Mietrecht: Schimmelbeseitigungsmaßnahmen dulden keinen Aufschub
Das Amtsgericht Bremen hat in seinem Urteil vom 29.12.2016 (9 C 447/13) folgendes entschieden:
Tenor:
Der Gläubiger wird auf seinen Antrag ermächtigt, die durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 18.06.2015, Geschäftsnummer: 9 C 447/13 der Schuldnerin auferlegte Verpflichtung, nämlich: Fachgerechte Schimmelbeseitigung in der Wohnung K. Damm …, 1. Etage rechts, auf Kosten der Schuldnerin vornehmen zu lassen.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Nach Terminierung und Beweisaufnahme ist im Beschlusswege über das Vollstreckungsgesuch des Gläubigers antragsgemäß zu entscheiden gewesen:
Bei der im o.a. Urteil genannten Maßnahme, zu der die Schuldnerin rechtskräftig verurteilt wurde, handelt es sich um eine vertretbare Handlung, die auch von einem Dritten, insbesondere einem Handwerksbetrieb, vorgenommen werden kann. Die Vollstreckung aus dem Urteil hat daher gem. § 887 Abs. 1 ZPO zu erfolgen. Trotz der erforderlichen Mitwirkungshandlung des Gläubigers wird eine vertretbare Handlung geschuldet. § 888 ZPO wäre aus rechtlichen Gründen nur einschlägig, wenn die Mangelbeseitigung die Zutrittsduldung eines Dritten voraussetzen würde oder zwingend Gemeinschaftseigentum Dritter betroffen wäre. Die Parteien trugen jedoch nicht vor, dass hinsichtlich etwaiger Außenarbeiten im Rahmen der Mangelbeseitigung ein WEG-Beschluss einzuholen wäre. Zudem steht die Art und Weise der Mangelbeseitigung grundsätzlich im Ermessen der Schuldnerin. Primär geschuldet ist lediglich die fachgerechte und dauerhafte Beseitigung des in der Mietwohnung des Gläubigers befindlichen Schimmels.
Der nach Hinweis in zulässiger Weise hilfsweise gestellte Antrag auf Genehmigung der Ersatzvornahme ist zulässig und begründet.
Die Schuldnerin hat die aus dem ihr zugestellten Titel ersichtlichen Maßnahme trotz Aufforderung durch den Gläubiger nicht erfüllt, so dass eine Ersatzvornahme erforderlich ist.
Dass die Sanierung der Mietwohnung des Gläubigers/Klägers bislang unterblieb ist unstreitig. Die insofern darlegungs- und beweispflichtige Schuldnerin/Beklagte bleibt beweisfällig, dass die Erfüllung des titulierten Anspruchs aus Gründen scheiterte, die dem Gläubiger zuzurechnen wären. Ob der Schuldner die Inanspruchnahme angemessenen Ersatzwohnraums für die Dauer der Bauarbeiten grundlos verweigerte und mangels Mitwirkung bzw. zeitweisen Auszugs die Umsetzung der Sanierungspflicht vereitelte, kann dahinstehen.
Denn die Schuldnerin hätte sich zur Abstimmung diesbezüglicher organisatorischer Fragen ausschließlich an den Gläubigervertreter wenden müssen. § 172 Abs. 1 ZPO gilt auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren; nichts anderes kann nach der Wertung des § 195 ZPO insofern für die zwecks Abwendung der Zwangsvollstreckung geführte außergerichtliche Korrespondenz nach Beendigung des Streitverfahrens vor Einleitung des anschließenden Vollstreckungsverfahrens gelten. Schließlich ist ein privater Gläubiger oftmals überfordert, Angebote seines Schuldners zu prüfen; bei anwaltlicher Vertretung darf er vielmehr erwarten, dass der Schuldner zur Abwendung des drohenden Vollstreckungsverfahrens Kontakt zu seinem Rechtsanwalt aufnimmt und die Kommunikation stets über die beteiligten Rechtsanwälte erfolgt.
Mit Schreiben vom 07.07.2015 und 09.10.2015 wandte sich der Gläubigervertreter an den Schuldnervertreter und mit Schreiben vom 26.11.2015 unmittelbar an die Schuldnerin. Aus dem Schreiben der Schuldnerin vom 07.10.2015 ergibt sich, dass diese - unter Umgehung des Rechtsanwalts des Gläubigers - direkt mit dem Gläubiger kommunizierte; entsprechend trug die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 29.12.2015 zu telefonischen und postalischen Kontaktversuchen der Schuldnerin gegenüber „dem Kläger“ - nicht dem Klägervertreter - vor. Dass dem gemäß § 85 ZPO auch für das Vollstreckungsverfahren mandatierten Rechtsanwalt W. für den Gläubiger rechtzeitig vor dem avisierten Renovierungstermin von dem Gläubigervertreter oder der Gläubigerin adäquater Ersatzwohnraum inklusive Möbeleinlagerung angeboten worden wäre, ist von der Schuldnerin nicht vorgetragen worden; ein entsprechendes Schreiben wurde nicht zur Akte gereicht. Auch der Zeuge S… sagte aus, dass er versuchte habe, unmittelbaren Kontakt zum Gläubiger herzustellen und sodann - in Abwesenheit von Rechtsanwalt W. - direkt mit dem Gläubiger gesprochen habe; der Gläubiger habe erklärt: „Wenn was ist, soll man sich an den Rechtsanwalt wenden“.
Dass im laufenden Vollstreckungsverfahren mit Schriftsatz des Schuldnervertreters vom 29.12.2015 die Ersatzwohnung F. gegenüber dem Gläubigervertreter angeboten wurde, ist unerheblich. Denn der Gläubigervertreter trug mit Schriftsatz vom 12.08.2016 vor, dass der Kläger bereits im Januar 2016 auf Nachfrage die Mitteilung erhalten habe, dass diese Wohnung nicht mehr frei sei. Wie lange die Ersatzwohnung nach Zustellung des Schriftsatzes vom 29.12.2015 noch frei gewesen ist bzw. dass der Gläubiger den Umzug in die weiterhin angebotene Ersatzwohnung verweigert habe, ist nicht ersichtlich; die Schuldnerin bleibt diesbezüglich zumindest beweisfällig. Denn der Zeuge S. sagte lediglich aus, dass die Ersatzwohnung F. dem Gläubiger im Telefonat vom 16.12.2015 angeboten worden sei. Der Gläubiger habe dann das Gespräch unter Verweis auf die Kontaktaufnahmemöglichkeit zu seinem Rechtswalt abrupt beendet. Dass die Ersatzwohnung auch noch ab Januar 2016 angeboten worden sei oder frei gestanden hätte, bestätigte der Zeuge nicht. Er sagte lediglich aus, dass vor dem 16.12.2015 vergeblich versucht worden sei, andere Ersatzwohnungen dem Gläubiger direkt anzubieten. Warum kein Kontakt zum Klägervertreter aufgenommen worden sei, vermochte der Zeuge nicht zu sagen; das Schreiben vom 26.11.2015 sei ihm nicht bekannt gewesen.
Im Übrigen war der Gläubiger nicht verpflichtet zuzuwarten, bis ihm von der Schuldnerin geeigneter Ersatzwohnraum aus dem Besitz der Gläubigerin zur Verfügung gestellt werden konnte. Der Gläubiger durfte vielmehr die unverzügliche Umsetzung des Urteils vom 18.06.2015 erwarten. Sollte dafür der zeitweise Auszug des Gläubigers aus seiner Mietwohnung erforderlich gewesen sein, so hätte die Schuldnerin dem Gläubigervertreter zeitnah und verbindlich/schriftlich vergleichbaren Ersatzwohnraum inkl. Einlagerung oder Sicherung des Mobiliars des Gläubigers anbieten müssen. In B. können bei Drittanbietern im Bahnhofsbereich möblierte Zimmer oder Wohnungen auch kurzfristig angemietet werden; notfalls ist dem Gläubiger für die Dauer der Bauarbeiten ein Hotel- oder Pensionsaufenthalt zu bezahlen.
Ein Kostenvorschuss im Sinne des § 887 II ZPO wurde nicht beantragt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass ein diesbezüglicher Antrag ausdrücklich gestellt werden muss. Die vorliegende Antragsstellung nach § 887 I ZPO ist für sich genommen nicht ausreichend, zumal zur Höhe des erforderlichen Vorschusses nicht vorgetragen wurde.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus §§ 891 S. 3, 91 ZPO.
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(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.
(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.
(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.
(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.
(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes vom Amts wegen zugestellt werden, können stattdessen von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Die Zustellung ist dem Gericht, sofern dies für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist, nachzuweisen. Für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelten § 173 Absatz 1 und § 175 Absatz 2 Satz 1 entsprechend.
(2) Zum Nachweis der Zustellung eines Schriftstücks genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis desjenigen Anwalts, dem zugestellt worden ist. § 175 Absatz 4 gilt entsprechend. Die Zustellung eines elektronischen Dokuments ist durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes nachzuweisen. Der Anwalt, der zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.