle Mieter zu übernehmen, weil diese - wie sich gezeigt hat - unter mehreren Beteiligten einigungsfähig ist und daher möglicherweise besser für Ruhe im Haus sorgt als die bisherige. Dies einzuschätzen ist aber - wie bereits ausgeführt - nicht Sache des Gerichts, sondern der Vermieter innerhalb von deren pflichtgemäßem Ermessen.
23 
c) Ein Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten Ziff. 1 und 2 ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagten sich nicht an die Vermieterregelung von 2015 gehalten haben. Die Kläger behaupten Verstöße und listen das in Anl. K 2 auch teilweise auf. Die Beklagten bestreiten es aber. Den nötigen sog. Vollbeweis konnten die Kläger nicht führen. Denn die Angaben der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung im Ortstermin dazu, wie die Liste zustande gekommen ist, und die Liste selbst reichen nicht aus, um das Gericht vollständig davon zu überzeugen, dass nur die klägerische Darstellung richtig ist. Das Gericht ist nicht überzeugt, dass zu jedem der aufgelisteten Zeitpunkte in nennenswertem Umfang wahrnehmbarer Rauchgeruch auf den Balkon oder in die Wohnung der Klägerin gelangt ist, der für einen Unterlassungsanspruch ausreichen würde. Unerhebliche Mengen an Rauch bleiben dabei nämlich außer Betracht, denn die Rauchzeiten-Regelung dient keinem Selbstzweck. Eine Auflistung, wann jemand geraucht hat, ist daher nur von eingeschränkter Aussagekraft. Nur wenn die Kläger innerhalb der von Vermieterseite festgelegten rauchfreien Zeiten konkret beeinträchtigt und von Rauch belästigt worden wären, wäre die Hausordnung verletzt und Anlass, die Beklagten gerichtlich zur Unterlassung anzuhalten.
24 
2. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB wegen drohender gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Kläger. Dass Passivrauchen potentiell gesundheitsschädlich ist, reicht nicht aus. Der Bundesgerichtshof stützt auf die Nichtrauchergesetze des Bundes und der Länder, die das Rauchen in Gebäuden und umschlossenen Räumen regeln, den Erfahrungssatz, dass Rauchen im Freien im Grundsatz zunächst einmal andere Personen nicht schädigt. Ein Unterlassungsanspruch kommt nur in Frage, wenn der Betroffene dieses Indiz durch nachgewiesene Umstände erschüttern kann (BGH a.a.O., Tz. 25 ff.). Dazu muss aufgrund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht bestehen, dass Feinstaubpartikel die Gesundheit der Nachbarn gefährden. Dazu sind in der Regel Feinstaubmessungen notwendig, mit denen festgestellt worden ist, welche Mengen an toxischen Partikel auf den Balkon bzw. in die Wohnung gelangen. Solche Messergebnisse können die Kläger nicht vorlegen. Sie beschränken sich darauf, auf allgemeine Untersuchungen zum Passivrauchen hinzuweisen. Ein solcher allgemeiner Verdacht reicht aber nicht aus, um das genannte Indiz zu erschüttern. Bei dieser Sachlage ein Sachverständigengutachten einzuholen hieße, von Amts wegen nach einer Gesundheitsgefahr zu forschen. Das verbietet sich im Zivilprozess von selbst.
25 
3. Fehlt es bereits aus vorgenannten Gründen an Unterlassungsansprüchen, braucht nicht aufgeklärt zu werden, inwieweit der Kläger Ziff. 2 vom Rauch der Beklagten überhaupt selbst betroffen ist. Ebenso kann offen bleiben, wie viele Zigaretten die Beklagten Ziff. 1 und 2 täglich auf dem Grundstück rauchen und wie viel Rauch konkret auf den Balkon und in die Wohnung der Kläger gelangt.
26 
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung hat das Gericht die Kostenregelung im Vergleich zwischen den Klägern und den Beklagten Ziff. 3 und 4 analog § 91a ZPO berücksichtigt.

Gründe

 
11 
Den Klägern steht kein Unterlassungsanspruch dahingehend zu, dass die Beklagten Ziff. 1 und 2 das Rauchen auf ihrem Balkon zu den von den Klägern verlangten Zeiten unterlassen oder andere Nutzer ihres Balkons während dieser Zeiten dazu anhalten.
1.
12 
Ein Anspruch aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB besteht nicht.
13 
a) Zwar beeinträchtigt das Rauchen im Freien den Besitz der Kläger sowohl auf ihrem Balkon als auch in der Wohnung, soweit Rauch in nicht ganz unerheblichem Maß auf den Balkon oder durch geöffnete Fenster oder die Balkontür in die Wohnung dringt. Zigarettenrauch ist für viele Menschen unangenehm und nicht nur der Gesundheitsgefahren wegen mit gutem Grund inzwischen in öffentlichen Bereichen zunehmend ausgeschlossen oder reglementiert. Die Auffassung, Rauchen im Freien sei sozial üblich und die davon ausgehende Beeinträchtigung stets unerheblich, also von den Nachbarn hinzunehmen, ist überholt (BGH, U. v. 16.01.2015, Az. V ZR 110/14, NJW 2015, 2023, Tz. 13).
14 
Allerdings reicht das Recht der Kläger, ihre Wohnung und Balkon nach Belieben zu nutzen, nicht weiter als das Recht der Beklagten, dasselbe mit ihrer Wohnung und ihrem Balkon zu tun. Es ist ebenso legitim, Wohnung und Balkon möglichst von Rauchgeruch freizuhalten, wie auf dem Balkon zu rauchen, insbesondere, wenn der Vermieter Rauchen innerhalb der Wohnung untersagt hat. Diese Freiheiten sind insbesondere bei Zusammenleben auf engem Raum nur miteinander in Einklang zu bringen, wenn alle Mieter auf die Bedürfnisse der anderen Rücksicht nehmen. Dieses Gebot der gegenseitige Rücksichtnahme schränkt demnach die Freiheit jedes Mieters so weit ein, als die Freiheit der Nachbarn es erfordert.
15 
Wie weit der Mietgebrauch bzw. die Freiheit des einzelnen Mieters reicht, ergibt sich in erster Linie aus vertraglichen Vereinbarungen mit dem Vermieter, weil solche Vereinbarungen zugleich Duldungspflichten der übrigen Mieter begründen, in zweiter Linie aus der Hausordnung, die die Rücksichtnahmepflichten der Mieter konkretisiert, und, falls eine solche Regelung fehlt, aus einer im Einzelfall durch das Gericht vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 12. Aufl., § 535 BGB Rn. 375 ff.; BGH a.a.O. Tz. 8 u. 18).
16 
b) Im vorliegenden Fall existiert bereits eine wirksame Regelung über das Rauchen im Freien. Eine darüber hinausgehende Regelung durch das Gericht kann daher nicht verlangt werden.
17 
In den Mietverträgen der Parteien ist das Rauchen im Freien zwar nicht geregelt, auch nicht in dem darin enthaltenen Teil der Hausordnung (§ 22 des Mietvertrages, Anl. K 13, Bl. 57/50 d.A.). Die Frage, inwieweit im Freien auf dem Grundstück geraucht werden darf, ist im Haus K-Straße 5 in R. aber trotzdem bindend geordnet. Denn eine Hausordnung ist nicht statisch und kann bzw. muss bei Bedarf angepasst werden. Dies kann auch nachträglich geschehen, insbesondere dann, wenn die Hausordnung lediglich vertragliche und gesetzliche Pflichten - wie das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - konkretisiert (Schmidt-Futterer/Eisenschmid a.a.O. Rn. 379). So kann der Vermieter bei Bedarf nicht nur die Kehrwoche im Treppenhaus einseitig regeln oder Regeln über die ordnungsgemäße Verwaltung und Bewirtschaftung aufstellen oder ändern (Schmidt-Futterer/Eisenschmid ebd.), sondern auch Regelungen zum Rauchen im und um das Haus aufstellen.
18 
Von dieser Befugnis haben die Vermieter M. aus gegebenem Anlass, nämlich dem Streit der Parteien um das Rauchen im Freien, durch Schreiben vom 01.06.2015 (Anl. K3, Bl. 11 d.A.) in zulässiger Weise Gebrauch gemacht und rauchfreie Zeiten festgelegt. Folglich ist es nicht mehr nötig, dass das Gericht die Details des Zusammenlebens im Haus in Bezug auf das Rauchen festlegt. Ob die Klägerin zuvor einem Verhandlungsergebnis bei der Versammlung der Hausgemeinschaft zugestimmt hat, spielt keine Rolle mehr, denn diese Einigung ist überholt.
19 
In die Hausordnung und die von Vermieterseite festgelegten rauchfreien Zeiten könnte das Gericht nur eingreifen, wenn die Festlegungen Vermieterseite ermessensfehlerhaft wären (§ 315 BGB; vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass die im Schreiben vom 01.06.2015 festgelegten rauchfreien Zeiten willkürlich wären oder die Interessen der Kläger überhaupt nicht oder völlig unzureichend berücksichtigten.
20 
Die Regelung des Vermieters aus dem Jahr 2015 ist ersichtlich darum bemüht, vor allem während der Freizeit der erwerbstätigen Bevölkerung jeder Mietpartei "ihren" Zeitraum zu sichern, in denen ungestört geraucht oder vom Rauch ungestört im Freien gesessen werden kann. In die Abwägung ist einbezogen, dass mehr Nichtraucher als Raucher im Haus leben, wie die Begründung zeigt. Eine mathematische Gleichheit der rauchfreien Zeiten kann und muss es daher nicht geben, vor allem, weil die Kläger nicht in jeder Minute der "Raucherzeit" (d.h. der zum Rauchen freigegebenen Zeit) mit erheblichem Rauch auf ihrem Balkon rechnen müssen. Das zeigt sich an der selbst vorgelegten Liste (Anl. K 2), wenn man deren Richtigkeit einmal unterstellt. Denn danach haben es auch alle Beklagten gemeinsam an den Tagen mit dem häufigsten Rauchgeruch (z.B. 06.06. und 07.06.2016) nach Behauptung der Kläger nicht geschafft, mehr als 20 mal am Tag zu rauchen. Bei ca. 5 Minuten je Zigarette wären danach gut 1,5 Stunden von insgesamt 16 wachen Stunden eines Tages "belastet" gewesen, der Rest aber nicht. Insofern genügt es, wenn weniger als die Hälfte der Stunden des Tages von dem Rauchverbot erfasst sind.
21 
Hinzu kommt, dass es von subjektiven Einschätzungen und der jeweiligen Situation im Haus abhängt, wieviel Zeit welcher Interessengruppe zuzugestehen ist. Es gibt kein objektives "richtig" oder "falsch" bzw. "ausreichend" oder "ungenügend". Es kommt daher auch nicht darauf an, ob das Gericht dieselben Zeiträume gewählt hätte oder etwas großzügigere rauchfreie Zeiten als angemessen angesehen hätte. Dem Vermieter steht ein nicht zu enger Beurteilungsspielraum zu. Auch wenn die Vermieterregelung so ausgefallen wäre, dass nur an sieben bzw. neun Stunden pro Tag das Rauchen im Freien erlaubt (statt verboten) wäre, so wäre sie nicht zu beanstanden.
22 
Dass es zunächst dem Vermieter vorbehalten bleiben muss, das Zusammenleben im Haus zu regeln, ehe die Gerichte bemüht werden, ergibt sich auch daraus, dass die Hausordnung flexibel bleiben und auf geänderte Zusammensetzungen und Bedürfnisse der Hausgemeinschaft reagieren können muss. Das zeigt der vorliegende Sachverhalt. Der Vermieter muss prüfen und abwägen können, ob neue Regelungen nötig sind, ob sich einmal getroffene Regelungen bewähren oder ob sie angepasst werden müssen, um den Hausfrieden zu wahren. So wäre es keineswegs ausgeschlossen, dass die Vermieter M. den vorliegenden Streit zum Anlass nehmen, ihre Regelung aus dem Jahr 2015 noch einmal zu ändern und z.B. die Vergleichsregelung zwischen den Klägern und den Beklagten Ziff. 3 und 4 für alle Mieter zu übernehmen, weil diese - wie sich gezeigt hat - unter mehreren Beteiligten einigungsfähig ist und daher möglicherweise besser für Ruhe im Haus sorgt als die bisherige. Dies einzuschätzen ist aber - wie bereits ausgeführt - nicht Sache des Gerichts, sondern der Vermieter innerhalb von deren pflichtgemäßem Ermessen.
23 
c) Ein Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten Ziff. 1 und 2 ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagten sich nicht an die Vermieterregelung von 2015 gehalten haben. Die Kläger behaupten Verstöße und listen das in Anl. K 2 auch teilweise auf. Die Beklagten bestreiten es aber. Den nötigen sog. Vollbeweis konnten die Kläger nicht führen. Denn die Angaben der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung im Ortstermin dazu, wie die Liste zustande gekommen ist, und die Liste selbst reichen nicht aus, um das Gericht vollständig davon zu überzeugen, dass nur die klägerische Darstellung richtig ist. Das Gericht ist nicht überzeugt, dass zu jedem der aufgelisteten Zeitpunkte in nennenswertem Umfang wahrnehmbarer Rauchgeruch auf den Balkon oder in die Wohnung der Klägerin gelangt ist, der für einen Unterlassungsanspruch ausreichen würde. Unerhebliche Mengen an Rauch bleiben dabei nämlich außer Betracht, denn die Rauchzeiten-Regelung dient keinem Selbstzweck. Eine Auflistung, wann jemand geraucht hat, ist daher nur von eingeschränkter Aussagekraft. Nur wenn die Kläger innerhalb der von Vermieterseite festgelegten rauchfreien Zeiten konkret beeinträchtigt und von Rauch belästigt worden wären, wäre die Hausordnung verletzt und Anlass, die Beklagten gerichtlich zur Unterlassung anzuhalten.
24 
2. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB wegen drohender gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Kläger. Dass Passivrauchen potentiell gesundheitsschädlich ist, reicht nicht aus. Der Bundesgerichtshof stützt auf die Nichtrauchergesetze des Bundes und der Länder, die das Rauchen in Gebäuden und umschlossenen Räumen regeln, den Erfahrungssatz, dass Rauchen im Freien im Grundsatz zunächst einmal andere Personen nicht schädigt. Ein Unterlassungsanspruch kommt nur in Frage, wenn der Betroffene dieses Indiz durch nachgewiesene Umstände erschüttern kann (BGH a.a.O., Tz. 25 ff.). Dazu muss aufgrund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht bestehen, dass Feinstaubpartikel die Gesundheit der Nachbarn gefährden. Dazu sind in der Regel Feinstaubmessungen notwendig, mit denen festgestellt worden ist, welche Mengen an toxischen Partikel auf den Balkon bzw. in die Wohnung gelangen. Solche Messergebnisse können die Kläger nicht vorlegen. Sie beschränken sich darauf, auf allgemeine Untersuchungen zum Passivrauchen hinzuweisen. Ein solcher allgemeiner Verdacht reicht aber nicht aus, um das genannte Indiz zu erschüttern. Bei dieser Sachlage ein Sachverständigengutachten einzuholen hieße, von Amts wegen nach einer Gesundheitsgefahr zu forschen. Das verbietet sich im Zivilprozess von selbst.
25 
3. Fehlt es bereits aus vorgenannten Gründen an Unterlassungsansprüchen, braucht nicht aufgeklärt zu werden, inwieweit der Kläger Ziff. 2 vom Rauch der Beklagten überhaupt selbst betroffen ist. Ebenso kann offen bleiben, wie viele Zigaretten die Beklagten Ziff. 1 und 2 täglich auf dem Grundstück rauchen und wie viel Rauch konkret auf den Balkon und in die Wohnung der Kläger gelangt.
26 
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung hat das Gericht die Kostenregelung im Vergleich zwischen den Klägern und den Beklagten Ziff. 3 und 4 analog § 91a ZPO berücksichtigt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Bad Urach Urteil, 05. Okt. 2016 - 1 C 229/16

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlo

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2015 - V ZR 110/14

bei uns veröffentlicht am 16.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 110/14 Verkündet am: 16. Januar 2015 Weschenfelder, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ne

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(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 110/14 Verkündet am:
16. Januar 2015
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Störung eines Mieters in seinem Besitz durch den Tabakrauch eines anderen
Mieters, der auf dem Balkon seiner Wohnung raucht, ist auch dann eine verbotene
Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB, wenn dem anderen Mieter im Verhältnis
zu seinem Vermieter das Rauchen gestattet ist.
Nach dem auf den Besitzschutzanspruch (§ 862 Abs. 1 BGB) entsprechend anzuwendenden
Maßstab des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter Einwirkungen
durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten, wenn sie einen verständigen
Nutzer in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen.

a) Der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht auch gegenüber
wesentlichen Beeinträchtigungen nicht uneingeschränkt, weil der durch den
Rauch gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen
muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das
Rauchen in der eigenen Wohnung gehört.

b) Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme führt im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung.
Für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer
Balkone interessiert sind, sind dem einen Mieter Zeiträume freizuhalten, in denen
er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während
dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen
darf.

a) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen
, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von
Mietern untereinander.

b) Der Mieter, der unter Berufung auf die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens
von einem anderen Mieter verlangt, das Rauchen auf dem Balkon zu unterlassen
, muss das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende Indiz erschüttern
, dass mit dem Rauchen im Freien keine solchen Gefahren einhergehen.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 - V ZR 110/14 - LG Potsdam
AG Rathenow
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. März 2014 insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. September 2013 auch im Hinblick auf den Klageantrag zu 1 zurückgewiesen worden ist. In Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Tabakrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Sie haben - soweit hier von Interesse - beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Rau- chen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Kläger den Unterlassungsantrag weiter verfolgen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht (dessen Entscheidung u.a. in WuM 2014, 414 ff. veröffentlicht ist) meint, dass den Klägern kein Unterlassungsanspruch wegen einer Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 Satz 2, § 858 Abs. 1 BGB) zustehe, weil das Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre. Selbst wenn die Kläger durch das Rauchen der Beklagten in dem Gebrauch ihrer Wohnung beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen lediglich ein vertraglicher Anspruch gegen den Vermieter wegen eines Mangels der Mietsache zu. Die Kläger hätten auch keinen Abwehranspruch wegen einer drohenden Gesundheitsverletzung (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB), weil das Rauchen im Freien keine dem Rauchen in Innenräumen vergleichbaren gesundheitlichen Risiken durch Passivrauchen mit sich bringe. Schließlich ergebe sich auch kein Abwehranspruch aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es könne dahinstehen, ob diese Regeln im Verhältnis zwischen Mietern untereinander anwendbar seien, da es an zwingenden Gründen fehle, aus denen es geboten sei, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem Balkon zu untersagen. Ein solches Verbot wäre mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar; die grundrechtlich geschützte Freiheit der Lebensführung schließe das Recht ein, in der eigenen Wohnung unabhängig von zeitlichen und mengenmä- ßigen Vorgaben zu rauchen. Da es sich bei den Beklagten nicht um exzessive Raucher (Kettenraucher) handele, sei es den Klägern auch unter Berücksichtigung ihres Interesses, nicht durch Tabakrauch belästigt zu werden, zuzumuten, für die verhältnismäßig kurzen Zeiträume, in denen die Beklagten rauchten, die Fenster zu schließen und einen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen.

II.

3
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger wegen einer Störung ihres Besitzes nach § 862 Abs. 1, § 858 Abs. 1 BGB.
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a) Eine Besitzstörung kann darin begründet sein, dass der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache durch Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt wird (vgl. Bamberger/Roth/Fritsche, BGB, 3. Aufl., § 858 Rn. 10; Erman/Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 858 Rn. 3a; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., § 858 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Joost, BGB, 6. Aufl., § 858 Rn. 5; Paschke, NZM 2000, 595, 596; PWW/Prütting, BGB, 9. Aufl., § 858 Rn. 4). Dass einem Mieter ein Abwehranspruch nach § 862 Abs. 1 BGB gegen Besitzstörungen durch den von einem anderen Mieter verursachten Lärm zustehen kann, ist in der Rechtsprechung (BayObLGZ 1987, 36, 40; KG, KGR 2004, 75, 76; OLG Düsseldorf, WuM 1997, 221; OLG München, NJW-RR 1992, 1097) und im Schrifttum (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap III Rn. 2581; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 535 Rn. 28; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 171; PWW/Elzer, BGB, 9. Aufl., § 535 Rn. 50) anerkannt und ist auch in der von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. Versorgungssperre (Urteil vom 6. Mai 2009 - VIII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 28) nicht anders gesehen worden. Dem Besitzer wird - obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht - durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt. Er wird insoweit behandelt, als wäre er Eigentümer der Sache (Westermann/Gursky, Sachenrecht , 8. Aufl., § 23 Rn. 13). Für Besitzstörungen durch Rauch und Ruß kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
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b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob den Beklagten das Rauchen im Verhältnis zu ihrem Vermieter gestattet ist.
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aa) Verbotene Eigenmacht ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Rauchen im Verhältnis zwischen Mietvertragsparteien im Allgemeinen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915 Rn. 23; Urteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 22). Nach § 858 Abs. 1 BGB ist allein maßgeblich, dass die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Vertragliche Vereinbarungen des Störers mit Dritten vermögen eine Besitzstörung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.
8
Das gilt auch für die hier zu beurteilenden Besitzstörungen durch andere Mieter. Allerdings kann sich für den gestörten Mieter aus seinem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung ergeben, dass er Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss und daher nicht nach § 862 Abs. 1 BGB abwehren kann (vgl. OLG München, NJW- RR 1992, 1099). Fehlt es jedoch - wie hier - an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht.
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bb) Einen gegenteiligen Rechtssatz hat der Senat in der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung vom 12. Dezember 2003 (V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 194) nicht aufgestellt. Er hat lediglich einen - hier nicht streitgegenständlichen - verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Immissionen verneint, die von dem Nutzungsbereich eines Mieters auf den eines anderen einwirken. Dass zwischen den Mietern auf besitzschutz- und deliktsrechtlichen Normen beruhende Abwehransprüche bestehen können, ist nicht in Abrede gestellt worden (aaO S. 194 f.).
10
c) Zur Bestimmung der Grenzen dessen, was der Mieter an Immissionen (hier durch Tabakrauch) hinzunehmen hat, die von dem Gebrauch der anderen Wohnung ausgehen, ist der in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnete Maßstab entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614; RG, HRR 1931 Nr. 1219; MünchKomm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 165 Fn. 362; Roth, JZ 2004, 918, 919, ders. in Staudinger/ Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 107; Siems, JuS 2005, 884, 885). Demnach kann der Mieter Einwirkungen durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten , wenn sie ihn in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 254 Rn. 24 mwN).
11
Ob die Kläger nach diesem Maßstab durch den aufsteigenden Tabakrauch in dem Gebrauch ihrer Wohnung wesentlich beeinträchtigt sind, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 61/91, BGHZ 121, 248, 252; Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 7). Das Berufungsgericht hat die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung erforderlichen Feststellungen, ob und wie intensiv und damit störend der Tabakrauch auf dem Balkon der Kläger wahrgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2003, 515, 516), bislang nicht getroffen. Sie sind - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Ansicht der Beklagten - nicht deshalb entbehrlich, weil revisionsrechtlich von einem durch Aufzeichnungen der Kläger dokumentierten und von den Beklagten zugestandenen durchschnittlichen Konsum von zwölf Zigaretten täglich ausgegangen werden müsste. Es kann dahinstehen, ob die Beklagten durchschnittlich zwölf oder zwanzig Zigaretten an einem Tag auf dem Balkon rauchen. Intensiv wahrgenommene und deshalb als störend empfundene Raucheinwirkungen in den für die Balkonnutzung bevorzugten Zeiten wären auch dann nicht als eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzusehen, wenn der durchschnittliche Zigarettenkonsum der Beklagten sich auf die von ihnen zugestandene Menge beschränkte.
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d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kläger nicht deshalb von vornherein aus, weil das Rauchen auf dem Balkon in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt.
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aa) Vor dem Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze ist ein Abwehranspruch des Mieters gegen Beeinträchtigungen durch das Rauchen eines Mitmieters im Freien allerdings mit der Begründung verneint worden, dass das Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Da Rauchen durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei, müsse das Interesse des nichtrauchenden Mieters an einer von Tabakrauch nicht gestörten Nutzung seiner Wohnung zurücktreten (AG Bonn, NZM 2000, 33; AG Wennigsen, WuM 2001, 487). Für das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertritt das Landgericht Berlin (63. Zivilkammer) die Auffassung, dass der Vermieter einem Mieter das Rauchen auf dem Balkon auch im Hinblick auf das Interesse eines anderen Mieters an einer von Tabakrauch ungestörten Nutzung seiner Wohnung nicht untersagen könne, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre (LG Berlin, Grundeigentum 2009, 781).
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bb) Das Schrifttum ist demgegenüber der Ansicht, dass auch das Recht des nicht rauchenden Mieters auf ungestörten Gebrauch seiner Mietsache zu beachten und der rauchende Mieter daher verpflichtet sei, sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken (Börstinghaus/Pielsticker, WuM 2012, 480, 481 f.; Derleder, NJW 2007, 812, 814; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597). Im Verhältnis zum Vermieter wird vom Landgericht Hamburg (NJW-RR 2012, 1362) und vom Landgericht Berlin, 67. Zivilkammer, (NJW-RR 2013, 1284) ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch die von dem Rauchen auf dem Balkon einer anderen Wohnung ausgehenden Einwirkungen bejaht, weil der in die Wohnung eines Nichtrauchers eindringende Tabakrauch deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindere.
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cc) Der Senat teilt den im Schrifttum vertretenen Ansatz. Angesichts der Nichtrauchergesetze von Bund und Ländern kommt die Annahme, durch Rauchen erzeugte Immissionen seien als sozialadäquat einzustufen und damit von stets unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, heute nicht mehr in Be- tracht. Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.
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Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber als wesentlich anzusehenden Beeinträchtigungen durch Tabakrauch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehört (siehe oben 1. b) aa). Bei Störungen durch solche Immissionen kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtspositionen sind grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da jede Partei auf den Gebrauch der Wohnung zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse wie zur Freiheitssicherung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1, 6). Sie müssen daher - unter Einbeziehung des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 GG - in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.
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(1) Fehlt es an für beide Teile verbindlichen vertraglichen Regelungen in einer Hausordnung, bestimmen sich die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. KG, ZMR 2004, 261, 262; AG Bonn, NJW-RR 1989, 10; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 569 Rn. 17; vgl. auch Börstinghaus /Pielsticker, WuM 2012, 480, 482). Aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich für jeden Hausbewohner die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, die von ihm genutzte Wohnung für seine Lebensbedürfnisse und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Verpflichtung kann die Ausübung auch eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruchs des Mieters nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig sein (vgl. AG Bonn, aaO - Rauch von einem Grill; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597 - Tabakrauch ; zum Gebot der Rücksichtnahme zwischen Grundstücksnachbarn: Senat, Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 202/57, BGHZ 28, 110, 114).
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(2) Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist - im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf der nichtrauchende Mieter nicht darauf verwiesen werden, seinen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen, sobald sich der andere Mieter entschließt zu rauchen. Es muss ihm vielmehr möglich sein, seinen Balkon mindestens stundenweise zu nutzen, ohne jederzeit eine Unterbrechung des Aufenthalts gewärtigen zu müssen.
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2. Ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Gefahr einer Verletzung der Gesundheit der Kläger durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Tabakrauch. Ein solcher Anspruch käme in Betracht , wenn das Rauchen der Beklagten zwar zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung durch Qualm oder Geruch führte, aber die konkrete Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bei dem Gebrauch des Balkons der Kläger mit sich brächte.
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a) Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass den Klägern unter dieser Voraussetzung gegen die Beklagten ein Unterlas- sungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zustünde. Die Vorschrift ist nicht auf Beeinträchtigungen des Eigentums beschränkt. Der negatorische Schutz wird vielmehr sämtlichen absoluten Rechten zuerkannt und auf alle deliktsrechtlich unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB oder durch Gesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geschützten Rechtsgüter ausgedehnt (Senat, Urteil vom 13. März 1998 - V ZR 190/97, NJW 1998, 2058, 2059; BGH, Urteil vom 18. Januar 1952 - I ZR 87/51, NJW 1952, 417; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 Rn. 12).
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b) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander (vgl. zu Lärm BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614). Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat (vgl. SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, § 535 Rn. 515; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 110).
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c) Rechtsfehlerhaft sind aber die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Feststellbarkeit einer solchen Gefahr verneint.
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aa) Richtig ist allerdings die Erwägung, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen aus der Raumluft (Passivrauchen) grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern - wie hier - im Freien geraucht wird. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Gefahr gesundheitlicher Schäden bei einer größeren Distanz zwischen der Stelle, an der geraucht, und derjenigen, an der die mit dem Rauch belastete Luft eingeatmet wird (hier ein Höhenunterschied von ca. drei Metern) und bei einem dazwischen liegenden Hindernis (Balkondach) eher als gering einzuschätzen ist.
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bb) Nicht zulässig ist es jedoch, die Gefahr gesundheitlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des auf eine Feinstaubmessung gestützten und unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger zu verneinen, dass während des Rauchens der Beklagten erhöhte Belastungen der Luft durch die im Tabakrauch enthaltenen Feinstaubpartikel festgestellt worden seien, die eine Gefahr für die Gesundheit bei einem Aufenthalt auf dem Balkon bedeuteten.
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(1) Wird im Freien geraucht, ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen , dass damit keine Gefahr für die Gesundheit anderer verbunden ist. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die im Grundsatz das Rauchen nur in Gebäuden und in vollständig umschlossenen Räumen verbieten (§ 1 Abs. 2 BNichtrSchG; Art. 3 Abs. 1 BayGSG, § 2 Abs. 2 NRSG Bln, § 2 Abs. 2 Satz 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 2 Abs. 2 Satz 1 HbgPSchG, § 1 Abs. 1 HessNRG, § 1 Abs. 1 NichtRauchSchG M-V, § 1 Abs. 1 NNiRSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1 NiRSchG NRW, § 1 Abs. 2 NRauSchG SL, § 1 Abs. 3 SächsNSG, § 3 Abs. 1 NRauchSchG LSA, § 2 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 3 Abs. 3 Satz 1 ThürNRSchutzG), eine indizielle Bedeutung bei der Einschätzung der Gefahren durch Passivrauchen zu. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze ist zwar auf öffentliche Einrichtungen und öffentlich zugängliche Bereiche privater Grundstücke beschränkt; mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke, zu denen nur Eigentümer, Mieter und Besucher Zutritt haben, fallen nicht darunter. Die diesen Gesetzen zugrunde liegende Einschätzung ist jedoch im Hinblick auf das Rauchen im Freien bei der Beurteilung der Gefahr von Gesundheitsschäden heranzuziehen, die von dem Rauchen in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ausgehen. Das rechtfertigt sich aus dem Zweck der genannten Gesetze, Nichtraucher vor den im Tabakrauch enthaltenen gesundheitsgefährdenden Giftstoffen zu schützen (Begründung zum Bundesnichtraucherschutzgesetz: BT-Drucks. 16/5049, S. 7; in vielen Landesgesetzen wird dieser Schutzzweck im Gesetzestext selbst genannt: § 1 Abs. 1 Satz 2 LNRSchG BW, Art. 1 BayGSG, § 1 NRSG Bln, § 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 1 Abs. 1 HbgPSchG, § 1 NiSchG NRW, § 1 Abs. 1 NRauSchG RP, § 1 NRauSchG SL, § 1 SächsNSG, § 1 NRauchSchG LSA, § 1 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 1 Abs. 1 ThürNRSchutzG). Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, wenn nicht im öffentlichen Raum, sondern auf einem privaten, nicht frei zugänglichen Grundstück geraucht wird.
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(2) Den Verboten in den Nichtraucherschutzgesetzen kommt jedoch lediglich eine Indizwirkung dafür zu, dass mit dem Rauchen im Freien keine gesundheitlichen Gefahren für Dritte durch das Passivrauchen einhergehen. Diese kann im Einzelfall erschüttert sein. Auch wenn in Gesetzen, Verordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften für bestimmte Immissionen Grenz- oder Richtwerte festgelegt sind, bei deren Einhaltung nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, kommt eine davon abweichende Beurteilung bei einer besonderen Gefahrenlage im Einzelfall stets in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 264; Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Das gilt erst recht, wenn sich das für die Ungefährlichkeit des Rauchens im Freien sprechende Indiz - wie hier - allein aus den auf das Rauchen in geschlossenen Räumen beschränkten und nur für öffentlich zugängliche Grundstücke geltenden Verbotsgesetzen entnehmen lässt.
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Dem nicht rauchenden Mieter kann deshalb gegenüber dem rauchenden Mieter ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens auch dann zustehen, wenn im Freien geraucht wird. Er muss dazu allerdings das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende gegenteilige Indiz erschüttern. Das setzt voraus, dass sich auf Grund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergibt, die auf den Balkon oder in die Wohnung des nicht rauchenden Mieters gelangen. Verhält es sich so, kommen die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs - und Beweislast zur Anwendung; es muss dann der rauchende Mieter beweisen, dass die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung bedeuten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318 f.).
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Die Kläger haben Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, die Annahme, Passivrauchen im Freien sei ungefährlich, für den konkreten Fall zu erschüttern. Sie haben unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Feinstaubmessungen vorgetragen, dass immer dann, wenn die Beklagten rauchen, in einem für die Gesundheit gefährlichen Umfang toxische Feinstaubpartikel auf ihren Balkon und in ihre Wohnung gelangen. Diesem Vortrag wird das Berufungsgericht nachgehen müssen, wenn der Unterlassungsanspruch nicht schon wegen der Geruchsbelästigung begründet ist.
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cc) Sollte sich dieses Vorbringen als richtig erweisen, erfordert das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wiederum eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten (siehe oben 1.d) cc) (2)).

III.

30
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nach den bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31
1. Das Berufungsgericht wird zunächst festzustellen haben, ob der von dem Balkon der Beklagten aufsteigende Rauch nach dem Empfinden eines durchschnittlichen, verständigen Nutzers auf dem Balkon der Kläger oder - sofern er bei offenem Fenster bzw. offener Balkontür in die Wohnung zieht - in deren Wohnung als störend wahrzunehmen ist. Das macht es - wie bei der Beurteilung der von Lärmbelästigungen ausgehenden Störungen - in der Regel erforderlich, dass der Tatrichter sich selbst in einem Ortstermin einen persönlichen Eindruck von dem Maß der Beeinträchtigung verschafft (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 89/91, NJW 1992, 2019; Urteil vom 5. Februar1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255).
32
2. Sollte eine wesentliche Beeinträchtigung zu verneinen sein, weil der Rauch nicht oder kaum wahrnehmbar ist, wäre der unter Beweis gestellten Behauptung der Kläger nachzugehen, dass mit dem Tabakrauch Feinstaubpartikel auf ihren Balkon bzw. in ihre Wohnung gelangen, hinsichtlich derer der fundierte Verdacht besteht, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen; Maßstab ist auch insoweit der durchschnittliche Nutzer. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Rathenow, Entscheidung vom 06.09.2013 - 4 C 300/13 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.03.2014 - 1 S 31/13 -

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 110/14 Verkündet am:
16. Januar 2015
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Störung eines Mieters in seinem Besitz durch den Tabakrauch eines anderen
Mieters, der auf dem Balkon seiner Wohnung raucht, ist auch dann eine verbotene
Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB, wenn dem anderen Mieter im Verhältnis
zu seinem Vermieter das Rauchen gestattet ist.
Nach dem auf den Besitzschutzanspruch (§ 862 Abs. 1 BGB) entsprechend anzuwendenden
Maßstab des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter Einwirkungen
durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten, wenn sie einen verständigen
Nutzer in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen.

a) Der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht auch gegenüber
wesentlichen Beeinträchtigungen nicht uneingeschränkt, weil der durch den
Rauch gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen
muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das
Rauchen in der eigenen Wohnung gehört.

b) Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme führt im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung.
Für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer
Balkone interessiert sind, sind dem einen Mieter Zeiträume freizuhalten, in denen
er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während
dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen
darf.

a) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen
, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von
Mietern untereinander.

b) Der Mieter, der unter Berufung auf die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens
von einem anderen Mieter verlangt, das Rauchen auf dem Balkon zu unterlassen
, muss das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende Indiz erschüttern
, dass mit dem Rauchen im Freien keine solchen Gefahren einhergehen.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 - V ZR 110/14 - LG Potsdam
AG Rathenow
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. März 2014 insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Rathenow vom 6. September 2013 auch im Hinblick auf den Klageantrag zu 1 zurückgewiesen worden ist. In Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Tabakrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Sie haben - soweit hier von Interesse - beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Rau- chen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Kläger den Unterlassungsantrag weiter verfolgen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht (dessen Entscheidung u.a. in WuM 2014, 414 ff. veröffentlicht ist) meint, dass den Klägern kein Unterlassungsanspruch wegen einer Besitzstörung (§ 862 Abs. 1 Satz 2, § 858 Abs. 1 BGB) zustehe, weil das Rauchen zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gehöre. Selbst wenn die Kläger durch das Rauchen der Beklagten in dem Gebrauch ihrer Wohnung beeinträchtigt sein sollten, stünde ihnen lediglich ein vertraglicher Anspruch gegen den Vermieter wegen eines Mangels der Mietsache zu. Die Kläger hätten auch keinen Abwehranspruch wegen einer drohenden Gesundheitsverletzung (§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB), weil das Rauchen im Freien keine dem Rauchen in Innenräumen vergleichbaren gesundheitlichen Risiken durch Passivrauchen mit sich bringe. Schließlich ergebe sich auch kein Abwehranspruch aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Es könne dahinstehen, ob diese Regeln im Verhältnis zwischen Mietern untereinander anwendbar seien, da es an zwingenden Gründen fehle, aus denen es geboten sei, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem Balkon zu untersagen. Ein solches Verbot wäre mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar; die grundrechtlich geschützte Freiheit der Lebensführung schließe das Recht ein, in der eigenen Wohnung unabhängig von zeitlichen und mengenmä- ßigen Vorgaben zu rauchen. Da es sich bei den Beklagten nicht um exzessive Raucher (Kettenraucher) handele, sei es den Klägern auch unter Berücksichtigung ihres Interesses, nicht durch Tabakrauch belästigt zu werden, zuzumuten, für die verhältnismäßig kurzen Zeiträume, in denen die Beklagten rauchten, die Fenster zu schließen und einen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen.

II.

3
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger wegen einer Störung ihres Besitzes nach § 862 Abs. 1, § 858 Abs. 1 BGB.
5
a) Eine Besitzstörung kann darin begründet sein, dass der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache durch Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt wird (vgl. Bamberger/Roth/Fritsche, BGB, 3. Aufl., § 858 Rn. 10; Erman/Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 858 Rn. 3a; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl., § 858 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Joost, BGB, 6. Aufl., § 858 Rn. 5; Paschke, NZM 2000, 595, 596; PWW/Prütting, BGB, 9. Aufl., § 858 Rn. 4). Dass einem Mieter ein Abwehranspruch nach § 862 Abs. 1 BGB gegen Besitzstörungen durch den von einem anderen Mieter verursachten Lärm zustehen kann, ist in der Rechtsprechung (BayObLGZ 1987, 36, 40; KG, KGR 2004, 75, 76; OLG Düsseldorf, WuM 1997, 221; OLG München, NJW-RR 1992, 1097) und im Schrifttum (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap III Rn. 2581; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 535 Rn. 28; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 535 Rn. 171; PWW/Elzer, BGB, 9. Aufl., § 535 Rn. 50) anerkannt und ist auch in der von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. Versorgungssperre (Urteil vom 6. Mai 2009 - VIII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 28) nicht anders gesehen worden. Dem Besitzer wird - obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht - durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt. Er wird insoweit behandelt, als wäre er Eigentümer der Sache (Westermann/Gursky, Sachenrecht , 8. Aufl., § 23 Rn. 13). Für Besitzstörungen durch Rauch und Ruß kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
6
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob den Beklagten das Rauchen im Verhältnis zu ihrem Vermieter gestattet ist.
7
aa) Verbotene Eigenmacht ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Rauchen im Verhältnis zwischen Mietvertragsparteien im Allgemeinen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915 Rn. 23; Urteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 22). Nach § 858 Abs. 1 BGB ist allein maßgeblich, dass die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Vertragliche Vereinbarungen des Störers mit Dritten vermögen eine Besitzstörung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.
8
Das gilt auch für die hier zu beurteilenden Besitzstörungen durch andere Mieter. Allerdings kann sich für den gestörten Mieter aus seinem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung ergeben, dass er Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss und daher nicht nach § 862 Abs. 1 BGB abwehren kann (vgl. OLG München, NJW- RR 1992, 1099). Fehlt es jedoch - wie hier - an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht.
9
bb) Einen gegenteiligen Rechtssatz hat der Senat in der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung vom 12. Dezember 2003 (V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 194) nicht aufgestellt. Er hat lediglich einen - hier nicht streitgegenständlichen - verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Immissionen verneint, die von dem Nutzungsbereich eines Mieters auf den eines anderen einwirken. Dass zwischen den Mietern auf besitzschutz- und deliktsrechtlichen Normen beruhende Abwehransprüche bestehen können, ist nicht in Abrede gestellt worden (aaO S. 194 f.).
10
c) Zur Bestimmung der Grenzen dessen, was der Mieter an Immissionen (hier durch Tabakrauch) hinzunehmen hat, die von dem Gebrauch der anderen Wohnung ausgehen, ist der in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnete Maßstab entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614; RG, HRR 1931 Nr. 1219; MünchKomm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 165 Fn. 362; Roth, JZ 2004, 918, 919, ders. in Staudinger/ Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 107; Siems, JuS 2005, 884, 885). Demnach kann der Mieter Einwirkungen durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten , wenn sie ihn in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 254 Rn. 24 mwN).
11
Ob die Kläger nach diesem Maßstab durch den aufsteigenden Tabakrauch in dem Gebrauch ihrer Wohnung wesentlich beeinträchtigt sind, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 61/91, BGHZ 121, 248, 252; Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 7). Das Berufungsgericht hat die zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung erforderlichen Feststellungen, ob und wie intensiv und damit störend der Tabakrauch auf dem Balkon der Kläger wahrgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, WuM 2003, 515, 516), bislang nicht getroffen. Sie sind - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Ansicht der Beklagten - nicht deshalb entbehrlich, weil revisionsrechtlich von einem durch Aufzeichnungen der Kläger dokumentierten und von den Beklagten zugestandenen durchschnittlichen Konsum von zwölf Zigaretten täglich ausgegangen werden müsste. Es kann dahinstehen, ob die Beklagten durchschnittlich zwölf oder zwanzig Zigaretten an einem Tag auf dem Balkon rauchen. Intensiv wahrgenommene und deshalb als störend empfundene Raucheinwirkungen in den für die Balkonnutzung bevorzugten Zeiten wären auch dann nicht als eine nur unwesentliche Beeinträchtigung anzusehen, wenn der durchschnittliche Zigarettenkonsum der Beklagten sich auf die von ihnen zugestandene Menge beschränkte.
12
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kläger nicht deshalb von vornherein aus, weil das Rauchen auf dem Balkon in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt.
13
aa) Vor dem Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze ist ein Abwehranspruch des Mieters gegen Beeinträchtigungen durch das Rauchen eines Mitmieters im Freien allerdings mit der Begründung verneint worden, dass das Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Da Rauchen durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei, müsse das Interesse des nichtrauchenden Mieters an einer von Tabakrauch nicht gestörten Nutzung seiner Wohnung zurücktreten (AG Bonn, NZM 2000, 33; AG Wennigsen, WuM 2001, 487). Für das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertritt das Landgericht Berlin (63. Zivilkammer) die Auffassung, dass der Vermieter einem Mieter das Rauchen auf dem Balkon auch im Hinblick auf das Interesse eines anderen Mieters an einer von Tabakrauch ungestörten Nutzung seiner Wohnung nicht untersagen könne, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre (LG Berlin, Grundeigentum 2009, 781).
14
bb) Das Schrifttum ist demgegenüber der Ansicht, dass auch das Recht des nicht rauchenden Mieters auf ungestörten Gebrauch seiner Mietsache zu beachten und der rauchende Mieter daher verpflichtet sei, sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken (Börstinghaus/Pielsticker, WuM 2012, 480, 481 f.; Derleder, NJW 2007, 812, 814; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597). Im Verhältnis zum Vermieter wird vom Landgericht Hamburg (NJW-RR 2012, 1362) und vom Landgericht Berlin, 67. Zivilkammer, (NJW-RR 2013, 1284) ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch die von dem Rauchen auf dem Balkon einer anderen Wohnung ausgehenden Einwirkungen bejaht, weil der in die Wohnung eines Nichtrauchers eindringende Tabakrauch deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindere.
15
cc) Der Senat teilt den im Schrifttum vertretenen Ansatz. Angesichts der Nichtrauchergesetze von Bund und Ländern kommt die Annahme, durch Rauchen erzeugte Immissionen seien als sozialadäquat einzustufen und damit von stets unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, heute nicht mehr in Be- tracht. Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.
16
Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber als wesentlich anzusehenden Beeinträchtigungen durch Tabakrauch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehört (siehe oben 1. b) aa). Bei Störungen durch solche Immissionen kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtspositionen sind grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da jede Partei auf den Gebrauch der Wohnung zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse wie zur Freiheitssicherung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit angewiesen ist (BVerfGE 89, 1, 6). Sie müssen daher - unter Einbeziehung des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 GG - in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.
17
(1) Fehlt es an für beide Teile verbindlichen vertraglichen Regelungen in einer Hausordnung, bestimmen sich die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. KG, ZMR 2004, 261, 262; AG Bonn, NJW-RR 1989, 10; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 569 Rn. 17; vgl. auch Börstinghaus /Pielsticker, WuM 2012, 480, 482). Aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich für jeden Hausbewohner die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, die von ihm genutzte Wohnung für seine Lebensbedürfnisse und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Verpflichtung kann die Ausübung auch eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruchs des Mieters nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig sein (vgl. AG Bonn, aaO - Rauch von einem Grill; Paschke, NZM 2008, 265, 267; Stapel, NZM 2000, 595, 597 - Tabakrauch ; zum Gebot der Rücksichtnahme zwischen Grundstücksnachbarn: Senat, Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 202/57, BGHZ 28, 110, 114).
18
(2) Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist - im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf der nichtrauchende Mieter nicht darauf verwiesen werden, seinen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen, sobald sich der andere Mieter entschließt zu rauchen. Es muss ihm vielmehr möglich sein, seinen Balkon mindestens stundenweise zu nutzen, ohne jederzeit eine Unterbrechung des Aufenthalts gewärtigen zu müssen.
19
2. Ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Abwehranspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Gefahr einer Verletzung der Gesundheit der Kläger durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Tabakrauch. Ein solcher Anspruch käme in Betracht , wenn das Rauchen der Beklagten zwar zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung durch Qualm oder Geruch führte, aber die konkrete Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bei dem Gebrauch des Balkons der Kläger mit sich brächte.
20
a) Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass den Klägern unter dieser Voraussetzung gegen die Beklagten ein Unterlas- sungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zustünde. Die Vorschrift ist nicht auf Beeinträchtigungen des Eigentums beschränkt. Der negatorische Schutz wird vielmehr sämtlichen absoluten Rechten zuerkannt und auf alle deliktsrechtlich unmittelbar nach § 823 Abs. 1 BGB oder durch Gesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geschützten Rechtsgüter ausgedehnt (Senat, Urteil vom 13. März 1998 - V ZR 190/97, NJW 1998, 2058, 2059; BGH, Urteil vom 18. Januar 1952 - I ZR 87/51, NJW 1952, 417; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 Rn. 12).
21
b) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander (vgl. zu Lärm BGH, Urteil vom 14. April 1954 - VI ZR 35/53, JZ 1954, 613, 614). Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat (vgl. SchmidtFutterer /Eisenschmid, Mietrecht, § 535 Rn. 515; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 110).
22
c) Rechtsfehlerhaft sind aber die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Feststellbarkeit einer solchen Gefahr verneint.
23
aa) Richtig ist allerdings die Erwägung, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen aus der Raumluft (Passivrauchen) grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern - wie hier - im Freien geraucht wird. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Gefahr gesundheitlicher Schäden bei einer größeren Distanz zwischen der Stelle, an der geraucht, und derjenigen, an der die mit dem Rauch belastete Luft eingeatmet wird (hier ein Höhenunterschied von ca. drei Metern) und bei einem dazwischen liegenden Hindernis (Balkondach) eher als gering einzuschätzen ist.
24
bb) Nicht zulässig ist es jedoch, die Gefahr gesundheitlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des auf eine Feinstaubmessung gestützten und unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger zu verneinen, dass während des Rauchens der Beklagten erhöhte Belastungen der Luft durch die im Tabakrauch enthaltenen Feinstaubpartikel festgestellt worden seien, die eine Gefahr für die Gesundheit bei einem Aufenthalt auf dem Balkon bedeuteten.
25
(1) Wird im Freien geraucht, ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen , dass damit keine Gefahr für die Gesundheit anderer verbunden ist. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die im Grundsatz das Rauchen nur in Gebäuden und in vollständig umschlossenen Räumen verbieten (§ 1 Abs. 2 BNichtrSchG; Art. 3 Abs. 1 BayGSG, § 2 Abs. 2 NRSG Bln, § 2 Abs. 2 Satz 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 2 Abs. 2 Satz 1 HbgPSchG, § 1 Abs. 1 HessNRG, § 1 Abs. 1 NichtRauchSchG M-V, § 1 Abs. 1 NNiRSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1 NiRSchG NRW, § 1 Abs. 2 NRauSchG SL, § 1 Abs. 3 SächsNSG, § 3 Abs. 1 NRauchSchG LSA, § 2 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 3 Abs. 3 Satz 1 ThürNRSchutzG), eine indizielle Bedeutung bei der Einschätzung der Gefahren durch Passivrauchen zu. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze ist zwar auf öffentliche Einrichtungen und öffentlich zugängliche Bereiche privater Grundstücke beschränkt; mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke, zu denen nur Eigentümer, Mieter und Besucher Zutritt haben, fallen nicht darunter. Die diesen Gesetzen zugrunde liegende Einschätzung ist jedoch im Hinblick auf das Rauchen im Freien bei der Beurteilung der Gefahr von Gesundheitsschäden heranzuziehen, die von dem Rauchen in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ausgehen. Das rechtfertigt sich aus dem Zweck der genannten Gesetze, Nichtraucher vor den im Tabakrauch enthaltenen gesundheitsgefährdenden Giftstoffen zu schützen (Begründung zum Bundesnichtraucherschutzgesetz: BT-Drucks. 16/5049, S. 7; in vielen Landesgesetzen wird dieser Schutzzweck im Gesetzestext selbst genannt: § 1 Abs. 1 Satz 2 LNRSchG BW, Art. 1 BayGSG, § 1 NRSG Bln, § 1 BbgNiRSchG, § 1 Abs. 1 BremNiSchG, § 1 Abs. 1 HbgPSchG, § 1 NiSchG NRW, § 1 Abs. 1 NRauSchG RP, § 1 NRauSchG SL, § 1 SächsNSG, § 1 NRauchSchG LSA, § 1 Abs. 1 NRauSchG Schl.-H., § 1 Abs. 1 ThürNRSchutzG). Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, wenn nicht im öffentlichen Raum, sondern auf einem privaten, nicht frei zugänglichen Grundstück geraucht wird.
26
(2) Den Verboten in den Nichtraucherschutzgesetzen kommt jedoch lediglich eine Indizwirkung dafür zu, dass mit dem Rauchen im Freien keine gesundheitlichen Gefahren für Dritte durch das Passivrauchen einhergehen. Diese kann im Einzelfall erschüttert sein. Auch wenn in Gesetzen, Verordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften für bestimmte Immissionen Grenz- oder Richtwerte festgelegt sind, bei deren Einhaltung nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, kommt eine davon abweichende Beurteilung bei einer besonderen Gefahrenlage im Einzelfall stets in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 264; Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Das gilt erst recht, wenn sich das für die Ungefährlichkeit des Rauchens im Freien sprechende Indiz - wie hier - allein aus den auf das Rauchen in geschlossenen Räumen beschränkten und nur für öffentlich zugängliche Grundstücke geltenden Verbotsgesetzen entnehmen lässt.
27
Dem nicht rauchenden Mieter kann deshalb gegenüber dem rauchenden Mieter ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens auch dann zustehen, wenn im Freien geraucht wird. Er muss dazu allerdings das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende gegenteilige Indiz erschüttern. Das setzt voraus, dass sich auf Grund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergibt, die auf den Balkon oder in die Wohnung des nicht rauchenden Mieters gelangen. Verhält es sich so, kommen die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs - und Beweislast zur Anwendung; es muss dann der rauchende Mieter beweisen, dass die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung bedeuten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318 f.).
28
Die Kläger haben Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, die Annahme, Passivrauchen im Freien sei ungefährlich, für den konkreten Fall zu erschüttern. Sie haben unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Feinstaubmessungen vorgetragen, dass immer dann, wenn die Beklagten rauchen, in einem für die Gesundheit gefährlichen Umfang toxische Feinstaubpartikel auf ihren Balkon und in ihre Wohnung gelangen. Diesem Vortrag wird das Berufungsgericht nachgehen müssen, wenn der Unterlassungsanspruch nicht schon wegen der Geruchsbelästigung begründet ist.
29
cc) Sollte sich dieses Vorbringen als richtig erweisen, erfordert das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wiederum eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten (siehe oben 1.d) cc) (2)).

III.

30
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nach den bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31
1. Das Berufungsgericht wird zunächst festzustellen haben, ob der von dem Balkon der Beklagten aufsteigende Rauch nach dem Empfinden eines durchschnittlichen, verständigen Nutzers auf dem Balkon der Kläger oder - sofern er bei offenem Fenster bzw. offener Balkontür in die Wohnung zieht - in deren Wohnung als störend wahrzunehmen ist. Das macht es - wie bei der Beurteilung der von Lärmbelästigungen ausgehenden Störungen - in der Regel erforderlich, dass der Tatrichter sich selbst in einem Ortstermin einen persönlichen Eindruck von dem Maß der Beeinträchtigung verschafft (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 89/91, NJW 1992, 2019; Urteil vom 5. Februar1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255).
32
2. Sollte eine wesentliche Beeinträchtigung zu verneinen sein, weil der Rauch nicht oder kaum wahrnehmbar ist, wäre der unter Beweis gestellten Behauptung der Kläger nachzugehen, dass mit dem Tabakrauch Feinstaubpartikel auf ihren Balkon bzw. in ihre Wohnung gelangen, hinsichtlich derer der fundierte Verdacht besteht, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen; Maßstab ist auch insoweit der durchschnittliche Nutzer. Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Rathenow, Entscheidung vom 06.09.2013 - 4 C 300/13 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.03.2014 - 1 S 31/13 -

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.