Bauordnungsrecht: Ungenehmigte Nutzung kann mit sofortiger Wirkung untersagt werden

published on 01/07/2011 15:32
Bauordnungsrecht: Ungenehmigte Nutzung kann mit sofortiger Wirkung untersagt werden
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Wird ein als Kälberstall g
Das musste sich ein Landwirt vor dem Verwaltungsgericht (VG) Münster sagen lassen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass anderenfalls ein Anreiz bestehe, nicht zugelassene Nutzungen bis zum Eintritt der Bestandskraft einer behördlichen Ordnungsverfügung aufzunehmen und auch fortzuführen. Wegen der sonst aufschiebenden Wirkung der Klage und einer in der Regel langen Prozessdauer könnte die illegale Nutzung so möglicherweise über Jahre betrieben werden. Das würde nicht nur die Ordnungsfunktion des Bauaufsichtsrechts entwerten. Es würde auch den gesetzestreuen Bürger, der sich an die Genehmigungsvorschriften halte, gegenüber dem rechtswidrig Handelnden ungerechtfertigt benachteiligen (VG Münster, 2 K 221/10).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

Das VG Münster hat mit dem Urteil vom 15.02.2011 (Az: 2 K 221/10) entschieden:

Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung des Beklagten für einen Teilbereich eines seiner Stallgebäude. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes Gemarkung P., Flur, Flurstücke und mit der postalischen Bezeichnung C. Straße ... in T., das mit mehreren, u. a. landwirtschaftlich genutzten, Gebäuden bebaut ist.

Mit Baugenehmigung vom 30. März 1946 wurde auf dem Betriebsgrundstück des Klägers ein Wohn- und ein Stallgebäude errichtet sowie mit Baugenehmigung vom 10. Oktober 1972 ein Kälberstall gebaut; mit Bauschein vom 23. September 1976 erteilte der Beklagte eine Baugenehmigung für den Anbau eines weiteren Stallgebäudes sowie mit Baugenehmigungen vom 9. November 1977 und vom 21. September 1981 die Genehmigung zur Erweiterung des hier streitgegenständlichen Stallgebäudes.

Wegen der Lage des Stallgebäudes auf dem Grundstück in seinen genehmigten und in den tatsächlich ausgeführten Ausmaßen wird auf die Karte Bl. 116 Gerichtsakte Bezug genommen.

Aufgrund der Baugenehmigung vom 15. September 1981 wurde ein Güllehochbehälter aufgestellt. Unter dem 4. Februar 2002 zeigte der Kläger seinen Mastbetrieb mit 1.380 Mastkälbern als genehmigungsbedürftige Anlage nach § 67 Abs. 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes dem Staatlichen Umweltamt an.

Bereits im Jahre 1999 stellte der Beklagte im Rahmen einer Ortsbesichtigung fest, dass in einem Großteil des mit Bauschein vom 9. November 1977 genehmigten Stallgebäudes eine Mastkälberhaltung nicht mehr erfolgte, sondern statt dessen dort ca. 700 Mastschweine gehalten wurden. Eine Genehmigung für diese Schweinehaltung wurde dem Kläger zu keinem Zeitpunkt erteilt. Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 28. Mai 2009 stellte der Beklagte fest, dass in diesem oben genannten Gebäude nunmehr wieder Mastkälber gehalten wurden. Auch diese neuerliche Änderung erfolgte ohne vorherige Genehmigung des Beklagten.

In den vergangenen Jahren haben - bislang erfolglos - zahlreiche Vergleichsgespräche zwischen dem Kläger und der Gemeinde T. sowie dem Beklagten stattgefunden, mit dem Ziel, den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers von seinem derzeitigen Standort zu verlegen.

Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass die am 9. November 1977 genehmigte Erweiterung des Stallgebäudes abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden ist, forderte der Beklagte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 18. Januar 2010 sowie dem Änderungsbescheid vom 3. März 2010 auf, die Nutzung eines - in einem beigefügten Lageplan besonders dargestellten Teilbereiches - des 1977 genehmigten Stallgebäudes zum Zwecke der Tierhaltung bis zum 30. Juni 2010 einzustellen. Ebenso wurde bezüglich dieser Forderung die sofortige Vollziehung angeordnet und für den Fall, dass der Kläger dieser Verfügung nicht innerhalb der angegebenen Frist nachkomme oder nicht ausreichend nachkomme, ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht. Mit seinem in dem Verfahren 10 B 1407/10 beim Oberverwaltungsgericht eingereichten Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 ergänzte der Beklagte seine zuvor gegebene Begründung der Nutzungsuntersagung.

Der Kläger hat am 3. Februar 2010 die vorliegende Klage erhoben. Sein vorläufiger Rechtsschutzantrag blieb in beiden Instanzen erfolglos. Insoweit wird auf die in diesen Verfahren ergangenen Beschlüsse Bezug genommen.

Er macht geltend:
Der Kälbermastskandal im Jahre 1988 habe nicht nur den Betrieb des Klägers, sondern viele weitere landwirtschaftliche Betriebe an den Rand der Existenz gedrängt, so dass viele Landwirte eine anderweitige Erwerbsmöglichkeit finden mussten und sich daher der Schweinemast zugewandt hätten. Auch der Kläger habe eine solche Schweinemast aber nur versuchsweise für einen Durchgang in dem streitgegenständlichen Stall betrieben. Selbst wenn der Kläger abweichend von der ihm erteilten Baugenehmigung zwei Reihen illegal errichtet habe, würden hierdurch allenfalls 100 Kälbermastplätze entfallen, so dass noch von einem genehmigten Bestand von 1.280 Kälbermastställen auszugehen sei.
Der Kläger könne der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung entgegenhalten, dass der Stall und die funktionsgemäße Nutzung bestandsgeschützt sei, da während eines nennenswerten Zeitraumes materielle Genehmigungsfähigkeit vorgelegen habe. Insoweit beruft er sich auf eine sachverständige Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. P1. vom 7. Februar 2011. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die Immissionssituation anlässlich der Prüfung der Bauvorlagen des Klägers vom Gewerbeaufsichtsamt begutachtet worden seien und diese positive Begutachtung auch für die tatsächlich abweichende Bauausführung herangezogen werden könne. Der Beklagte möge „näher darlegen ... aufgrund welcher Normen und welcher technischen Regelwerke hier eine fehlende Genehmigungsfähigkeit gegeben sein sollte ... und insoweit näher vortragen, wie die Immissionssituation seinerzeit in P. gewesen ist“.
Der Bestandsschutz sei auch nicht durch die Schweinehaltung untergegangen. Denn der hier betroffene Stall sei nur zeitweise und vorübergehend, wenn die Kapazitäten auf anderen Hofstellen erschöpft gewesen seien, für die Schweinehaltung genutzt worden. Auch der im Jahre 1980/81 erfolgte Anbau bewirke nicht den Untergang des Bestandsschutzes, da dieser Anbau als selbstständiges Gebäude zu qualifizieren sei.

Die Ermessensentscheidung des Beklagten in der angefochtenen Nutzungsuntersagungsverfügung sei fehlerhaft, da der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht beachtet worden sei. Der Beklagte gehe allein gegen den Kläger vor, obwohl in der unmittelbaren Nachbarschaft des Klägers auch andere Betriebe teilweise illegal seien. Die Ordnungsverfügung ziele offensichtlich darauf ab, die Verhandlungsposition der Gemeinde T. bei der Verlagerung des landwirtschaftlichen Betriebes zu verbessern. Im Hinblick darauf, dass der Kläger entgegen der ihm erteilten Genehmigung zwei weitere Reihen Kälbermastplätze errichtet habe, käme hier allenfalls die Untersagung dieser zwei zusätzlich gebauten Reihen in Betracht.
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens 2 L 60/11 betreffend eine zwischenzeitlich an den Kläger ergangenen Zwangsgeldfestsetzung legte der Kläger einen auf den 1. September 2009 datierten Mietvertrag zwischen ihm und seinem Sohn S. vor, wonach der Betrieb für die Dauer von zunächst 10 Jahren an S. I. vermietet worden sei.

Der Kläger beantragt,
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. März 2010 und in der Fassung der Modifizierung vom 20. Dezember 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er macht geltend: Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei gerechtfertigt, da das Stallgebäude formell illegal sei. Die ausgeübte Nutzung des Gebäudes zur Schweinehaltung sei entgegen der Angaben des Klägers nicht nur vorübergehend ausgeübt worden. Zur Begründung bezieht er sich auf einen Vermerk vom 14. Oktober 2009, in dem die Mastschweinehaltung in dem 1977 genehmigten Stallgebäude zwischen 1995 und 2002 für einen Zeitraum von mindestens 4 Jahren dargelegt worden sei.
Ferner weist er darauf hin, dass die Genehmigung vom 9. November 1977 einen Kälbermaststall in einer Länge von 36,615 m und einer Breite von 19,99 m mit sieben Stallabteilungen für die Kälberhaltung umfasst habe. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 9. November 2010 habe der Beklagte festgestellt, dass der Kläger den vorgenannten Stall seinerzeit abweichend von der aberteilten Baugenehmigung in einer Länge von 47,115 m und einer Breite von 17,74 m mit zwei weiteren Stallabteilungen ausgeführt habe. Auch die von der Baugenehmigung vom 9. November 1977 abweichende Bauausführung lasse für das Stallgebäude den Bestandsschutz entfallen. Hieran ändere auch nicht die von dem Beklagten unter dem 21. September 1981 erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung des am 9. November 1977 genehmigten Kälbermaststalles, da die insoweit für die Erweiterung vorgelegten Bauantragsunterlagen nicht das von der Genehmigung abweichend errichtete Stallgebäude dargestellt habe. Nach den eingereichten Unterlagen sollte die Erweiterung des Stallgebäudes an das im Jahre 1977 genehmigte Gebäude anschließen. Das im Jahre 1981 genehmigte Vorhaben zur Erweiterung des Stallgebäudes sei zwar tatsächlich im Anschluss an das vorhandene Stallgebäude angeschlossen worden, stelle jedoch ebenso ein aliud dar, da es nicht am genehmigten Standort, sondern um ca. 10,50 m in nordwestliche Richtung verschoben, errichtet worden ist. Die Baugenehmigungen von 1977 und 1981 seien aufgrund der abweichenden Bauausführung damit erloschen und ein Bestandsschutz nicht mehr gegeben. Darüber hinaus hätte er im Hinblick auf die Immissionsbelastung für die nahegelegenen Wohnhäuser keine nachträgliche Genehmigung für die tatsächlich aufgenommene Kälbermasthaltung erteilen können.
Im übrigen sei auch anzumerken, dass der ohne Genehmigung errichtete Stall auf einer Länge von 11,35 m nicht die nach § 6 BauO NRW erforderliche Abstandfläche zum Nachbargrundstück (Flurstück ) einhalte.
Den Vorwurf, unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegen den Kläger vorzugehen weise er zurück. Ihm seien bislang keine weiteren Fälle einer illegalen Tierhaltung in der Nachbarschaft angezeigt worden, werde aber, sofern ihm solche benannt würden, auch gegen diese Betriebe ordnungsrechtlich vorgehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie auf die von dem Kläger und dem Beklagten überreichten Vorgänge ergänzend verwiesen. Ferner wird auf die Verfahrensakte 2 L 546/10 mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Münster vom 15. Oktober 2010 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Dezember 2010 - 10 B 1407/10 - sowie den Beschluss vom 17. Januar 2011 - 10 B 31/11 - ergänzend verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist als Anfechtungsklage i. S. d. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung des Beklagten vom 18. Januar 2010 in des Fassung der Änderungsbescheides vom 3. März 2010 und der Modifizierung vom 20. Dezember 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Auf der Grundlage von § 61 Abs. 1 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden unter anderem bei der Errichtung und der Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Ordnungsverfügung gerecht. Denn der Beklagte hat das Verbot der Nutzung eines - im beigefügten Lageplan näher dargestellten - Teilbereiches eines Stallgebäudes zum Zwecke der Tierhaltung auf dem Grundstück Gemarkung P., Flur, Flurstücke und mit der postalischen Bezeichnung C. Str. ... in T. zu Recht selbstständig tragend auf die formelle Illegalität dieser Nutzung gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Nutzungsuntersagung in aller Regel - und so auch hier - ermessensfehlerfrei auf die formelle Illegalität der Nutzung gestützt werden. Denn allein sie begründet bereits ein erhebliches öffentliches Interesse sogar an der sofortigen Nutzungsuntersagung. Anderenfalls würde der Vorteil, nicht zugelassene Nutzungen bis zum Eintritt der Bestandskraft einer sie untersagenden Ordnungsverfügung wegen der aufschiebenden Wirkung der dagegen erhobenen Klage aufnehmen und fortführen zu können, einen erheblichen Anreiz bieten, dies auch tatsächlich zu tun. Auf diese Weise würde nicht nur die Ordnungsfunktion des Bauaufsichtsrechts entwertet. Auch der gesetzestreue Bürger, der die Aufnahme einer genehmigungspflichtigen, aber bislang nicht genehmigten baulichen Nutzung nur auf der Grundlage einer vollziehbaren Baugenehmigung verwirklicht, würde gegenüber dem - bewusst oder unbewusst - rechtswidrig Handelnden ungerechtfertigter Weise benachteiligt.

Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das streitgegenständliche Stallgebäude bestandsgeschützt sei.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein Westfalen in den Beschlüssen vom 15. Oktober 2010 - 2 L 546/10 - und vom 23. Dezember 2010 - 10 B 1407/10 - bestehen keine Zweifel daran, dass die untersagte Nutzung formell illegal ist.
Zunächst bewirkte die von der Genehmigung deutlich abweichende Bauausführung im Jahre 1977, dass das tatsächlich ausgeführte Vorhaben niemals eine Legalisierungswirkung erhalten hatte. Gleiches gilt für den im Jahre 1980/81 durchgeführten Anbau, der entgegen der eingereichten Bauvorlagen an einem anderen Standort als dem genehmigten errichtet worden ist. Eine formelle Legalität hat für das genehmigungspflichtige Stallgebäude dementsprechend zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Der passive Bestandsschutz, der als Ausprägung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anerkannt ist, vermag den Kläger nicht vor der ausgesprochenen Nutzungsuntersagung zu schützen. Der Schutz vor einer Nutzungsuntersagung über den sog. passiven Bestandsschutz erfordert zumindest, dass vormals ein Vorhaben einmal formell legal war.

wonach sich der Bestandsschutz für bauliche Anlagen nur auf ihren genehmigten Bestand und ihre genehmigte Funktion erstrecke.

Diese Voraussetzung ist bereits nicht erfüllt.

Ferner unterfällt dem aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleiteten Bestandsschutz nur der zumindest materiell legal errichtete bauliche Bestand und nicht auch die innerhalb des Bestands ausgeübte formell illegale Nutzung. Denn § 75 Abs. 5 BauO NRW normiert als einfachgesetzliche Schranke der Eigentumsgarantie, dass vor Zugang der Baugenehmigung nicht mit der Bauausführung - mithin auch nicht mit der Nutzung - begonnen werden darf. Vor diesem Hintergrund kann zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Beseitigungsverfügung bezogen auf die mit dem Grundstück verbundene Bausubstanz in der Regel nicht allein auf eine formelle Illegalität gestützt werden, jedoch ist eine Nutzungsuntersagungsverfügung bei formeller Illegalität der Nutzung regelmäßig - so auch hier - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.

Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt und im Hinblick auf das bestreitende Vorbringen des Beklagten bewiesen, dass das streitgegenständliche, ungenehmigte Stallgebäude und die Nutzung als Kälbermaststall während eines nennenswerten Zeitraumes materiell genehmigungsfähig gewesen ist und damit überhaupt passiv bestandsgeschützt sein könnte.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, dass einer Nutzungsuntersagungsverfügung eine Genehmigungsfähigkeit eines (noch) ungenehmigten Vorhabens i. d. R. nur dann entgegengehalten werden kann, wenn die Genehmigungsfähigkeit - u. a. auch nach Auffassung des Beklagten - offenkundig ist.

Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Denn es liegen bis heute weder dem Beklagten noch dem Gericht vollständige Bauvorlagen für das in den Jahren 1977 bis 1981 abweichend von den Genehmigungen errichtete Vorhaben vor. Folglich sind keine Nachweise erbracht, dass sämtliche bauordnungsrechtlichen Anforderungen, bspw. bezüglich der erforderlichen Abstandflächen, der Statik und des Brandschutzes und auch die Anforderungen des Immissionsschutzes für das um 10, 50 m längere und mit weiteren zwei Stallabteilen ausgestattete Stallgebäude erfüllt sind. Insoweit reicht es nicht aus, wenn der Kläger eine Stellungnahme des Ingenieurbüros Prof. P1. einreicht und vom Beklagten einfordert, dass dieser darlegen möge, aus welchen Gründen keine materielle Genehmigungsfähigkeit damals gegeben sein sollte. Denn u. a. die vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Coesfeld vom 25. August 1977 und vom 8. Juli 1980 anlässlich der Genehmigungen vom 9. November 1977 und 21. September 1981 für erforderlich gehaltenen Auflagen und Nebenbestimmungen machen deutlich, dass ein um zwei Stallabteile erweitertes Vorhaben anderen und ggf. weitergehenden Anforderungen bspw. im Hinblick auf die benachbarten Wohngebäude unterfallen könnten.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des passiven Bestandsschutzes trifft hier - auch nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte - denjenigen, der sich darauf berufen möchte, mithin den Kläger.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, dass der Kläger auch nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt hat, dass die von ihm nach dem Kälbermastskandal 1988 von ihm selbst eingeräumte Änderung der Nutzung des formell illegal errichteten Kälbermaststalles für die Schweinehaltung während eines nennenswerten Zeitraumes genehmigungsfähig gewesen ist. Denn auch insoweit fehlen hinreichend verlässliche Angaben, die eine Genehmigungsfähigkeit der deutlich emissionsträchtigeren Schweinehaltung sowohl aus bauordnungsrechtlicher als auch aus bauplanungsrechtlicher Sicht vollständig belegen könnten.

Vor dem Hintergrund all dieser rechtlichen Erwägungen bedarf es keiner vertieften Ausführungen mehr dazu, dass das um einen Anbau erweiterte, mit einer einheitlichen Dachkonstruktion versehene, und einheitlich in Erscheinung tretende Stallgebäude in den Ausmaßen 68,49 m x 17,74 m auch noch gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 6 BauO NRW verstößt und damit seit 1981 materiell nicht genehmigungsfähig war und ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 21. Januar 2011 verwiesen.

Soweit der Kläger die Ermessensausübung in dem angefochtenen Bescheid für fehlerhaft hält, greifen seine Einwendungen nicht durch. Insbesondere hat der Beklagte im weiteren Verlauf dieses Verfahrens in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO dargelegt, dass er unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch gegen alle weiteren illegalen Nutzungen in der Nachbarschaft vorgehen werde. Im Übrigen wird bezüglich der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung auf den Beschluss des OVG NRW vom 23. Dezember 2010 - 10 B 1407/10 - (S. 4 und 5 des Beschlussabdrucks) verwiesen.

Die Androhung des Zwangsgeldes erweist sich vor diesem Hintergrund auf der Grundlage der §§ 55, 58, 60 und 63 VwVG NRW ebenfalls als rechtmäßig. Insbesondere ist es rechtlich unerheblich, ob der Kläger das von der Nutzungsuntersagung betroffene Stallgebäude zwischenzeitlich mit Vertrag vom 1. September 2009 rechtswirksam an S. I. vermietet hatte. Denn möglicherweise entgegenstehende Rechte Dritter könnten allenfalls ein Vollstreckungshindernis darstellen, das die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung unberührt lässt, zumal der Kläger erst im Januar 2011 erstmals im Rahmen des Verfahrens 2 L 60/11 diese Vermietung an seinen Sohn behauptet hat.

Es bestanden i. ü für den Beklagten hinreichend konkrete Anhaltspunkte bauordnungsrechtlich gegen den Kläger als Grundstückseigentümer und Betriebsinhaber vorzugehen, da er allein sowohl vor Erlass der Ordnungsverfügung als auch im anschließenden gerichtlichen Verfahren stets als Betriebsinhaber nach außen in Erscheinung getreten ist. Einer unmittelbaren ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit hätte er sich aufgrund der Anhörung des Beklagten vom 1. Juli 2009 noch vor Erlass der Verfügung entziehen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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Annotations

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.