Verwaltungsgericht Trier Beschluss, 17. Apr. 2014 - 5 L 583/14.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2014:0417.5L583.14.TR.0A
17.04.2014

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 582/14.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage wird insoweit angeordnet, als sich die Klage gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. März 2014 unter Nummer 2 enthaltene Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Italien richtet.

2. Die Antragsgegnerin hat die der Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der innerhalb der Frist des § 34a AsylVfG gestellte Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. April 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 5 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – zulässig.

2

Mit ihrem Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 26a AsylVfG dahingehend beschieden, dass dem Antragsteller in der Deutschland kein Asylrecht zusteht und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet wird.

3

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die gemäß § 75 AsylVfG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen.

4

Dabei hat das Gericht vorrangig die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen, wobei allerdings § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in den Fällen des § 34a Abs. 2 AsylVfG keine Anwendung findet, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in Betracht kommt (vgl. Beschluss der Kammer vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris). Zu einer über die Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehenden weitergehenden Einzelfallbetrachtung ist das Gericht aufgrund der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin allerdings grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung der sofortigen Vollziehbarkeit ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).

5

Ausgehend hiervon muss der vorliegende Antrag Erfolg haben, denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.

6

Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 26a AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Insoweit hat das BVerfG bereits in einem Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 – u.a., juris, unter Randnummer 156 ausgeführt, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG erst dann ergeht, wenn der Zielstaat der Abschiebung einer Übernahme des Asylsuchenden zugestimmt hat.

7

Vorliegend fehlt es indessen bislang an einer Zustimmung der italienischen Behörden, so dass von daher bereits erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen.

8

Hinzu kommt, dass sich die Kammer der Auffassung der Antragsgegnerin, dass das von dem Antragsteller geltend gemachte familiäre Abschiebungshindernis nicht von ihr, sondern als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis von der für ihn zuständigen Ausländerbehörde nach Erlass einer auf § 34a Abs. 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung zu prüfen sei, unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, demzufolge das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (erst) anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, und Randnummer 156 des bereits zitierten Urteils des BVerfG vom 14. Mai 1996 nicht anzuschließen kann. Insoweit muss das Bundesamt daher vor Erlass einer Abschiebungsanordnung die Übernahmebereitschaft des Zielstaates und inländische Abschiebungshindernisse abschließend geklärt haben, da der Ausländerbehörde insoweit keine Entscheidungskompetenz zusteht (vgl. Beschluss der Kammer vom 19. Juli 2011 - 5 L 971/11.TR – und Bayerischer VGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 - sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, alle veröffentlicht bei juris). Ohne diese Klärung steht daher nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

9

Von daher bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, so dass es der Kammer interessengerecht erscheint, die aufschiebende Wirkung der Klage in dem beantragten Umfang anzuordnen.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

11

Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der am 6. September 2013 gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2013 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – in Verbindung mit §§ 34a Abs. 2, 75 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), geändert durch den insoweit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG seit dem 6. September 2013 anwendbaren Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), zulässig.

2

Mit dem vorgenannten Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG und Art. 16 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet. Gegen beide Entscheidungen ist in der Hauptsache eine Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid das Asylverfahren des Antragstellers ohne Sachprüfung abgeschlossen hat (vgl. insoweit BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 - und vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Januar 2013 - 20 B 12.30348 -, juris; Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP), so dass § 80 VwGO anwendbar ist.

3

Des Weiteren wurde der Antrag ungeachtet der Frage, welche Frist für eine Antragstellung bei bereits vor Inkrafttreten der Änderung des § 34a AsylVfG bekannt gegebenen Bescheiden gilt, jedenfalls fristgerecht gestellt.

4

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

5

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen. Insoweit finden die in den Fällen der vorliegenden Art in der Vergangenheit geltenden Einschränkungen, die darauf gründeten, dass aufgrund der bislang geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine angeordnete Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat kraft Gesetzes nicht nach §§ 80, 123 VwGO ausgesetzt werden durfte, keine Anwendung mehr, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten, zumal der Gesetzgeber insoweit die für offensichtlich unbegründete Asylanträge geltende Bestimmung des § 36 Abs. 4 AsylVfG, der zufolge eine Aussetzung der Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes angeordnet werden darf, nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat und die Gesetzesmaterialen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Gesetzauslegung bieten.

6

Die Bundestags-Drucksache 17/13556, die der Änderung des § 34a AsylVfG zugrunde liegt, enthält keine Angaben zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. In der Bundestagssitzung vom 7. Juni 2013 (vgl. Plenarprotokoll 17/244 S. 30891 ff, insbesondere S. 30895) wurde alsdann vor der Beschlussfassung in 2. und 3. Lesung ausdrücklich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingegangen und darauf hingewiesen, dass nur noch entscheidend sei, ob dem Aussetzungsinteresse des Schutzsuchenden Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Behörde einzuräumen sei.

7

Die Materialien über die Beteiligung des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG.

8

In der Bundesratsdrucksache 495/1/13 vom 21. Juni 2013 ist festgehalten, dass der Bundesratsausschuss für Innere Angelegenheiten dem Bundesrat gegenüber unter 3. eine Empfehlung folgenden Inhalts abgegeben hat:

9

„Der Bundesrat stellt aber fest, dass die Änderungen in § 34a AsylVfG ergänzungsbedürftig sind, weil sie das verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Anträgen nach § 80 Absatz 5 VwGO ungeregelt lassen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei dem nächsten Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes vorzusehen, dass im beschleunigten Verfahren bei Unbeachtlichkeit und offensichtlicher Unbegründetheit von Asylanträgen (§ 36 AsylVfG) entsprechende Bestimmungen ergänzt werden. Die Aussetzung der Überstellung darf nur angeordnet werden, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber erkennbar sind, sodass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH vom 21. Dezember 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10).“

10

In der Sitzung des Bundesrates vom 5. Juli 2013 (vgl. Stenografischer Bericht, Plenarprotokoll 912, S. 401, 429 - Anlage 19) gab alsdann die rheinland-pfälzische Staatsministerin Margit Conrad eine Erklärung dahingehend zu Protokoll, dass die vorstehend zitierte Entschließung aus dem Innenausschuss nicht mitgetragen werden könne, weil sie den gerade wieder eingeführten einstweiligen Rechtsschutz wieder relativieren würde.

11

Bei der anschließenden Beschussfassung des Bundesrates schloss sich alsdann nur eine Minderheit des Bundesrates der dargestellten Beschlussempfehlung an (vgl. Plenarprotokoll 912, S. 401 zu Punkt 14, Ziffer 3).

12

Demnach kommt eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, so dass die bei der Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO für kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verwaltungsakte allgemein geltenden Grundsätze Anwendung finden müssen. Danach haben die Gerichte die Erfolgsaussichten der in der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen. Zu einer weitergehenden Einzelfallbetrachtung sind sie grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).

13

Ausgehend hiervon erscheint es der Kammer interessengerecht, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil sie die Erfolgsaussichten der Klage unter Berücksichtigung der Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses des OVG Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 2013 - 10 B 10627/13.OVG –, auf die die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylVfG verweist, als zumindest offen einstuft, da der dortige Sachverhalt – insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Probleme - mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar erscheint, und in dem von dem Antragsteller vorgelegten fachärztlichen Attest, auf das die Antragsgegnerin in ihrer ausführlichen Antragserwiderung nicht eingegangen ist, nachvollziehbar dargelegt ist, warum bei dem Antragsteller aufgrund besonderer Umstände seines Einzelfalles in Italien eine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Lage zu befürchten sei, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten auszufallen hat.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

15

Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 11. April 2011 - 5 L 425/11.TR - einstweilen untersagt, eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Ungarn gemäß §§ 27 a, 34 a Asylverfahrensgesetz zu betreiben.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, in seinem Asylverfahren von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II - Verordnung gegenüber Ungarn Gebrauch zu machen und von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als der Antragsgegnerin einstweilen eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Ungarn zu untersagen ist. Ein derartiger Ausspruch entspricht auch letztlich dem Begehren des Antragstellers und erfordert keine teilweise Antragsablehnung, da das Gericht gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO nicht an den Wortlaut des gestellten Antrags gebunden ist und mit seinem Ausspruch nicht über das - entsprechend auszulegende - Begehren des Antragstellers hinausgeht.

2

Dabei steht dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht der rechtkräftige Beschluss der Kammer vom 11. April 2011 - 5 L 425/11.TR - entgegen, mit dem es die Kammer abgelehnt hat, die Antragsgegnerin durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, im Asylverfahren des Antragstellers von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin II - Verordnung gegenüber Ungarn Gebrauch zu machen. Insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob die Abänderung eines im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen rechtskräftigen Beschlusses nach § 123 VwGO auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen analog § 80 Abs. 7 VwGO (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 8 ME 111/10 -, juris) oder aber analog § 927 ZPO (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Dezember 1990 - 1 D 12325/90.OVG -) möglich ist, denn ungeachtet der Frage, aufgrund welcher Rechtsgrundlage grundsätzlich eine Abänderung eines im Verfahren nach § 123 VwGO ergangenen Beschlusses erfolgen kann (vgl. hierzu auch Kopp/Schenle, VwGO-Kommentar, 16. Auflage, § 123 Rdnr. 35), sieht die Kammer vorliegend Veranlassung, ihren Beschluss vom 11. April 2011 abzuändern und nunmehr der Antragsgegnerin aufzugeben, gegenüber dem Antragsteller bis auf Weiteres von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

3

Ferner hindert § 123 Abs. 5 VwGO nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO, denn der bei den Akten befindliche Bescheid vom 26. Mai 2011, mit dem die Antragsgegnerin ausführt, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist, und seine Abschiebung nach Ungarn anordnet, ist mangels Bekanntgabe an den Antragsteller ihm gegenüber noch nicht gemäß § 43 VwVfG in Verbindung mit § 31 AsylVfG wirksam geworden.

4

Schließlich steht § 34a Abs. 2 AsylVfG der Statthaftigkeit des vorliegenden Antrags nicht entgegen. Zwar hat die Kammer bislang in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Rückführung von Ausländern nach Ungarn die Auffassung vertreten, dass Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG unstatthaft seien, wenn Ungarn gemäß § 27 a AsylVfG für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteile vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -), da einer der dort aufgeführten Ausnahmefälle oder ein vergleichbarer Fall, der zur Unanwendbarkeit des § 34 a Abs. 2 AsylVfG führe, nicht generell bei Rückführungen nach Ungarn anzunehmen sei. Grundsätzlich sei vielmehr davon auszugehen, dass Ungarn als Vertragsstaat nach dem Dubliner Übereinkommen den notwendigen Schutz für Asylsuchende gewähre, so dass lediglich erhebliche individuelle Gründe einen Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen könnten (vgl. Beschluss der Kammer vom 20. Dezember 2010 - 5 L 1482/10.TR -). An dieser Rechtsprechung hält die Kammer weiterhin fest, ist aber der Überzeugung, dass vorliegend erhebliche individuelle Gründe einen Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründen, weil der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass derzeit bei ihm ein inländisches Abschiebungshindernis besteht, nachdem das Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie dem Antragsteller unter dem 12. Juli 2011 eine bis auf Weiteres bestehende Reise- und Transportunfähigkeit attestiert hat.

5

Zur Berücksichtigung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse durch die Antragsgegnerin hat das OVG Hamburg in einem Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris, ausgeführt:

6

"Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen der Ausländer in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. ...

7

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann die Abschiebung (nur) durchgeführt werden, wenn sie rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist; andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Zwar dürfte der Gesetzgeber mit der Formulierung in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, ("... sobald feststeht, dass sie [die Abschiebung] durchgeführt werden kann"), vorrangig darauf abgestellt haben, dass das Bundesamt zunächst die Übernahmebereitschaft des Zielstaates zu klären und insbesondere die Fragen zu prüfen hat, ob eine Rückführung in allernächster Zeit (alsbald) auch möglich sein wird und ob ansonsten die technischen Details einer Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den übernahmebereiten Staat geregelt sind. Weitere Voraussetzung einer Abschiebungsanordnung ist aber, dass die Abschiebung nicht aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden Gründen - auch nur vorübergehend - rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Denn im Gegensatz zur Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG, die das Bundesamt mit der Entscheidung über den Asylantrag erlässt und bei der es nur so genannte zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997, BVerwGE 105, 323 ff, juris Rn. 8, 9, und Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 ff., juris Rn. 9 ff.), muss das Bundesamt bei Erlass der Abschiebungsanordnung feststellen, dass alle Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Abschiebung erfüllt sind und die Abschiebung durchgeführt werden kann. Ist eine Abschiebung aus in der Person des Ausländers liegenden Gründen aber rechtlich oder tatsächlich nicht möglich - weil der Aufenthaltsbeendigung insoweit ein innerstaatliches Abschiebungshindernis entgegen steht -, ist die Abschiebungsanordnung rechtswidrig.

8

Eine "Ausblendung" solcher innerstaatlicher Abschiebungshindernisse bei Erlass der auf die unmittelbare Aufenthaltsbeendigung gerichteten Maßnahme nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auch nicht durch Art. 16a Abs. 2 GG gerechtfertigt. Solche Hindernisse, die in der Person des Ausländers begründet sind, können ihrer Eigenart nach nicht im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung, das generell die Annahme der Sicherheit vor politischer Verfolgung in bestimmten Drittstaaten betrifft, von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden. Deshalb erfasst der Ausschluss vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, § 34 a Abs. 2 AsylVfG inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nicht (vgl. BVerfG, Urt, v. 14.5.1996, BVerGE 94, 49 ff., juris, Rn. 189; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2010, § 34 a AsylVfG, Rn. 15; Müller, HK-AusIR, 1. Aufl. 2008, § 34 a AsylVfG, Rn. 18).

9

Schon aus dem Vorstehenden folgt, dass inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG, für die ausschließlich das Bundesamt zuständig ist, ausnahmsweise (auch) vom Bundesamt und nicht - wie grundsätzlich im Asylverfahrens- und im Ausländerrecht geregelt- von der Ausländerbehörde zu prüfen sind (wie hier: OVG Greifswald, Beschl. v. 29.11.2004, 2 M 299/04, juris, Rn. 9; VG Aachen, Beschl. v. 28.10.2010, 7 L 419/10.A, juris Rn. 14 ff.; VG Saarlouis, Beschl. v. 20.9.2010, 6 L 919/10, juris; , VG Weimar, Beschl. v. 11.12.2009, 7 E 20173/09, juris; VG Karlsruhe, Beschl. v. 9.12.2008, 4 K 39116/08, juris; VG Würzburg, Urt. V. 26.7.2007, W 5 K 07.30121, juris; VG Freiburg, Beschl. v. 30.10.2006, A 3 K 710/06; juris; VG Oldenburg, Urt. v. 28.9,2005, 11 A 3134/04, juris; VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.2005, 13 AE 555/05; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2010, § 34a AsylVfG, Rn. 15; Hailbronner, AusIR, 48. Aktualisierung August 2006, § 43a AsylVfG Rn. 45; indifferent Müller, HK-AusIR, 1. Aufl. 2008, § 34 a AsylVfG, Rn. 18: Eilantrag [auch] gegen Bundesamt; a.A. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.7.2010, 13 K 3075/10.A, juris; VG Frankfurt, Beschl. v. 1.8.2002, 5 G 2082/02.A, juris; VG Gießen, Urt. v. 22.8.2003, 2 E 2152/03.A).

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Für eine "Gesamtzuständigkeit" des Bundesamtes zur Feststellung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse sprechen ferner Sinn- und Zweck des § 34a AsylVfG und die dadurch umgesetzten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen. In den Fällen des § 27a AsylVfG schließt diese Zuständigkeit neben der Prüfung etwaiger Abschiebungshindernisse und dem Erlass der Abschiebungsanordnung auch die Entscheidung des Bundesamtes ein, gegebenenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO auszuüben. Einer vom Gesetzgeber beabsichtigten möglichst kurzfristigen Überstellung eines Asylantragstellers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen (Aufnahme-)Staat würde es entgegen stehen, im Rahmen der Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Prüfungskompetenz für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse aufzuspalten und unterschiedlich Behörden mit entsprechenden Feststellungen zu beauftragen.

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Dazu im Einzelnen:

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Das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, soll nach den Regelungen der Dublin II VO zügig durchgeführt und durch die Überstellung des Asylantragstellers in den aufnahmebereiten Mitgliedstaat möglichst kurzfristig abgeschlossen werden. Dieses Beschleunigungsgebot ergibt sich unter anderem aus den relativ kurzen Fristen, die sowohl dem um die Aufnahme des Drittstaatsangehörigen ersuchten Mitgliedstaat für eine entsprechende Antwort gegenüber dem ersuchenden Staat gesetzt sind (vgl. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Dublin II VO) als auch aus der Frist, innerhalb derer ein Asylantragsteller in den Mitgliedstaat, der seiner Aufnahme zugestimmt hat, zu überstellen ist (vgl. Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO). Dementsprechend sieht auch das nationale Recht eine im Regelfall beschleunigte Durchführung des Überstellungsverfahrens vor. Nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG bedarf es weder einer vorherigen Androhung (der Abschiebung) noch einer Fristsetzung. Weiter darf nach Absatz 2 dieser Norm im Regelfall die Abschiebung nicht nach § 80 VwGO oder § 123 VwGO ausgesetzt werden.

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Mit dem aus diesen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Regelung ersichtlichen Beschleunigungsgebot wäre schwerlich zu vereinbaren, dass das Bundesamt zwar für die Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zuständig ist, dass aber vor einer Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den aufnahmebereiten Drittstaat nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde zu prüfen hätte, ob gegebenenfalls tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse einer Aufenthaltsbeendigung entgegen stehen (vgl. auch zu dem mit Dublin II VO verfolgten Ziel einer zügigen Bearbeitung von Asylanträgen EuGH [Vierte Kammer], Urt. v. 29.1.2009, NJW 2009, 639 ff.).

14

Schließlich spricht die Möglichkeit gegenläufiger Entscheidungen gegen ein Auseinanderfallen der Zuständigkeit für die Prüfung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen einerseits und für den Erlass der Abschiebungsandrohung andererseits. Dazu könnte es kommen, wenn die Ausländerbehörde in Bezug auf einen Asylantragsteller ein (tatsächliches oder rechtliches) Abschiebungshindernis von unbestimmter Dauer feststellt (etwa wegen dauernder Reiseunfähigkeit, familienbedingter Notwendigkeit des Daueraufenthalts im Bundesgebiet u.ä.) und deshalb die Überstellung des Drittstaatsangehörigen in den für das Asylverfahren zuständigen Staat trotz Vorliegens einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG dauerhaft aussetzt, das Bundesamt gleichwohl an seiner Anordnung festhält und insbesondere sein Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO nicht wahrnimmt. Dann könnte der Drittstaatsangehörige zwar für nicht absehbare Zeit nicht aus dem Bundesgebiet abgeschoben werden, er wäre zugleich aber auch (wegen seines hiesigen Aufenthalts) dauerhaft an der Verfolgung seines - gegebenenfalls begründeten - Anspruchs auf Anerkennung als asylberichtigt bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gehindert. Dieses Ziel könnte er in diesem Fall nur nach dem Verlassen Deutschlands - was ihm im Fall der Feststellung eines dauerhaften inlandsbezogene Abschiebungshindernisse etwa aus familiären Gründen gerade nicht zumutbar ist - in dem Zielstaat der Abschiebungsanordnung des Bundesamt (hier Rumänien) weiter verfolgen.

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Ein solcher - durch nicht abgestimmte Entscheidungen der Ausländerbehörde und des Bundesamtes gegebenenfalls drohender - "Zielkonflikt" könnte vermieden werden, wenn das Bundesamt sowohl die Feststeilung trifft, ob in Bezug auf die Person des Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls inlandsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen, als auch im Anschluss an diese Prüfung die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlässt (Entscheidung aus "einer Hand"). Damit wird gewährleistet, dass bei Vorliegen eines dauerhaften inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses das durch den Asylantrag geltend gemachte, gegebenenfalls begründete Begehren des Drittstaatsangehörigen nicht leerläuft, Schutz vor politischer Verfolgung durch Anerkennung als Asylberechtigter bzw. durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu finden. Insoweit könnte sich in einem Einzelfall für das Bundesamt aus Verfassungsrecht, insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, zum Schutz einer im Bundesgebiet gelebten familiären Lebensgemeinschaft, deren Unterbrechung zum Zweck der (zeitlich nicht absehbaren) Durchführung eines Asylverfahrens in einem anderen Staat dem Asylantragsteller unzumutbar ist, sowohl von der Durchsetzung der Abschiebung des Drittstaatsangehörigen abzusehen als auch die Bearbeitung seines Asylgesuchs entsprechend Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO in eigener Zuständigkeit zu übernehmen (vgl. zur Frage einer gegebenenfalls einklagbaren Verpflichtung des Bundesamt zum Selbsteintritt OVG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2008, 10 A 10918/08, juris; VG Frankfurt, Urt. v. 8.7.2009, NVwZ 2009, 1176 ff). Eine insoweit gegebenenfalls geboten erscheinende Harmonisierung berechtigter Aufenthaltsziele ließe sich - wie die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde zutreffend eingewandt hat - schwerlich erreichen, wenn dem Bundesamt im Rahmen des § 34a AsylVfG die Feststellung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse abgesprochen würde."

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Diese Ausführungen des OVG Hamburg macht sich die Kammer zu Eigen und ist daher der Auffassung, dass die Antragsgegnerin in den Fällen des § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen hat.

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Da der Antragsteller indessen durch Vorlage einer von einer anerkannten Fachklinik - das Pfalzklinikum ist ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz - ausgestellten fachärztlichen Bescheinigung, die ihm Reise- und Transportunfähigkeit attestiert, das Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses glaubhaft gemacht hat, sieht sich die Kammer veranlasst, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis auf Weiteres eine Überstellung des Antragstellers nach Ungarn zu untersagen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, Abschiebungsmaßnahmen aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 sowie aus der Zurückschiebungsverfügung der Bundespolizeiinspektion R. vom 2. Dezember 2013 bzw. Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Entscheidung über diesen Antrag durchzuführen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus ihrem Vorbringen nicht ergibt, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung oder Zurückschiebung zusteht.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Vollziehung der Abschiebung aus der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 zu untersagen, bleibt ohne Erfolg. Insoweit ist

die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Aussetzung der mit Bescheid vom 20. Januar 2014 angeordneten Abschiebung ist allerdings unzulässig. Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG verweist § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ausdrücklich auf das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist somit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Die Antragstellerin kann insoweit im noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (Az. M 12 S7 14.30364) effektiven Rechtsschutz erlangen. In diesem Verfahren macht die Antragstellerin ebenfalls geltend, dass in ihrer Person sowohl inlandsbezogene als auch zielstaats-bezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Käme das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren bei summarischer Prüfung zum Ergebnis, dass die geltend gemachten Abschiebungshindernisse vorlägen, so hätte es die aufschiebende Wirkung der Klage (M 12 K 14.30132) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 anzuordnen, so dass die Abschiebungsanordnung bis zu einer anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vollziehbar wäre. Damit hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Vollzugsmaßnahmen aus der Abschiebungsanordnung vom 20. Januar 2014 zu unterlassen, vollständig erreicht.

Im Übrigen handelt es sich bei einer Rechtsstreitigkeit über die Entscheidung des Bundesamtes nach § 34a Abs. 1 AsylVfG um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 80 AsylVfG, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen aus der Zurückschiebungsverfügung vom 2. Dezember 2013 durchzuführen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Für eine diesbezügliche einstweilige Anordnung fehlt (wohl schon) das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Zurückschiebungsverfügung durch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 auf andere Weise erledigt hat (s. § 43 Abs. 2 VwVfG).

Eine Zurückschiebungsanordnung auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG stellt einen belastenden anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthaltsG, Stand August 2013, § 57 Rn. 17), der durch die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 13. Januar 2014 und die Entscheidung des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 obsolet geworden ist und sich deshalb dadurch erledigt hat. Rechtsgrundlage für eine mögliche Abschiebung der Antragstellerin nach Ungarn ist damit ausschließlich die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zurückschiebungsanordnung noch Rechtswirkungen entfaltet, hätte es die Antragstellerin versäumt, gegen die Zurückschiebungsverfügung als belastenden Verwaltungsakt entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung Rechtsmittel einzulegen, so dass die Zurückschiebungsverfügung bestandskräftig geworden wäre. Vorläufigen Rechtsschutz hätte die Antragstellerin im Übrigen auch nur im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurückschiebungsverfügung erlangen können. Daher stünde auch § 123 Abs. 5 VwGO einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO entgegen.

Soweit das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. Februar 2014 davon ausgegangen sein sollte, dass der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Abschiebung unabhängig von der asylverfahrensrechtlichen Streitigkeit aus § 34a AsylVfG als (zusätzliche) ausländerrechtliche Streitigkeit auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG zu behandeln sei, hilft auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG gerichtete Eilantrag in einem solchen Fall gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde und nicht gegen die Antragsgegnerin zu richten gewesen wäre. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.