Geschäftsraummiete: Änderung der Mieterstruktur berechtigt nicht zur Vertragsanpassung
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Das musste ein Mieter vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfahren, der Räume im Erdgeschoss eines 6-geschossigen, im Bau befindlichen Gebäudes gemietet hatte. Dort wollte er ein Café betreiben. Nachdem die vom Vermieter geplante Büro-Vermarktung der ersten vier Obergeschosse scheiterte, wurden diese als Wohnraum umgebaut. Der Mieter hatte sich wegen der vorgesehenen Büronutzung einen regen Zulauf zu seinem Café versprochen. Das war nach der Umwandlung dieser Geschossebenen in Wohnraum nicht mehr realisierbar. Daher konnte er die geplanten Umsätze nicht erzielen und geriet in Mietrückstand. Nach einiger Zeit erklärte der Vermieter daher die ordentliche Kündigung des Mietvertrags. Der Mieter ist demgegenüber der Ansicht, dass der Vertrag angepasst werden müsse.
Der BGH erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Einen Anspruch auf Vertragsanpassung lehnten die Richter ab. Der Vermieter habe die Büronutzung der über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke weder zugesichert, noch seien die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage sei grundsätzlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände gehe, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Bei der gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich nicht um ein vom Vermieter übernommenes Risiko.
Hinweis: Bei der Gewerberaummiete trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts (BGH, XII ZR 108/08).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
BGH: Urteil vom 17.03.2010 - XII ZR 108/08
Zur Anwendbarkeit der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Änderung der vorgesehenen Mieterstruktur.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Juni 2008 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 12. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe von Gewerbemieträumen.
Mit Vertrag vom 20. Februar 2005 vermietete die Klägerin an die Beklagte Räume im Erdgeschoss eines sechsgeschossigen im Bau befindlichen Gebäudes zum Betrieb eines Cafés für zehn Jahre mit einmaliger Verlängerungsoption zu Gunsten der Beklagten. Nachdem sich die von der Klägerin geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum nicht realisieren ließ, veranlasste sie im Sommer 2005 den Ausbau dieser Geschosse als Wohnraum.
Ab September 2006 geriet die Beklagte mit der Zahlung der monatlich in Höhe von 3.114,30 € geschuldeten Miete in Rückstand. Sie zahlte im September 2006 nur einen Teilbetrag von 1.000 € und in den Monaten Oktober bis November 2006 keine Miete. Am 12. November 2006 schlossen die Parteien unter Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation der Beklagten eine Vereinbarung, mit der der Mietzins rückwirkend ab September 2006 für sechs Monate bis zum 28. Februar 2007 um monatlich 1.000 € inklusive Mehrwertsteuer reduziert wurde. Weiter stundete die Klägerin den von der Beklagten anerkannten Mietzinsrückstand von 4.269,21 € zinslos bis Ende Februar 2007. Bei Verzug der Beklagten mit der reduzierten Miete sollte dieser Rückstand innerhalb von fünf Werktagen zur vollen Zahlung fällig sein. Im Gegenzug ließ sich die Klägerin ein bis zum 28. Februar 2007 bestehendes ordentliches Kündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumen. Gestützt auf dieses Kündigungsrecht erklärte sie mit Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2007 die ordentliche Kündigung des Mietvertrages.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 kündigte die Klägerin den Mietvertrag fristlos wegen Zahlungsverzugs.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts.
Die ordentliche Kündigung vom 29. Januar 2007 sei unwirksam, weil das am 12. November 2006 vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht und dessen Ausübung in hohem Maße treuwidrig (§ 242 BGB), wenn nicht gar sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) seien.
Geschäftsgrundlage des Mietvertrages sei die gewerbliche Nutzung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum gewesen. Das ergebe sich daraus, dass eine solche Nutzung ursprünglich von der Klägerin geplant und in der Flächenzusammenstellung des Bauwerks, die gemäß § 15 Nr. 2 des Mietvertrages als Anlage 3 dessen wesentlicher Bestandteil geworden sei, auch so ausgewiesen gewesen sei. Für die Klägerin habe sich aus den Umständen des Vertragsschlusses klar ergeben, dass die Beklagte besonderen Wert auf die Lage des Cafés in einem Wohn- und Geschäftshaus gelegt habe. Dieser Umstand bewirke zwar keine Einstandspflicht der Klägerin nach Gewährleistungsrecht gemäß §§ 537 ff. BGB, auch liege kein Fehler der Mietsache vor. Zur Anwendung kämen aber die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Zwar trage im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache, zu dem vor allem die Chance gehöre, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen. Diese Risikoverteilung gelte auch dann, wenn die Lage des Mietobjekts in einem bestimmten Umfeld maßgeblicher Grund für die übereinstimmende Erwartung des Mieters und des Vermieters gewesen sei, von dem Umfeld werde eine geschäftsbelebende Wirkung ausgehen. Unter diese Rechtsprechung lasse sich der vorliegende Fall allerdings nicht subsumieren. Hier falle es in den Risikobereich der Klägerin, die geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Gewerbeeinheiten zu realisieren. Dadurch, dass ihr dies nicht gelungen sei, sei eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Die Beklagte habe deshalb eine Anpassung des Mietvertrages verlangen können. Dies sei der juristisch nicht versierten und anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht bewusst gewesen, wohl aber der Klägerin, die als eine am Markt langjährig tätige Bauunternehmerin von dem Interessenkonflikt zwischen künftigen Wohnungseigentümern und Gaststättenbetreibern gewusst habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts bereits den Vorsatz gehabt habe, es auszuüben. Dieses Verhalten widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, insbesondere der Verpflichtung der Klägerin zu eigener Leistungstreue, weshalb ihr die Berufung auf das eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht zu versagen sei.
Vor dem Hintergrund der bewussten Ausnutzung der wirtschaftlichen Situation der Beklagten und ihrer juristischen Unkenntnis sei die Einräumung und Ausübung des Kündigungsrechts darüberhinaus sittenwidrig, § 138 Abs. 1 BGB.
Auch die außerordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 seien unwirksam. Die Klägerin habe schon nicht dargetan, für welche Zeiträume die Beklagte Zahlungen in welcher Höhe schulde. Sie könne aber auch deshalb nach Treu und Glauben nicht frist- los kündigen, weil sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten habe, indem sie die von ihr geschuldete Mitwirkung an der Vertragsanpassung abgelehnt habe.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, gemäß § 546 BGB einen Anspruch auf Herausgabe und Räumung des Mietobjekts und Herausgabe der Schlüssel. Denn die Klägerin hat den Mietvertrag wirksam mit Schreiben vom 29. Januar 2007 gestützt auf das im Nachtrag vom 12. November 2006 vereinbarte Sonderkündigungsrecht ordentlich gekündigt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstoßen die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und dessen Ausübung weder gegen § 242 BGB noch gegen § 138 Abs. 1 BGB.
Das Berufungsgericht ist bei der Bewertung des Verhaltens der Klägerin als treu- bzw. sittenwidrig zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Anpassung des Mietvertrages verpflichtet gewesen sei. Eine solche Verpflichtung der Klägerin bestand nicht.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin der Beklagten nicht zugesichert, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroraum genutzt werden würden; es handelte sich insoweit lediglich um eine gemeinsame Vorstellung der Parteien im Sinne einer Geschäftsgrundlage. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen. [16] Zu Unrecht meint das Berufungsgericht allerdings, bei der gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich um ein von der Klägerin übernommenes Risiko.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats trägt bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss im vorliegenden Fall die Klägerin lediglich ihr eigenes Risiko für die Vermietbarkeit und beabsichtigte Vermarktung der anderen Mieteinheiten tragen. Nicht aber trägt sie ein eigenes unternehmerisches Risiko für die hierauf gestützte Gewinnerwartung der Beklagten. Zwar können die Parteien die Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, dass der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt. Für eine solche Vereinbarung liegen hier keine Anhaltspunkte vor. Weder aus einer unterstellten Zusage der Klägerin, noch aus der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroeinheiten genutzt werden, noch aus der Bezeichnung der Einheiten als "Büro" in der Gesamtflächenzusammenstellung, die dem Mietvertrag als Anlage beigefügt war, lässt sich herleiten, dass die Klägerin ein eigenes unternehmerisches Risiko für die auf die Vermietung der ersten vier Stockwerke als Büroeinheiten gestützte Gewinnerwartung der Beklagten übernehmen wollte.
Auch die weiteren von dem Berufungsgericht angeführten Umstände vermögen ein treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin nicht zu begründen. Weder die besonderen Interessen der Klägerin an einer vorzeitigen Beendigung des befristet abgeschlossenen Mietvertrages noch die angenommene geschäftliche Unerfahrenheit der beklagten GmbH führen dazu, dass die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und dessen Ausübung treu- oder sittenwidrig sind. Denn die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB berechtigt, weil die Beklagte sich mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befand. Die Beklagte hatte sich bis dahin auch weder auf eine Minderung noch auf etwaige Gegenansprüche berufen. Durch die Vereinbarung eines nur ordentlichen Kündigungsrechts mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten war die Beklagte sogar besser gestellt. Schon deshalb kann in dieser Vereinbarung kein treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin gesehen werden, auch dann nicht, wenn die Beklagte geschäftlich unerfahren war.
Da die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 29. Januar 2007 wirksam war, kommt es für den Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht darauf an, ob die außerordentlichen Kündigungen vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 zu Recht erfolgt sind.
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Klägerin verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe von Gewerbemieträumen.
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- Mit Vertrag vom 20. Februar 2005 vermietete die Klägerin an die Beklagte Räume im Erdgeschoss eines sechsgeschossigen im Bau befindlichen Gebäudes zum Betrieb eines Cafés für zehn Jahre mit einmaliger Verlängerungsoption zu Gunsten der Beklagten. Nachdem sich die von der Klägerin geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum nicht realisieren ließ, veranlasste sie im Sommer 2005 den Ausbau dieser Geschosse als Wohnraum.
- 3
- Ab September 2006 geriet die Beklagte mit der Zahlung der monatlich in Höhe von 3.114,30 € geschuldeten Miete in Rückstand. Sie zahlte im September 2006 nur einen Teilbetrag von 1.000 € und in den Monaten Oktober bis November 2006 keine Miete. Am 12. November 2006 schlossen die Parteien unter Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation der Beklagten eine Vereinbarung , mit der der Mietzins rückwirkend ab September 2006 für sechs Monate bis zum 28. Februar 2007 um monatlich 1.000 € inklusive Mehrwertsteuer reduziert wurde. Weiter stundete die Klägerin den von der Beklagten anerkannten Mietzinsrückstand von 4.269,21 € zinslos bis Ende Februar 2007. Bei Verzug der Beklagten mit der reduzierten Miete sollte dieser Rückstand innerhalb von fünf Werktagen zur vollen Zahlung fällig sein. Im Gegenzug ließ sich die Klägerin ein bis zum 28. Februar 2007 bestehendes ordentliches Kündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumen. Gestützt auf dieses Kündigungsrecht erklärte sie mit Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2007 die ordentliche Kündigung des Mietvertrages.
- 4
- Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 kündigte die Klägerin den Mietvertrag fristlos wegen Zahlungsverzugs.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
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- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts.
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- Die ordentliche Kündigung vom 29. Januar 2007 sei unwirksam, weil das am 12. November 2006 vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht und dessen Ausübung in hohem Maße treuwidrig (§ 242 BGB), wenn nicht gar sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) seien.
- 9
- Geschäftsgrundlage des Mietvertrages sei die gewerbliche Nutzung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum gewesen. Das ergebe sich daraus, dass eine solche Nutzung ursprünglich von der Klägerin geplant und in der Flächenzusammenstellung des Bauwerks, die gemäß § 15 Nr. 2 des Mietvertrages als Anlage 3 dessen wesentlicher Bestandteil geworden sei, auch so ausgewiesen gewesen sei. Für die Klägerin habe sich aus den Umständen des Vertragsschlusses klar ergeben, dass die Beklagte besonderen Wert auf die Lage des Cafés in einem Wohn- und Geschäftshaus gelegt habe. Dieser Umstand bewirke zwar keine Einstandspflicht der Klägerin nach Gewährleistungsrecht gemäß §§ 537 ff. BGB, auch liege kein Fehler der Mietsache vor. Zur Anwendung kämen aber die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Zwar trage im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache, zu dem vor allem die Chance gehöre , mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen. Diese Risikoverteilung gelte auch dann, wenn die Lage des Mietobjekts in einem bestimmten Umfeld maßgeblicher Grund für die übereinstimmende Erwartung des Mieters und des Vermieters gewesen sei, von dem Umfeld werde eine geschäftsbelebende Wirkung ausgehen. Unter diese Rechtsprechung lasse sich der vorliegende Fall allerdings nicht subsumieren. Hier falle es in den Risikobereich der Klägerin, die geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Gewerbeeinheiten zu realisieren. Dadurch, dass ihr dies nicht gelungen sei, sei eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Die Beklagte habe deshalb eine Anpassung des Mietvertrages verlangen können. Dies sei der juristisch nicht versierten und anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht bewusst gewesen, wohl aber der Klägerin, die als eine am Markt langjährig tätige Bauunternehmerin von dem Interessenkonflikt zwischen künftigen Wohnungseigentümern und Gaststättenbetreibern gewusst habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts bereits den Vorsatz gehabt habe, es auszuüben. Dieses Verhalten widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, insbesondere der Verpflichtung der Klägerin zu eigener Leistungstreue, weshalb ihr die Berufung auf das eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht zu versagen sei.
- 10
- Vor dem Hintergrund der bewussten Ausnutzung der wirtschaftlichen Situation der Beklagten und ihrer juristischen Unkenntnis sei die Einräumung und Ausübung des Kündigungsrechts darüberhinaus sittenwidrig, § 138 Abs. 1 BGB.
- 11
- Auch die außerordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 seien unwirksam. Die Klägerin habe schon nicht dargetan, für welche Zeiträume die Beklagte Zahlungen in welcher Höhe schulde. Sie könne aber auch deshalb nach Treu und Glauben nicht frist- los kündigen, weil sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten habe, indem sie die von ihr geschuldete Mitwirkung an der Vertragsanpassung abgelehnt habe.
II.
- 12
- Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, gemäß § 546 BGB einen Anspruch auf Herausgabe und Räumung des Mietobjekts und Herausgabe der Schlüssel. Denn die Klägerin hat den Mietvertrag wirksam mit Schreiben vom 29. Januar 2007 gestützt auf das im Nachtrag vom 12. November 2006 vereinbarte Sonderkündigungsrecht ordentlich gekündigt.
- 13
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstoßen die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und dessen Ausübung weder gegen § 242 BGB noch gegen § 138 Abs. 1 BGB.
- 14
- a) Das Berufungsgericht ist bei der Bewertung des Verhaltens der Klägerin als treu- bzw. sittenwidrig zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Anpassung des Mietvertrages verpflichtet gewesen sei. Eine solche Verpflichtung der Klägerin bestand nicht.
- 15
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin der Beklagten nicht zugesichert, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroraum genutzt werden würden; es handelte sich insoweit lediglich um eine gemeinsame Vorstellung der Parteien im Sinne einer Geschäftsgrundlage. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen.
- 16
- Zu Unrecht meint das Berufungsgericht allerdings, bei der gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich um ein von der Klägerin übernommenes Risiko.
- 17
- Nach ständiger Rechtsprechung des Senats trägt bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (Senatsurteile vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NZM 2000, 36, 40; vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1716; vom 19. Juli 2000 - XII ZR 176/98 - NJW-RR 2000, 1535, 1536; vom 26. Mai 2004 - XII ZR 149/02 - NJW-RR 2004, 1236 und vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 901). Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts.
- 18
- Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss im vorliegenden Fall die Klägerin lediglich ihr eigenes Risiko für die Vermietbarkeit und beabsichtigte Vermarktung der anderen Mieteinheiten tragen. Nicht aber trägt sie ein eigenes unternehmerisches Risiko für die hierauf gestützte Gewinnerwartung der Beklagten. Zwar können die Parteien die Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, dass der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt. Für eine solche Vereinbarung liegen hier keine Anhaltspunkte vor. Weder aus einer unterstellten Zusage der Klägerin, noch aus der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroeinheiten genutzt werden, noch aus der Bezeichnung der Einheiten als "Büro" in der Gesamtflächenzusammenstellung, die dem Mietvertrag als Anlage beigefügt war, lässt sich herleiten, dass die Klägerin ein eigenes unternehmerisches Risiko für die auf die Vermietung der ersten vier Stockwerke als Büroeinheiten gestützte Gewinnerwartung der Beklagten übernehmen wollte.
- 19
- b) Auch die weiteren von dem Berufungsgericht angeführten Umstände vermögen ein treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin nicht zu begründen. Weder die besonderen Interessen der Klägerin an einer vorzeitigen Beendigung des befristet abgeschlossenen Mietvertrages noch die angenommene geschäftliche Unerfahrenheit der beklagten GmbH führen dazu, dass die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts und dessen Ausübung treu- oder sittenwidrig sind. Denn die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB berechtigt, weil die Beklagte sich mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befand. Die Beklagte hatte sich bis dahin auch weder auf eine Minderung noch auf etwaige Gegenansprüche berufen. Durch die Vereinbarung eines nur ordentlichen Kündigungsrechts mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten war die Beklagte sogar besser gestellt. Schon deshalb kann in dieser Vereinbarung kein treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin gesehen werden, auch dann nicht, wenn die Beklagte geschäftlich unerfahren war.
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- 2. Da die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 29. Januar 2007 wirksam war, kommt es für den Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht darauf an, ob die außerordentlichen Kündigungen vom 23. Juli 2007 und vom 15. Februar 2008 zu Recht erfolgt sind. Hahne Wagenitz Vézina Dose Günter
LG München I, Entscheidung vom 12.11.2007 - 28 O 5163/07 -
OLG München, Entscheidung vom 17.06.2008 - 5 U 5669/07 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.