Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 18. Aug. 2014 - 6 S 14.50098

bei uns veröffentlicht am18.08.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt,

a) dass vor der Durchführung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien eine Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes unter Berücksichtigung des Attestes von Dr. S. vom 30. Juli 2014 eingeholt wird, die bestätigt, dass von medizinischer Seite keine Einwände bestehen, den Antragsteller angesichts seiner Erkrankung und der daraus resultierenden Bedürfnisse sowie der praktischen Behandlungsmöglichkeiten in Bulgarien nach Bulgarien zu überstellen, und gegebenenfalls welche Vorkehrungen dabei zu beachten sind;

b) dass - soweit eine Überstellung ärztlicherseits nach Buchstabe a) möglich ist - die bulgarischen Behörden vor bzw. bei der Durchführung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien - unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Erkenntnisse - über dessen psychische Erkrankung sowie die erforderliche Weiterbehandlung und Medikation informiert werden und auch sonst die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden (z. B. Versorgung mit ausreichenden Medikamenten), um eine seinen Bedürfnissen entsprechende Weiterbehandlung in Bulgarien sicherzustellen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 14. März 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21. März 2014 einen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 13. Mai 2014 erklärten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 4. Juli 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2014 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien an (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund der illegalen Einreise in sein Hoheitsgebiet gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 30. Juli 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 5. August 2014, bei Gericht eingegangen am 6. August 2014, ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 14.50097 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,

1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Juli 2014 anzuordnen,

2. dem Antragsteller auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.

Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen vorbringen, er leide an einer psychischen Erkrankung, die einer dauerhaften ständigen medikamentösen Behandlung bedürfe. Auf das beiliegende ärztliche Attest vom 30. Juli 2014 werde verwiesen. In Bulgarien lägen systemische Mängel im Asylsystem und in den Aufnahmebedingungen vor. Im gemeinsamen Bericht vom April 2014 habe der UNHCR noch erhebliche Mängel festgestellt. Amnesty International habe in seinem Bericht vom März 2014 ebenso wie ECRE in seiner Stellungnahme vom 7. April 2014 systemische Mängel benannt und ausgeführt, dass weiterhin keine Überstellungen nach Bulgarien stattfinden dürften. Dies gelte für den Antragsteller umso mehr bei Berücksichtigung der erheblichen gesundheitlichen Probleme. Würde der Antragsteller in einer der beiden vom UNHCR noch im Bericht vom April 2014 genannten Aufnahmeeinrichtungen geschickt, würde er nicht die von ihm dringend benötigte medizinische Behandlung erhalten. Besondere Bedürfnisse würden bei einer Verteilung in Bulgarien nicht berücksichtigt.

Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich aber nicht weiter im Verfahren.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Gerichtsakte einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 6 K 14.50097 Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist in der Sache unbegründet, weil kein Ausnahmefall vorliegt, der entgegen § 34a Abs. 2 AsylVfG eine Aussetzung der Abschiebung gebietet. Der Antrag bleibt jedenfalls entsprechend § 36 Abs. 4 AsylVfG ohne Erfolg, da keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. Juli 2014 bestehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des Bescheides vom 25. Juli 2014 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.

Nach § 34a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) grundsätzlich nicht nach § 80 VwGO ausgesetzt werden. Vorliegend wurde die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien angeordnet. Hierbei handelt es sich um einen sicheren Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG, § 26a Abs. 2 AsylVfG: Bulgarien hat sich auch gemäß den Regelungen der Dublin-III-VO bereit erklärt, den Antragsteller zu übernehmen.

Die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin, insbesondere durch die Begründung eines Selbsteintritts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO, ist nicht ersichtlich.

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedsstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat aufgrund systemischer Mängel, d. h. regelhaft, so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen kann ein Asylbewerber einer Überstellung im Dublin-Verfahren entgegentreten. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und hat in Einklang damit die Annahme systemischer Mängel an hohe Hürden geknüpft. Im Hinblick auf die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel im Einzelfall zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - Asylmagazin 2014, 258; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16/14 - juris; B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - NVwZ 2014, 1039 mit Anm. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3).

Das Gericht ist nicht überzeugt, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen herrschen.

Auszugehen ist von den vorliegenden Erkenntnismitteln.

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände in Bulgarien. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. So listen insbesondere Amnesty International in seinem Bericht vom März 2014 sowie ECRE (European Council on Refugees and Exiles) in seiner Stellungnahme vom 7. April 2014 - trotz Anerkennung gewisser Verbesserungen - weiterhin mangelhafte Bedingungen auf und plädieren dafür, von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Bulgarien abzusehen. Auch Bordermonetoring führt in seinem Bericht vom 7. Juli 2014 über die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien Missstände auf und spricht sich gegen Überstellungen im Dublin-Verfahren nach Bulgarien aus, solange in Bulgarien keine menschliche Behandlung aller Asylsuchenden gewährleistet ist.

Entscheidend ist für das Gericht hingegen, dass UNHCR in seiner aktualisierten Bestandsaufnahme vom April 2014 („UNHCR Observations: Current Situation of Asylum in Bulgaria - April 2014“) nicht mehr darauf beharrt, von Dublin-Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien abzusehen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) hat ebenfalls keine Empfehlung ausgesprochen, von der Rückstellung nach Bulgarien abzusehen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C 528/11 - ABl EU 2013 Nr. C 225 S. 12 - NVwZ-RR 2013, 660). Maßgebend für UNHCR war, dass die bulgarischen Behörden und ihre Partner in den letzten drei Monaten signifikante Anstrengungen mit Blick auf die Lebensbedingungen für Asylsuchende und das Asylsystem unternommen haben. Die Bedingungen in den Aufnahmezentren haben sich verbessert. Es gibt Zugang zur medizinischen Versorgung. Auch die Unterstützung durch EASO brachte erhebliche Verbesserungen (vgl. auch Entscheiderbrief 7/2014, S. 4). In dem Bericht des UNHCR ist ausgeführt, trotz weiter gegebener Schwächen und Defizite des Asylsystems in Bulgarien sei angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen, zahlreichen Verbesserungen eine allgemeine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien - mit Ausnahme besonders schutzwürdiger Personen - nicht mehr angezeigt. Die in den Aufnahmezentren festgestellten Bedingungen hätten sich seit Dezember 2013 spürbar verbessert; dies betreffe den Zugang zur medizinischen Primärversorgung, Unterstützung durch Dolmetscherdienste im Anmelde- und Asylverfahren, bei der Unterkunft und der finanziellen Unterstützung. Bulgarien sei von der EU finanziell, logistisch und personell unterstützt worden. Die bulgarische Regierung hab sich dem Problem nicht verschlossen, sondern konstruktiv mit UNHCR und EASO zusammengearbeitet. Dabei ist zu betonen, dass es sich hier bei der Beurteilung des Antragstellers nicht allgemein um einen Flüchtling handelt, der etwa erneut illegal über die Außengrenzen einreist, sondern dass es vorliegend um die Rückführung im Rahmen einer Dublin-Überstellung von der Bundesrepublik Deutschland nach Bulgarien geht.

Nach den Feststellungen der EASO und von UNHCR zur tatsächlichen Situation geht das Gericht davon aus, dass die noch bestehenden Umstände jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren. Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel.

Das Gericht schließt sich demnach dem Teil der Rechtsprechung an, die das Bestehen systemischer Mängel in Bulgarien verneint und eine Überstellung im Dublin-Verfahren für zulässig erachtet, und nimmt im Übrigen darauf Bezug (siehe im Einzelnen VG Bremen, U.v. 16.7.2014 - 1 K 152/14 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 15.7.2014 - 17 L 1194/14.A - juris; VG Ansbach, U.v. 10.7.2014 - AN 11 K 14.30366 - juris; B.v. 13.5.2014 - AN 11 S 14.50036 - juris; VG München, B.v. 7.5.2014 - M 11 S 14.50163 - juris; B.v. 6.5.2014 - M 7 S 14.50100 - juris; VG Schwerin, B.v. 24.4.2014 - 5 B 391/14 As - juris; VG Berlin, B.v. 1.4.2014 - 23 L 122.14 A - juris; anderer Ansicht etwa VG München, B.v. 9.7.2014 - M 24 S 14.50336 - juris; VG Oldenburg, B.v. 1.7.2014 - 12 B 1387/14 - juris; VG Stuttgart, U.v. 24.6.2014 - A 11 K 741/14 - juris; VG Wiesbaden, B.v. 16.5.2014 - 7 L 458/14.WI.A - juris).

Weiter sind in der Person des Antragstellers keine Gründe ersichtlich, die den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig machen. Jedenfalls bei Beachtung der im Tenor ausgesprochenen Maßgaben besteh nach Überzeugung des Gerichts keine durchgreifenden Hindernisse gegen eine Überstellung des Antragstellers nach Bulgarien.

Soweit der Antragsteller unter Vorlage eines ärztlichen Attestes auf seine psychische Erkrankung und die erforderliche medikamentöse Behandlung verweist, geht das Gericht - abgesehen von der im Tenor aufgestellten Maßgabe - davon aus, dass die Antragsgegnerin ohnehin von sich aus veranlasst, dass vor Durchführung einer Überstellung nicht nur mögliche Vollstreckungshindernisse (wie insbesondere die Reisefähigkeit) überprüft und eventuell erforderliche Vorkehrungen getroffen werden, sondern dass auch alle relevanten Informationen, gegebenenfalls auch über besondere Bedürfnisse - einschließlich einer eventuell notwendigen medizinischen Versorgung -, an den Aufnahmestaat übermittelt werden, wie dies in Art. 31 und 32 der Dublin-III-Verordnung ausdrücklich vorgesehen ist. Ohnehin ist es Sache der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörden, eventuellen Gesundheitsgefahren bei der Abschiebung angemessen zu begegnen, etwa durch entsprechende Gestaltung der Abschiebung und Information des aufnehmenden Staates (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 - W 6 K 13.30525 - juris sowie BayVGH, B.v. 30.9.2003 - 10 CE 03.2581 - BayVBl. 2004, 87; B.v. 9.4.2003 - 10 CE 03.484 - NVwZ 2004, Beilage Nr. I 2, 14). Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Im Übrigen hat das Gericht durch die aufgestellte Maßgabe die entsprechenden Verpflichtungen nochmals verdeutlicht.

Mit der tenorierten Maßgabe wird zudem eventuellen Bedenken im Hinblick auf Aussagen des UNHCR Rechnung getragen. Der UNHCR hat in seinem Bericht vom April 2014 eingeräumt, dass es notwendig sein könnte, bestimmte Gruppen oder Personen von einer Überstellung nach Bulgarien auszunehmen. UNHCR hat sich insbesondere in Sorge gezeigt über Mängel an spezifischen Maßnahmen zugunsten von Personen mit besonderen Bedürfnissen. Dies betrifft die Identifizierung, Überweisung und Unterstützung. Jedoch hat der UNHCR insofern nicht von einer generellen Überstellung nach Bulgarien abgeraten, sondern nur aufgerufen, die Gesichtspunkte individuell zu prüfen. Dem trägt das Gericht durch die vor der Überstellung des Antragstellers nach Bulgarien einzuholende Stellungnahme des Gesundheitsamtes, in der gerade auf seine besonderen Bedürfnisse einzugehen ist, Rechnung. Mit dieser Überprüfung durch das Gesundheitsamt soll zum einen die Reisefähigkeit überprüft werden, die allerdings von Antragstellerseite selbst nicht bezweifelt wurde. Zum anderen soll geklärt werden, welche besonderen Bedürfnisse der Antragsteller hat, ob diese aus medizinischer Sicht auch in Bulgarien erfüllt werden können und ob bzw. welche konkreten Vorkehrungen (einschließlich der Versorgung mit der erforderlichen Medikation) vor der Überstellung nach Bulgarien zu treffen sind. In dem von der Antragstellerseite vorgelegten ärztlichen Attest vom 30. Juli 2014 wird insbesondere darauf verwiesen, dass eine durchgehende medikamentöse Behandlung erforderlich sei und dass eine Unterbrechung der Dauermedikation ein hohes Risiko für akute Entzugssyndrome und eine Verschlechterung der Depressionen darstellen könne. Dem wird dadurch Genüge getan, dass der Antragsteller bei einer Überstellung nach Bulgarien mit einer ausreichenden Anzahl von Medikamenten versorgt wird, bis er die nötigen Medikamente dann seitens der bulgarischen Behörden erhält. Außerdem soll Bulgarien die notwendigen Informationen erhalten. Denn wenn der abgebende Mitgliedstaat den aufnehmenden Mitgliedstaat über die besonderen individuellen Bedürfnisse des Antragstellers informiert, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenkonvention. Das Gericht geht davon aus, wenn aus medizinischer Sicht nach der Stellungnahme des Gesundheitsamts eine Überstellung des Antragstellers nach Bulgarien möglich ist, dass dort auch eine weitere medizinische Behandlung erfolgen kann. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist der Zugang zur medizinischen Versorgung in Bulgarien gewährleistet. Dabei ist es kein Hindernis, dass sich der Antragsteller auf den in Bulgarien für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard - auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikationsstandard - verweisen lassen muss, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (vgl. auch VG Düsseldorf, B.v. 15.7.2014 - 17 L 1194/14.A - juris; VG Schwerin, B.v. 24.4.2014 - 5 B 391/14 As - juris; anderer Ansicht VG Stuttgart, U.v. 24.6.2014 - A 11 K 741/14 - juris).

Soweit in den vorliegenden Erkenntnisquellen (vgl. etwa Bordermonitoring, Bericht über Bulgarien, 7. Juli 2014) noch die unzureichende medizinische Versorgung bzw. die dafür aufzuwendenden Eigenmittel etwa für Medikamente, gerade auch bei Personen mit besonderen Bedürfnissen, thematisiert ist, wird dem durch die im Tenor ausgesprochene Maßgabe ausreichend Rechnung getragen. Denn Voraussetzung für eine Überstellung nach Bulgarien ist eine positive ärztliche Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes, die sowohl die besonderen Bedürfnisse des Antragstellers als auch die praktischen Behandlungsmöglichkeiten in Bulgarien zu berücksichtigen hat. Zudem wurde schon darauf hingewiesen, dass weiter zu veranlassen ist, die bulgarischen Behörden konkret über die Bedürfnisse und Erfordernisse des Antragstellers zu informieren und bei einer möglichen Überstellung die erforderlichen Vorkehrungen (einschließlich Medikation) zu treffen.

Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG mit bestimmten Maßgaben - wie tenoriert - abzulehnen.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

„welchen Inhalt der Begriff ,systemischer Mangel' hat."

3

Es kann offenbleiben, ob angesichts der von dem Berufungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs gefundenen Ausfüllung dieses Begriffs mit dieser Fragestellung eine klärungsfähige Rechtsfrage in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt wird, zumal der Begriff des „systemischen Mangels" des Asylsystems lediglich als zusammenfassendes Kürzel für eine Situation steht, in der ein Schutzsuchender ausnahmsweise nicht auf einen anderen Mitgliedstaat verwiesen und dorthin überstellt werden kann. Jedenfalls rechtfertigt diese Frage mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und in dessen Folge auch des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

„Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi -NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland -NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens (,systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/ Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

4

Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung der Sache nach erkennbar zugrunde gelegt. Inwieweit auf abstrakt-genereller Ebene des rechtlichen Maßstabes insoweit zusätzlicher oder weitergehender Klärungsbedarf besteht, legt die Beschwerde nicht - auch nicht mit den Bezugnahmen auf einen der Beschwerdeschrift im Vorabdruck beigefügten wissenschaftlichen Aufsatz (Lübbe, „Systemische Mängel" in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, 105-111) - dar.

5

2. Die Beschwerde wirft - aufbauend auf der ersten Frage - weitere Fragen als grundsätzlich bedeutsam auf, nämlich

„ob Asylverfahren und/oder Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel im Sinne der zu 1. zu klärenden Frage aufweisen und

ob in Italien Asylbewerber und Dublinrückkehrer Gefahr laufen, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen i.S.v. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh infolge der dortigen Verhältnisse ausgesetzt zu sein."

und macht zur Begründung durch Verweis auf zahlreiche, teils erst nach der Verkündung der Berufungsentscheidung erstellte bzw. veröffentlichte Quellen geltend, dass das Asylsystem und die Aufnahmepraxis in Italien systemisch mangelhaft seien und gegen elementare Unionsgrundrechte verstießen.

6

Mit ihrem umfangreichen Vorbringen zur Aufnahmepraxis für Asylbewerber in Italien zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf. Denn ihr Vorbringen zielt der Sache nach nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatrichter vorbehaltene prognostische Würdigung, ob der Klägerin infolge der angeordneten Abschiebung nach Italien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete Rechtsfrage aufzuzeigen. Damit kann sie die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erreichen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. April 2012 - BVerwG 10 B 5.12 - juris und vom 18. April 2012 - BVerwG 10 B 8.12 - juris).

7

3. Schließlich folgert die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus, dass in dem Verfahren nach zuzulassender Revision das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV einzuholen sei. Auch damit kann sie nicht durchdringen.

8

3.1 Die Beschwerde hält eine Vorlage zum einen für erforderlich, weil

„der Inhalt des Begriffs des ,systemischen Mangels' sowie die Rechtsfrage, ob die Asylverfahren und/oder Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen und aufgrund dessen die Gefahr schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen besteht, [...] bislang seitens des EuGH nicht abschließend geklärt" sei.

9

Diese Frage wiederholt die Grundsatzfrage zu 1., für die im rechtlichen Ansatz insoweit kein weiterer rechtlicher Klärungsbedarf besteht (s.o. 1.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist zwar auch dann zu bejahen, wenn dargelegt wird, dass in einem zukünftigen Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Regelung voraussichtlich gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen sein wird (siehe etwa Beschluss vom 17. Juli 2008 - BVerwG 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 = NVwZ 2008, 1115, jeweils Rn. 10). Die Beschwerde legt indes auch keine Zweifelsfrage des Unionsrechts dar, die unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bewirkten Klärung weiteren unionsrechtlichen Auslegungsbedarf bewirkte und damit eine Vorlage rechtfertigen oder gebieten könnte. Es trifft zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Verhältnisse in Italien bislang nicht abschließend gewürdigt hat; das weist aber nicht auf eine klärungsfähige Frage zur Auslegung des Unionsrechts im Sinne des Art. 267 AEUV. Denn auch der Gerichtshof der Europäischen Union ist nach Art. 267 AEUV nicht befugt oder berufen, fallübergreifende Tatsachenfragen zu klären. Dies ist vielmehr auf der Grundlage des durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärten Unionsrechts Aufgabe der nationalen Gerichte.

10

3.2. Zum anderen erachtet die Beschwerde die Frage als grundsätzlich bedeutsam, weil durch den Gerichtshof der Europäischen Union klärungsbedürftig,

„ob auch Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-Verordnung der Fristbestimmung des Art. 17 Dublin-II-Verordnung unterliegen."

11

Dazu führt sie aus, dass Art. 23 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung Fristen für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs enthalte, nach deren Ablauf gemäß Absatz 3 der Vorschrift ein Zuständigkeitswechsel eintrete. Mit Blick auf das Ziel, den zuständigen Mitgliedstaat möglichst frühzeitig zu bestimmen, müsse eine derartige Fristvorgabe auch für die Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin-II-Verordnung gelten.

12

Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzfrage gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie setzt sich schon nicht - wie erforderlich - mit den Ausführungen des Berufungsgerichts und der von ihm angeführten Rechtsprechung zu der systematischen Trennung der Regelungen zur Aufnahme und Wiederaufnahme von Asylbewerbern in der Dublin-II-Verordnung (UA S. 9 f.) auseinander. Des Weiteren legt die Beschwerde nicht dar, warum diese Frage auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60) für die erstrebte Revisionsentscheidung erheblich wäre und daher eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich machen könnte. Denn der Gerichtshof hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Die Beschwerde verhält sich nicht zu der Frage, ob diese Grundsätze - was nahe liegt - dann auch bei dem in Art. 20 Abs. 1 Buchst. e genannten Rechtsbehelf gegen die Wiederaufnahmeentscheidung gelten.

13

Im Übrigen rechtfertigt die aufgeworfene Frage mangels Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren oder unionsrechtlicher Auslegungszweifel im Sinne des Art. 267 AEUV nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn sie lässt sich ohne Weiteres und frei von unionsrechtlichem Klärungsbedarf aus der Systematik der Dublin-II-Verordnung in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne beantworten. Dass die in Art. 17 Abs. 1 bestimmte Frist für die Unterbreitung des Aufnahmeersuchens an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat nicht auf die in sich geschlossene Regelung zu den Modalitäten der Wiederaufnahme in Art. 20 Dublin-II-Verordnung übertragen werden kann, ergibt sich bereits aus der Überschrift des Kapitel V sowie Art. 16 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung, die zwischen der Aufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. a: „... nach Maßgabe der Artikel 17 bis 19 ...") und der Wiederaufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c bis e: „... nach Maßgabe des Art. 20...") von Asylbewerbern unterscheiden. Art. 20 Abs. 1 Dublin-II-VO enthält in Buchst. b und c eine Frist- und Fiktionsregelung nur für den um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Einen Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat sieht Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO nur für den Fall vor, dass die Überstellung nicht innerhalb bestimmter Fristen durchgeführt wird. Diese Regelungen lassen keine Lücke erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-Verordnung zu schließen wäre.

14

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

15

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


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Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am … 1979 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.10.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 13.11.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 18.11.2013 gab der Kläger an, im August/September 2009 sei er von Teheran mit einer bulgarischen Fluggesellschaft nach Bulgarien geflogen. Er sei im Besitz eines bulgarischen Visums gewesen. Nach Ablauf des Visums habe er sechs Monate im Gefängnis zugebracht. Er habe dann einen Asylantrag gestellt. Drei Jahre später sei sein Asylgesuch angenommen worden und er habe einen bulgarischen Reiseausweis erhalten. Während des Asylverfahrens habe er eine Wohnung zur Verfügung gestellt erhalten und eine Schule besucht, um die Sprache zu erlernen. Nach drei Jahren sei er obdachlos gewesen. Er habe dann eine Fahrkarte gekauft und sei von Bukarest nach Stuttgart gefahren.
Mit Schriftsatz vom 31.01.2014 trug der Kläger vor, mit einem bulgarischen Visum sei er vom Iran nach Bulgarien gereist. Zunächst sei er sechs Monate lang in Haft gewesen. Dort habe er einen Asylantrag stellen müssen, um nicht abgeschoben zu werden. Während des Asylverfahrens habe er unter erbärmlichen Bedingungen in einem Asylwohnheim in Sofia gelebt. Sein Essen habe er aus Mülleimern holen müssen, um überleben zu können. Nach einem Jahr habe er eine Arbeitserlaubnis erhalten, jedoch keine Arbeitsstelle gefunden. Auch Behandlungskosten für eine schwere Nierenerkrankung seien nicht vom Staat übernommen worden. Während des Asylverfahrens habe er sich taufen lassen und mit großem Arrangement unter iranischen Flüchtlingen missioniert. Nach der Flüchtlingszuerkennung habe er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Sechs Monate lang habe er eine gewisse finanzielle Unterstützung bekommen und habe sich ein Zimmer nehmen sowie einen Sprachkurs belegen können. Von einem afghanischen Flüchtling habe er mitbekommen, dass er von der iranischen Botschaft beobachtet werde. Daraufhin habe er sein Engagement bei der Baptistenkirche beendet. Nach Ablauf der sechs Monate habe er keinerlei Unterstützung mehr von Seiten des bulgarischen Staates erhalten. Eine Arbeitsstelle habe er nicht gefunden. Er habe dann auf der Straße gelebt und sich aus Mülleimern ernährt. Von der schließlich gefundenen Arbeitsstelle in einem Dönerladen habe er seinen Lebensunterhalt kaum fristen können.
Mit Bescheid vom 05.02.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnet die Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Bulgarien gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt habe.
Am 11.02.2014 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Rücküberstellung nach Bulgarien würde zu einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 4 GrRCh führen. Die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Bulgarien wiesen systemische Mängel auf. Der UNHCR habe im Januar 2014 die Vertragsstaaten aufgefordert, vorläufig keine Asylbewerber mehr nach Bulgarien zu überstellen. Nach Erkenntnissen des UNHCR würden in Bulgarien die Grundbedürfnisse der Asylbewerber in Bezug auf Nahrung und Gesundheitsfürsorge nicht erfüllt. Bei Bulgarien könne es sich somit nicht um einen sicheren Drittstaat handeln. § 71a AsylVfG finde folglich keine Anwendung.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie trägt vor, die Übernahmezustimmung Bulgariens sei auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 1e VO-EG Nr. 343/2003 erfolgt. Hieraus folge, dass der Asylantrag des Klägers in Bulgarien abgelehnt worden sei. Falls das Bundesamt zuständig sei, handele es sich um einen Zweitantrag. Ein erneutes Verfahren könne aber nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG durchgeführt werden. Der Kläger habe aber nicht dargelegt und belegt, wann sein Asylantrag in Bulgarien abgelehnt worden sei. Eine Asylanerkennung scheitere an der Drittstaatenregelung.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 05.02.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
15 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
16 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
17 
Zwar ist Bulgarien aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Bulgarien indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
18 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
19 
Der Kläger hat im Hinblick auf Bulgarien systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Bulgarien die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
20 
Der UNHCR hat in einem Bericht vom 02.01.2014 („Bulgaria As a Country of Asylum“) ausgeführt, Asylsuchende, die gemäß den Vorgaben der Dublin II-VO nach Bulgarien abgeschoben würden, seien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Die unmenschlichen Aufnahmebedingungen bedeuteten eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf Privatsphäre. Außerdem liefen Asylsuchende Gefahr, willkürlich inhaftiert zu werden, da eine klare Rechtslage in Bulgarien fehle. Überstellungen nach Bulgarien müssten deswegen ausgesetzt werden.
21 
Im Jahr 2013 hätten mehr als 9100 Personen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dabei gehe der UNHCR davon aus, dass die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden höher sei als die, die in der Statistik erfasst werde. Bei Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren sei ein wesentliches Problem, dass eine Wideraufnahme des Asylverfahrens nach der Rückkehr aus einem anderen EU-Staat nicht gewährleistet sei. Denn das bulgarische Recht sehe vor, dass ein dreimonatiges Nichtbetreiben des Asylverfahrens zur Folge haben könne, dass der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werde. Dieses Ergebnis könne in der Regel nicht abgewendet werden, da Asylsuchende nicht darlegen könnten, warum sie das Asylverfahren vor der Behörde nicht betrieben hätten. Würden Asylsuchende in einer solchen Situation aus einem anderen EU-Staat abgeschoben, so würden sie regelmäßig in Abschiebungshaft genommen. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Damit dieser erfolgreich sein könne, müssten allerdings neue Gründe für den Asylantrag vorgetragen werden können, was regelmäßig nicht der Fall sein werde. Im Ergebnis führe dies zu einer Ablehnung als "offensichtlich unbegründet". Für diese abgelehnten Asylsuchenden gebe es keinerlei staatliche Unterstützung.
22 
Es gebe einen massiven Mangel an Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen. Deswegen finde vielfach eine Zuweisung in eine solche Aufnahmeeinrichtung nicht statt. Wegen der mangelnden Registrierungskapazitäten würden zahlreiche Asylanträge nicht entgegengenommen. Insgesamt werde sowohl die EU-Aufnahme- als auch die Asylverfahrensrichtlinie verletzt. Solange eine Registrierung eines Asylantrags nicht erfolgt sei, würden die betreffenden Personen wie regulär Aufhältige behandelt, denen die Abschiebung drohe.
23 
Eigentlich sei in Bulgarien eine längere Inhaftierung als 24 Stunden nur dann zulässig, wenn die Einreise oder der Aufenthalt irregulär seien oder keine Identitätsnachweise vorhanden seien. Dann könne bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Da zahlreiche Asylanträge nicht registriert würden, werde diese ausufernde Inhaftierungspraxis auch auf Asylsuchende angewandt. Auch wegen der fehlenden Aufnahmeplätze in Aufnahmeeinrichtungen blieben viele Asylsuchende zahlreiche Monate in Haft.
24 
Ein großes Problem in der Haft bestehe darin, dass es an qualifizierten Dolmetschern fehle. Eine Entlassung sei nur dann möglich, wenn Asylsuchende nachweisen könnten, dass sie eine externe Adresse in Bulgarien hätten. Teilweise habe dies zu einer Praxis geführt, dass fingierte Adressen, die Asylsuchende gegen Zahlung bestimmter Geldsummen beschaffen könnten, angegeben würden. Da die Unterkunft real aber nicht existiere, führe die Entlassung zur Obdachlosigkeit der Asylsuchenden.
25 
Nach offiziellen Angaben habe Bulgarien 4060 Aufnahmeplätze für Asylsuchende. Die meisten Aufnahmelager seien überbelegt. Zur Zeit gebe es sieben Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien. Die Hälfte aller Asylsuchenden in Bulgarien sei dort untergebracht. Bei einer der Aufnahmeeinrichtungen handele es sich um eine geschlossene Einrichtung, obwohl nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung von Asylsuchenden nicht zulässig sei. Bei 5000 Asylsuchenden sei eine externe Adresse vorhanden. Lebe jemand außerhalb der Lager, leiste der Staat keinerlei Unterstützung mit Ausnahme einer Gesundheitsversicherungskarte, die einen Zugang zur medizinischen Basisversorgung ermögliche.
26 
Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien kläglich. Essen werde vom Staat nicht angeboten und grundsätzlich bestehe auch kein Zugang zu Kochvorrichtungen. Es fehle auch an adäquater Heizung einschließlich heißen Wassers und notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen seien nicht auf einem akzeptablen Niveau.
27 
In Aufnahmeeinrichtungen erhielten Asylsuchende umgerechnet 33 EUR pro Monat. Direkt nach ihrer Ankunft erhielten sie ein Essenspaket, dass fünf Tage reichen solle.
28 
Die Bedingungen im Aufnahmelager Harmanli seien am schlimmsten. Hierbei handele es sich um eine geschlossene Einrichtung. Obwohl kein Essen zur Verfügung gestellt werde, dürften die Insassen das Lager nicht verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen. Die Aufnahmekapazität von 1450 Plätzen werde deutlich überschritten. In Harmanli gebe es entweder Fertighütten oder unrenovierte Gebäude, die keine angemessenen Standards böten.
29 
In den Aufnahmelagern gebe es keinerlei medizinische Versorgung. Da die Asylsuchenden verschriebene Medikamente selbst bezahlen müssten, dafür das Geld jedoch fehle, blieben Krankheiten unbehandelt.
30 
Die bulgarischen Behörden seien nicht in der Lage, Asylanträge zeitnah zu registrieren. Teilweise dauere es länger als sechs Monate, bis ein Asylantrag registriert sei. Während dieser Zeit würden die betroffenen Personen als Ausreisepflichtige behandelt. Die Verpflichtung zur Gewährleistung eines schnellen und fairen Zugangs zum Asylverfahren werde missachtet; dies stelle einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie dar.
31 
Standards eines fairen Verfahrens würden nicht eingehalten. So würden häufig Ablehnungen damit begründet, dass der Asylsuchende sich widersprüchlich oder inkonsistent geäußert habe. In einer rechtsstaatlichen Anhörung müssten Asylsuchende jedoch schon während der Anhörung auf die Widersprüche aufmerksam gemacht werden; dies sei in Bulgarien nicht der Fall.
32 
Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung während des Asylverfahrens.
33 
Für anerkannte Flüchtlinge gebe es nur sehr wenige staatliche Unterstützung. Die finanzielle Unterstützung sei sehr niedrig und werde davon abhängig gemacht, dass Sprachkurse besucht würden. Viele Flüchtlinge bekämen keine dauerhafte Beschäftigung wegen der wirtschaftlichen Situation in Bulgarien. Viele anerkannte Flüchtlinge seien von Obdachlosigkeit betroffen.
34 
Amnesty International führt in einer Pressemitteilung vom 31. März 2014 aus, bei einem Besuch in Bulgarien sei festgestellt worden, dass trotz einiger Fortschritte die Lebensbedingungen in einigen der Aufnahmezentren weiterhin unzureichend seien. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen, die schlechte Hygiene und die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln stellten nach wie vor schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien dar. Die Überfüllung des Aufnahmelagers Harmanli bestehe weiterhin.
35 
Pro Asyl teilt in einer Presseerklärung vom 23.05.2014 mit, in Bulgarien würden alle irregulär einreisenden Schutzsuchenden systematisch inhaftiert. Familien und Einzelpersonen müssten in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre böten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichende sanitäre Einrichtungen fehlten.
36 
ECRE (European Council on Refugees and Exiles) teilt in einer Stellungnahme vom 7. April 2014 mit, trotz der jüngsten lobenswerten Bemühungen der bulgarischen Behörden blieben die Mängel im Asylverfahren weiterhin bestehen. Die Nachhaltigkeit der Verbesserungen sei ungewiss. Obwohl warme Mahlzeiten seit Februar 2014 sowie die medizinische Betreuung in allen Aufnahmezentren nunmehr zur Verfügung stünden, seien die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren aufgrund der Überbelegung nach wie vor schwierig. Asylsuchende mit Wohnsitz außerhalb der Aufnahmezentren hätten keinen Zugang zu irgendeiner materiellen Unterstützung. Jede Überstellung von Asylbewerbern nach Bulgarien wäre verfrüht und würde die laufenden Bemühungen der verschiedenen Akteure in Bulgarien untergraben.
37 
Diese vorgenannten Auskünfte und Stellungnahmen begründen hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
38 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Bulgariens aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
13 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 05.02.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
15 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
16 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
17 
Zwar ist Bulgarien aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Bulgarien indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
18 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
19 
Der Kläger hat im Hinblick auf Bulgarien systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Bulgarien die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
20 
Der UNHCR hat in einem Bericht vom 02.01.2014 („Bulgaria As a Country of Asylum“) ausgeführt, Asylsuchende, die gemäß den Vorgaben der Dublin II-VO nach Bulgarien abgeschoben würden, seien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Die unmenschlichen Aufnahmebedingungen bedeuteten eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf Privatsphäre. Außerdem liefen Asylsuchende Gefahr, willkürlich inhaftiert zu werden, da eine klare Rechtslage in Bulgarien fehle. Überstellungen nach Bulgarien müssten deswegen ausgesetzt werden.
21 
Im Jahr 2013 hätten mehr als 9100 Personen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dabei gehe der UNHCR davon aus, dass die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden höher sei als die, die in der Statistik erfasst werde. Bei Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren sei ein wesentliches Problem, dass eine Wideraufnahme des Asylverfahrens nach der Rückkehr aus einem anderen EU-Staat nicht gewährleistet sei. Denn das bulgarische Recht sehe vor, dass ein dreimonatiges Nichtbetreiben des Asylverfahrens zur Folge haben könne, dass der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werde. Dieses Ergebnis könne in der Regel nicht abgewendet werden, da Asylsuchende nicht darlegen könnten, warum sie das Asylverfahren vor der Behörde nicht betrieben hätten. Würden Asylsuchende in einer solchen Situation aus einem anderen EU-Staat abgeschoben, so würden sie regelmäßig in Abschiebungshaft genommen. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Damit dieser erfolgreich sein könne, müssten allerdings neue Gründe für den Asylantrag vorgetragen werden können, was regelmäßig nicht der Fall sein werde. Im Ergebnis führe dies zu einer Ablehnung als "offensichtlich unbegründet". Für diese abgelehnten Asylsuchenden gebe es keinerlei staatliche Unterstützung.
22 
Es gebe einen massiven Mangel an Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen. Deswegen finde vielfach eine Zuweisung in eine solche Aufnahmeeinrichtung nicht statt. Wegen der mangelnden Registrierungskapazitäten würden zahlreiche Asylanträge nicht entgegengenommen. Insgesamt werde sowohl die EU-Aufnahme- als auch die Asylverfahrensrichtlinie verletzt. Solange eine Registrierung eines Asylantrags nicht erfolgt sei, würden die betreffenden Personen wie regulär Aufhältige behandelt, denen die Abschiebung drohe.
23 
Eigentlich sei in Bulgarien eine längere Inhaftierung als 24 Stunden nur dann zulässig, wenn die Einreise oder der Aufenthalt irregulär seien oder keine Identitätsnachweise vorhanden seien. Dann könne bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Da zahlreiche Asylanträge nicht registriert würden, werde diese ausufernde Inhaftierungspraxis auch auf Asylsuchende angewandt. Auch wegen der fehlenden Aufnahmeplätze in Aufnahmeeinrichtungen blieben viele Asylsuchende zahlreiche Monate in Haft.
24 
Ein großes Problem in der Haft bestehe darin, dass es an qualifizierten Dolmetschern fehle. Eine Entlassung sei nur dann möglich, wenn Asylsuchende nachweisen könnten, dass sie eine externe Adresse in Bulgarien hätten. Teilweise habe dies zu einer Praxis geführt, dass fingierte Adressen, die Asylsuchende gegen Zahlung bestimmter Geldsummen beschaffen könnten, angegeben würden. Da die Unterkunft real aber nicht existiere, führe die Entlassung zur Obdachlosigkeit der Asylsuchenden.
25 
Nach offiziellen Angaben habe Bulgarien 4060 Aufnahmeplätze für Asylsuchende. Die meisten Aufnahmelager seien überbelegt. Zur Zeit gebe es sieben Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien. Die Hälfte aller Asylsuchenden in Bulgarien sei dort untergebracht. Bei einer der Aufnahmeeinrichtungen handele es sich um eine geschlossene Einrichtung, obwohl nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung von Asylsuchenden nicht zulässig sei. Bei 5000 Asylsuchenden sei eine externe Adresse vorhanden. Lebe jemand außerhalb der Lager, leiste der Staat keinerlei Unterstützung mit Ausnahme einer Gesundheitsversicherungskarte, die einen Zugang zur medizinischen Basisversorgung ermögliche.
26 
Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien kläglich. Essen werde vom Staat nicht angeboten und grundsätzlich bestehe auch kein Zugang zu Kochvorrichtungen. Es fehle auch an adäquater Heizung einschließlich heißen Wassers und notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen seien nicht auf einem akzeptablen Niveau.
27 
In Aufnahmeeinrichtungen erhielten Asylsuchende umgerechnet 33 EUR pro Monat. Direkt nach ihrer Ankunft erhielten sie ein Essenspaket, dass fünf Tage reichen solle.
28 
Die Bedingungen im Aufnahmelager Harmanli seien am schlimmsten. Hierbei handele es sich um eine geschlossene Einrichtung. Obwohl kein Essen zur Verfügung gestellt werde, dürften die Insassen das Lager nicht verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen. Die Aufnahmekapazität von 1450 Plätzen werde deutlich überschritten. In Harmanli gebe es entweder Fertighütten oder unrenovierte Gebäude, die keine angemessenen Standards böten.
29 
In den Aufnahmelagern gebe es keinerlei medizinische Versorgung. Da die Asylsuchenden verschriebene Medikamente selbst bezahlen müssten, dafür das Geld jedoch fehle, blieben Krankheiten unbehandelt.
30 
Die bulgarischen Behörden seien nicht in der Lage, Asylanträge zeitnah zu registrieren. Teilweise dauere es länger als sechs Monate, bis ein Asylantrag registriert sei. Während dieser Zeit würden die betroffenen Personen als Ausreisepflichtige behandelt. Die Verpflichtung zur Gewährleistung eines schnellen und fairen Zugangs zum Asylverfahren werde missachtet; dies stelle einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie dar.
31 
Standards eines fairen Verfahrens würden nicht eingehalten. So würden häufig Ablehnungen damit begründet, dass der Asylsuchende sich widersprüchlich oder inkonsistent geäußert habe. In einer rechtsstaatlichen Anhörung müssten Asylsuchende jedoch schon während der Anhörung auf die Widersprüche aufmerksam gemacht werden; dies sei in Bulgarien nicht der Fall.
32 
Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung während des Asylverfahrens.
33 
Für anerkannte Flüchtlinge gebe es nur sehr wenige staatliche Unterstützung. Die finanzielle Unterstützung sei sehr niedrig und werde davon abhängig gemacht, dass Sprachkurse besucht würden. Viele Flüchtlinge bekämen keine dauerhafte Beschäftigung wegen der wirtschaftlichen Situation in Bulgarien. Viele anerkannte Flüchtlinge seien von Obdachlosigkeit betroffen.
34 
Amnesty International führt in einer Pressemitteilung vom 31. März 2014 aus, bei einem Besuch in Bulgarien sei festgestellt worden, dass trotz einiger Fortschritte die Lebensbedingungen in einigen der Aufnahmezentren weiterhin unzureichend seien. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen, die schlechte Hygiene und die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln stellten nach wie vor schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien dar. Die Überfüllung des Aufnahmelagers Harmanli bestehe weiterhin.
35 
Pro Asyl teilt in einer Presseerklärung vom 23.05.2014 mit, in Bulgarien würden alle irregulär einreisenden Schutzsuchenden systematisch inhaftiert. Familien und Einzelpersonen müssten in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre böten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichende sanitäre Einrichtungen fehlten.
36 
ECRE (European Council on Refugees and Exiles) teilt in einer Stellungnahme vom 7. April 2014 mit, trotz der jüngsten lobenswerten Bemühungen der bulgarischen Behörden blieben die Mängel im Asylverfahren weiterhin bestehen. Die Nachhaltigkeit der Verbesserungen sei ungewiss. Obwohl warme Mahlzeiten seit Februar 2014 sowie die medizinische Betreuung in allen Aufnahmezentren nunmehr zur Verfügung stünden, seien die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren aufgrund der Überbelegung nach wie vor schwierig. Asylsuchende mit Wohnsitz außerhalb der Aufnahmezentren hätten keinen Zugang zu irgendeiner materiellen Unterstützung. Jede Überstellung von Asylbewerbern nach Bulgarien wäre verfrüht und würde die laufenden Bemühungen der verschiedenen Akteure in Bulgarien untergraben.
37 
Diese vorgenannten Auskünfte und Stellungnahmen begründen hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
38 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Bulgariens aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am … 1979 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.10.2013 in das Bundesgebiet ein. Am 13.11.2013 beantragte er die Gewährung von Asyl.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 18.11.2013 gab der Kläger an, im August/September 2009 sei er von Teheran mit einer bulgarischen Fluggesellschaft nach Bulgarien geflogen. Er sei im Besitz eines bulgarischen Visums gewesen. Nach Ablauf des Visums habe er sechs Monate im Gefängnis zugebracht. Er habe dann einen Asylantrag gestellt. Drei Jahre später sei sein Asylgesuch angenommen worden und er habe einen bulgarischen Reiseausweis erhalten. Während des Asylverfahrens habe er eine Wohnung zur Verfügung gestellt erhalten und eine Schule besucht, um die Sprache zu erlernen. Nach drei Jahren sei er obdachlos gewesen. Er habe dann eine Fahrkarte gekauft und sei von Bukarest nach Stuttgart gefahren.
Mit Schriftsatz vom 31.01.2014 trug der Kläger vor, mit einem bulgarischen Visum sei er vom Iran nach Bulgarien gereist. Zunächst sei er sechs Monate lang in Haft gewesen. Dort habe er einen Asylantrag stellen müssen, um nicht abgeschoben zu werden. Während des Asylverfahrens habe er unter erbärmlichen Bedingungen in einem Asylwohnheim in Sofia gelebt. Sein Essen habe er aus Mülleimern holen müssen, um überleben zu können. Nach einem Jahr habe er eine Arbeitserlaubnis erhalten, jedoch keine Arbeitsstelle gefunden. Auch Behandlungskosten für eine schwere Nierenerkrankung seien nicht vom Staat übernommen worden. Während des Asylverfahrens habe er sich taufen lassen und mit großem Arrangement unter iranischen Flüchtlingen missioniert. Nach der Flüchtlingszuerkennung habe er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Sechs Monate lang habe er eine gewisse finanzielle Unterstützung bekommen und habe sich ein Zimmer nehmen sowie einen Sprachkurs belegen können. Von einem afghanischen Flüchtling habe er mitbekommen, dass er von der iranischen Botschaft beobachtet werde. Daraufhin habe er sein Engagement bei der Baptistenkirche beendet. Nach Ablauf der sechs Monate habe er keinerlei Unterstützung mehr von Seiten des bulgarischen Staates erhalten. Eine Arbeitsstelle habe er nicht gefunden. Er habe dann auf der Straße gelebt und sich aus Mülleimern ernährt. Von der schließlich gefundenen Arbeitsstelle in einem Dönerladen habe er seinen Lebensunterhalt kaum fristen können.
Mit Bescheid vom 05.02.2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnet die Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da Bulgarien gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt habe.
Am 11.02.2014 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, eine Rücküberstellung nach Bulgarien würde zu einer Verletzung seines Grundrechts aus Art. 4 GrRCh führen. Die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Bulgarien wiesen systemische Mängel auf. Der UNHCR habe im Januar 2014 die Vertragsstaaten aufgefordert, vorläufig keine Asylbewerber mehr nach Bulgarien zu überstellen. Nach Erkenntnissen des UNHCR würden in Bulgarien die Grundbedürfnisse der Asylbewerber in Bezug auf Nahrung und Gesundheitsfürsorge nicht erfüllt. Bei Bulgarien könne es sich somit nicht um einen sicheren Drittstaat handeln. § 71a AsylVfG finde folglich keine Anwendung.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.02.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie trägt vor, die Übernahmezustimmung Bulgariens sei auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 1e VO-EG Nr. 343/2003 erfolgt. Hieraus folge, dass der Asylantrag des Klägers in Bulgarien abgelehnt worden sei. Falls das Bundesamt zuständig sei, handele es sich um einen Zweitantrag. Ein erneutes Verfahren könne aber nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG durchgeführt werden. Der Kläger habe aber nicht dargelegt und belegt, wann sein Asylantrag in Bulgarien abgelehnt worden sei. Eine Asylanerkennung scheitere an der Drittstaatenregelung.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 05.02.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
15 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
16 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
17 
Zwar ist Bulgarien aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Bulgarien indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
18 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
19 
Der Kläger hat im Hinblick auf Bulgarien systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Bulgarien die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
20 
Der UNHCR hat in einem Bericht vom 02.01.2014 („Bulgaria As a Country of Asylum“) ausgeführt, Asylsuchende, die gemäß den Vorgaben der Dublin II-VO nach Bulgarien abgeschoben würden, seien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Die unmenschlichen Aufnahmebedingungen bedeuteten eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf Privatsphäre. Außerdem liefen Asylsuchende Gefahr, willkürlich inhaftiert zu werden, da eine klare Rechtslage in Bulgarien fehle. Überstellungen nach Bulgarien müssten deswegen ausgesetzt werden.
21 
Im Jahr 2013 hätten mehr als 9100 Personen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dabei gehe der UNHCR davon aus, dass die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden höher sei als die, die in der Statistik erfasst werde. Bei Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren sei ein wesentliches Problem, dass eine Wideraufnahme des Asylverfahrens nach der Rückkehr aus einem anderen EU-Staat nicht gewährleistet sei. Denn das bulgarische Recht sehe vor, dass ein dreimonatiges Nichtbetreiben des Asylverfahrens zur Folge haben könne, dass der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werde. Dieses Ergebnis könne in der Regel nicht abgewendet werden, da Asylsuchende nicht darlegen könnten, warum sie das Asylverfahren vor der Behörde nicht betrieben hätten. Würden Asylsuchende in einer solchen Situation aus einem anderen EU-Staat abgeschoben, so würden sie regelmäßig in Abschiebungshaft genommen. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Damit dieser erfolgreich sein könne, müssten allerdings neue Gründe für den Asylantrag vorgetragen werden können, was regelmäßig nicht der Fall sein werde. Im Ergebnis führe dies zu einer Ablehnung als "offensichtlich unbegründet". Für diese abgelehnten Asylsuchenden gebe es keinerlei staatliche Unterstützung.
22 
Es gebe einen massiven Mangel an Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen. Deswegen finde vielfach eine Zuweisung in eine solche Aufnahmeeinrichtung nicht statt. Wegen der mangelnden Registrierungskapazitäten würden zahlreiche Asylanträge nicht entgegengenommen. Insgesamt werde sowohl die EU-Aufnahme- als auch die Asylverfahrensrichtlinie verletzt. Solange eine Registrierung eines Asylantrags nicht erfolgt sei, würden die betreffenden Personen wie regulär Aufhältige behandelt, denen die Abschiebung drohe.
23 
Eigentlich sei in Bulgarien eine längere Inhaftierung als 24 Stunden nur dann zulässig, wenn die Einreise oder der Aufenthalt irregulär seien oder keine Identitätsnachweise vorhanden seien. Dann könne bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Da zahlreiche Asylanträge nicht registriert würden, werde diese ausufernde Inhaftierungspraxis auch auf Asylsuchende angewandt. Auch wegen der fehlenden Aufnahmeplätze in Aufnahmeeinrichtungen blieben viele Asylsuchende zahlreiche Monate in Haft.
24 
Ein großes Problem in der Haft bestehe darin, dass es an qualifizierten Dolmetschern fehle. Eine Entlassung sei nur dann möglich, wenn Asylsuchende nachweisen könnten, dass sie eine externe Adresse in Bulgarien hätten. Teilweise habe dies zu einer Praxis geführt, dass fingierte Adressen, die Asylsuchende gegen Zahlung bestimmter Geldsummen beschaffen könnten, angegeben würden. Da die Unterkunft real aber nicht existiere, führe die Entlassung zur Obdachlosigkeit der Asylsuchenden.
25 
Nach offiziellen Angaben habe Bulgarien 4060 Aufnahmeplätze für Asylsuchende. Die meisten Aufnahmelager seien überbelegt. Zur Zeit gebe es sieben Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien. Die Hälfte aller Asylsuchenden in Bulgarien sei dort untergebracht. Bei einer der Aufnahmeeinrichtungen handele es sich um eine geschlossene Einrichtung, obwohl nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung von Asylsuchenden nicht zulässig sei. Bei 5000 Asylsuchenden sei eine externe Adresse vorhanden. Lebe jemand außerhalb der Lager, leiste der Staat keinerlei Unterstützung mit Ausnahme einer Gesundheitsversicherungskarte, die einen Zugang zur medizinischen Basisversorgung ermögliche.
26 
Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien kläglich. Essen werde vom Staat nicht angeboten und grundsätzlich bestehe auch kein Zugang zu Kochvorrichtungen. Es fehle auch an adäquater Heizung einschließlich heißen Wassers und notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen seien nicht auf einem akzeptablen Niveau.
27 
In Aufnahmeeinrichtungen erhielten Asylsuchende umgerechnet 33 EUR pro Monat. Direkt nach ihrer Ankunft erhielten sie ein Essenspaket, dass fünf Tage reichen solle.
28 
Die Bedingungen im Aufnahmelager Harmanli seien am schlimmsten. Hierbei handele es sich um eine geschlossene Einrichtung. Obwohl kein Essen zur Verfügung gestellt werde, dürften die Insassen das Lager nicht verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen. Die Aufnahmekapazität von 1450 Plätzen werde deutlich überschritten. In Harmanli gebe es entweder Fertighütten oder unrenovierte Gebäude, die keine angemessenen Standards böten.
29 
In den Aufnahmelagern gebe es keinerlei medizinische Versorgung. Da die Asylsuchenden verschriebene Medikamente selbst bezahlen müssten, dafür das Geld jedoch fehle, blieben Krankheiten unbehandelt.
30 
Die bulgarischen Behörden seien nicht in der Lage, Asylanträge zeitnah zu registrieren. Teilweise dauere es länger als sechs Monate, bis ein Asylantrag registriert sei. Während dieser Zeit würden die betroffenen Personen als Ausreisepflichtige behandelt. Die Verpflichtung zur Gewährleistung eines schnellen und fairen Zugangs zum Asylverfahren werde missachtet; dies stelle einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie dar.
31 
Standards eines fairen Verfahrens würden nicht eingehalten. So würden häufig Ablehnungen damit begründet, dass der Asylsuchende sich widersprüchlich oder inkonsistent geäußert habe. In einer rechtsstaatlichen Anhörung müssten Asylsuchende jedoch schon während der Anhörung auf die Widersprüche aufmerksam gemacht werden; dies sei in Bulgarien nicht der Fall.
32 
Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung während des Asylverfahrens.
33 
Für anerkannte Flüchtlinge gebe es nur sehr wenige staatliche Unterstützung. Die finanzielle Unterstützung sei sehr niedrig und werde davon abhängig gemacht, dass Sprachkurse besucht würden. Viele Flüchtlinge bekämen keine dauerhafte Beschäftigung wegen der wirtschaftlichen Situation in Bulgarien. Viele anerkannte Flüchtlinge seien von Obdachlosigkeit betroffen.
34 
Amnesty International führt in einer Pressemitteilung vom 31. März 2014 aus, bei einem Besuch in Bulgarien sei festgestellt worden, dass trotz einiger Fortschritte die Lebensbedingungen in einigen der Aufnahmezentren weiterhin unzureichend seien. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen, die schlechte Hygiene und die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln stellten nach wie vor schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien dar. Die Überfüllung des Aufnahmelagers Harmanli bestehe weiterhin.
35 
Pro Asyl teilt in einer Presseerklärung vom 23.05.2014 mit, in Bulgarien würden alle irregulär einreisenden Schutzsuchenden systematisch inhaftiert. Familien und Einzelpersonen müssten in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre böten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichende sanitäre Einrichtungen fehlten.
36 
ECRE (European Council on Refugees and Exiles) teilt in einer Stellungnahme vom 7. April 2014 mit, trotz der jüngsten lobenswerten Bemühungen der bulgarischen Behörden blieben die Mängel im Asylverfahren weiterhin bestehen. Die Nachhaltigkeit der Verbesserungen sei ungewiss. Obwohl warme Mahlzeiten seit Februar 2014 sowie die medizinische Betreuung in allen Aufnahmezentren nunmehr zur Verfügung stünden, seien die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren aufgrund der Überbelegung nach wie vor schwierig. Asylsuchende mit Wohnsitz außerhalb der Aufnahmezentren hätten keinen Zugang zu irgendeiner materiellen Unterstützung. Jede Überstellung von Asylbewerbern nach Bulgarien wäre verfrüht und würde die laufenden Bemühungen der verschiedenen Akteure in Bulgarien untergraben.
37 
Diese vorgenannten Auskünfte und Stellungnahmen begründen hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
38 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Bulgariens aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
13 
Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 05.02.2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 16.04.2014 - A 11 K 1721/13 - juris; OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
15 
Die im Übrigen zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
16 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
17 
Zwar ist Bulgarien aufgrund der Zustimmung gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Bulgarien indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
18 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris -). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
19 
Der Kläger hat im Hinblick auf Bulgarien systemische Mängel geltend gemacht. Auch nach der Auskunftslage erfüllt Bulgarien die eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht.
20 
Der UNHCR hat in einem Bericht vom 02.01.2014 („Bulgaria As a Country of Asylum“) ausgeführt, Asylsuchende, die gemäß den Vorgaben der Dublin II-VO nach Bulgarien abgeschoben würden, seien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Die unmenschlichen Aufnahmebedingungen bedeuteten eine Verletzung der Menschenwürde und des Rechts auf Privatsphäre. Außerdem liefen Asylsuchende Gefahr, willkürlich inhaftiert zu werden, da eine klare Rechtslage in Bulgarien fehle. Überstellungen nach Bulgarien müssten deswegen ausgesetzt werden.
21 
Im Jahr 2013 hätten mehr als 9100 Personen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dabei gehe der UNHCR davon aus, dass die tatsächliche Anzahl von Asylsuchenden höher sei als die, die in der Statistik erfasst werde. Bei Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren sei ein wesentliches Problem, dass eine Wideraufnahme des Asylverfahrens nach der Rückkehr aus einem anderen EU-Staat nicht gewährleistet sei. Denn das bulgarische Recht sehe vor, dass ein dreimonatiges Nichtbetreiben des Asylverfahrens zur Folge haben könne, dass der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werde. Dieses Ergebnis könne in der Regel nicht abgewendet werden, da Asylsuchende nicht darlegen könnten, warum sie das Asylverfahren vor der Behörde nicht betrieben hätten. Würden Asylsuchende in einer solchen Situation aus einem anderen EU-Staat abgeschoben, so würden sie regelmäßig in Abschiebungshaft genommen. Dann bleibe nur noch die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Damit dieser erfolgreich sein könne, müssten allerdings neue Gründe für den Asylantrag vorgetragen werden können, was regelmäßig nicht der Fall sein werde. Im Ergebnis führe dies zu einer Ablehnung als "offensichtlich unbegründet". Für diese abgelehnten Asylsuchenden gebe es keinerlei staatliche Unterstützung.
22 
Es gebe einen massiven Mangel an Plätzen in Aufnahmeeinrichtungen. Deswegen finde vielfach eine Zuweisung in eine solche Aufnahmeeinrichtung nicht statt. Wegen der mangelnden Registrierungskapazitäten würden zahlreiche Asylanträge nicht entgegengenommen. Insgesamt werde sowohl die EU-Aufnahme- als auch die Asylverfahrensrichtlinie verletzt. Solange eine Registrierung eines Asylantrags nicht erfolgt sei, würden die betreffenden Personen wie regulär Aufhältige behandelt, denen die Abschiebung drohe.
23 
Eigentlich sei in Bulgarien eine längere Inhaftierung als 24 Stunden nur dann zulässig, wenn die Einreise oder der Aufenthalt irregulär seien oder keine Identitätsnachweise vorhanden seien. Dann könne bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Da zahlreiche Asylanträge nicht registriert würden, werde diese ausufernde Inhaftierungspraxis auch auf Asylsuchende angewandt. Auch wegen der fehlenden Aufnahmeplätze in Aufnahmeeinrichtungen blieben viele Asylsuchende zahlreiche Monate in Haft.
24 
Ein großes Problem in der Haft bestehe darin, dass es an qualifizierten Dolmetschern fehle. Eine Entlassung sei nur dann möglich, wenn Asylsuchende nachweisen könnten, dass sie eine externe Adresse in Bulgarien hätten. Teilweise habe dies zu einer Praxis geführt, dass fingierte Adressen, die Asylsuchende gegen Zahlung bestimmter Geldsummen beschaffen könnten, angegeben würden. Da die Unterkunft real aber nicht existiere, führe die Entlassung zur Obdachlosigkeit der Asylsuchenden.
25 
Nach offiziellen Angaben habe Bulgarien 4060 Aufnahmeplätze für Asylsuchende. Die meisten Aufnahmelager seien überbelegt. Zur Zeit gebe es sieben Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien. Die Hälfte aller Asylsuchenden in Bulgarien sei dort untergebracht. Bei einer der Aufnahmeeinrichtungen handele es sich um eine geschlossene Einrichtung, obwohl nach bulgarischem Recht eine Inhaftierung von Asylsuchenden nicht zulässig sei. Bei 5000 Asylsuchenden sei eine externe Adresse vorhanden. Lebe jemand außerhalb der Lager, leiste der Staat keinerlei Unterstützung mit Ausnahme einer Gesundheitsversicherungskarte, die einen Zugang zur medizinischen Basisversorgung ermögliche.
26 
Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien kläglich. Essen werde vom Staat nicht angeboten und grundsätzlich bestehe auch kein Zugang zu Kochvorrichtungen. Es fehle auch an adäquater Heizung einschließlich heißen Wassers und notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen seien nicht auf einem akzeptablen Niveau.
27 
In Aufnahmeeinrichtungen erhielten Asylsuchende umgerechnet 33 EUR pro Monat. Direkt nach ihrer Ankunft erhielten sie ein Essenspaket, dass fünf Tage reichen solle.
28 
Die Bedingungen im Aufnahmelager Harmanli seien am schlimmsten. Hierbei handele es sich um eine geschlossene Einrichtung. Obwohl kein Essen zur Verfügung gestellt werde, dürften die Insassen das Lager nicht verlassen, um Nahrungsmittel einzukaufen. Die Aufnahmekapazität von 1450 Plätzen werde deutlich überschritten. In Harmanli gebe es entweder Fertighütten oder unrenovierte Gebäude, die keine angemessenen Standards böten.
29 
In den Aufnahmelagern gebe es keinerlei medizinische Versorgung. Da die Asylsuchenden verschriebene Medikamente selbst bezahlen müssten, dafür das Geld jedoch fehle, blieben Krankheiten unbehandelt.
30 
Die bulgarischen Behörden seien nicht in der Lage, Asylanträge zeitnah zu registrieren. Teilweise dauere es länger als sechs Monate, bis ein Asylantrag registriert sei. Während dieser Zeit würden die betroffenen Personen als Ausreisepflichtige behandelt. Die Verpflichtung zur Gewährleistung eines schnellen und fairen Zugangs zum Asylverfahren werde missachtet; dies stelle einen Verstoß gegen die Asylverfahrensrichtlinie dar.
31 
Standards eines fairen Verfahrens würden nicht eingehalten. So würden häufig Ablehnungen damit begründet, dass der Asylsuchende sich widersprüchlich oder inkonsistent geäußert habe. In einer rechtsstaatlichen Anhörung müssten Asylsuchende jedoch schon während der Anhörung auf die Widersprüche aufmerksam gemacht werden; dies sei in Bulgarien nicht der Fall.
32 
Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsvertretung während des Asylverfahrens.
33 
Für anerkannte Flüchtlinge gebe es nur sehr wenige staatliche Unterstützung. Die finanzielle Unterstützung sei sehr niedrig und werde davon abhängig gemacht, dass Sprachkurse besucht würden. Viele Flüchtlinge bekämen keine dauerhafte Beschäftigung wegen der wirtschaftlichen Situation in Bulgarien. Viele anerkannte Flüchtlinge seien von Obdachlosigkeit betroffen.
34 
Amnesty International führt in einer Pressemitteilung vom 31. März 2014 aus, bei einem Besuch in Bulgarien sei festgestellt worden, dass trotz einiger Fortschritte die Lebensbedingungen in einigen der Aufnahmezentren weiterhin unzureichend seien. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen, die schlechte Hygiene und die unzureichende Versorgung mit Nahrungsmitteln stellten nach wie vor schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien dar. Die Überfüllung des Aufnahmelagers Harmanli bestehe weiterhin.
35 
Pro Asyl teilt in einer Presseerklärung vom 23.05.2014 mit, in Bulgarien würden alle irregulär einreisenden Schutzsuchenden systematisch inhaftiert. Familien und Einzelpersonen müssten in überfüllten Hallen leben, die keinerlei Privatsphäre böten, teilweise mit mangelndem Heizsystem und kaum elektrischer Versorgung. Ausreichende sanitäre Einrichtungen fehlten.
36 
ECRE (European Council on Refugees and Exiles) teilt in einer Stellungnahme vom 7. April 2014 mit, trotz der jüngsten lobenswerten Bemühungen der bulgarischen Behörden blieben die Mängel im Asylverfahren weiterhin bestehen. Die Nachhaltigkeit der Verbesserungen sei ungewiss. Obwohl warme Mahlzeiten seit Februar 2014 sowie die medizinische Betreuung in allen Aufnahmezentren nunmehr zur Verfügung stünden, seien die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren aufgrund der Überbelegung nach wie vor schwierig. Asylsuchende mit Wohnsitz außerhalb der Aufnahmezentren hätten keinen Zugang zu irgendeiner materiellen Unterstützung. Jede Überstellung von Asylbewerbern nach Bulgarien wäre verfrüht und würde die laufenden Bemühungen der verschiedenen Akteure in Bulgarien untergraben.
37 
Diese vorgenannten Auskünfte und Stellungnahmen begründen hinreichend deutlich die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweisen mit der daraus resultierenden Gefahr für den Kläger, dort im Falle der Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein.
38 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Bulgariens aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
39 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.