StPO: Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung

published on 09/06/2016 13:42
StPO: Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung
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Wenn die Aussage des möglichen Tatopfers das einzige Beweismittel ist und sich der Angeklagte nicht zur Sache einlässt.
Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 05.04.2016 (Az.: 4 RVs 30/16) folgendes entschieden:

Zu Umständen, die Anlass geben, das Vorliegen eines minder schweren Falles zu erörtern.


Gründe

Das Amtsgericht hat den - nicht vorbestraften, inzwischen 62-jährigen- Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Zu den Taten hat es folgende Feststellungen getroffen:

„Es kam in den Jahren 1995 bis 2001 immer wieder zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf seine Stieftochter, der Zeugin M geb. T. Dazu steht folgendes mit Sicherheit fest:

a) Der Angeklagte hat in dem elterlichen Schlafzimmer in der Wohnung in H seine am... 1987 geborene Stieftochter, die Zeugin M, während ihrer Grundschulzeit im 2. Schuljahr im Zeitraum zwischen Sommer 1995 und Sommer 1996 zumindest in einem Fall zunächst am Rücken und anschließend an den Brüsten gestreichelt. Im weiteren Verlauf fuhr er mit der Hand weiter über den Bauch und begann schließlich ihre äußere Vagina zu streicheln.

b) Im Jahre 1999 bei mindestens einer weiteren Gelegenheit, als die Mutter der Zeugin arbeiten war und die Zeugin im elterlichen Schlafzimmer auf der U-Straße a in H im Bett lag und Fernsehen schaute, streichelte er ihr den Rücken. Dann forderte er sie auf, ihr T-Shirt auszuziehen und zog ihr die Hose und Unterhose aus. Anschließend küsste er ihr sowohl den Rücken als auch den Po. Sodann befriedigte der Angeschuldigte die Zeugin M zunächst mit seinen Fingern und küsste danach ihre Vagina und leckte daran und befriedigte sie anschließend oral.“

Gegen das Urteil hat der Angeklagte zunächst Berufung eingelegt und dann nach Zustellung des Urteils, vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist, erklärt, dass er zur Revision übergehe. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Recht. Er meint, die Taten seien vom Amtsgericht nicht hinreichend konkretisiert worden. Die Beweiswürdigung sei an einer Reihe von Stellen, welche näher dargelegt werden, widersprüchlich. Ein schwerer sexueller Missbrauch sei bei der Tat zu b) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Amtsgericht habe verabsäumt, jeweils einen minder schweren Fall zu prüfen. Der Angeklagte rügt weiter eine Reihe von Fehlern im Rahmen der Strafzumessung, u. a. auch, dass nicht strafmildernd berücksichtigt worden sei, dass die Taten sehr lange zurückliegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil bzgl. der Tat zu a) im Rechtsfolgenausspruch und hinsichtlich der Tat zu b) insgesamt aufzuheben, die Sache insoweit an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Warendorf zurückzuverweisen und die weitergehende Revision zu verwerfen. Sie meint, dass das Amtsgericht bei der Tat zu a) zu Unrecht den bestimmenden Strafzumessungsgrund des großen zeitlichen Abstands zwischen Tat und Aburteilung nicht erörtert habe und dass bei der Tat zu b) die Feststellungen den Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs nicht trügen, da ein Eindringen in den Körper nicht festgestellt sei.

Die Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

Die Revision ist zulässig. Insbesondere durfte der Angeklagte sein ursprünglich als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel noch in laufender Revisionsbegründungsfrist durch entsprechenden an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz auf das Rechtsmittel der Revision umstellen.

Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil weist durchgreifende Rechtsfehler zulasten des Angeklagten auf.

Schon die Beweiswürdigung des Amtsgericht hält - auch eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs - rechtlicher Überprüfung nicht stand. In einem Fall, in dem ein Angeklagter sich - wie hier - nicht einlässt, nur die Aussage des einzigen Belastungszeugen zur Verfügung steht und die Entscheidung allein davon abhängt, ob diesem einen Zeugen zu folgen ist, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.

Die Beweiswürdigung enthält keinerlei Angaben zur Aussageentstehung und Aussageentwicklung. Derartiger Erörterungen bedarf es aber in Fällen, in denen die Aussage des womöglichen Tatopfers das einzige Beweismittel ist. Denn die Aussageentstehung ist ein wesentliches Indiz im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung von belastenden Aussagen. Dies wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst insbesondere für Fälle kindlicher Zeugen gefordert , ist aber auch für ältere Zeugen anerkannt. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Zeugin offenbar erst sehr viele Jahre nach den Taten überhaupt Anzeige erstattet, hätte es einer näheren Analyse der Aussagenentstehung bedurft, insbesondere auch einer Erörterung der Motivation der Zeugin zu diesem Zeitpunkt Strafanzeige zu erstatten. Immerhin hatte das Amtsgericht offenbar Anlass, die Möglichkeit eines „Racheaktes“ wegen Einstellung der weiteren finanziellen Unterstützung der Zeugin durch den Angeklagten zu erwägen, hat diesen aber - ohne nähere Erörterung der Aussagenentstehung - allein deswegen abgelehnt, weil die Zeugin sich in einer Reihe von Punkten durchaus positiv über den Angeklagten geäußert habe, sich selbst eine Mitschuld an den Taten gegeben habe und ein Racheakt deswegen „anders aussehe“. Der neue Tatrichter wird insoweit auch zu erwägen haben, ob er die frühere Mitschülerin der Zeugin, welcher diese von der ersten Tat seinerzeit berichtet haben will, ebenfalls als Zeugin vernimmt.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass eine „Befriedigung“ der Zeugin M mit den Fingern bzw. oral im Rahmen der Tat zu b) der Beweiswürdigung nicht entnommen werden kann. Dort ist bzgl. dieser Tat im Jahre 1999 als Angabe der Zeugin lediglich geschildert, dass der Angeklagte ihre Vagina gestreichelt und geleckt habe. Im Hinblick auf die womöglich strafzumessungsrelevante Intensität der sexuellen Handlungen kann diese Divergenz durchaus von Bedeutung sein.

Zutreffend weisen die Revision und die Generalstaatsanwaltschaft ferner darauf hin, dass die Feststellungen bzgl. der Tat zu b) jedenfalls einen schwere sexuellen Missbrauch nach § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. d. F. vom 26.01.1998 nicht ergeben, sondern allenfalls einen sexuellen Missbrauch nach § 176 Abs. 1 StGB. Ein Eindringen in den Körper ergeben die Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Der Senat hält die Taten, so wie sie vom Amtsgericht festgestellt wurden, im Grundsatz für ausreichend konkretisiert. Hinsichtlich der Tat zu a) wäre es aber erforderlich, festzustellen, ob das Streicheln der Vagina über oder unter der Kleidung stattgefunden hat. Ob man ein Streicheln unter der Kleidung schon der Formulierung „äußere Vagina“ entnehmen kann, muss der Senat nicht entscheiden. Auch zur zeitlichen Dauer der jeweiligen Taten sollten nach Möglichkeit Feststellungen getroffen werden.

Es bedarf - jedenfalls wenn das neue Tatgericht zu vergleichbaren Feststellungen kommt wie das frühere Tatgericht - einer näheren Erörterung des Vorliegens eines minder schweren Falles i. S. v. § 176 Abs. 1 2. Halbsatz StGB i. d. F. vom 10.03.1987 bzw. i. S. v. § 176a Abs. 3 StGB i. d. F. v. 26.01.1998 auch ohne eines ausdrücklich in der Hauptverhandlung gestellten Antrages i. S. v. § 267 Abs. 3 S. 2 StPO. Der Ausnahmestrafrahmen eines minder schweren Falles bedarf zwar keiner ausdrücklichen Erwähnung, wenn seine Nichtanwendung nach Maßgabe aller Umstände auf der Hand liegt. Andererseits bedarf es aus materiellrechtlichen Gründen der Erörterung des Vorliegens eines minder schweren Falles, wenn die gesamten strafzumessungsrelevanten Umstände die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens nahelegen. Dies ist hier - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen - der Fall. Danach liegen erhebliche strafmildernde Umstände vor:

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

Die Taten liegen sehr lange zurück. Eine lange Zeitspanne zwischen Tat und Verurteilung ist in der Regel ein bestimmender Strafzumessungsgerichtspunkt, ohne, dass es auf die Dauer des Strafverfahrens ankommt. Eine Erörterung dieses Umstands ist bei einem zeitlichen Abstand zwischen Taten und Verurteilung von hier inzwischen rund 20 bzw. 17 Jahren unerlässlich. Dabei ist insbesondere zu sehen, dass die Strafe die bisherigen Feststellungen zugrunde gelegt - keinerlei spezialpräventive Wirkungen entfaltet, da der Angeklagte auch ohne Bestrafung weder vorher noch nachher wieder straffällig geworden ist. Da das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens bereits aus dem Jahre 2012 stammt, drängt sich im vorliegenden Fall zudem die Erörterung einer langen Verfahrensdauer auf.

Demgegenüber liegen kaum straferschwerende Umstände vor:

Sollte die Zeugin tatsächlich noch „schwerwiegend unter den Folgen der Taten“ leiden, so bedarf es auch hierzu näherer Feststellungen. Im angefochtenen Urteil ist lediglich festgestellt, dass ihr seinerzeit „das Ganze auch gefallen habe“; zu spätere Beeinträchtigungen aufgrund der Taten ist gar nichts festgestellt.

Will das neue Tatgericht auch „immer wieder“ vorgekommene „sexuelle Übergriffe“ zwischen den beiden Taten strafschärfend berücksichtigen, bedarf es hierzu näherer Feststellungen.

Es erscheint auch zweifelhaft, ob das „schleichende“ Überschreiten der Grenzen zum sexuellen Missbrauch ein strafschärfender Gesichtspunkt ist. Es erschließt sich - jedenfalls ohne nähere Begründung - nicht, warum das schleichende Überschreiten schlimmer sein soll, als ein plötzlicher Übergriff.

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2.
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3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

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1.
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ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.