Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 21. Mai 2015 - W 5 K 14.15

bei uns veröffentlicht am21.05.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamtes Bad K., mit dem ihr auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung F. Lackier- und Grundierarbeiten außerhalb der dafür genehmigten Lackierkabinen untersagt wurden.

1. Mit Bescheid des Landratsamtes Hammelburg vom 13. April 1964 wurde der Firma J. S. die Errichtung von drei Werkhallen und einer offenen Halle auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung F. baurechtlich genehmigt.

Mit Baugenehmigung vom 25. März 1968 wurde die Errichtung zweier weiterer Hallen genehmigt.

Mit Bescheid vom 3. November 1982 erteilte das Landratsamt Bad K. der Firma S. eine Baugenehmigung zur Errichtung der Produktionshalle 0 „nach Maßgabe der beiliegenden Bauunterlagen“ auf o. g. Grundstück.

Der Bebauungsplan „I.“ vom 21. Juli 1984 setzte u. a. für das Gebiet des streitgegenständlichen Grundstücks ein Gewerbegebiet fest.

Mit Baugenehmigung vom 6. Dezember 1988 wurde die Verlängerung der Halle 0 „nach Maßgabe der beiliegenden Unterlagen“ genehmigt.

Am 20. Oktober 1998 wurde (u. a.) dem Beigeladenen zu 2 eine Baugenehmigung für den Umbau des ursprünglich am 2. August 1988 genehmigten Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung F. erteilt.

Im Jahr 2002/2003 übernahm die Klägerin, ein Unternehmen zur Planung, Fertigung und Montage von Stahlkonstruktionen, die Firma W. (Stahlbau). Diese hatte im Jahr 1990 die Firma S. (Stahl- und Apparatebau) übernommen.

Seit dem Jahre 2012 kam es zu Beschwerden seitens der Nachbarschaft des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung F. über Geruchsbelästigungen und Gesundheitsgefährdungen durch Lackierdämpfe.

Im Rahmen einer Ortseinsicht durch das Landratsamt Bad K. am 2. Juli 2013 wurde festgestellt, dass die Klägerin im Bereich der Halle 0 außerhalb der Lackierkabinen je nach Auftragslage Grundier- und Lackiertätigkeiten für größere Stahlbauteile vornahm. Mit Schreiben vom 24. Juli 2013 wurde die Klägerin vom Landratsamt Bad K. aufgefordert, die Lackierarbeiten unverzüglich einzustellen sowie umgehend die erforderlichen Anträge einschließlich Immissionsgutachten einzureichen.

Nach weiteren Schreiben des Landratsamts Bad K. wurde der Klägerin vom Landratsamt Bad K. mit Schreiben vom 14. November 2013 Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsuntersagung gegeben.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2013 untersagte das Landratsamt Bad K. unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (Ziff. 2) der Klägerin die Durchführung von Lackier- und Grundierarbeiten auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung F., insoweit diese außerhalb der dafür genehmigten Lackierkabinen vorgenommen werden (Ziff. 1). Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR angedroht (Ziff. 3).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gem. Art. 76 S. 2 BayBO könne die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden. Die Klägerin tätige Lackier- und Grundierarbeiten für größere Stahlbauteile in der Halle 0 außerhalb der mit Bescheid vom 3. November 1982 genehmigten Lackierkabinen. Mangels baurechtlicher bzw. immissionsschutzrechtlicher Genehmigung sei die Nutzung der bestehenden Hallen zu Lackier- und Grundierzwecken außerhalb der genehmigten Lackierkabinen formell rechtswidrig. Die Nutzung sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Ein Bauantrag sei nicht gestellt. Die Untersagung liege im pflichtgemäßen Ermessen.

Der Bescheid wurde der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 23. Dezember 2013 zugestellt.

Das Ingenieurbüro W. erstellte im Auftrag der Klägerin am 13. Januar 2014 einen „Bericht“ sowie am 16. Januar 2014 eine ergänzende Stellungnahme.

Im Rahmen verschiedener Ortseinsichten sowie aufgrund nachbarlicher Mitteilungen wurden Verstöße gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2013 festgestellt. Insbesondere wurde zunächst das Airless-Verfahren weiter eingesetzt. Das im Bescheid vom 20. Dezember 2013 angedrohte Zwangsgeld sowie ein weiteres mit Bescheid vom 24. März 2014 angedrohtes Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR wurden mit Schreiben vom 3./18. März 2014 sowie vom 12. Juni 2014 fällig gestellt und im Nachgang eingezogen. Mit Bescheid vom 21. Juli 2014 wurde ein weiteres Zwangsgeld von 10.000,00 EUR angedroht.

Ein am 30. Juni 2014 beim Landratsamt Bad K. eingegangener Bauantrag auf Nutzungsänderung von Teilen der Montage-/Lagerfläche in Lackierfläche unter Einbau einer mobilen Absauganlage wurde am 1. Dezember 2014 zurückgenommen. Ein zuletzt vom Landratsamt Bad K. mit Schreiben vom 3. Februar 2015 geforderter Bauantrag auf Nutzungsänderung von Teilen der Montage-/Lagerfläche in eine ausschließlich im sog. Roll-Verfahren genutzte Lackierfläche wurde nicht eingereicht.

2. Am 9. Januar 2014 ließ die Klägerin bei Gericht Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid vom 20. Dezember 2013 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Tätigkeiten der Klägerin seien weder formell noch materiell illegal. Sie seien von den der Firma S. erteilten Genehmigungen - insbesondere der Genehmigung der Halle 0 als Produktionshalle - umfasst. Beschichtung von Stahl sei Teil des Stahlbaus. Die sich unter Umständen aus dem Bescheid vom 3. November 1982 ergebende Genehmigung zur Errichtung von zwei Lackierkabinen, lasse nicht den Schluss zu, dass in der übrigen Halle keine Beschichtung durchgeführt werden dürfte. Eine Nutzungsänderung sei vom Landratsamt nachzuweisen und liege nicht vor.

Gesundheitsgefahren für die Nachbarschaft seien nicht näher verifiziert worden. Die Klägerin halte sämtliche Grenzwerte, die um den Faktor 50 über einer möglichen Schadstoffkonzentration lägen, ein. Ein sog. Overspray sei entgegen der Ansicht des Landratsamts bei Anwendung des Airless-Verfahrens nicht in einem Umfang von bis zu 90% anzunehmen. Staub oder Lackpartikel in der Luft entstünden nicht. Der streitgegenständliche Bescheid verstoße gegen das Übermaßverbot. Die angeordnete Untersagung sei existenzgefährdend. Vorhandene Aufträge könnten nicht in den Lackierkabinen beschichtet werden. Bis März 2014 sei der Klägerin ein Schaden im sechsstelligen Euro-Bereich entstanden. In einer Besprechung vom 14. November 2014 habe das Landratsamt Bad K. mündlich die Erlaubnis erteilt, Lackier- und Grundierarbeiten ohne technische Hilfsmittel durchzuführen.

3. Das Landratsamt Bad K. beantragte als Vertreter des Klägers,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass keine baurechtliche Genehmigung vorliege. Die Beweislast für die formelle Legalität einer Nutzung liege beim Adressat einer Beseitigungsanordnung. Die Halle 0 sei nur als „Träger + Fertigteile-Lager Stahlbau“ genehmigt worden. Der Begriff „Stahlbauarbeiten“ sei nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben differenziert zu beurteilen. Der Umgang mit Lack-, Grundier- und Beschichtungsstoffen bedürfe einer besonderen öffentlich-rechtlichen Beurteilung. Im Rahmen des Bauantrags aus dem Jahr 1988 sei unter Punkt 7 der Baubeschreibung die Frage zur Lagerung gesundheitsgefährdender Rohstoffe aufgeworfen worden. Angaben zu außerhalb der Lackierkabinen durchgeführten Lackierarbeiten, die an dieser Stelle bei Vornahme derartiger Arbeiten ebenfalls erforderlich gewesen wären, seien nicht erfolgt. Im Gespräch am 16. Juli 2013 habe die Klägerin eingeräumt, die Notwendigkeit immer größere Stahlbauteile zu bearbeiten habe sich erst ergeben. Am 14. November 2014 sei keine Erlaubnis ausgesprochen worden. Es sei lediglich zugesichert worden, für den Fall der Durchführung der Grundierarbeiten mittels Pinsel von einer zwangsweisen Vollstreckung der Nutzungsuntersagung abzusehen. Nach überschlägiger Einschätzung sei insoweit von deutlich geringeren Auswirkungen auf die Umwelt auszugehen. Genauen Aufschluss könne aber nur die bauaufsichtliche Prüfung des entsprechenden Bauantrags bringen.

Die Anwendbarkeit der Geruchsimmissionsrichtlinie setze die vorherige Ausschöpfung aller, dem Stand der Technik entsprechenden Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen voraus. Nach der bereits seit 1977 bestehenden VDI 2280 sei Stand der Technik mindestens eine Abluftführung über das Dach anstatt der bisher praktizierten Querlüftung. Der vorgelegte „Bericht“ des Ingenieurbüro W. vom 13. Januar 2014 sei von den am Landratsamt tätigen Fachkräften für unzureichend befunden worden. Die Beschichtungszahlen für Großbauteile (30%) aus dem „Bericht“ stünden im Widerspruch zu den Ausführungen der Klägerin zu einem drohenden Ruin in Folge der Nutzungsuntersagung. Der „Bericht“ treffe zu gesundheitsgefährdenden Staub- und Lackierpartikeln keine Aussage. Es werde lediglich von Mittelwerten ausgegangen, ohne eine Aussage zu Beeinträchtigungen bei Spitzenbelastungen zu treffen. Ausweislich der Informationsplattform des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg sei der Overspray-Anteil des Airless-Verfahrens mit bis zu 85% anzusetzen. In der klägerseits eingereichten Stellungnahme zum Airless-Verfahren werde die Existenz einer beim Kläger nicht vorhandenen Abluftabsaugung vorausgesetzt. Bei Ortseinsichten am 2. Juli 2013 und am 17. Juli 2013 sei ein Querlüften bzw. die Öffnung des Südtors festgestellt worden. Die Problematik der Umstände sei der Klägerin bereits im Gespräch am 16. Juli 2013 umfassend bewusst gemacht worden. Über ein halbes Jahr hinweg habe die Klägerin die Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, alternative Lösungswege aufzuzeigen und entsprechende Planunterlagen vorzulegen. Zeitgleich habe sich die gesundheitliche Situation der benachbarten Anwohner, insbesondere der Kinder, zunehmend verschlechtert.

4. Die Beigeladenen ließen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die seit ca. zwei Jahren erfolgenden Lackierarbeiten in der Halle 0 sowie in den Hallen 4 und 5 erfolgten ohne Genehmigung. Lackierarbeiten außerhalb der beiden Lackierräume seien von den für das Betriebsgelände erteilten Baugenehmigungen nicht erfasst. Eine „mündliche Erlaubnis“ habe die Beklagte am 14. November 2014 nicht erteilt. Eine solche scheitere zudem am Schriftformerfordernis des Art. 68 Abs. 2 Satz 1 BayBO sowie dem Erfordernis eines schriftlichen Bauantrags nach Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Durchführung der Lackierarbeiten im „Rollverfahren“ stelle eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, die nicht offenkundig genehmigungsfähig sei.

Das Verhalten der Klägerin stelle unzumutbare Störungen und erhebliche Belästigungen im Sinn des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO dar. Im Widerspruch zu § 22 Abs. 1 BImSchG komme es zu unzumutbaren, vermeidbaren Lärmbelästigungen von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends in Folge lärmintensiver Arbeiten bei geöffneten Hallentoren. Die streitgegenständlichen Lackierarbeiten widersprächen dem Stand der Technik. Die Hallen 0, 4 und 5 seien technisch nicht für ein Lackieren außerhalb der genehmigten Kabinen ausgestattet. Am 27. Februar, 17. März, 8. April und 22. April 2014 seien im Widerspruch hierzu derartige Lackierarbeiten außerhalb der Lackierkabinen festgestellt worden. Lösungsmittelgerüche seien an den allermeisten Wochentagen für mehrere Stunden täglich am Wohnhaus der Beigeladenen deutlich wahrnehmbar. Ein weiteres, noch unbebautes Baugrundstück Fl.Nr. 620 der Beigeladenen werde ebenfalls beeinträchtigt. Dieses befinde sich angrenzend im erhöht schutzwürdigen Mischgebiet und könne grundsätzlich mit einem Wohnhaus bebaut werden. Der Bericht der Firma W. sei unbrauchbar. Angaben über Art und Umfang der zur Lackierung eingesetzten Stoffe fehlten. Die klägerseits eingeführten, unbestätigten und nicht belegten Eingangsparameter des Berichts seien anzuzweifeln. Die Klägerin habe - auch gegenüber der Behörde - bereits mehrfach Angaben gemacht, die sich, erkenntlich u. a. aus dem Besprechungsvermerk der Beklagten vom 17. November 2014, als unzutreffend erwiesen hätten. Auch ignoriere die Klägerin das erlassene Nutzungsverbot. Dem Bericht zugrunde gelegte Betriebsmodalitäten, wie das ständig geschlossene Tor, würden nicht ständig eingehalten. Die ermittelten Jahresgeruchsstunden stünden im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen der Beigeladenen. An einer umfassenden Würdigung des Einzelfalls fehle es. Die Beurteilung nach der rechtlich nicht verbindlichen Geruchsimmissions-Richtlinie sei nur ein Kriterium zur Bewertung von Geruchsimmissionen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bestehe ein Anspruch der Beigeladenen auf Erhalt der typischen Prägung des Baugebiets. Der erheblich belästigende Betrieb der Klägerin sei im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 1 BauNVO unzulässig und müsse in einem Industriegebiet angesiedelt werden.

Die Beigeladenen hätten gegenüber dem Beklagten am 1. Oktober 2014 einen Antrag auf „Einschreiten“ gestellt. Ein Einschreiten sei geboten. Seit einem Jahr fehle es an einem beurteilungsfähigen Baugesuch der Klägerin. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Stellung eines solchen Bauantrags klägerseits nicht beabsichtigt sei.

5. Im Verfahren W 5 S 14.56 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 6. Februar 2014 ab.

Die dagegen gerichtete Beschwerde lehnte der Bayer. Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 9 CS 14.451 mit Beschluss vom 23. Mai 2014 als unbegründet ab.

Auf die Gründe dieser Beschlüsse wird Bezug genommen.

Eine im Verfahren W 5 K 14.421 gegen den Bescheid vom 24. März 2014 erhobene Klage wurde mit Schreiben vom 7. Juli 2014 zurückgenommen.

6. In der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2015 wiederholten die Beteiligtenvertreter ihre bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge.

Mit Beschluss lehnte das Gericht folgenden, unbedingten Beweisantrag des Klägervertreters ab: „Es ist Beweis zu erheben über die Behauptung der Klägerin, dass Beschichtungsarbeiten per Pinsel oder Roller keine Immissionen verursachen, die geeignet sind, die Nachbarn zu belasten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.“

Hinsichtlich des weiteren Fortgangs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

7. Bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Die Verfahrensakten W 5 S 15.56 und W 5 K 14.421 wurden beigezogen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Nutzungsuntersagung vom 20. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Bestimmung kann die Bauaufsichtsbehörde eine Nutzung untersagen, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht.

Eine solche Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt vor, wenn für die Nutzung die erforderliche Baugenehmigung nicht vorliegt (sogenannte formelle Rechtswidrigkeit). Ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt, kann grundsätzlich dahinstehen. Die Nutzungsuntersagung hat in erster Linie die Funktion, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen. Im Fall offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit darf allerdings aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine formell rechtswidrige Nutzung grundsätzlich nicht untersagt werden (Decker in Simon/Busse, BayBO, Art. 76 BayBO Rn. 282 m. w. N.).

Die Entscheidung über eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO ist eine Ermessensentscheidung. Dem Ermessen in Art. 76 Satz 2 BayBO ist aber die Tendenz eigen, die der Natur der Sache nach gebotene Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen (sog. intendiertes Ermessen; vgl. Decker a. a. O. Rn. 301). Das öffentliche Interesse gebietet grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung. Im Regelfall macht die Behörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie bei rechtswidrig errichteten oder genutzten Anlagen die unzulässige Benutzung untersagt und so die Rechtsordnung wiederherstellt.

Im Anfechtungsprozess gegen eine Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts maßgeblich, da es sich bei der Nutzungsuntersagung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH, U. v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - juris m. w. N.).

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt in seinem Bescheid vom 20. Dezember 2013 von der formellen Illegalität der Lackier- und Grundierarbeiten der Klägerin ausgeht. Der erkennenden Kammer erscheint bereits fraglich, ob der von der Klägerin geführte Betrieb dem der Firma S. genehmigten Betrieb überhaupt so weit entspricht, dass keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt. Jedenfalls ist eine formelle Legalität der streitgegenständlichen Nutzung weder aus den vorliegenden Akten ersichtlich, noch erschließt sich eine solche aus dem Vortrag der Beteiligten. Insbesondere ergibt sich aus keiner der für das klägerische Grundstück erteilten Baugenehmigungen, dass ein Beschichten bzw. Lackieren im gesamten Hallenkomplex beantragt oder genehmigt worden wäre. In keinem der Genehmigungsverfahren wurden im Rahmen von Stellungnahmen des Gewerbeaufsichtsamts, des Wasserwirtschaftsamts oder des Immissionsschutzes Beschichtungsarbeiten problematisiert. Auch wurde nicht dargelegt, inwiefern im Rahmen der früheren Nutzung ein Beschichten außerhalb der Lackierkabinen erforderlich gewesen wäre. Im Übrigen ist auf die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 6. Februar 2014 (Nr. W 5 S 14.56) sowie des Bayer. Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 23. Mai 2014 (Nr. 9 CS 14.451) zu verweisen.

Die formell illegale Lackiertätigkeit ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts in den vorausgegangenen Sofortverfahren Bezug genommen.

Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass auf den am 30. Juni 2014 beim Landratsamt Bad K. eingegangenen, entsprechenden Bauantrag hin nicht zeitnah und unproblematisch eine Baugenehmigung erteilt werden konnte. Vielmehr hat sich die Klägerin - offenbar angesichts der Vielzahl der zu erfüllenden Voraussetzungen - trotz der von ihr selbst angeführten, massiven finanziellen Einbußen in Folge der Nutzungsuntersagung am 1. Dezember 2014 entschlossen, den entsprechenden Antrag wieder zurückzunehmen. Auch in der Folge hat sie trotz verschiedener Aufforderungen die Erteilung einer Genehmigung und damit die Beseitigung der formellen Illegalität nicht mehr angestrebt. Weiterhin lassen die bisher vorgelegten, umstrittenen Daten nicht auf eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der klägerischen Nutzung schließen.

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere war von der Nutzungsuntersagung auch nicht das Auftragen mittels Pinsel oder Rolle auszunehmen. Auch diesbezüglich stellen sich u. a. gewerberechtliche, wasserrechtliche und immissionsschutzrechtliche Fragen, die der Klärung in einem entsprechenden Genehmigungsverfahren bedürfen.

Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann vorliegend nur die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens Klarheit schaffen, in dessen Rahmen eine Eingabeplanung mit einer genauen Betriebsbeschreibung vorzulegen ist. Nur so wird sich aufklären lassen, ob der Betrieb der Klägerin die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Der Beweisantrag der Klägerin war abzulehnen. Er war unbehelflich. Zudem wurde er unsubstantiiert gestellt. In Anbetracht der obigen Ausführungen würde selbst eine Unterstellung der unter Beweis gestellten Aussage als zutreffend der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen sind nachbarschützende Normen nur ein Aspekt unter mehreren, die in die Prüfung im Rahmen eines entsprechenden Genehmigungsverfahrens einfließen. Zum anderen zeigt schon der Umstand, dass für die Klärung der streitigen Frage die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich wäre, dass weder die entsprechende Nutzung der Klägerin offensichtlich genehmigungsfähig, noch die Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig ist. Die Thematik erweist sich als zu komplex, als dass man von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgehen könnte, geschweige denn müsste. Zudem steht dem Beweisantrag § 87b Abs. 3 S. 1 VwGO entgegen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Da sich die Beigeladenen durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 8 Gewerbegebiete


(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder W

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b


(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 16. Feb. 2015 - 1 B 13.648

bei uns veröffentlicht am 16.02.2015

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2014 - 9 CS 14.451

bei uns veröffentlicht am 23.05.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine gegen sie als Mieterin verfügte Untersagung der Nutzung des Obergeschosses des Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 562/1 Gemarkung E. zu Wohnzwecken.

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet E.“‚ den die beigeladene Gemeinde für einen Teilbereich des heutigen Plangebiets im Jahr 1980 in Kraft gesetzt hatte. Die nördliche Grenze seines Geltungsbereichs bildeten damals die Grundstücke FlNr. 962/1, 963/1 und 963/2. In seiner Sitzung vom 18. November 2003 beschloss der Gemeinderat, den Bebauungsplan mit den zwischenzeitlich erfolgten räumlichen Erweiterungen und Änderungen insgesamt neu aufzustellen sei. Zugleich wurde der „Vorgängerbebauungsplan“ aus dem Jahr 1980 mit zwei Änderungen aus dem Jahr 1981 aufgehoben. Der Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan wurde laut der „Verfahrensvermerke“ am 17. März 2004 ausgefertigt, am 25. Mai 2004 beschlossen und die Bekanntmachung am 26. Mai 2004 unterschrieben; sie erfolgte am 27. Mai 2004 („Schlussbekanntmachung“). Die beiden Unterschriften des Bürgermeisters in den Verfahrensvermerken sind nicht datiert. Am 21. August 2012 machte die Gemeinde die rückwirkende Inkraftsetzung des Bebauungsplans zum 27. Mai 2004 zur Heilung eines Verfahrensfehlers bekannt, nachdem das Landratsamt B. ein solches Vorgehen am 20. August 2012 wegen möglicher Ausfertigungsmängel der ursprünglichen Pläne empfohlen hatte.

Im Rahmen von bauaufsichtlichen Kontrollen am 27. Februar und 15. März 2012 stellte das Landratsamt fest, dass durch Überbauung der nach den Bauplänen als Ersatzteillager genehmigten Räume im Obergeschoss mindestens acht Zimmer entstanden seien, in denen die Klägerin von ihr beschäftigte Arbeitnehmer unterbringe; die Zimmer seien mit jeweils 3 bis 4 Schlafstätten, mit Kühlschränken und elektrischen Kochplatten ausgestattet. Der für Wohnräume erforderliche erste Rettungsweg sei nicht bauordnungsgemäß ausgestaltet, ein zweiter Rettungsweg fehle ganz.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2012 wurde der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 3) aufgegeben, die Nutzung der Räume im Obergeschoss zu Wohnzwecken zu unterlassen (Nr. 1). Für den Fall der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung werde ein Zwangsgeld von 1.000 Euro für jeden zu Wohnzwecken genutzten Raum fällig (Nr. 5). Die Eigentümerin des Gebäudes wurde im gleichen Bescheid unter Androhung eines Zwangsgeldes verpflichtet, die Nutzungsuntersagung zu dulden (Nr. 2 und 6). Sollte die Klägerin der Nutzungsuntersagung nach Nr. 1 nicht fristgerecht nachkommen, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro je Wohnung fällig (Nr. 5). Die Kosten des Bescheids wurden der Klägerin auferlegt (Nr. 7). Die Wohnnutzungen seien nicht nur ohne entsprechende Baugenehmigung, also formell illegal aufgenommen worden, sondern verstießen auch gegen materielles Baurecht, weil die Vermietung von Wohnräumen in einem Gewerbegebiet generell unzulässig sei. Außerdem bestünden gravierende, näher bezeichnete Brandschutzmängel, insbesondere fehle ein ausreichender zweiter Rettungsweg. Die Nutzungsuntersagung werde als Ermessensentscheidung verfügt, um den widerrechtlichen Zustand zu beenden und Bezugsfälle zu vermeiden. Als Adressat der Anordnung sei die Klägerin als Handlungsstörerin ausgewählt worden, weil sie durch eigenes Handeln die rechtswidrige Nutzung der Räume schnellstmöglich aufgeben und damit die Gefahr für die dort wohnenden Mitarbeiter abwenden könne.

Das Landratsamt hatte eine Bestandsaufnahme aller Wohnnutzungen im Gewerbegebiet E. erstellt, auf deren Basis im Mai/Juni 2012 eine ganze Reihe weiterer Nutzungsuntersagungen ausgesprochen wurden, gegen die die Betroffenen (derzeit ruhende) Klageverfahren angestrengt haben. Am 13. August 2012 wurde dem Verwaltungsgericht ein Ordner des Landratsamts mit Kurzinformationen zu den einzelnen Grundstücken im Gewerbegebiet vorgelegt‚ aus denen insbesondere Angaben zu den festgestellten Wohnnutzungen und den inzwischen veranlassten Nutzungsuntersagungen hervorgehen.

Das Verwaltungsgericht München gab der Anfechtungsklage mit Urteil vom 11. Oktober 2012 statt. Die Festsetzung der Gebietsart „Gewerbegebiet“ in dem Bereich nördlich der Staatsstraße ... bis einschließlich der Grundstücke FlNr. 961/4 und 961/3 sei nach einer Gesamtschau der maßgeblichen Umstände funktionslos geworden; das Baugebiet stelle sich insoweit vielmehr als faktisches Mischgebiet dar, denn es sei von einem gleichrangigen Nebeneinander von Wohnen und von nicht störendem Gewerbe geprägt. Schon äußerlich falle die in den Ober- und Dachgeschossen weit verbreitete Wohnnutzung auf. Die massive Wohnbebauung, die bereits mit der Ersterrichtung der Gewerbebauten vor rund 30 Jahren begonnen habe, schließe eine Entwicklung hin zu einem Gewerbegebiet aus. Die als Betriebsleiterwohnungen genehmigten Gebäude seien stattliche Wohnhäuser und könnten nicht mehr als „untergeordnet“ i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO angesehen werden. Nach der Aufstellung des Landratsamts vom 11. September 2012 hätten nur vier der 14 Anwesen keine Betriebsleiterwohnung. Vier der Betriebsleiterwohnungen seien frei vermietet. Aus dem Kontrollbericht des Landratsamts vom 27. Dezember 2010 gehe hervor, dass insgesamt 89 Personen als im Gewerbegebiet wohnhaft gemeldet seien, die in 28 bis 45 Wohneinheiten wohnten, obwohl im fraglichen Bereich nur neun Wohnungen genehmigt worden seien. Die Nutzungsuntersagung sei auch ermessensfehlerhaft verfügt worden; zum einen sei die Funktionslosigkeit der Festsetzung „Gewerbegebiet“ verkannt worden‚ zum anderen bestünden keine nachvollziehbaren sachlichen Gründe‚ warum der Beklagte im Rahmen seines Sanierungskonzepts nicht auch diejenigen Wohnnutzungen von Betriebsleiterwohnungen aufgreife‚ die privat und ohne Bezug zu einem Betrieb vermietet worden seien. Auch die gegenüber der Eigentümerin ausgesprochene Duldungsanordnung müsse aufgehoben werden‚ da sie in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit der gegenüber der Klägerin ergangenen Nutzungsuntersagung stehe.

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2012 (M 11 S 12.2711) stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Anfechtungsklage wieder her; die Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 18.3.2013 - 1 CS 12.2070 - juris), weil die brandschutztechnischen Mängel inzwischen behoben worden seien und die behauptete illegale, seit vielen Jahren unbeanstandet hingenommene Nutzung nicht vor einer Entscheidung in der Hauptsache beendet werden müsse.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. März 2013 (1 ZB 12.2777) wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung führt der Beklagte aus, es sei im Lichte von § 1 Abs. 3 BauGB nicht erkennbar, warum die festgestellten illegalen Wohnnutzungen im Gewerbegebiet die ordnende Wirkung dieser Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließen sollten; der von der Gebietsart abweichende Zustand habe sich noch nicht in einer solchen Weise verfestigt, dass eine Rückkehr zu rechtmäßigen Verhältnissen ausgeschlossen werden müsse. Dies zeige bereits der Umstand, dass zahlreiche Nutzungsuntersagungen gegen weitere Eigentümer mit dem Ziel der Rückkehr zur plankonformen Nutzung verfügt worden seien. Im Übrigen sei das Gewerbegebiet mit am 23. Juni 2010 in Kraft getretener Änderung des Bebauungsplans in Richtung Norden erweitert worden. Für die bereits 1981 genehmigten Betriebsleitergebäude gälten nicht die Bestimmungen der Baunutzungsverordnung 1990 und damit auch nicht § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1990, wonach nur untergeordnete Wohnhäuser als Betriebsleitergebäude zulässig seien. Der vom Verwaltungsgericht angenommenen Einordnung als faktisches Mischgebiet stehe entgegen, dass im fraglichen Bereich des Bebauungsplans auch Gewerbebetriebe bestünden, die nicht ohne weiteres mischgebietsverträglich seien (Kfz-Werkstätten, Landmaschinenwerkstatt, Schreinerei). Schließlich genüge das von der Bauaufsichtsbehörde erstellte Sanierungskonzept, das die Verhältnisse auf sämtlichen Grundstücken des Gewerbegebiets betrachte, den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die frei vermieteten Betriebsleiterwohnungen hätten noch nicht sofort und im gleichen Umfang aufgegriffen werden müssen, zumal sie durch nachträgliche Eingliederung in einen betrieblichen Zusammenhang oder auch die erstmalige Schaffung dieses Zusammenhangs einer legalisierten Nutzung zugeführt werden könnten. Damit sei das Vorgehen des Beklagten weder willkürlich noch systemlos; auch das langjährige Unterlassen bauaufsichtlichen Einschreitens hindere nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände den Erlass einer Nutzungsuntersagung. Eine Aufhebung der gegenüber der Eigentümerin verfügten Duldungsanordnung sei im vorliegenden Klageverfahren schon mangels Adressatenstellung und Beschwer der Klägerin nicht möglich.

Der Beklagte legt eine zum 14. April 2014 aktualisierte Übersicht (mit Lageplan) der erlaubten wie der unerlaubten Wohnnutzungen im Gewerbegebiet und der hiergegen eingeleiteten Maßnahmen vor. Das Sanierungskonzept sehe in einem ersten Schritt die Behandlung derjenigen Fälle vor, in denen gewerblich genutzte Räume ohne Genehmigung zu Wohnräumen umgewandelt worden seien; als nächstes seien die genehmigten Betriebsleiterwohnungen überprüft worden, ohne dass hier bereits Untersagungen ausgesprochen worden seien. Hingenommen würden dagegen Wohn-nutzungen ehemaliger Betriebsleiter oder deren Angehöriger sowie von Bereitschaftspersonal in Betriebsleiterwohnungen. Dementsprechend ergänzt der Beklagte seine im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO im Hinblick auf die Frage eines gleichheitssatzgemäßen Einschreitens dahingehend, dass die bekannten Wohnnutzungen im Gewerbegebiet entsprechend dem jeweiligen Gewicht des Verstoßes Schritt für Schritt aufgegriffen würden; im vorliegenden Fall bestehe ein gravierender und offenkundiger Verstoß.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Vorlage des zwischen ihr und der Eigentümerin geschlossenen Mietvertrags vom 13. November 2006 über „gewerbliche Räume“ mit einer Fläche von 530 m² trägt die Klägerin vor, das Baugebiet habe sich bereits seit Jahrzehnten in Richtung eines Mischgebiets entwickelt, wie die auf fast jedem Grundstück nachweisbaren Wohneinheiten und zum Teil stattlichen Wohnhäuser bewiesen. Die Festsetzung Gewerbegebiet sei wegen der eingetretenen wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der zugelassenen Nutzung außer Kraft getreten; die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse hätten einen Zustand erreicht, der eine Verwirklichung der vorgesehenen Nutzung auf absehbare Zeit als unwirtschaftlich ausschließe. Damit richte sich die Beurteilung der Situation nach § 34 BauGB, wonach aber die untersagte Nutzung zulässig sei. Im Übrigen erfüllten die nicht abgeschlossenen Übernachtungszimmer nicht den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens, der eine auf Dauer angeleg-te Häuslichkeit und Möglichkeit der Eigengestaltung der Haushaltsführung voraussetze. Es handele sich vielmehr um gewerbliche Arbeitnehmerunterkünfte, in denen nur an Werktagen übernachtet werde und die keine Privatsphäre zuließen; die Mehrbettzimmer hätten keine festen Kochgelegenheiten und keine Nasszellen, es gebe lediglich zwei gemeinschaftliche Sanitärräume. Für jede Übernachtung in der kasernenartigen Unterkunft würden vom Lohn des Arbeitnehmers 6,50 Euro einbehalten. Die Mitarbeiter kehrten an ihren freien Tagen, an den Wochenenden und in den Zeiten der saisonalen Betriebsschließungen an den jeweiligen Heimatort zurück. Es könne mangels eines auf Dauer angelegten Wohnungsersatzes und wegen der Kurzfristigkeit der jeweiligen Aufenthalte auch nicht von einer wohnähnlichen Nutzung ausgegangen werden. Das Angebot von Übernachtungsplätzen sei unabdingbar für die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäftsbetriebes der Klägerin.

Die Beigeladene stellt erstmals im Berufungsverfahren einen Antrag; sie beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts abzuweisen.

Die vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Voraussetzungen für eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans lägen nicht vor. Das Vorgehen des Beklagten belege, dass die planerische Zweckbestimmung des Gewerbegebiets gerade hier-durch (wieder)hergestellt werden solle; die tatsächlichen Verhältnisse stünden einer Umsetzung des Bebauungsplans keineswegs dauerhaft entgegen. Zudem sei das schutzwürdige Vertrauen der planunterworfenen Grundeigentümer in die Zweckbestimmung des Bebauungsplans nicht durch die Aufnahme rechtswidriger Nutzungen entfallen. Daran ändere auch das lange Zuwarten der Bauaufsichtsbehörde nichts, denn es fehle insoweit an einem positiven Tätigwerden. Die Beigeladene halte jedenfalls an der Festsetzung eines Gewerbegebiets fest.

Der Senat hat am 16. Mai 2014 das gesamte Gewerbegebiet E. und insbesondere das Gebäude auf FlNr. 964 besichtigt und am 6. Juni 2014 erstmals mündlich verhandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Bauakten‚ die von der Beigeladenen vorgelegten Aufstellungsunterlagen für den Bebauungsplan „Gewerbegebiet E.“ sowie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als auch im Klageverfahren, hier insbesondere auf die Niederschriften über die Ortsbesichtigung und die mündlichen Verhandlungen, Bezug genommen.

Gründe

Im Berufungsverfahren ist maßgeblicher Streitgegenstand der Bescheid vom 3. Mai 2012 (ergänzt um die mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 8. Mai 2014 nachgeholten Ermessenserwägungen) in seinen an die Klägerin gerichteten Anordnungen Nr. 1 (Nutzungsuntersagung)‚ Nr. 5 (Androhung von Zwangsgeldern) sowie Nr. 7 (Kosten). Eine Auslegung des Klagebegehrens vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Gerichts‚ auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO)‚ und des wohlverstandenen Interesses der Klägerin ergibt‚ dass - trotz des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten, auf umfassende Aufhebung gerichteten Klageantrags, an den das Gericht jedoch nicht gebunden war (vgl. § 88 VwGO) - ausschließlich die an die Klägerin gerichteten Anordnungen im Bescheid vom 3. Mai 2012 angefochten werden sollten‚ nicht hingegen die an die Eigentümerin des Gebäudes (Vermieterin) gerichtete Duldungsverpflichtung mit Zwangsgeldandrohung (Nr. 2‚ 6 des Bescheids). Insoweit fehlt es bereits an der für eine zulässige Klage erforderlichen Beschwer der Klägerin. Der vom Verwaltungsgericht angenommene „untrennbare sachliche Zusammenhang“ zwischen Nutzungsuntersagung mit Duldungsanordnung besteht nicht. Die Eigentümerin hat im Übrigen den sie belastenden Teil des Bescheids mit eigener Klage (Az. M 11 K 12.2708 und 1 B 13.649) angefochten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. Februar 2015 hat die Klägerin diese Auslegung ihres Klagebegehrens bestätigt. Nachdem das Verwaltungsgericht also in seinem der Klage stattgebenden Urteil über das Klagebegehren hinausgegangen ist und auch die Duldungsanordnung aufgehoben hat‚ konnte das Urteil insoweit keinen Bestand haben und war in diesem Umfang schon deshalb aufzuheben.

Die zulässige Berufung des Beklagten‚ die sich demnach nur noch gegen die Aufhebung der den Streitgegenstand bildenden Nr. 1‚ 5 und 7 des Bescheids richtet‚ ist begründet. Das der Klage zu Unrecht stattgebende Urteil war daher insgesamt aufzuheben. Die Untersagung der Nutzung der angemieteten Räume „zu Wohnzwecken“ ist rechtmäßig‚ weil die Überlassung an Arbeitnehmer der Klägerin zum Zwecke der Übernachtung zu einer wohnähnlichen Nutzung führt‚ die formell und im Gewerbegebiet materiell rechtswidrig ist (1.). Die Nutzungsuntersagung wurde vom Landratsamt in fehlerfreier Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens angeordnet (2.).

1. Die tatbestandliche Voraussetzung des Art. 76 Satz 2 BayBO‚ wonach die unter-sagte Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen muss‚ ist im vor-liegenden Fall bereits wegen der formellen Illegalität der Nutzung erfüllt (1.1). Darüber hinaus verstößt sie gegen materielles Bauplanungsrecht (1.2).

1.1 Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 76 Satz 2 BayBO‚ der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt‚ liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann vor‚ wenn das Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird (BayVGH‚ U.v. 5.12.2005 - 1 B 03.2567 - juris Rn. 23). Die Nutzungsuntersagung hat - insoweit einer Baueinstellung entsprechend - die Funktion‚ den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen; es muss daher nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung grundsätzlich nicht untersagt werden‚ wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist; eine offensichtlich materiell rechtmäßige Nutzung zu untersagen‚ ohne den Bauherrn vorher vergeblich nach Art. 76 Satz 3 BayBO aufgefordert zu haben‚ einen Bauantrag zu stellen‚ wäre unverhältnismäßig (BayVGH‚ B.v. 4.8.2004 - 15 CS 04.2648 - BayBVl 2005‚ 369).

Die Nutzung von zu gewerblichen Zwecken genehmigten Räumlichkeiten als Übernachtungsplätze für Arbeitnehmer stellt eine der Baugenehmigungspflicht unterliegende Nutzungsänderung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO dar‚ die nicht nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO verfahrensfrei ist‚ weil die Nutzungsänderung der bauplanungsrechtlichen Überprüfung bedarf. Mit der Weitergabe der gemieteten Räumlichkeiten an eigene Arbeitnehmer zu Übernachtungszwecken ohne vorherige Einholung einer Genehmigung verstößt die Klägerin (wie auch die Grundeigentümerin) gegen Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 BayBO‚ der eine „Bauausführung“ vor Bekanntgabe der Baugenehmigung verbietet. Anhaltspunkte für eine offensichtlich genehmigungsfähige Nutzung liegen schon angesichts der entgegenstehenden bauplanungsrechtlichen Situation (vgl. 1.2) nicht vor.

1.2 Die untersagte Wohnnutzung ist im Gewerbegebiet E. weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (1.2.1); der Bebauungsplan ist wirksam erlassen worden (1.2.2) und nicht funktionslos geworden (1.2.3). Die untersagte Nutzung hat zu keinem Zeitpunkt seit ihrer Aufnahme bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprochen (vgl. zu diesem Erfordernis‚ das sich aus der Eigenschaft einer Nutzungsuntersagung als Dauerverwaltungsakt ergibt: OVG NW‚ U.v. 19.12.1995 - 11 A 2734/93 - UPR 1996‚ 458; Decker in Simon/Busse a. a. O. Art. 76 Rn. 291).

1.2.1 Nach seiner allgemeinen Zweckbestimmung dient ein Gewerbegebiet vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben (§ 8 Abs. 1 BauNVO); dagegen soll im Gewerbegebiet nicht gewohnt werden. Dieser Grundsatz wird durch § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bestätigt‚ wonach gleichsam nur als notwendige Ergänzung einer gewerblichen Nutzung Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter ausnahmsweise zugelassen werden können; Bauvorhaben‚ die außerhalb des Anwendungsbereichs von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO einer Wohnnutzung oder zumindest wohnähnlichen Nutzung dienen sollen‚ sind mit dem Charakter eines Gewerbegebiets nicht vereinbar (vgl. z. B. zur Unzulässigkeit eines Seniorenpflegeheims im Gewerbegebiet: BVerwG‚ B.v. 13.5.2002 - 4 B 86.01 - NVwZ 2002‚ 1384). Unzulässig sind daher auch Gewerbebetriebe in Form eines Beherbergungsbetriebs oder einer Fremdenpension‚ soweit in ihnen gewohnt wird oder eine wohnähnliche Nutzung stattfindet (BVerwG‚ U.v. 29.4.1992 - 4 C 43.89 - BVerwGE 90‚ 140). Die Rechtsprechung hat daher gewerbliche Beherbergungsbetriebe als gebietsunverträglich angesehen‚ die der Erholung dienen oder in denen Personen nicht nur kurzzeitig untergebracht sind (BVerwG, U.v. 29.4.1992 - 4 C 43.89 - BVerwGE 90‚ 140). Allein der Umstand‚ dass der Bewohner in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zu dem vermietenden gewerblich tätigen Unternehmen steht‚ vermag eine Wohnnutzung nicht in eine gewerbliche Nutzung zu verwandeln (Stock in König/Roeser/Stock‚ 3. Aufl. 2014‚ § 3 Rn. 26).

Zwar erfüllt die Unterbringung der Arbeitnehmer der Klägerin in ihrer konkreten Ausgestaltung (Mehrbettzimmer ohne eigenen Küchen- und Sanitärbereich in nicht verschlossenen Räumen und Abrechnung der jeweils in Anspruch genommenen Übernachtungen) nicht den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens‚ der insbesondere eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit‚ Eigengestaltung der Haushaltsführung sowie des häuslichen Wirkungskreises voraussetzt und damit von anderen Nutzungsformen wie etwa der Unterbringung‚ der Verwahrung oder einer bloßen Übernachtungsmöglichkeit in einer sozialen Einrichtung abzugrenzen ist (BVerwG‚ B.v. 25.3.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996‚ 893). Die Unterbringung in der konkreten Ausgestaltung ermöglicht den Arbeitnehmern kein selbstbestimmtes privates Leben „in den eigenen vier Wänden“ (vgl. Stock in König/Roeser/Stock‚ a. a. O. § 3 Rn. 16 - 18), wovon sich der Senat im Rahmen der Ortsbesichtigung überzeugen konnte. Nach dem von der Klägerin verfolgten Nutzungskonzept kann von einem Wohnen schon deshalb nicht die Rede sein‚ weil es an jeglichem Rückzugsraum fehlt‚ der erst eine selbstbestimmte Häuslichkeit mit Privatsphäre ermöglicht. Gleichwohl hat die konkrete Nutzung wohnähnlichen Charakter und ist mit der Unterbringung in einem Wohnheim vergleichbar‚ die nach allgemeiner Auffassung dem Wohnen gleichsteht. Auch ein Arbeitnehmerwohnheim bietet zumindest dann einen auf Dauer angelegten Wohnungsersatz und widerspricht daher der Eigenart eines Gewerbegebiets‚ wenn nach dem Nutzungskonzept Arbeitnehmer für eine Dauer von etwa zwei bis sechs Monaten untergebracht werden (BVerwG‚ U.v. 29.4.1992 a. a. O.). Im vorliegenden Fall nutzen die Arbeitnehmer die ihnen von der Klägerin zur Verfügung gestellten Schlafstätten während der Beschäftigungsperiode mindestens drei- bis viermal in der Woche. Sie halten sich daher über erhebliche Zeiträume des Jahres und in jährlich wiederkehrendem Rhythmus in den Unterkünften auf. Demgegenüber tritt in den Hintergrund‚ dass die Unterkünfte offenbar an den Wochenenden und in den arbeitsfreien Zeiten (z. B. Zeiten saisonal bedingter Betriebsschließungen) von den dann in ihre Herkunftsorte zurückgekehrten Arbeitnehmern nicht genutzt werden; denn mit dem Kriterium der Dauerhaftigkeit des Wohnens soll nicht auf den Gegensatz zwischen einer längerem und kürzeren Aufenthaltsdauer oder einer solchen von unbestimmter und befristeter Dauer abgestellt‚ sondern danach unterschieden werden‚ ob ein Gebäude als „Heimstatt im Alltag“ anzusehen ist oder nur ein provisorisches‚ einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen ermöglicht (Stock in König/Roeser/Stock‚ a. a. O. § 3 Rn. 16 - 18). Nach dem dargestellten, auf Dauer angelegten Nutzungskonzept ist die Unterbringung dem Wohnen angenähert und verfolgt keine nur kurzzeitige und provisorische Lösung. Im Hinblick auf die Gebietsverträglichkeit bedeutet dies eine grundsätzlich störempfindliche und daher unzulässige Nutzung‚ die ungeachtet der Geräuschbelastung im konkreten Fall nicht den gebietstypischen Lärm- und sonstigen Belästigungen ausgesetzt werden soll. Werksunterkünfte für die längerfristige Unterbringung von Mitarbeitern gewerblich tätiger Unternehmen sind unzulässig (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, a. a. O., § 8 Rn. 19, 19a).

Auch der von der Klägerin angestellte Vergleich mit der Unterbringung von Soldaten in Kasernen führt nicht weiter; Soldaten sind nämlich aufgrund eines besonderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, die regelmäßig in Sondergebieten oder auf Gemeinbedarfsflächen liegen (vgl. Stock in König/Roeser/Stock‚ a. a. O., § 3 Rn. 27). Im vorliegenden Fall liegt schließlich auch keine Unterbringung in einer sozialen Einrichtung (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) vor‚ die eine besondere Funktion im Zusammenhang für eine im Gewer-begebiet zulässige Hauptnutzungsart erfüllt (vgl. VGH Mannheim‚ B.v. 9.4.2014 - 8 S 1528/13 - NVwZ-RR 2014‚ 752: Lehrlingswohnheim ausnahmsweise im Gewerbegebiet zulässig trotz wohnähnlicher Nutzung wegen der engen funktionalen Verklammerung mit angeschlossener Werkstätte).

1.2.2 Der maßgebliche Bebauungsplan der Beigeladenen vom 27. Mai 2004 ist formell fehlerfrei in Kraft getreten und auch nicht durch die tatsächliche Entwicklung im Gewerbegebiet funktionslos geworden. Der Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts‚ dass der am 25. Mai 2004 beschlossene Satzungstext vom ersten Bürgermeister der Beigeladenen am 27. Mai 2004 vor der Bekanntmachung am gleichen Tage ausgefertigt wurde‚ obwohl auf der Bebauungsplanurkunde (vgl. „F. Verfahrensvermerke“) die „Ausfertigung“ bereits auf den 17. März 2004 datiert wurde. Der 17. März 2004 bezeichnet nämlich nach dem Deckblatt des Bebauungsplans das Datum der Planerstellung („Plandatum“), das unrichtigerweise in die Rubrik „Ausfertigung“ eingetragen wurde. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran‚ dass die vom ersten Bürgermeister unterzeichnete Urkunde erst nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat ausgefertigt und anschließend bekanntgemacht wurde. Auch die Klägerin hat die entsprechenden Überlegungen des Erstgerichts nicht angegriffen.

1.2.3 Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet E.“ ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - auch nicht dadurch funktionslos und damit unwirksam geworden‚ dass sich materiell baurechtswidrige Wohnnutzungen im Gewerbegebiet befinden‚ als deren Folge nunmehr von einem faktischen Mischgebiet auszugehen wäre. Festsetzungen eines Bebauungsplans werden funktionslos und damit unwirksam‚ wenn - zum einen - die Verhältnisse im Plangebiet in ihrer tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben‚ der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und - zum anderen - diese Entwicklung so offenkundig ist‚ dass sie einem dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (st. Rspr., grundlegend: BVerwG‚ U.v. 29.4.1977 - 4 C 39.75 - BVerwGE 54‚ 5‚ 11; B.v. 29.5.2001 - 4 B 33.01 - NVwZ 2001‚ 1005; U.v. 28.4.2004 - 4 C 10.03 - BauR 2004‚ 1567). Dabei sind die Anforderungen an das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit streng und es ist große Zurückhaltung geboten (BVerwG, U.v. 3.12.1998 - 4 CN 3.97 - BVerwGE 108, 71; Uechtritz/Hartmannsberger‚ DVBl 2013‚ 70). Bloße Zweifel an der Realisierungsfähigkeit eines Bebauungsplans reichen nicht aus; er tritt nur außer Kraft‚ wenn offenkundig ist‚ dass er seine Funktion als Steuerungsinstrument für die städtebauliche Entwicklung verloren hat (BVerwG‚ U.v. 18.11.2004 - 4 C N 11.03 - BVerwGE 122/207‚ 214). Die einer bauplanungsrechtlichen Festsetzung zugrunde liegende Plankonzeption wird insbesondere nicht schon dann sinnlos‚ wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann (BVerwG‚ B.v. 6.6.1997 - 4 NB 6.97 - BauR 1997‚ 803). Angesichts dessen hängt die Beurteilung der Funktionslosigkeit einer Festsetzung auch nicht davon ab‚ ob eine Bebauung oder ihre Nutzung materiell legal oder illegal entstanden ist. Entscheidend sind die Art der Festsetzung‚ das Maß der Abweichung im tatsächlichen Bereich und die Irreversibilität der entstandenen Verhältnisse, wobei es nicht auf einzelne Grundstücke ankommt.

Unter Beachtung der dargestellten Grundsätze erweist sich die Festsetzung als Gewerbegebiet im vorliegenden Fall trotz des Vorhandenseins zum Teil seit Jahren bestehender, bauplanungsrechtlich unzulässiger Wohnnutzungen nicht als funktionslos; nach den vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisses kommt dem Bebauungsplan nach wie vor eine städtebauliche Steuerungsfunktion zu. Es ist schon nicht erkennbar‚ warum die zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten nicht in ihrem derzeitigen baulichen Zustand oder nach bestimmten Umbaumaßnahmen (wieder oder erstmals) einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden könnten. Bereits in dieser Hinsicht weicht der vorliegende Fall von den in der Rechtsprechung bejahten Fällen einer Funktionslosigkeit ab (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2001, a. a. O. Wiederansiedlung von nicht mehr bestehenden landwirtschaftlichen Hofstellen in einem Dorfgebiet praktisch ausgeschlossen; BVerwG, U.v. 28.4.2004, a. a. O. zur Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Kleinsiedlungsgebiets‚ weil im betreffenden Gebiet mit einer Rückkehr zur Selbstversorgung mit auf den Grundstücken gewonnenen Nahrungsmitteln nicht mehr zu rechnen war; BayVGH, B.v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris zur Funktionslosigkeit eines Sondergebiets „Kurheime und Sanatorien“ nach jahrzehntelanger Genehmigung von Wohnbauvorhaben). Es spricht aus tatsächlichen Gründen - ungeachtet der aktuellen Verhältnisse des Mietmarktes für Gewerberäume - nichts gegen eine (erstmalige oder erneute) Aufnahme der gewerblichen Nutzungen in den Räumlichkeiten, in denen derzeit gewohnt wird. Gerade das umfassende Aufgreifen aller Fälle unzulässiger Wohnnutzungen durch die Bauaufsichtsbehörde zeigt, dass die Verhältnisse keineswegs irreversibel sind, sondern eine Rückkehr zu unter bauplanungs- und -ordnungsrechtlichen Aspekten rechtmäßigen Zuständen durchaus realistisch erscheint. Im Übrigen hat auch die beigeladene Gemeinde in all den Jahren an der Konzeption eines Gewerbegebiets festgehalten. Im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens hat die Beigeladene diese Konzeption noch einmal überprüft und bestätigt.

Auch nach seinem äußeren Erscheinungsbild ist das Baugebiet keineswegs als Mischgebiet oder gar als allgemeines Wohngebiet einzustufen‚ wovon sich der Senat bei der Ortsbesichtigung überzeugen konnte. Nahezu auf jedem Grundstück ist eine gewerbliche Nutzung erkennbar‚ die das Baugebiet durchgehend prägt. Die nur teilweise erkennbare Wohnnutzung steht dem Eindruck eines gewerblich geprägten Gebiets schon deshalb nicht entgegen, weil in einem Gewerbegebiet auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zulässige Wohnungen anzutreffen sind und ein unbefangener Betrachter die Abgrenzung zum allgemeinen Wohnen nicht ohne weiteres feststellen kann. Damit fehlt es auch an dem Merkmal der Offenkundigkeit der zur (behaupteten) Funktionslosigkeit führenden Umstände. Die Abweichung zwischen der bauplanungsrechtlichen Festsetzung Gewerbegebiet und der tatsächlich vorgefundenen Situation hat in ihrer Erkennbarkeit bei weitem nicht den Grad erreicht‚ der einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehmen würde.

Der Bebauungsplan hat auch nicht deswegen seine städtebauliche Steuerungsfunktion eingebüßt, weil die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in Bezug auf die behauptete Unvermietbarkeit von Gewerberäumen einen Grad erreicht hätten, der eine Verwirklichung der im Bebauungsplan vorgesehenen Nutzungen ausschließt, weil sie auf unabsehbare Zeit wirtschaftlich nicht mehr tragfähig und damit unzumutbar sind (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2004 - 25 N 01.308 - BayVBl 2005,366). Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt nicht schon deshalb vor, weil sich die getroffenen Festsetzungen für den Grundeigentümer nicht ohne weiteres als rentabel erweisen, oder gar deshalb, weil sich wirtschaftlichere Festsetzungen denken lassen. Trotz der vorgetragenen aktuell schwierigen Vermarktungssituation für Gewerberäume besteht im Gewerbegebiet E. eine Vielzahl von - teils lange Jahre ansässigen, teils neu zugezogenen - Gewerbebetrieben; von einer generellen Unvermietbarkeit der Gewerberäume kann schon vor dem Hintergrund der mehrfachen Erweiterung des Gewerbegebiets nach Norden hin nicht ausgegangen werden. Auch nimmt die Ausweisung eines Gewerbegebiets dem Grundeigentümer nicht das wirtschaftliche Risiko ab, das sich aus den mit einer Vermietung zusammenhängenden Problemen ergibt, denn die Wirtschaftlichkeit von Grundstücksnutzungen ist erfahrungsgemäß Schwankungen unterworfen. Errichtet ein Eigentümer ohne vorherige Bedarfsanalyse in großem Umfang Gewerberaum, der über die spätere Nachfrage hinausgeht, kann dies nicht dazu führen, dass damit unter Missachtung der planerischen Festsetzung eine Wohnraumnutzung zulässig wird; die sich aus einer wirtschaftlichen Betätigung ergebenden Risiken, die mit wirtschaftlichen Chancen korrespondieren, sind im Grundsatz Lasten des Eigentums und nicht Lasten der Bauleitplanung (BVerwG, U.v. 29.9.1978 - 4 C 30.76 - BVerwGE 56, 283/290).

Schließlich vermag auch der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand‚ dass mindestens vier der genehmigten Betriebsleiterwohnungen zwischenzeitlich frei vermietet wurden und weitere Betriebsleiterwohnungen und -häuser von ehemaligen Betriebsinhabern bewohnt werden‚ nicht die Plankonzeption eines Gewerbegebiets in Frage zu stellen. Hierbei kann erst recht nicht von einer Unumkehrbarkeit der derzeitigen Nutzungen ausgegangen werden‚ weil eine Rückkehr zur Wohnnutzung durch den berechtigten Personenkreis der Betriebsinhaber und -leiter ohne weiteres möglich ist. Dementsprechend hat das Landratsamt angekündigt, in einem weiteren Schritt auch insoweit rechtmäßige Verhältnisse im Gewerbegebiet E. wiederherzustellen. Selbst wenn dieses Ziel nicht in jedem Fall erreicht werden sollte oder sich entsprechende Bemühungen über einen erheblichen Zeitraum („Auslauffristen“) hinziehen würden, wäre auch damit eine Funktionslosigkeit nicht zu begründen.

2. Die Anordnung der Nutzungsuntersagung weist auch keine Ermessensfehler auf; das Landratsamt hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck des Art. 76 Satz 2 BayBO ausgeübt (vgl. Art. 40 BayVwVfG).

Das dem Beklagten eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, durch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt (vgl. BayVGH‚ U.v. 5.12.2005 - 1 B 03.3567 - juris Rn. 26). Die Bauaufsichtsbehörde muss in einer Weise vorgehen‚ mit der die ihr obliegende Aufgabe‚ für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen‚ möglichst effektiv erfüllt wird; liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor‚ muss im Regelfall nicht näher begründet werden‚ weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (BayVGH‚ U.v. 5.12.2005‚ a. a. O.; sog. intendiertes Ermessen: Decker in Simon/Busse‚ a. a. O. Art. 76 Rn. 301).

2.1 Vor diesem Hintergrund ist es ermessensfehlerfrei, die Klägerin als Mieterin der Räumlichkeiten in Anspruch zu nehmen, denn - ungeachtet der bei Bescheidserlass noch bestehenden brandschutzrechtlichen Problematik - legt der Grundsatz der effektiven Bekämpfung des rechtswidrigen Zustandes hier ein Vorgehen gegen den Arbeitgeber nahe, der die angemieteten Räume seinen Arbeitnehmern für eine wohnähnliche Nutzung zur Verfügung stellt (vgl. für die bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung im Miet-/Pachtverhältnis: BayVGH, B.v. 28.7.2014 - 2 CS 14.1326 - juris Rn. 4; OVG Rhld.-Pf., B.v. 13.7.2010 - 8 A 10623/10 - NVwZ-RR 2010,755; OVG NW, B.v. 24.11.1988 - 7 B 2677/88 - juris Rn. 16 -18; Decker in Simon/Busse, a. a. O. Art. 76 Rn. 295; Jäde, Bayer. Bauordnungsrecht, 2013, Rn. 495).

2.2 Der Senat kann auch keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG feststellen. Die Bauaufsichtsbehörde ist nämlich nicht nur gegen die Klägerin‚ sondern in sachgerechter Weise auch gegen andere Eigentümer und Mieter von Gewerbebauten vorgegangen, in denen unerlaubte Wohnnutzungen festgestellt wurden. Aus dem vom Landratsamt im Verlaufe des Verfahrens im Jahr 2012 erstellten „Sanierungsplan“‚ der sämtliche Wohnnutzungen auflistet‚ ergibt sich‚ dass etliche weitere Nutzungsuntersagungen ergangen sind‚ die den Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Verfahren bilden‚ welche im Hinblick auf das erst kürzlich entschiedene Parallelverfahren (1 B 13.646, U. v. 13.2.2015) derzeit ruhen. Das Landratsamt beabsichtigte, zunächst den Ausgang dieses und des vorliegenden Rechtsstreits zur gerichtlichen Klärung der Frage der Funktionslosigkeit abzuwarten‚ bevor es sich im Falle der Bestätigung seiner Rechtsauffassung der Durchsetzung der weiteren Nutzungsuntersagungen im Gewerbegebiet widmet; ein derart abgestuftes Vorgehen ist auch im Hinblick auf die präventive Wirkung der Maßnahmen nicht zu beanstanden (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 11.3.1991 - 4 B 26.91 - juris).

Der Bauaufsichtsbehörde können im Übrigen vergleichbare Fälle‚ in denen sie noch nicht eingeschritten ist‚ nur ausnahmsweise entgegengehalten werden‚ wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt‚ für diese Art des Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (BVerwG‚ B.v. 23.11.1998 - 4 B 99.98 - BauR 1999‚ 734; U.v. 2.3.1973 - 4 C 40.71 - DVBl 1973‚ 636). Rechtswidrige Zustände‚ die sich bei einer Vielzahl von Grundstücken ergeben‚ müssen nicht in jedem Fall in flächendeckender Art und Weise bekämpft werden‚ vielmehr darf sich die Bauaufsichtsbehörde auf die Regelung von Einzelfällen beschränken‚ wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (BVerwG‚ B.v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR1992‚ 360). Vor dem so umrissenen Hintergrund vermag der Senat ein willkürliches Vorgehen gegen die Klägerin nicht zu erkennen; der vorliegende „Sanierungsplan“ bildet die Grundlage für ein gleichheitssatzgemäßes Einschreiten.

Schließlich macht auch der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand‚ dass die baurechtswidrigen Nutzungen von Betriebsleiterwohnungen im derzeitigen Stadium noch nicht aufgegriffen wurden‚ das Vorgehen gegen die Klägerin nicht willkürlich. Zum einen hat der Beklagte inzwischen nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils auch sämtliche nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genehmigte Wohnnutzungen im Gewerbegebiet erhoben und festgestellt, welche dieser Wohnungen nicht im Sinn dieser Bestimmung zulässig genutzt werden; Anhörungsschreiben zu den geplanten Nutzungsuntersagungen wurden in den Fällen versandt, in denen die Betriebsleiterwohnungen “frei vermietet“ wurden, während bei Wohnnutzungen durch ehemalige Betriebsleiter, deren Angehörige oder betriebszugehöriges Bereitschaftspersonal von einem Einschreiten abgesehen werden soll (vgl. Schr. LAB v. 8.5.2014, S. 2). Auch insoweit liegen ohne weiteres erkennbare sachliche Gründe für ein unterschiedliches Verwaltungshandeln vor, das sich jedenfalls nicht als gleichheitssatzwidrig darstellt.

Auch die für jeden Fall der unerlaubten Nutzung zu Wohnzwecken angedrohten Zwangsgelder (vgl. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 VwZVG) begegnen keinen rechtlichen Bedenken, nachdem die mit ihrer Hilfe durchzusetzende Unterlassungspflicht rechtmäßig angeordnet wurde.

3. Die Klägerin trägt als Unterliegende die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Es entspricht der Billigkeit‚ ihnen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren‚ die dort einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat‚ aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3‚ § 154 Abs. 3 VwGO); die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens‚ in dem die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat‚ trägt sie selbst.

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine baurechtliche Nutzungsuntersagung für Lackier- und Grundierarbeiten.

Die Antragstellerin, ein Unternehmen zur Planung, Fertigung und Montage von Stahlkonstruktionen, hat im Jahre 2002/2003 die Firma S. Stahl- und Apparatebau, Inhaber A. ..., übernommen. Sie betreibt auf dem Grundstück Fl.Nr. 618 Gemarkung F. eine betriebliche Niederlassung. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines mit Bebauungsplan „Im G1“ vom 21. Juli 1984 festgesetzten Gewerbegebietes.

Nach Nachbarbeschwerden über Lackierdämpfe untersagte das Landratsamt ... der Antragstellerin mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 20. Dezember 2013 unter Androhung eines Zwangsgelds die Durchführung von Lackier- und Grundierarbeiten auf dem Grundstück Fl.Nr. 618 Gemarkung F., soweit sie außerhalb der dafür genehmigten Lackierkabinen vorgenommen werden. Die Antragstellerin erhob beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage gegen den Bescheid und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 6. Februar 2014 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, die Nutzung der Halle 0 zum Lackieren und Beschichten großer Bauteile sei von der Baugenehmigung vom 3. November 1982 gedeckt und damit nicht formell illegal. Es liege in der Natur der Sache, dass in einem Stahlbaubetrieb auch beschichtet werde. Anhaltspunkte für eine Beschränkung dieser Nutzung durch die Gestattung zweier Lackierkabinen in dieser Baugenehmigung seien nicht ersichtlich. Wegen der von der Antragstellerin angewendeten Spritztechnik im Airless-Spritzverfahren sei die Nutzung der Halle 0 zu Beschichtungszwecken auch materiell legal. Eine Gesundheitsgefährdung für die Nachbarschaft bestehe dabei nicht. Durch das Lackier- und Grundierverbot stehe die Existenzfähigkeit des Betriebs der Antragstellerin in Frage.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 20. Dezember 2013 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die untersagte Nutzung sei formell illegal, weil keine Baugenehmigung vorliege, die Lackier- und Grundierarbeiten außerhalb der Lackierkabinen gestatte. Die betriebliche Notwendigkeit, Lackierarbeiten in den Hallen durchzuführen, habe sich nach den Feststellungen des Landratsamts erst zu Beginn der 1990er Jahre ergeben. Spätestens darin liege jedenfalls eine wesentliche Nutzungsänderung. Die Beweislast für die Einwendung, die Nutzung sei aufgrund einer behördlichen Gestattung formell legal, treffe den Adressaten einer Nutzungsuntersagung. Die untersagte Nutzung sei auch nicht genehmigungsfähig. Bei der Ableitung von organischen Lösemitteln bei Lackierarbeiten sei nach dem Stand der Technik gemäß der VDI-Richtlinie 2280 mindestens eine Abluftführung über das Dach anstelle der bisher praktizierten Lüftung durch die geöffneten Hallentore erforderlich. Der Einsatz des sog. „Airless-Spritzverfahrens“ ermögliche keinen Verzicht auf die nach dem Stand der Technik üblichen Schutzvorkehrungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses:

Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Denn es ist im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher - vergeblich - aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen (Art. 76 Satz 3 BayBO) bzw. ohne über einen bereits gestellten Bauantrag entschieden zu haben (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - BayVBl 2012, 86). Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Nutzungsuntersagung voraussichtlich rechtmäßig.

1. Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Durchführung von Lackier- und Grundierarbeiten in der Halle 0 und damit außerhalb der mit Baugenehmigung vom 3. November 1982 genehmigten Lackierkabinen nicht bauaufsichtlich genehmigt ist. Es kann dahinstehen, ob sich aus dieser Baugenehmigung die Gestattung von Beschichtungsarbeiten in der Halle 0 ohne weiteres deswegen entnehmen lässt, weil es - wie die Antragstellerin vorbringt - in der Natur der Sache liegt, dass in einem Stahlbaubetrieb auch beschichtet wird. Gleiches gilt für die Frage, ob sich aus der Auflage Nr. 23 zu der der Firma J. ... erteilten Baugenehmigung vom 13. April 1964, wonach auch die Bedingungen des Gewerbeaufsichtsamts vom 29. Januar 1964 als Bauauflagen gelten, ergibt, dass im Umkehrschluss aus Nr. 15 dieser Bedingungen abgeleitet werden kann, dass Spritz- und Tauchlackierarbeiten mit Lacken, die die Vorgaben dieser Bedingung erfüllen, uneingeschränkt genehmigt sind.

Denn jedenfalls enthält die Baugenehmigung vom 3. November 1982 - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - bei verständiger Auslegung eine Beschränkung der Lackierarbeiten auf die beiden von der Baugenehmigung umfassten Lackierkabinen. Die Baugenehmigung wurde der Firma J. ... erteilt für das Bauvorhaben „Errichtung der Produktionshalle 0“ nach Maßgabe der beiliegenden Bauvorlagen. Dem damaligen Bauantrag war eine schriftliche Baubeschreibung der Werkanlage der Firma S. beigefügt, in dem unter anderem in Nr. 10 die Hallenbelegung der Hallen 0 bis V beschrieben wurde. Ausführungen zur Nutzung der Hallen für Lackierarbeiten sind darin nicht ausdrücklich enthalten. Im ebenfalls beigefügten Grundriss vom 3. September 1982 des Werkes F. der Firma S. sind allerdings in Halle V zwei Räume mit der Zweckbestimmung „Farbspritzen“ und „Spritzen“ eingezeichnet, während bei der Halle 0 die Zweckbestimmung „Träger + Fertigteile-Lager Stahlbau“ eingetragen ist. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Lackierarbeiten nur in diesen beiden Räumen durchgeführt werden sollen, zumal auch die Zweckbestimmung für die anderen Hallen keine Hinweise auf die Durchführung solcher Arbeiten enthält. Dies gilt umso mehr, als sich auch in den Bauvorlagen für die früheren Baugenehmigungen vom 13. April 1964 zur Errichtung von drei Werkhallen und einer offenen Halle und vom 25. März 1968 zur Errichtung von zwei Werkhallen keine Hinweise auf die Durchführung von Lackierarbeiten finden lassen, obwohl dort die Zweckbestimmung der Hallen ausdrücklich genannt wurde. Für dieses Auslegungsergebnis spricht zudem, dass sich die Notwendigkeit, in der Halle 0 entsprechende Lackier- und Beschichtungsarbeiten durchführen zu müssen, nach den Feststellungen des Landratsamts erst dadurch ergeben hat, dass - anders als früher - auch größere Stahlteile bearbeitet werden mussten, die nicht mehr in die Lackierkabinen passten. Schließlich enthielt auch die Baubeschreibung zum Bauantrag der Firma S. Stahl- und Apparatebau, Inhaber A. ..., zur Verlängerung der Halle 0 in der Firma S., Stahl- und Apparatebau vom 1. Oktober 1988 keine Angaben zu chemischen und physikalischen Einwirkungen auf die Nachbarschaft.

2. Die untersagte Nutzung ist nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die untersagte Lackiertätigkeit dem Stand der Technik entspricht und welche Auswirkungen dadurch auf die Nachbarschaft, insbesondere das Wohnhaus auf Grundstück Fl.Nr. 617/1 Gemarkung F., hervorgerufen werden können. Der Antragsgegner hat insoweit darauf hingewiesen, dass nach der VDI-Richtlinie 2280 nur eine Ableitung lösungsmittelhaltiger Abluft bei Lackierarbeiten über das Dach dem Stand der Technik entspricht. Auch nach Nr. 5.5.1 TA Luft ist in der Regel eine Ableitung von Abgasen über Schornsteine erforderlich. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, bedarf es zur Klärung dieser Fragen der Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens, in dessen Rahmen von der Antragstellerin insbesondere eine genaue Betriebsbeschreibung vorzulegen ist. Nur so wird sich auch aufklären lassen, ob der Betrieb der Antragstellerin den Genehmigungsvorbehalten des Bundesimmissionsschutzgesetzes oder dem Anwendungsbereich der 31. BImSchV unterfällt. Soweit sich die Antragstellerin unter Hinweis auf den Bericht der W. Beratende Ingenieure GmbH & Co.KG vom 13. Januar 2014 und deren Stellungnahme vom 10. März 2014 darauf beruft, die Lackierarbeiten stellten keine Gesundheitsgefährdung für Menschen im benachbarten Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. 617/1 Gemarkung F... dar, liegt dieser Einschätzung eine Betriebsweise zugrunde (Verwendung des Airless-Spritzverfahrens, Lackiertätigkeit zu 70% in den Lackierkabinen und zu 30% in der Halle 0, Schließen des südöstlichen Hallentores), die in keiner Weise rechtlich abgesichert ist. Zudem erscheint nach den Feststellungen des Landratsamts bei einer Ortseinsicht vom 17. März 2014 zweifelhaft, dass die Antragstellerin diese Betriebsweise uneingeschränkt einhält. Bei dieser Ortseinsicht war das Tor auf der Südseite der Halle 0 geöffnet, obwohl vorher am Vormittag nach Angaben des Betriebsleiters der Antragstellerin im Bereich B/Halle 0 einige Metallbauteile beschichtet worden waren.

3. Soweit die Beschwerde die Nutzungsuntersagung überdies wegen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin für unverhältnismäßig hält, wird dies nicht hinreichend dargelegt. Allein der Hinweis, der Antragstellerin sei bereits ein Schaden im sechsstelligen Euro-Bereich entstanden, weil sie einen Auftrag nicht ausführen konnte, obwohl sie dazu verpflichtet war, reicht hierfür nicht aus. Abgesehen davon, wird im Bericht der W... Beratende Ingenieure GmbH & Co.KG vom 13. Januar 2014 unter Berufung auf die eigenen Angaben der Antragstellerin darauf abgestellt, dass nur 30% der Grundier- und Lackierarbeiten im südlichen Hallenbereich durchgeführt werden, während etwa 70% dieser Arbeiten in den beiden Lackierkabinen erfolgen. Diese Arbeiten werden von der angefochtenen Nutzungsuntersagung aber nicht erfasst. Wie den Verwaltungsakten (Bl. 81 zum Az. 602-40-AS-2013-408) entnommen werden kann, erscheint im Übrigen eine Aufhebung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids für den Fall einer kurzfristigen Beschaffung einer gegebenenfalls mobilen Abzugsanlage durch die Antragstellerin nicht ausgeschlossen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.