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| Die Berufung der Kläger ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Beklagte verpflichtet, den Klägern die Grundsteuer für das in ihrem Erbbaurecht stehende Grundstück ... ... in Höhe von 50 Prozent erlassen. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen somit zu Unrecht abgewiesen. |
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| 1. Die Frage, ob die Kläger einen Erlass der - von ihnen als Erbbauberechtigte des Grundstücks ... ... geschuldeten - Grundsteuer für das Jahr 2008 beanspruchen können, richtet sich nach § 33 GrStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I, S. 2794), die nach § 38 GrStG erstmals für die Grundsteuer des Kalenderjahres 2008 anzuwenden ist. Nach § 33 Abs. 1 GrStG wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstands um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat (S. 1). Beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen (S. 2). |
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| 2. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall erfüllt. Die Beklagte hat den von den Klägern begehrten Erlass somit zu Unrecht abgelehnt. |
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| a) Das Grundstück der Kläger war bis 31.12.2004 an die Fa. ... ... ..., ... vermietet. Die auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude stehen seither mit Ausnahme eines im November 2009 an einen Kälte- und Klimatechnikbetrieb vermieteten und zu Lagerzwecken genutzten Nebengebäudes leer. Der normale Rohertrag des Steuergegenstands war daher im Jahr 2008 um 100 Prozent gemindert. |
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| b) Das Verwaltungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten, den Klägern die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen, gleichwohl verneint und zur Begründung ausgeführt, ein Grundsteuererlass komme nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht, sondern könne auch strukturell bedingte Ertragsminderungen nicht nur vorübergehender Natur erfassen. Eine strukturell bedingte Ertragsminderung sei jedoch im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Dem liegt offenbar die Meinung zugrunde, die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses wegen Minderung des normalen Rohertrags seien nur erfüllt, wenn entweder die Ertragsminderung auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgehe, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch seien, oder es sich um strukturell bedingte Ertragsminderungen handele. Das trifft nicht zu. Darauf, ob die nach § 33 Abs. 1 GrStG erforderliche Minderung des normalen Rohertrags des Steuergegenstands auf typische oder atypische, strukturell bedingte oder nicht strukturell bedingte, vorübergehende oder nicht vorübergehende Umstände zurückzuführen ist, kommt es nicht an. Die - nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zu verneinende - Frage, ob der Leerstand des Gebäudes der Kläger strukturell bedingt ist, bedarf deshalb keiner Beantwortung. |
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| Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings in seiner früheren Rechtsprechung zu § 33 GrStG a.F. (Urt. v. 3.5.1991 - 8 C 13.89 - NVwZ-RR 1992, 93) angenommen, dass die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses wegen Minderung des normalen Rohertrags eines Grundstücks nur erfüllt sein könnten, wenn die Minderung des Rohertrags auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgehe, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch seien. Es hat daraus weiter geschlossen, dass zu einem Erlass nach § 33 GrStG nur solche Ertragsminderungen führen könnten, die von erkennbar vorübergehender Natur seien. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht ferner entschieden, die Ertragsminderung eines Grundstücks, die darauf zurückgehe, dass die auf dem Grundstück befindlichen Wohnungen wegen des strukturell bedingten Überangebots in einer Gemeinde nicht vermietbar seien, rechtfertige keinen Grundsteuererlass (Urt. v. 4.4.2001 - 11 C 12.00 - BVerwGE 114, 132). |
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| Auf die an dieser Rechtsprechung geäußerte Kritik des Bundesfinanzhofs (Beschl. v. 13.9.2006 - II R 5/05 - BFHE 213, 390) hat jedoch das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung inzwischen geändert und sich mit Beschluss vom 24.4.2007 - GmS-OGB 1/07 - (ZKF 2007, 211) der Auffassung des Bundesfinanzhofs angeschlossen, dass ein Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht komme, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen könne. Der Bundesfinanzhof hat seine Kritik an der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. damit begründet, dass die Beschränkung des § 33 Abs. 1 GrStG auf atypische und nur vorübergehende Ertragsminderungen eine teleologische Reduktion der Vorschrift darstelle, die nicht nur nicht geboten sei, sondern gerade diejenigen Steuerpflichtigen um die Steuerentlastung bringe, die besonders auf sie angewiesen seien. Er hat dabei außerdem darauf hingewiesen, dass den Eigentümern leer stehender Räume auch mit einer neuen Hauptfeststellung unter Berücksichtigung gesunkener Wertverhältnisse nur geringfügig geholfen wäre, weil dies lediglich eine Minderung der Bezugsgröße der üblichen Miete bewirkte, aber einen völligen Einnahmeausfall unberücksichtigt ließe. |
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| Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.4.2007 kann vor diesem Hintergrund in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 24.10.2007 - II R 6/05 - BFH/NV 2008, 407) und dem OVG Sachsen (Beschl. v. 23.12.2009 - 5 B 449/06 - SächsVBl 2010, 121) nur so verstanden werden, dass auch das Bundesverwaltungsgericht nunmehr der Meinung ist, ein Grundsteuererlass setze nicht voraus, dass die Ertragsminderung auf atypischen und nur vorübergehenden Umständen beruhe (a.M. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.3.2009 - 14 A 3168/07 - Juris). |
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| Diese Auslegung des § 33 Abs. 1 GrStG erscheint dem Senat im Übrigen aus dem vom Bundesfinanzhof in seinem Beschl. v. 13.9.2006 (aaO) angeführten Gründen auch allein sachgerecht. Sie entspricht zudem offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber knüpft den Erlass der Grundsteuer außer an ein bestimmtes Maß der Minderung des Rohertrags des Grundstücks zum einen an die Voraussetzung, dass der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat, und zum anderen daran, dass die Ertragsminderung für den Erlasszeitraum weder durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann noch bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung hätte berücksichtigt werden können. Dafür, dass der Gesetzgeber eine darüberhinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm durch weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale beabsichtigt hätte, ist nichts zu erkennen. |
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| Was § 33 GrStG in seiner hier maßgeblichen Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 betrifft, kommt hinzu, dass die mit diesem Gesetz vorgenommene Novellierung der Vorschrift erfolgte, um die in Folge der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu erwartenden Grundsteuerausfälle in Grenzen zu halten (vgl. die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestags, BT-Drs. 16/11055, S. 1, 3). In den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats (BR-Drs. 545/1/08, S. 102 f.) wird dabei außer auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.4.2007 ausdrücklich auch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.2007 - II R 6/05 - (BFH/NV 2008, 407) hingewiesen. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Urteil im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts die Meinung geäußert, dass damit alle Differenzierungen nach typischen oder atypischen, nach strukturell bedingten oder nicht strukturell bedingten, nach vorübergehenden oder nicht vorübergehenden Ertragsminderungen und nach den verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, hinfällig seien. § 33 GrStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 verlangt deshalb eine Ertragsminderung von mindestens 50 Prozent (bisher 20 Prozent) und sieht als Rechtsfolge - von dem in Abs. 1 S. 2 genannten Sonderfall abgesehen - einen Erlass der Grundsteuer in Höhe von nur 25 Prozent (bisher vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung) vor. Eine "Anreicherung" des Tatbestands der Vorschrift durch zusätzliche Voraussetzungen nach dem Beispiel der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei unterblieben. Der Gesetzgeber hat sich damit das im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.2007 (aaO) geäußerte Verständnis der Vorschrift zu eigen gemacht. Der Senat hält deshalb an seinen bisherigen, mit der früheren Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden Rechtsprechung (vgl. u.a. Urt. v. 16.3.2006 - 2 S 1002/05 - VBlBW 2006, 321) nicht länger fest. |
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| c) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts steht dem von den Klägern begehrten Erlass der Grundsteuer weiter entgegen, dass die Kläger die Ertragsminderung für das Jahr 2008 zu vertreten hätten, da sie nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hätten, einen neuen Mieter für das Objekt zu finden. Auch dem vermag der Senat nicht zu folgen. |
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| Ein Grundsteuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, Urt. v. 25.6.2008 - 9 C 8.07 - NVwZ-RR 2008, 814; Urt. v. 15.4.1983 - 8 C 150.81 - BVerwGE 67, 123). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Das Grundstück der Kläger war bis 31.12.2004 an die Fa. ... ... ..., ... ... vermietet, die sich nach der Einstellung ihres Geschäftsbetriebs zu einer Kündigung des Mietvertrags gezwungen sah. Die Kläger haben die Ertragsminderung somit nicht durch ein ihnen zurechenbares Verhalten selbst herbeigeführt. Der Senat vermag anders als das Verwaltungsgericht auch nicht festzustellen, dass die Kläger die Ertragsminderung durch geeignete und ihnen zumutbare Maßnahmen hätten verhindern können. |
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| Die Kläger haben sich nach der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Firma ... ... ... um eine Wiedervermietung des Objekts bemüht und dazu mehrere Makler eingeschaltet. Für die Kläger waren u.a. die Gewerbeimmobilienabteilung der Kreissparkasse ..., die Fa. ... ... ... GmbH, die Landesbank Baden-Württemberg sowie die Firma ... ... GmbH tätig. Nach der übereinstimmenden Auskunft dieser Makler war das Interesse an einer Anmietung des Objekts der Kläger nur gering. Die Kreissparkasse ... hat mitgeteilt, dass von insgesamt 33 Interessenten nur vier ein näheres Interesse gezeigt und eine Innenbesichtigung vorgenommen hätten. Von den drei anderen Maklern wurde übereinstimmend berichtet, dass sich auf ihre Aktivitäten kein einziger ernsthafter Interessent gemeldet habe. |
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| Die Kreissparkasse ... hat als Hauptgrund für ihre erfolgslosen Bemühungen die Marktverhältnisse genannt, die in dem betreffenden Zeitraum von einer schwachen Nachfrage nach Gewerbeflächen gekennzeichnet gewesen seien. Als weiterer Grund wurde angeführt, dass sich die Hauptmietflächen über vier Etagen erstreckten. Gewerbeflächen in den Obergeschossen eines Gebäudes mit Ausnahme von Büros würden so gut wie nicht mehr nachgefragt. Keinesfalls habe es am Alter oder am Zustand des Gebäudes gelegen. Die Landesbank Baden-Württemberg und die Firma ... haben den Misserfolg ebenfalls damit erklärt, dass der größte Teil der Gesamtfläche nicht auf einer Ebene liege, sondern auf vier Geschosse verteilt sei. Diese Flächenaufteilung sei am Markt nicht nachgefragt gewesen. Von der Firma ... wurden allerdings als weitere Gründe auch genannt, dass die Kläger keine Teilflächen hätten vermieten wollen und der Mietpreis für den Zustand des Gebäudes zu hoch gewesen sei. Die Fa. ... ... GmbH hat allgemein auf den Nachfrageeinbruch infolge der Wirtschaftskrise hingewiesen. |
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| Aufgrund dieser Informationen vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Kläger die Ertragsminderung durch geeignete und ihnen zumutbare Maßnahmen hätten verhindern können. Er sieht insbesondere keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich die von den Klägern genannte Miete nicht innerhalb der marktüblichen Preisspanne bewegt hätte und potentielle Mieter dadurch abgeschreckt worden wären. Nach der Darstellung der Kläger wurde das Objekt zunächst auf der Grundlage einer von der Kreissparkasse ... erstellten Mietpreisberechnung zu einer Jahresmiete von 90.834 EUR angeboten. Nachdem sich bis dahin keine ernsthaften Interessenten gemeldet hätten, sei die Miete im Mai 2008 auf 78.000 EUR ermäßigt worden. Sie, die Kläger, seien zudem bereit gewesen, ihre Mietpreisforderung noch weiter zu verringern. Bedenken hinsichtlich der Miethöhe seien auch von keinem der eingeschalteten Makler geäußert worden. Die von den bereits genannten Maklern eingeholten Auskünfte bestätigen diese Darstellung. Die Firma ... hat zwar in ihrem Schreiben vom 28.9.2010 bekundet, dass der Mietpreis für den Zustand des Objekts zu hoch sei. Die Kreissparkasse ..., die Landesbank Baden-Württemberg und die Fa. ... ... ... GmbH haben dagegen jeweils bekundet, dass der Fehlschlag der Vermittlungsbemühungen nicht an einer zu hohen Mietpreisforderung gelegen hätte. In dem von der Firma ... erstellten Exposé wird zudem ein konkreter Mietpreis gar nicht genannt, sondern angemerkt, der Mietpreis sei Verhandlungssache. |
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| Den Klägern kann ferner nicht vorgehalten werden, dass sie durch bauliche Maßnahmen an den Gebäuden die Chancen für eine Vermietung hätten erhöhen können. Nach dem Vortrag der Kläger wurden in der Zeit zwischen 2004 und 2009 verschiedene bauliche Maßnahmen an den Gebäuden durchgeführt, deren Gesamtaufwand mit 109.441,69 EUR beziffert wird. Diesem mit den jeweiligen Rechnungen belegten Vortrag hat die Beklagte nicht widersprochen. Bei den vorgenommenen Maßnahmen handelt es sich allerdings, wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt, überwiegend nicht um Modernisierungs-, sondern um bloße Instandhaltungsmaßnahmen. Für die Annahme, dass sich das Objekt nach einer vorherigen Modernisierung der Gebäude leichter hätte vermieten lassen, fehlen jedoch konkrete Anhaltspunkte. Sowohl die Kreissparkasse ... als auch die Landesbank Baden-Württemberg haben die Frage, ob sich durch einen Umbau oder eine Modernisierung des Gebäudes die Marktchancen des Objekts verbessern ließen, ohne Einschränkung verneint. Auch die Firma ... hält eine solche Verbesserung der Marktchancen nur bei "elementaren Modernisierungen" für gegeben. |
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| Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage, ob ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG auch dann gewährt werden kann, wenn die Ertragsminderung nicht auf atypischen und nur vorübergehenden Umständen beruht, hat angesichts der unterschiedlichen Interpretationen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Bundesfinanzhof (Urt. v. 24.10.2007, aaO) und das OVG Sachsen (Beschl. v. 23.12.2009, aaO) einerseits sowie das OVG Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 26.3.2009, aaO) andererseits grundsätzliche Bedeutung. |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.971,34 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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