Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 12. Juli 2016 - W 2 M 16.30916
Tenor
I. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 29. Juni 2016 wird abgelehnt.
III. Die Kosten des gebührenfreien Erinnerungsverfahrens trägt die Erinnerungsführerin.
Gründe
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 12. Juli 2016 - W 2 M 16.30916 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.
Tenor
Die Erinnerung vom 04.11.2015 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - 12. Kammer- vom 20.10.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die Erinnerungsführer.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.
Gründe
I.
- 1
Die Erinnerungsführer wurden durch ihren Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem in vorbezeichneter asylrechtlicher Verwaltungsrechtssache gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht vertreten. Das Gericht gab der Klage durch mittlerweile rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 20.05.2015 vollumfänglich statt. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids wurde auf die Möglichkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung sowie auf mündliche Verhandlung hingewiesen.
- 2
Mit Antrag vom 24.06.2015 begehrten die Erinnerungsführer u.a. die Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG).
- 3
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 20.10.2015 ohne die geforderte Terminsgebühr fest. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass es beim vollständigen Obsiegen an einer Beschwer fehle und die Kläger deshalb keinen Rechtsbehelf einlegen könnten. Die Zurückweisung gleichwohl eingelegter Rechtsbehelfe bedürfe keines Urteils (und damit einer die Gebühr auslösenden mündlichen Verhandlung), sondern könne auch durch Beschluss erfolgen. Unter Hinweis auf VG Regensburg, Beschluss vom 30.03.2015 - RO 9 K 15.50006 - Juris-Rn. 4 wies er daraufhin, dass es dem von § 84 VwGO grundsätzlich intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck widerspreche, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtlichem Fehlen der Gründe für das Verlangen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Gerichts gleichwohl dazu zwingen könnte.
- 4
Die Erinnerungsführer haben unter dem 04.11.2015 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Sie tragen im Wesentlichen vor, dass sie auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten.
II.
- 5
Die in Ermangelung einer Abhilfe statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG in Verbindung mit §§ 165, 151, 148 Abs. 1 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - 12. Kammer - vom 20.10.2015 ist unbegründet.
- 6
Der Urkundsbeamte hat zu Recht in seinem Beschluss vom 20.10.2015 keine Terminsgebühr als Vergütungsbestandteil festgesetzt.
- 7
Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses entsteht die Terminsgebühr (auch), wenn (1.) nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und (2.) eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann.
- 8
Es ist vorliegend zwar durch Gerichtsbescheid entschieden worden und der Wortlaut von § 84 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 7 AsylG und die entsprechend im Gerichtsbescheid erteilten Belehrung mögen auf den ersten Blick dafür sprechen, dass auch die zweite Voraussetzung vorliegt. Allerdings - und insoweit ist der Wortlaut nicht eindeutig - ist nicht klar, ob damit lediglich die rein tatsächliche Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf mündliche Verhandlung gemeint ist oder, ob nicht vielmehr die Antragstellung auch potentiell zu einer mündlichen Verhandlung führen können muss.
- 9
Die gesetzliche Begründung zur Anpassung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 17/11471, S. 275) offenbart, dass nach dem gesetzgeberischen Willen die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann.
- 10
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Kläger haben vollständig obsiegt. In einem solchen Fall besteht bereits nicht die Erforderlichkeit, auf einen etwaigen entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Ablehnung eines - mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässigen - Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss nicht notwendigerweise durch Urteil erfolgen. Das Gericht kann den Antrag bei einem solchen Sachverhalt durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 125 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO als unzulässig verwerfen (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 30.03.2015 - RO 9 K 15.50006 - Juris-Rn. 4 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 27.03.2013 - IV R 51/10 - Juris-Rn. 3, ferner Geiger in: Eyermann, VwGO, §84 Rn. 21; Kunze in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, §84 Rn. 13; anderer Ansicht: Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, 28. EL 2015, §84 VwGO Rn. 43; Kopp/Schenke, VwGO, § 24 Rn. 39).
- 11
Die hier vertretene Auffassung wird durch die teleologische Auslegung gestützt. Der Gerichtsbescheid dient einer ökonomischen und sparsamen Verfahrensführung und -beendigung. Er erspart vor allem die Zeit, die Gericht und Beteiligte in eine mündliche Verhandlung investieren müssten, obwohl kein entsprechender Verhandlungsbedarf besteht, da - so die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid - der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Es wäre mit diesem von § 84 VwGO intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck nicht zu vereinbaren, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtlichem Fehlen eines sich aus dem Klagebegehren im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ergebenden Grundes - wie hier - mit dem Verlangen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Gericht dazu zwingen könnte, eine solche durchzuführen, nur um die Unzulässigkeit dieses Verlangens durch Urteil festzustellen.
- 12
Aus diesem Grund kann es auch nicht darauf ankommen, dass der kostenbelastete unterlegene Beteiligte zulässigerweise hätte mündliche Verhandlung beantragen können. Bei den hier zu betrachtenden Gebühren handelt es sich nicht um Vergütung für die echten Mühen eines durchgeführten Termins (denn ein solcher hat gerade nicht stattgefunden), sondern um eine fiktive Gebühr, die in erster Linie der Entlastung des Gerichts von mündlichen Verhandlungen dienen soll, auf die sonst womöglich nur im Gebühreninteresse erfolgen würden. Der Gesetzgeber wollte mit seiner o.g. Gesetzesänderung ganz offensichtlich die mit dieser Entlastung der Justiz einhergehende Kostenbelastung des unterlegenen Beteiligten auf die Fälle beschränken, in denen das befürchtete Szenario (Belastung der Justiz mit inhaltlich leerlaufenden mündlichen Verhandlungen im Gebühreninteresse) überhaupt besteht. Deshalb ist für die Frage, ob die fiktive Terminsgebühr angefallen ist, stets nur die Perspektive desjenigen zu betrachten, dessen Vergütungsanspruch in Rede steht.
- 13
Unerheblich ist ferner, ob der obsiegende Beteiligte oder gar alle Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Zunächst ist im vorliegenden Fall nicht klar, ob sich die getätigte Äußerung „es mag ohne mündliche Verhandlung entsprechend entschieden werden" überhaupt als unbedingter Verzicht auf mündliche Verhandlung im Sinne von §101 Abs. 2 VwGO verstehen ließe. Sie bezog sich unmittelbar auf die mit einem Hinweis im Sinne beabsichtigter Stattgabe verbundene Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Zudem ist maßgeblich für den vorliegenden Kontext nicht, ob das Gericht auch ohne mündliche Verhandlung hätte entscheiden können (was es im Übrigen nicht konnte, da die Beklagte sich ausdrücklich nur mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt hatte), sondern wie es konkret entschieden hat. Denn die Entscheidungsformen ohne mündliche Verhandlung (Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1) und durch Gerichtsbescheid (Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2) werden im Vergütungsverzeichnis klar unterschieden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Dies folgt bereits aus § 83b AsylG. Zudem sieht das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) einen Kostentatbestand für eine gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Erinnerungsverfahren nicht vor.
- 16
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).