Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 11. Apr. 2013 - A 12 K 2435/12

published on 11/04/2013 00:00
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 11. Apr. 2013 - A 12 K 2435/12
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Gericht

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Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird unter Aufhebung von Nr. 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16.07.2012 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

 
Der am … 1981 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft. Er reiste nach eigenen Angaben am 30.09.2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - gab der Kläger im Wesentlichen folgende Begründung für seinen Asylantrag: Er habe Pakistan am 30.09.2011 verlassen und sei am gleichen Tag in Deutschland angekommen. Er sei von Lahore aus direkt nach Frankfurt/Main mit der Fluggesellschaft PIA geflogen. Im Jahr 2005 sei ein Mullah in sein Heimatdorf, in dem er damals gelebt habe, gekommen und habe die Dorfbewohner mit Erfolg gegen die Ahmadi-Familien aufgehetzt. Nachdem die örtliche Ahmadi-Moschee geschlossen und versiegelt worden sei, habe seine Familie eine Gebetsstätte im eigenen Haus eingerichtet. Sein Vater sei Gemeindevorsteher der örtlichen Ahmadi-Gemeinde, er selbst sei in der Gemeinde für die Gruppe der 15- bis 40-Jährigen zuständig gewesen. Über die zu Hause eingerichtete Gebetsstätte seien die Mullahs sehr verärgert gewesen und hätten der Familie immer wieder Schaden zugefügt. Am 09.08.2005 habe es eine Prügelei gegeben, bei der ein Nachbar durch einen Schuss am Arm verletzt worden sei. Daraufhin sei eine Menge von bewaffneten Leuten in das Haus seiner Familie eingedrungen. Sie hätten den Kläger und seine Familienangehörigen verprügelt, seinen Bruder entführt und den Kläger angezeigt. Gegen Zahlung von 600.000 Rupien sei sein Bruder schließlich wieder freigekommen und die Anzeige sei fallen gelassen worden. Die Familie sei dann nach Sheikhupura weggezogen. Dort sei am 18.01.2007 das Ladengeschäft, in dem der Kläger gearbeitet habe, angegriffen und der Ladenbesitzer getötet worden. Der Anschlag habe womöglich dem Kläger oder seinem Vater gegolten. Der Kläger sei dann jedenfalls erneut weggezogen, und zwar nach Faisalabad. Anfang 2011 sei er aber von einem Bewohner seines früheren Dorfes gesehen worden. Daraufhin sei er von vier mit Eisenstangen und Hockeyschlägern bewaffneten Personen angegriffen und an seinem Brustkorb so schwer verletzt worden, dass er im Krankenhaus habe behandelt werden müssen. Die Angreifer seien der Gruppierung Khatm-e Nabuwat zuzuordnen. Im Juli 2011 sei er erneut angesprochen und bedroht worden. Daraufhin habe sein Vater entschieden, ihn jetzt im Ausland in Sicherheit zu bringen.
Mit Bescheid vom 16.07.2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, und drohte für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Pakistan an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 19.07.2012 zugestellt.
Am 24.07.2012 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich zunächst insbesondere auf eine Mitgliedsbescheinigung der Ahmadi-Zentrale für Deutschland vom 08.03.2012, wonach er seit seiner Geburt Gemeindemitglied ist.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen. Er beantragt nunmehr sachdienlich,
Nr. 2 bis 4 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16.07.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Pakistan vorliegen, höchsthilfsweise festzustellen, dass insoweit Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
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In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergänzend zu seinen Ausreisegründen informatorisch angehört worden. Hierbei hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er in einer gläubigen Ahmadi-Familie geboren und aufgewachsen sei. Schon ein Urgroßvater von ihm habe einen guten Ruf als frommer Ahmadi gehabt. Er selbst habe aber auch die Ahmadi-Religion studiert und praktiziere sie bewusst, seit er etwa mit 7 Jahren von seinem Vater in die örtliche Moschee eingeführt worden sei. Natürlich bete er fünf Mal täglich und kenne die Geschichte, die Feste und Besonderheiten seiner Religion. Im Heimatdorf habe seine Familie unter den Ahmadis einen guten religiösen Ruf genossen. Sein Vater sei Vorsteher der örtlichen Gemeinde gewesen. In der Gemeinde habe es verschiedene Gruppierungen gegeben, z.B. eine Kindergruppe, eine Gruppe für 15- bis 40-jährige Männer, für über 40-Jährige, d.h. „die Alten“, sowie Frauengruppen. Der Kläger sei zuletzt als Leiter der Gruppe der 15- bis 40-jährigen Männer aktiv gewesen. Seine Gruppe habe etwa 20 Personen umfasst und verschiedene Aktivitäten unternommen. In seinem Dorf habe es ursprünglich rund 25 Ahmadi-Familien gegeben; Stück für Stück seien aber immer mehr Familien vertrieben worden. Er habe dort zuletzt als Bauer gearbeitet. Sie hätten ein großes Haus mit einem geräumigen Innenhof gehabt, wo nach Schließung der Ahmadi-Moschee die Gebete abgehalten worden seien. Teilweise seien viele Ahmadis zu ihnen gekommen, auch aus den umliegenden Dörfern. Nach dem Wegzug nach Sheikhupura habe er dann eine Anstellung als Verkäufer in einem Gemischtwarenladen gefunden, der einem Ahmadi-Glaubensbruder gehört habe. Unweit des Ladens habe sich eine Moschee befunden, die von Ahmadi-Gegnern genutzt worden sei. Man habe ihm den Vorwurf gemacht, er missioniere, was jedoch nicht gestimmt habe, weil er sich das aus Angst vor Anschlägen und erneuter Verfolgung gar nicht getraut habe. Das traue sich heute in Pakistan kein Ahmadi mehr, weil es lebensgefährlich sei. Eines Abends seien dann zwei Personen in den Laden gekommen und hätten sofort geschossen; dabei sei der Ladenbesitzer, der sich nicht schnell genug in Sicherheit habe bringen können, getroffen worden. Der Kläger habe ihn ins Krankenhaus gebracht, wo dieser aber verstorben sei. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe der Kläger sofort Kontakt mit der Ahmadi-Gemeinde aufgenommen. Inzwischen habe er in Böblingen die Funktion eines „Sekretärs für allgemeine Angelegenheiten“ erlangt. Natürlich nehme er an allen Aktivitäten der Ahmadi-Gemeinde teil, bete regelmäßig, studiere den Koran, verteile in der Öffentlichkeit insbesondere Flyer und informiere jeden Monat mit einem Bücherstand in Böblingen über seine Religion, weil ein solches Missionieren unter dem Motto „Liebe für alle - Hass für keinen“ zu seinen religiösen Pflichten gehöre.
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Der Kläger legte dem Gericht eine Vielzahl von originalen Ahmadi-Materialien vor, u.a. Exemplare der von ihm verteilten Flyer, Fotos von eigenen Flyer- und Bücherstandaktionen, ein Foto, das ihn zusammen mit dem in London lebenden Kalif Ahmad zeigt sowie ein persönliches Anschreiben von diesem, eine Sieger-Urkunde über sportliche Aktivitäten im Rahmen der Gemeinde, Nachweise von besuchten Seminaren, zahlreiche Spenden-Quittungen, Zeitungsausschnitte, die über die Silvestermüllbeseitigungsaktion am 01.01.2013 seiner Böblinger Ahmadi-Gemeinde berichten, einen Jahresbericht seiner Böblinger Gemeinde von Oktober 2012 sowie eine Einladung zur Jalsa Salana-Versammlung am 28.-30.06.2013 in Karlsruhe.
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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Gericht liegen des Weiteren die Erkenntnisquellen vor, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und in derselben mitgeteilt worden sind. Die beigezogenen Akten und die Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Klage hinsichtlich der Asylanerkennung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weshalb die Nummern 2 bis 4 des angefochtenen Bundesamtsbescheids rechtswidrig sind. Der Bescheid verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
I.
15 
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (- AsylVfG -) i.V.m. § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- AufenthG -), jeweils in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258). Hiernach darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine solche Verfolgung wegen seiner Religion droht dem Kläger jedenfalls durch den pakistanischen Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 lit. a AufenthG); deshalb kann dahinstehen, ob auch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG gegeben ist.
16 
1. Ob Anwendungsbereich und Bedeutung von § 60 Abs. 1 AufenthG trotz des EuGH-Urteils vom 09.11.2010 in der Rechtssache C-57/09 nach wie vor weitgehend dem des Asylgrundrechts nach Art. 16 a Abs. 1 GG entsprechen, kann offenbleiben (zweifelnd: Renner u.a., AuslR, 10. Aufl. 2013 , Art. 16a GG Rn. 145). Sicher reicht der Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG heute jedenfalls weiter, nicht nur etwa in Bezug auf Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, sondern gerade auch hinsichtlich der hier relevanten Verfolgung aus religiösen Gründen. Das Asylgrundrecht schützt nach bisheriger Auslegung vor Verfolgung nur bezüglich der Religionsausübung in ihrem „Kernbereich“ im Sinne des religiösen Existenzminimums, das die Religionsausübung im häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich sowie das Gebet und den Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen umfasst („forum internum“; vgl. BVerfGE 76, 143 und BVerwGE 120, 16). § 60 Abs. 1 AufenthG schützt hingegen grundsätzlich auch vor Verfolgung wegen Religionsausübung in der Öffentlichkeit („forum externum“). Denn die Unterscheidung zwischen „Kernbereich“ oder „forum internum“ einerseits und „forum externum“ andererseits ist nach dem Urteil des EuGH vom 05.09.2012 in der Rechtssache Y und Z (C-71/11 und C-99/11) mit der weiten Definition des Religionsbegriffes des gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergänzend anzuwendenden Art. 10 Abs. 1 lit. b der sogenannten Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG (- QRL -) des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9), nicht vereinbar, weil unionsrechtlich alle Komponenten des Religionsbegriffes, ob öffentlich oder privat, ob kollektiv oder individuell, einbezogen sind (so EuGH, a.a.O. Rn. 62). Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL definiert, was unter dem Verfolgungsgrund der Religion zu verstehen ist, d. h. an welche religiösen Einstellungen oder Betätigungen eine Verfolgungshandlung anknüpfen muss, um flüchtlingsrechtlich beachtlich zu sein. Dabei gelten vom Begriff der Religion ausdrücklich umfasst, „insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“.
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2. Neben dem Vorliegen eines - hier religiösen - Verfolgungsgrundes setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 QRL weiter voraus, dass eine relevante Verfolgungshandlung festgestellt wird, die allein oder in der Gesamtheit mit anderen Verfolgungshandlungen eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ausmacht (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL), wobei in Art. 9 Abs. 2 QRL beispielhaft verschiedene in Betracht zu ziehende Verfolgungshandlungen benannt werden, wie etwa die Anwendung von Gewalt (lit. a) oder diskriminierende Maßnahmen (lit. b) bzw. Strafverfolgung (lit. c). Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt den Verfolgungsgrund im Sinne von Art. 10 QRL zielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, juris Rn. 22, 24, sowie Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - Rn. 28 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Handlungen, die eine „schwerwiegende Verletzung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL darstellen können, ausdrücklich nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, a.a.O. Rn. 63). Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung dar. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Eingriff nicht gerechtfertigt ist und den Antragsteller erheblich beeinträchtigt. Von Bedeutung ist beispielsweise, ob der Antragsteller Gefahr läuft, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei dieser Prüfung sind objektive wie auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Der subjektive Umstand, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit, die Gegenstand der beanstandeten Einschränkungen ist, zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, ist ein relevanter Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Größe der Gefahr, der der Antragsteller in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre, selbst wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis keinen zentralen Bestandteil für die betreffende Glaubensgemeinschaft darstellt (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 58-70). Sobald feststeht, dass sich der Antragsteller nach Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigen wird, die ihn im dargestellten Sinne der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen wird, muss ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 QRL eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund festgestellt ist. Dass der Antragsteller diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen vermeiden könnte, ist grundsätzlich irrelevant (EuGH, a.a.O. Rn. 79), wie nun auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.02.2013 (10 C 20.12 - Rn. 26) überzeugend entschieden hat. Denn ein Ausländer ist als Flüchtling anzuerkennen, wenn die Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen der öffentlichen oder privaten Ausübung seiner Religion verfolgt wird. Auch ein durch strafrechtliche Sanktionen erzwungener Verzicht auf die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit kann zur Flüchtlingsanerkennung führen. Dann aber muss die Ausübung gerade dieser religiösen Praxis für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sein. Dies bedeutet, dass die öffentliche Glaubensbetätigung ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 30).
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3. Zur weiteren Auslegung insbesondere der Qualifikationsrichtlinie führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dem sich das Gericht im Wesentlichen anschließt, in ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 20.05.2008 - A 10 S 3032/07 -, zuletzt im Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 - (beide: juris), aus:
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„a) Wie vom Senat … dargestellt, hat sich unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie auch der Prognosemaßstab für die festzustellende Verfolgungswahrscheinlichkeit geändert. Nach Art. 4 Abs. 3 QRL ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung - eine strikt einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen. Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nachdem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor bereits eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315; BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237.80 - juris), trifft die Qualifikationsrichtlinie eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls. So ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgericht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenziert zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht. Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwGE 104, 97), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
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b) Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden i.S.d. Art. 15 QRL erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -). Der in dem Tatbestandsmerkmal „…tatsächlich Gefahr liefe…“ des Art. 2 lit. e QRL enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - NVwZ 2008, 1330, RdNr. 125 ff. - Saadi -); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192).
21 
Art. 4 Abs. 4 QRL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden; die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 -). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände der Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).“
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4. Hiernach ist zwar nicht davon auszugehen, dass bereits aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung vorliegen. Etwas anderes kann sich jedoch für die Untergruppe der bekennenden Ahmadi ergeben, insbesondere wenn der Glaube in strafrechtlich verbotener Weise praktiziert bzw. aus Angst vor Verfolgung hierauf verzichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - Rn. 32 ff.; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 -; OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 2999/06.A -, beide juris). Zur Lage in Pakistan für Ahmadi hat der VGH Baden-Württemberg bereits im Urteil vom 20.05.2008 überzeugend ausgeführt:
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„Nach Auswertung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel stellt sich die Lage der Ahmadis in Pakistan für den Senat wie folgt dar:
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1. Zur Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya und ihrer Entstehung hat der HessVGH im Urteil vom 31.08.1999 (10 UE 864/98.A - juris) u.a. das Folgende ausgeführt, von dem auch der Senat ausgeht:
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„Die Ahmadiyya-Gemeinschaft wurde 1889 durch Mirza Ghulam Ahmad (1835 - 1908) in der Stadt Qadian (im heutigen indischen Bundesstaat Punjab) gegründet und versteht sich als eine innerislamische Erneuerungsbewegung. Ihr Gründer behauptete von sich, göttliche Offenbarungen empfangen zu haben, nach denen er der den Muslimen verheißene Messias und Mahdi, der herabgestiegene Krishna, der wiedergekehrte Jesus und der wiedererschienene Mohammed sei. An der Frage seiner Propheteneigenschaft spaltete sich die Bewegung im Jahre 1914. Die Minderheitengruppe der Lahoris (Ahmadiyya-Anjuman Lahore), die ihren Hauptsitz nach Lahore/Pakistan verlegte und die Rechtmäßigkeit der Kalifen als Nachfolger des Religionsgründers nicht mehr anerkannte, sieht in Ahmad lediglich einen Reformer im Sinne eines "wieder neubelebten" Mohammed, während die Hauptgruppe der Quadianis (Ahmadiyya Muslim Jamaat) ihn als einen neuen Propheten nach Mohammed verehrt, allerdings mit der Einschränkung, dass er nicht ermächtigt sei, ein neues Glaubensgesetz zu verkünden, denn Mohammed sei der letzte "gesetzgebende" Prophet gewesen. Die Bewegung betrachtet sich als die einzig wahre Verkörperung des Islam, den ihr Gründer wiederbelebt und neu offenbart habe. Während die orthodoxen Muslime aus der Sicht der Ahmadis zur Glaubens- und Welterneuerung hingeführt werden müssen, sind die Ahmadis aus der Sicht der orthodoxen Muslime Apostaten, die nach der Ideologie des Islam ihr Leben verwirkt haben.
26 
Im Zuge der Teilung des indischen Subkontinents und der Gründung eines islamischen Staates Pakistan am 13. August 1947 siedelten viele Ahmadis dorthin über, vor allem in den pakistanischen Teil des Punjab. Mitglieder der Hauptgruppe des Qadianis erwarben dort Land und gründeten die Stadt Rabwah im Punjab, die sich zum Zentrum der Bewegung entwickelte. Mehr als 95 % der Bevölkerung gehören der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft an und die Stadt ist der Hauptsitz der Gemeinschaft (Ahmadiyya Verfolgungsbulletin Mai 1996, S. 28). Heute heißt die Stadt nach einem Beschluss des Parlaments von Punjab gegen den Willen der Bevölkerung Tschinab Nagar (Ahmadiyya Rundschreiben vom 30.04.1999).
27 
Die Angaben über die Zahl der Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gehen weit auseinander und reichen etwa von 103.000 bis 4 Millionen (vgl. Gutachten Dr. Wohlgemuth an Hamb. OVG vom 22.02.1988, S. 454 f.), wobei die Minderheitengruppe der Lahoris mit ca. 5.000 Mitgliedern (AA an Hess. VGH vom 20.07.1994) hier unberücksichtigt bleiben kann. Nach Angaben der Ahmadiyya Muslim Jamaat selbst lag deren Mitgliederzahl im Jahr 1994 bei etwa 2 bis 3 Millionen (vgl. AA an Hess. VGH vom 20.07.1994, S. 1); weltweit sollen es 12 Millionen Mitglieder in über 140 Staaten sein (Ahmadiyya Mitteilung vom 04.09.1996), nach Stanek etwa 1 bis 3 Millionen (Referat vom 15.12.1997, S. 4). Nach Schätzung des der Ahmadiyya-Bewegung zugehörigen Gutachters Prof. Chaudhry lag die Zahl der Ahmadis in Pakistan in diesem Zeitraum dagegen nur bei ein bis zwei Millionen (vgl. Gutachten an Hess. VGH vom 22.05.1994, S. 6). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ahmadis möglicherweise stärker noch als andere muslimische Glaubensgemeinschaften in Pakistan dazu neigen, ihre Anhängerschaft verdoppelt und verdreifacht anzugeben, und dass ihre Stärke deshalb und aufgrund ihrer früher regen Missionstätigkeit überschätzt worden sein kann (vgl. Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, 1991, S. 295 f.). Die bisweilen genannte Mitgliederzahl von 4 Millionen (vgl. Ahmadiyya an Bundesamt vom 14.07.1991) dürfte deshalb zu hoch (vgl. Gutachten Dr. Conrad an Hess. VGH vom 31.10.1994, S. 4) und eine Schätzung auf 1 bis 2 Millionen - auch für den Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin - eher realistisch sein (vgl. Ende/Steinbach, S. 295 für 1983; Dr. Khalid vor dem Bay. VGH am 22.01.1985, S. 7).
28 
Auch für den Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats sind verlässliche Zahlen über die Entwicklung der Zahl der Ahmadis in Pakistan aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht feststellbar; die Ergebnisse der letzten Volkszählung in Pakistan im März 1998 (UNHCR Report vom 01.05.1998, S. 8) sind bis heute nicht veröffentlicht worden. Dass die bereits dem Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1994 (10 UE 77/94) zugrunde gelegte Mitgliederzahl von ca. 1 bis 2 Millionen aber auch heute noch zutreffen dürfte, lässt sich trotz des allgemeinen Bevölkerungswachstums Pakistans von jährlich 2,9 % bei rund 133 Millionen Einwohnern (Fischer Weltalmanach 1999, "Pakistan") oder 136 Millionen (Statistisches Jahrbuch 1995 für das Ausland, S. 210; Microsoft Encarta Enzyklopädie 1999, "Pakistan") oder 126 Millionen Einwohnern (Encyclopaedia Universalis, Chiffres du Monde 1998, "Pakistan") damit erklären, dass die Ahmadiyya-Bewegung seit 1974 und insbesondere seit 1984 so gut wie keine Missionserfolge in Pakistan mehr verzeichnen konnte und durch die gegen sie gerichteten Repressalien Hunderttausende ihrer Mitglieder durch Austritt und Auswanderung verloren haben dürfte (vgl. bereits Gutachten Dr. Ahmed an VG Ansbach vom 05.06.1978, S. 23) Dem steht eine Gesamtbevölkerung Pakistans gegenüber, die zu etwa 75 bis 77 % aus sunnitischen und zu 15 bis 20 % aus schiitischen Muslimen besteht und in unterschiedlichste Glaubensrichtungen zerfällt (vgl. Ende/Steinbach, S. 281; AA an VG Schleswig vom 26.08.1993).“
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Auch die aktuellen Zahlen sind nach wie vor nicht eindeutig und weitgehend ungesichert, was nicht zuletzt darin begründet ist, dass die Ahmadis bedingt durch die noch darzustellenden Verbote, sich als Moslems zu bekennen und zu bezeichnen, seit 1974 in großem Umfang die Teilnahme an Volkszählungen verweigern und diese boykottieren (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.41). Das Auswärtige Amt teilt im jüngsten Lagebericht (vom 18.05.2007, S. 16) nur mit, dass nach eigenen Angaben die Ahmadis etwa vier Millionen Mitglieder zählen sollen, wobei allerdings allenfalls 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder seien.
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2. Die Lage der Ahmadis wird maßgeblich durch die folgenden rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt:
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a) Der Islam wird in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt. Die Freiheit der Religionsausübung ist allerdings von Verfassung wegen garantiert (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2). Durch eine Verfassungsänderung von 1974 wurden die Ahmadis allerdings ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt und in der Verfassung als religiöse Minderheit bezeichnet und geführt. Nach der Verfassung ist hiernach kein Muslim im Sinne der gesamten pakistanischen Rechtsordnung, wer nicht an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Prophetenamtes Mohammeds glaubt bzw. auch andere Propheten als Mohammed anerkennt.
32 
Dieses hat unmittelbare Konsequenzen für den Bereich des Wahlrechts insofern, als Ahmadis nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren können und nur solche wählen können. Um ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren bzw. wählen zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetenamtes Mohammeds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden seitdem die Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.34 ff.). In den Pässen werden die Ahmadis ausdrücklich (wieder) als “non-muslim” geführt (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16).
33 
b) Seit 1984 bzw.1986 gelten namentlich drei Vorschriften des pakistanischen Strafgesetzbuches, die sich speziell mit den Ahmadis befassen und diese gewissermaßen zur Absicherung und Unterfütterung ihrer verfassungsrechtlichen Behandlung in den Blick nehmen.
34 
Sec. 298 B lautet (vgl. BVerfGE 76, 143):
35 
„(1) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung
36 
a) eine Person, ausgenommen einen Kalifen oder Begleiter des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ameerui Mumineen', 'Khalifar-ul-Mimineem', 'Shaabi' oder 'Razi-Allah-Anho' bezeichnet oder anredet;
b) eine Person, ausgenommen eine Ehefrau des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ummul-Mumineen' bezeichnet oder anredet;
c) eine Person, ausgenommen ein Mitglied der Familie des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ahle-bait' bezeichnet oder anredet;
d) sein Gotteshaus als 'Masjid' bezeichnet, es so nennt oder benennt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe bestraft.
37 
(2) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung die Art oder Form des von seiner Glaubensgemeinschaft befolgten Gebetsrufs als 'Azan' bezeichnet oder den 'Azan' so rezitiert wie die Muslime es tun, wird mit Freiheitsstrafe der beiden Arten und mit Geldstrafe bestraft.“
38 
Sec. 298 C lautet:
39 
„Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung mittelbar oder unmittelbar den Anspruch erhebt, Muslim zu sein, oder seinen Glauben als Islam bezeichnet oder ihn so nennt oder seinen Glauben predigt oder propagiert oder andere auffordert, seinen Glauben anzunehmen, oder wer in irgendeiner anderen Weise die religiösen Gefühle der Muslime verletzt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und Geldstrafe bestraft.“
40 
Sec. 295 C schließlich hat folgenden Wortlaut:
41 
„Wer in Worten, schriftlich oder mündlich oder durch sichtbare Übung, oder durch Beschuldigungen, Andeutungen oder Beleidigungen jeder Art, unmittelbar oder mittelbar den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) verunglimpft, wird mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft.“
42 
Die genannten Vorschriften, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut im Übrigen nicht nur die öffentliche Sphäre der Religionsausübung betreffen (in diesem Sinne auch ausführlich HessVGH, U.v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 92 ff.; vgl. auch BVerfG, Kammerb. v. 21.12.1992 – 2 BvR 1263/92 - juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 26.10.1993 - 9 C 50.92 - NVwZ 1994, 500; v. 25.01.1995 – 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82, insbesondere auch zur Abgrenzung zwischen forum internum und zur Glaubensbetätigung mit Öffentlichkeitsbezug), stellen diskriminierenden, nicht mit Art. 18 Abs. 3 IPbpR zu vereinbarende Strafbestimmungen dar, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL erfüllen (vgl. auch etwa EGMR, U.v. 24.02.1998 - 140/1996/759/958-960 – Larissis - http://www.echr.coe.int/echr/ -, wonach ein Verbot des Missionierens, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, eine unzulässige Beschränkung der Religionsfreiheit darstellt). Es handelt sich nicht um staatliche Maßnahmen, „die der Durchsetzung des öffentlichen Friedens und der verschiedenen, in ihrem Verhältnis zueinander möglicherweise aggressiv-intoleranten Glaubensrichtungen dienen, und zu diesem Zweck etwa einer religiösen Minderheit mit Rücksicht auf eine religiöse Mehrheit untersagt wird, gewisse Bezeichnungen, Merkmale, Symbole oder Bekenntnisformen in der Öffentlichkeit zu verwenden, obschon sie nicht nur für die Mehrheit, sondern auch für die Minderheit identitätsbestimmend sind“ (so BVerfGE 76, 143 im Kontext des Asylgrundrechts). Dies gilt nicht nur mit Rücksicht auf die fehlende Beschränkung auf die öffentliche Sphäre, sondern auch deshalb, weil hier der pakistanische Staat, auch wenn er stark durch Glaubensüberzeugungen der Mehrheitsbevölkerung geprägt sein mag, nicht die Rolle eines um Neutralität bemühten Staatswesens einnimmt. Vielmehr werden hier einseitig die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Haftung genommen und in ihren Freiheitsrechten und in ihrer religiösen Selbstbestimmung beeinträchtigt, obwohl von einem aggressiven Auftreten gegenüber anderen Religionen, namentlich auch anderen Strömungen des Islam nichts bekannt geworden ist und den inneren Frieden störende Handlungen nicht von ihnen ausgehen, sondern weitgehend allein von zunehmend aggressiv agierenden orthodoxen Teilen der Mehrheitsbevölkerung sowie auch direkt und unmittelbar von staatlichen Behörden (vgl. hierzu AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 14 ff.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 und 10; vgl. auch HessVGH, U.v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 34).
43 
Seit Einführung der spezifisch auf die Ahmadis zugeschnittenen Blasphemiebestimmung von sec. 295 C, die neben weiteren ähnlichen Bestimmungen steht, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen, sollen etwa 2000 Strafverfahren gegen Ahmadis eingeleitet worden sein (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56; vgl. aber auch Ziffer 19.55 mit etwas niedrigeren Zahlen von ausdrücklich und im Einzelnen von der Glaubensgemeinschaft selbst dokumentierten Fällen); allein im Jahre 2006 soll es zu 21 Anklagen gegen Ahmadis gekommen sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 15, das im Übrigen ausdrücklich die steigende Tendenz als besorgniserregend qualifiziert, vgl. dort S. 5; vgl. auch Freedom House 2007, mit dem Hinweis auf eine Zunahme in den jüngsten Jahren; vgl. auch zu ähnlichen Zahlen Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.51; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 123 ff., wonach seit 1988 von 647 Fällen allein in den Medien berichtet worden sei). Allerdings ist es bislang zu keinen Todesurteilen gekommen, die auch in letzter Instanz bestätigt worden wären. Weitere Informationen über die Zahl rechtskräftiger Verurteilungen liegen dem Senat nicht vor. Faire Gerichtsverfahren sind, v.a. in erster Instanz häufig nicht garantiert, weil den Gerichtsorganen die erforderliche Neutralität fehlt, wobei dies nicht zuletzt darauf beruht, dass sie zum Teil durch örtliche Machthaber oder islamistische Extremisten unter Druck gesetzt werden oder aber in hohem Maße korrupt sind (vgl. AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practices, 11.03.2008, S. 9 f.). In der Regel werden die Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht gegen Kaution freigelassen (U.S. Department of State, a.a.O., S. 10). Anwälte von Betroffenen werden gleichfalls häufig von privater Seite eingeschüchtert und unter Druck gesetzt (vgl. U.S. Department of State, a.a.O., S. 16 f.). Die Bestimmung der sec. 295 C wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Pakistan auch keineswegs restriktiv verstanden und ausgelegt. Nach dem Urteil des Lahore High Court vom 17.09.1991 (bestätigt durch Urteil des Supreme Court vom 03.07.1993), mit dem ein Verbot der 100-Jahr-Feiern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gebilligt wurde, stellt das Rezitieren der Glaubensformel „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet“ durch einen Ahmadi nicht nur ein strafbares „Sich-Ausgeben“ als Muslim im Sinne von sec. 298 C dar, sondern eine Lästerung des Namens des Propheten (vgl. hierzu im Einzelnen HessVGH, U. v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 46 und 69).
44 
Was die Strafbestimmungen der sec. 298 B und C betrifft, sollen gegenwärtig etwa 1000 Verfahren anhängig sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16; vgl. auch zu Zahlen der insgesamt durchgeführten Verfahren Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.55 f.), wobei hier die Angeklagten sich zumeist auf freiem Fuß befinden (vgl. zu den Hintergründen und Motiven für die Einleitung von Verfahren auch AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.57).
45 
Demgegenüber werden Strafbestimmungen, die den Schutz der religiösen Gefühle aller Religionen, somit auch der Minderheitsreligionen, gewährleisten sollen, in der Rechtswirklichkeit nicht oder selten angewandt, wenn deren Gefühle durch Angehörige der Mehrheitsreligion verletzt worden sind (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2).
46 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser rechtliche Rahmen in der Metropole der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Rabwah keine Gültigkeit haben sollte. Abgesehen davon ist nichts dafür ersichtlich, dass alle im Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie schutzsuchenden gläubigen Ahmadis dort einen zumutbaren internen Schutz im Sinne von Art. 8 QRL finden könnte, zumal auch dort keine Sicherheit vor Übergriffen durch radikale Muslime bestehen dürfte (vgl. hierzu im Einzelnen unten d).
47 
c) Den Ahmadis ist es seit 1983 oder 1984 untersagt, öffentliche Versammlungen bzw. religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, namentlich auch solche Veranstaltungen, auf den öffentlich gebetet wird (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.53). Hingegen wird es Ahmadis nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu versammeln, selbst wenn dies durch die Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann und wird (AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16), jedenfalls wird dies im Grundsatz faktisch hingenommen. Allerdings wird die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadurch behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen werden bzw. deren Errichtung verhindert wird, während gleichzeitig orthodoxe Sunniten ungehindert an der gleichen Stelle ohne jede Genehmigung eine Moschee errichten können, sowie Gebetshäuser oder Versammlungsstätten immer wieder von Extremisten überfallen werden (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 5, 7 und 10 f.).
48 
Im Gegensatz zu anderen Minderheitsreligionen ist den Ahmadis jedes Werben für ihren Glauben mit dem Ziel andere zum Beitritt in die eigene Glaubensgemeinschaft zu bewegen, strikt untersagt und wird auch regelmäßig strafrechtlich verfolgt (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).
49 
Den Ahmadis ist die Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka verboten, wenn sie dabei als Ahmadis auftreten bzw. sich zu erkennen geben (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).
50 
Literatur und andere Veröffentlichungen mit Glaubensinhalten im weitesten Sinn sind verboten; allerdings finden Publikationen in internen Kreisen durchaus größere Verbreitung (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 4).
51 
d) Ahmadis sind seit Jahren und in besonders auffälligen Maße Opfer religiös motivierter Gewalttaten, die aus der Mitte der Mehrheitsbevölkerung von religiösen Extremisten begangen werden, ohne dass die Polizeiorgane hiergegen effektiven Schutz gewähren würden; in nicht wenigen Fällen haben auch Angehörige der Polizei unmittelbar derartige Aktionen mit unterstützt, zumindest aber diesen untätig zugesehen und diese geschehen lassen (vgl. U.S. Department of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practices, 11.03.2008, S. 17 f.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 f. und 10 f.; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, 119; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 124 mit Beispielen). Dies gilt selbst für ihre „Metropole“ Rabwah, jetzt Chenab Nagar (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.59; ai, Jahresbericht 2006). Zu in den 70-er Jahre vorgefallenen pogromartigen Ausschreitungen vergleichbaren Aktionen ist es jedoch nicht mehr gekommen.
52 
e) Nur der Vollständigkeit halber soll noch auf folgenden Umstand hingewiesen werden, der allerdings das vom Senat für richtig gehaltene Ergebnis nicht entscheidend beeinflusst, sondern allenfalls zur Abrundung des Bildes beiträgt und geeignet ist: Die frühere überdurchschnittliche Repräsentanz von Ahmadis im öffentlichen Dienst sinkt seit Jahren bedingt durch eine zunehmende Diskriminierung bei Einstellungen und Beförderungen (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 17; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.62; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 114; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 16 f.). Desgleichen wird von weit verbreiteten Diskriminierungen beim Zugang zum öffentlichen Bildungswesen und in demselben berichtet (Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 119; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.65).
53 
3. Die so beschriebene Situation der Ahmadis in Pakistan, die von der „Fédération Internationale des Droits Humaines“ (FIDH) im Januar 2005 in der Weise zusammenfassend charakterisiert wurde, dass „die Ahmadis wohl die einzige der am meisten betroffenen Gruppen sei, bei der die Verweigerung des Rechts auf öffentliche Meinungsäußerung, Religionsausübung und Versammlungsfreiheit nahezu umfassend sei“ (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56), stellt für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen und in diesem verwurzelten Ahmadi, zu dessen Glaubensüberzeugung es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und in diese zu tragen, eine schwerwiegende Menschrechtsverletzung jedenfalls im Sinne einer kumulierenden Betrachtung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL darstellen. Der Präsident von amnesty international Pakistan wird dahingehend zitiert, die Ahmadis seien die am meisten unterdrückte Gruppe in Pakistan, was er nicht zuletzt darauf zurückführt, dass es – anders als bei Christen – niemanden gebe, der sich für diese wirkungsvoll einsetze und den erforderlichen Druck ausübe (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.63 a. E.)
54 
Von zentraler Bedeutung für diese Schlussfolgerung des Senats ist dabei das gegen die Ahmadis gerichtete verfassungsunmittelbare Verbot sich als Muslime zu begreifen bzw. zu verstehen und dieses Verständnis insoweit auch in die Öffentlichkeit zu tragen (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. b QRL). Denn hieraus leiten sich letztlich alle oben beschriebenen Verbote, insbesondere soweit sie auch strafbewehrt sind (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL), ab. Dieses Verbot und seine Folgeumsetzungen müssen das Selbstverständnis der Ahmadis im Kern treffen, wenn jegliches Agieren in der Öffentlichkeit, insbesondere auch ein Werben für den Glauben und ein friedliches Missionieren nicht zugelassen werden und nur unter dem Risiko einer erheblichen Bestrafung möglich sind.
55 
Bei diesem Ausgangspunkt kann nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob die bislang bzw. gegenwärtig festgestellten Verurteilungen bzw. Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsdichte die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Gruppenverfolgung rechtfertigen würden. Denn es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass angesichts der angedrohten erheblichen, ja drakonischen Strafen sowie der zahlreichen nicht enden wollenden ungehinderten Übergriffe extremistischer Gruppen es der gesunde Menschenverstand nahe legen, wenn nicht gar gebieten wird, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen bzw. äußerst zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche werbende Verbreiten des eigenen Glaubens. Diese seit nunmehr weit über 20 Jahre währenden rechtlichen und sozialen Gesamtumstände und -bedingungen der Glaubenspraxis werden auch einen nicht unwesentlichen Faktor für die bereits eingangs festgestellte Stagnation der gesamten Ahmadiyya-Bewegung ausmachen. Insoweit muss die absolute Zahl der Strafverfahren und ihr Verhältnis zu der Zahl der gläubigen Ahmadis daher isoliert betrachtet notwendigerweise ein unzutreffendes Bild abgeben. Würden die gläubigen Ahmadis ihr selbstverständliches Menschenrecht aktiv wahrnehmen, so müssten sie bei realistischer Betrachtungsweise mit erheblichen und nach Art und Zahl zunehmenden Reaktionen von staatlicher Seite bzw. auch von Dritten rechnen. Da die öffentliche Glaubensbetätigung für die Ahmadis (nach ihrem Selbstverständnis gerade auch als Teil der Muslime) als unverzichtbarer Teil des Menschenrechts auf freie Religionsausübung verstanden werden muss, kann auch nicht eingewandt werden, dass das gegenwärtige festzustellende weitgehende Schweigen in der Öffentlichkeit nur Ausdruck eines latenten flüchtlingsrechtlich irrelevanten und daher hinzunehmenden Anpassungsdrucks ist.“
56 
5. Die beschriebene Lage hat sich für Ahmadis auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entscheidungserheblich verändert. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.11.2012 geht von drei bis vier Millionen Ahmadis in Pakistan aus, wovon 500.000 bis 600.000 Mitglieder „bekennend“ seien. Im aktuellen Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012 (zitiert nach Abs.; hier: Abs. 19.98) ist von 291.000 bzw. 600.000 Ahmadis die Rede. Laut dem International Religious Freedom Report Pakistan des United States Department of State for 2011 (S. 2, Sektion I.) sind allerdings überhaupt keine verlässliche Daten erreichbar bezüglich der Anzahl der Ahmadis, die sich aktiv an religiösen Ritualen oder Gottesdiensten beteiligen. Vergleichbares gilt offenbar bezüglich der Ermittlung von verlässlichen Daten zur Frage der Häufigkeit von Übergriffen auf Ahmadis in Pakistan (vgl. Pakistan-Report vom 07.12.2012, Abs. 19.162). Das Gericht sieht daher keinen erfolgsversprechenden Ansatz für weitere Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht; die Beklagte hat einen solchen auch nicht aufgezeigt. In dem Bericht „Persecution of Ahmadis in Pakistan during the Year 2011“ (Annex II), den auch das Upper Tribunal - Immigration and Asylum Chamber in seinem Urteil „MN and others“ (Pakistan CG <2012> UKUT 00389) vom 13.11.2012 als relevant angesehen hat (dort Rn. 30, Fn. 6), werden im Zeitraum April 1984 bis 31. 12.2011 offiziell registrierte „Police Cases“ gegen Ahmadis von insgesamt 3.820 aufgeführt, davon 299 wegen „Blasphemie“, zuzüglich von über 60.000 Verfahren (wegen Sec. 298 C) gegen die gesamte Bevölkerung von Rabwah, die 2009 noch anhängig gewesen seien (Abs. 19.136). Der Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012 (Abs. 1949) spricht im Zeitraum 1986 bis 2006 allein von 695 Anklagen wegen Blasphemie; insgesamt seien im Zeitraum 1984 bis 2004 über 5.000 Anklagen gegen Ahmadis ergangen. Im Juni 2011 seien mindestens 14 Verfahren gegen Ahmadis anhängig gewesen, in denen die Todesstrafe verhängt worden sei (Abs. 1939). 2010 seien zwei wegen Blasphemie angeklagte Christen und zwei Muslims getötet worden (Abs. 19.47). Von 1984 bzw. 1987 bis 2011 seien 1.117 Personen wegen Blasphemie angeklagt (Abs. 19.50) und nachweisbar 210 Ahmadis wegen ihres Glaubens umgebracht worden; zudem wisse man von 254 entsprechenden Mordversuchen (Abs. 10.131). In Pakistan könne heute zudem jedermann einen Ahmadi wegen Blasphemie anzeigen, möglicherweise auch aus eigensüchtigen Motiven, ohne dass sich der Anzeigende selbst der Gefahr der Verfolgung wegen falscher Anschuldigungen aussetze. Eine Anzeige habe nicht selten auch erhebliche Konsequenzen für die Angezeigten und ihre Familien dahingehend, dass sie hernach Opfer von Gewalttaten seitens nicht-staatlicher Akteure werden. Selbst Richter werden offenbar nicht selten ungestraft von religiösen Fanatikern erpresst (Abs. 19.35 und 19.57). Dies alles nutze und nutzt bis heute etwa die islamistische Gruppierung „Khatm-e-Nabuwwat“ („Siegel der Prophetenschaft“) zur Verfolgung von Ahmadis (vgl. auch AA, Lagebericht 02.11.2012, S. 14). Gerichtliche Todesurteile würden zwar wohl nicht vollstreckt (Abs. 19.59). Aber selbst, wenn ein Rechtsmittelgericht einen Ahmadi letztlich freispreche, würden die Angeklagten nach entsprechenden Anzeigen meist jahrelang in Haft gehalten, weil auch eine Freilassung gegen Kaution in der Regel scheitere (Abs. 19.53). In Haft aber sei, ebenso wie auf Polizeistationen, die Folterung mittels verschiedenster Methoden weit verbreitet bzw. an der Tagesordnung (vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices Pakistan for 2011, S. 6). Dies berichtet auch das Auswärtige Amt; bei den 2011 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen sei zu vermuten, dass in der Mehrzahl Folter zum Tod beigetragen habe oder sogar die Todesursache gewesen sei (Lagebericht Pakistan vom 02.11.2012, S. 23).
57 
Neben staatlichen Verfolgungsmaßnahmen leiden Ahmadis in Pakistan offenbar immer wieder ganz erheblich unter Verfolgungsmaßnahmen von privaten Akteuren, die allerdings zahlenmäßig kaum seriös zu quantifizieren sind. Gegen brutal vorgehende Extremisten, oft angefeuert durch entsprechende Mullahs, können Ahmadis in aller Regel keinerlei effektiven Schutz erlangen (UNHCR - Eligibility Guidelines for assessing the international protection needs of members of religious minorities from Pakistan v. 14.05.2012 , S. 22), wie zahlreiche bekannt gewordene Fälle belegen (Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012, Abs. 1912, 19.27, 19.44, 19.121, 19.127, 19.145, 19.60). Mordaufrufe und entsprechende Flugblätter zeigten oftmals unmittelbar Wirkung. Exemplarisch kann ein Vorfall vom 28.05.2010 zitiert werden, bei dem Extremisten der „Khatm-e-Nabuwwat“-Gruppierung beim Freitagsgebet in Lahore gut koordinierte Angreifer vor zwei Ahmadi-Moscheen „Kill-all !“-Rufe skandieren und schließlich die Moscheen stürmen ließen; am Ende wurden 85 Ahmadis getötet und 150 weitere verletzt (Abs. 19.125). Dieses Bild der Schutzlosigkeit der Ahmadis wird ergänzt durch die seit 2011 zunehmenden Berichte von Schändungen von Ahmadi-Gräbern im gesamten Punjab (Abs. 19.156). Zudem schwenken offenbar in jüngerer Zeit die Medien, nicht nur das staatliche Fernsehen, sondern auch die traditionell eigentlich liberale englischsprachige Presse, auf die Anti-Ahmadi-Rhetorik ein. Dies hat offenbar zur Folge, dass sich die Auffassung, Ahmadis folgten einer Irrlehre und seien keine Muslime bzw. Apostaten, in der Mehrheitsbevölkerung allgemein durchzusetzen beginnt, was zu einer weiteren Verschärfung der allgegenwärtigen Diskriminierungen der Ahmadis führt (Abs. 19.150). Vor diesem Hintergrund ist auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bzw. interner Schutz erkennbar. In der Gesamtschau ergibt sich vielmehr landesweit ein überaus düsteres Bild. Ahmadis scheinen im heutigen Pakistan in gewisser Weise im mittelalterlichen Sinne „vogelfrei“.
58 
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - ausgeführt, dass im Rahmen der Gefahrenprognose zunächst „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis jedenfalls annäherungsweise zu bestimmen ist. In einem weiteren Schritt ist sodann festzustellen, wie viele Verfolgungsakte die Angehörigen dieser Gruppe treffen. Dabei ist insbesondere zu ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ahmadi inhaftiert und bestraft wird, der entgegen den Vorschriften des Pakistan Penal Code bei seiner Glaubensausübung religiöse Begriffe und Riten des Islam benutzt, seinen Glauben öffentlich bekennt oder für ihn wirbt“ (vgl. Rn. 33). Dies muss mit verfügbaren Erkenntnisquellen, gegebenenfalls durch Heranziehung eines Sachverständigen ermittelt werden (vgl. Rn. 45).
59 
Nach den in das Verfahren eingeführten und oben zitierten Erkenntnisquellen ist in diesem Sinne davon auszugehen, dass in Pakistan heute etwa 4 Millionen Ahmadis leben. Die Zahl der „bekennenden Ahmadis“ wird mit 500.000 bis 600.000 angegeben. Insbesondere zur Frage, wie viele Ahmadis hiervon ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizieren bzw. aus Angst vor solcher Verfolgung auf eine entsprechende Glaubensbetätigung erzwungenermaßen verzichten, hat das Gericht am 13.03.2013 als Sachverständigen ausführlich Herrn K. der Frankfurter Ahmadi-Gemeinde angehört. Nach dessen überzeugenden Ausführungen sind heute rund 400.000 Ahmadis durch regelmäßige Kontakte mit den lokalen Gemeinden bekannt und ihre Religion bekennend, wovon „durchaus fast alle unter den gegebenen Möglichkeiten öffentlichkeitswirksam aktiv“ seien. Die große Masse dieser aktiven Ahmadis müsse allerdings aus Angst vor Verfolgungsmaßnahmen auf die öffentlichkeitswirksame Praxis ihres Glaubens verzichten. Damit ist davon auszugehen, dass „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis“ bzw. erzwungenermaßen hierauf verzichtenden Ahmadis annäherungsweise mit 300.000 bis 400.000 zu bestimmen ist.
60 
Registrierte staatliche Verfolgungsakte sind nach den verfügbaren Erkenntnisquellen in einer Größenordnung von mindestens 60.000 nachweisbar, wenn nur die 60.000 registrierten Verfahren (wegen Sec. 298 C) in Rabwah in den Blick genommen werden. Hinzu kommen die weiteren offiziell registrierten „Police Cases“ sowie natürlich die zahlreichen Verfolgungsakte durch nichtstaatliche Akteure, die allerdings nicht seriös quantifizierbar sind.
61 
Dies alles weist auf die sehr hohe Wahrscheinlichkeit hin, dass ein Ahmadi inhaftiert und bestraft wird, der entgegen den Vorschriften des Pakistan Penal Code bei seiner Glaubensausübung religiöse Begriffe und Riten des Islam benutzt, seinen Glauben öffentlich bekennt oder für ihn wirbt. Bestätigt wird diese Einschätzung durch den Bericht des Sachverständigen K., der davon ausgeht, dass ein solches Verfolgungsrisiko mit annähernd 100 % zu beziffern ist. Eine solch extrem hohe Verfolgungswahrscheinlichkeit lässt sich den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen allerdings nicht entnehmen. Soll eine Relationsbetrachtung auf deren Grundlage erstellt werden, müsste nach dem oben Ausgeführten aber von einer Verfolgungswahrscheinlichkeit zumindest im Verhältnis 1:10 oder sogar 1:5 ausgegangen werden. Hieraus kann nach Überzeugung des Gerichts ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass für die Gruppe der ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanter Weise praktizierenden Glaubensangehörigen der Ahmadi in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko besteht. Und dies erlaubt des Weiteren die Schlussfolgerung, dass die Gruppe der Ahmadis, zu deren religiöser Identität bzw. zu deren religiösem Selbstverständnis unverzichtbar die verfolgungsträchtige Praktizierung des Glaubens auch in der Öffentlichkeit gehört, landesweit von den Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit in flüchtlingsrechtlich beachtlicher Weise betroffen ist. Denn bei dieser wertenden Betrachtung ist das erhebliche Risiko für Leib und Leben - insbesondere jahrelange Inhaftierung mit Folter - zu berücksichtigen, sodass an den Nachweis der Verfolgungswahrscheinlichkeit keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es entspricht der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auch dann vorliegen kann, wenn aufgrund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber - wie im Falle der Ahmadi in Pakistan - die jahrelange Haft, Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urteil vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - juris Rn. 17). Ist demnach ein aktiv bekennender Ahmadi gegeben, für den auch die öffentliche Glaubensbetätigung zur Wahrung seiner religiösen Identität unverzichtbar ist, muss landesweit von einem realen Verfolgungsrisiko ausgegangen werden, ohne dass eine inländische Fluchtalternative bzw. interner Schutz besteht.
II.
62 
Gemessen an den dargelegten Maßstäben war der Kläger vor seiner Ausreise aus Pakistan von individueller Verfolgung bedroht gewesen. Denn er hat glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass er in seiner Heimat immer wieder nur wegen seines Glaubens von Ahmadi-Gegnern verprügelt und misshandelt worden ist. Der Kläger kann sich mithin auch auf die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 QRL berufen.
63 
Selbst wenn aber nicht von einer Vorverfolgung ausgegangen werden könnte, wäre der Kläger derzeit als aktiver bekennender Ahmadi in Pakistan einer ihn individuell treffenden Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt. Ihm ist eine Fortführung seiner öffentlichkeitswirksamen religiösen Betätigung als Angehöriger der Ahmadis bei einer Rückkehr nach Pakistan im oben dargelegten Sinne nicht ohne konkrete Gefahr von erheblicher Verfolgung, ja unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL möglich.
64 
Nach der ausführlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung steht für das Gericht fest, dass für ihn die Ausübung der religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Die auch öffentliche Glaubensbetätigung ist ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar. Denn der Kläger, der seit seiner Geburt Ahmadi ist, ist mit seinem Glauben überaus eng verbunden, hat diesen in der Vergangenheit regelmäßig ausgeübt und praktiziert ihn auch gegenwärtig in vielfältiger Weise. Der Kläger wurde vom erkennenden Gericht als religiös geprägte Persönlichkeit erlebt. Alle Fragen zu seiner Religionszugehörigkeit und Religionsausübung hat er überzeugend beantwortet. Stets hat der Kläger an den verschiedenen Orten die Gottesdienste der Ahmadi besucht. Auch im Bundesgebiet lebt er seinen Glauben aktiv und auch in der Öffentlichkeit. Für den Kläger ist das Befolgen der Regeln seiner Religion, etwa das regelmäßige Beten ein wesentlicher Teil seines Tagesablaufs. Die Teilnahme an den religiösen Veranstaltungen der Ahmadi-Gemeinde sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er konnte im Übrigen die Fragen des Gerichts zu seiner Glaubensgemeinschaft, deren Gründer und deren Grundprinzipien überzeugend beantworten und führte aus, dass er mit seiner Religion überaus vertraut ist. Der Kläger steht nach alledem nach Überzeugung des Gerichts in einer engen und verpflichtenden Beziehung zum Glauben der Ahmadis, so dass ihm auf der Grundlage der obigen Ausführungen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
65 
Besteht nach alledem kein Anlass für eine weitere Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, ist auch die Nr. 3 des angefochtenen Bundesamtsbescheids aufzuheben.
66 
Nachdem dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, ist schließlich die Grundlage für die gemäß § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung entfallen, weshalb auch Nr. 4 des angefochtenen Bundesamtsbescheids aufzuheben ist.
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO (solange das Bundesverwaltungsgericht etwa aufgrund des EuGH-Urteils vom 09.11.2010 in der Rechtssache C-57/09 keine andere Quotelung vorgibt, wird das Asylbegehren weiterhin mit 1/3 bewertet). Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Gründe

 
13 
Soweit die Klage hinsichtlich der Asylanerkennung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
14 
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weshalb die Nummern 2 bis 4 des angefochtenen Bundesamtsbescheids rechtswidrig sind. Der Bescheid verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
I.
15 
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (- AsylVfG -) i.V.m. § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- AufenthG -), jeweils in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258). Hiernach darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine solche Verfolgung wegen seiner Religion droht dem Kläger jedenfalls durch den pakistanischen Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 lit. a AufenthG); deshalb kann dahinstehen, ob auch eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG gegeben ist.
16 
1. Ob Anwendungsbereich und Bedeutung von § 60 Abs. 1 AufenthG trotz des EuGH-Urteils vom 09.11.2010 in der Rechtssache C-57/09 nach wie vor weitgehend dem des Asylgrundrechts nach Art. 16 a Abs. 1 GG entsprechen, kann offenbleiben (zweifelnd: Renner u.a., AuslR, 10. Aufl. 2013 , Art. 16a GG Rn. 145). Sicher reicht der Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG heute jedenfalls weiter, nicht nur etwa in Bezug auf Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, sondern gerade auch hinsichtlich der hier relevanten Verfolgung aus religiösen Gründen. Das Asylgrundrecht schützt nach bisheriger Auslegung vor Verfolgung nur bezüglich der Religionsausübung in ihrem „Kernbereich“ im Sinne des religiösen Existenzminimums, das die Religionsausübung im häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich sowie das Gebet und den Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen umfasst („forum internum“; vgl. BVerfGE 76, 143 und BVerwGE 120, 16). § 60 Abs. 1 AufenthG schützt hingegen grundsätzlich auch vor Verfolgung wegen Religionsausübung in der Öffentlichkeit („forum externum“). Denn die Unterscheidung zwischen „Kernbereich“ oder „forum internum“ einerseits und „forum externum“ andererseits ist nach dem Urteil des EuGH vom 05.09.2012 in der Rechtssache Y und Z (C-71/11 und C-99/11) mit der weiten Definition des Religionsbegriffes des gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergänzend anzuwendenden Art. 10 Abs. 1 lit. b der sogenannten Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG (- QRL -) des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9), nicht vereinbar, weil unionsrechtlich alle Komponenten des Religionsbegriffes, ob öffentlich oder privat, ob kollektiv oder individuell, einbezogen sind (so EuGH, a.a.O. Rn. 62). Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL definiert, was unter dem Verfolgungsgrund der Religion zu verstehen ist, d. h. an welche religiösen Einstellungen oder Betätigungen eine Verfolgungshandlung anknüpfen muss, um flüchtlingsrechtlich beachtlich zu sein. Dabei gelten vom Begriff der Religion ausdrücklich umfasst, „insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“.
17 
2. Neben dem Vorliegen eines - hier religiösen - Verfolgungsgrundes setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 QRL weiter voraus, dass eine relevante Verfolgungshandlung festgestellt wird, die allein oder in der Gesamtheit mit anderen Verfolgungshandlungen eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ausmacht (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL), wobei in Art. 9 Abs. 2 QRL beispielhaft verschiedene in Betracht zu ziehende Verfolgungshandlungen benannt werden, wie etwa die Anwendung von Gewalt (lit. a) oder diskriminierende Maßnahmen (lit. b) bzw. Strafverfolgung (lit. c). Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt den Verfolgungsgrund im Sinne von Art. 10 QRL zielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 -, juris Rn. 22, 24, sowie Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - Rn. 28 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Handlungen, die eine „schwerwiegende Verletzung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL darstellen können, ausdrücklich nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, a.a.O. Rn. 63). Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung dar. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Eingriff nicht gerechtfertigt ist und den Antragsteller erheblich beeinträchtigt. Von Bedeutung ist beispielsweise, ob der Antragsteller Gefahr läuft, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei dieser Prüfung sind objektive wie auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Der subjektive Umstand, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit, die Gegenstand der beanstandeten Einschränkungen ist, zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, ist ein relevanter Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Größe der Gefahr, der der Antragsteller in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre, selbst wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis keinen zentralen Bestandteil für die betreffende Glaubensgemeinschaft darstellt (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 58-70). Sobald feststeht, dass sich der Antragsteller nach Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigen wird, die ihn im dargestellten Sinne der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen wird, muss ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 QRL eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund festgestellt ist. Dass der Antragsteller diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen vermeiden könnte, ist grundsätzlich irrelevant (EuGH, a.a.O. Rn. 79), wie nun auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.02.2013 (10 C 20.12 - Rn. 26) überzeugend entschieden hat. Denn ein Ausländer ist als Flüchtling anzuerkennen, wenn die Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen der öffentlichen oder privaten Ausübung seiner Religion verfolgt wird. Auch ein durch strafrechtliche Sanktionen erzwungener Verzicht auf die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit kann zur Flüchtlingsanerkennung führen. Dann aber muss die Ausübung gerade dieser religiösen Praxis für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sein. Dies bedeutet, dass die öffentliche Glaubensbetätigung ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 30).
18 
3. Zur weiteren Auslegung insbesondere der Qualifikationsrichtlinie führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dem sich das Gericht im Wesentlichen anschließt, in ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 20.05.2008 - A 10 S 3032/07 -, zuletzt im Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 - (beide: juris), aus:
19 
„a) Wie vom Senat … dargestellt, hat sich unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie auch der Prognosemaßstab für die festzustellende Verfolgungswahrscheinlichkeit geändert. Nach Art. 4 Abs. 3 QRL ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung - eine strikt einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen. Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nachdem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor bereits eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315; BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237.80 - juris), trifft die Qualifikationsrichtlinie eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls. So ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgericht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenziert zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht. Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwGE 104, 97), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen, zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
20 
b) Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden i.S.d. Art. 15 QRL erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -). Der in dem Tatbestandsmerkmal „…tatsächlich Gefahr liefe…“ des Art. 2 lit. e QRL enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - NVwZ 2008, 1330, RdNr. 125 ff. - Saadi -); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192).
21 
Art. 4 Abs. 4 QRL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden; die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 -). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände der Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).“
22 
4. Hiernach ist zwar nicht davon auszugehen, dass bereits aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung vorliegen. Etwas anderes kann sich jedoch für die Untergruppe der bekennenden Ahmadi ergeben, insbesondere wenn der Glaube in strafrechtlich verbotener Weise praktiziert bzw. aus Angst vor Verfolgung hierauf verzichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - Rn. 32 ff.; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 27.09.2010 - A 10 S 689/08 -; OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 2999/06.A -, beide juris). Zur Lage in Pakistan für Ahmadi hat der VGH Baden-Württemberg bereits im Urteil vom 20.05.2008 überzeugend ausgeführt:
23 
„Nach Auswertung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel stellt sich die Lage der Ahmadis in Pakistan für den Senat wie folgt dar:
24 
1. Zur Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya und ihrer Entstehung hat der HessVGH im Urteil vom 31.08.1999 (10 UE 864/98.A - juris) u.a. das Folgende ausgeführt, von dem auch der Senat ausgeht:
25 
„Die Ahmadiyya-Gemeinschaft wurde 1889 durch Mirza Ghulam Ahmad (1835 - 1908) in der Stadt Qadian (im heutigen indischen Bundesstaat Punjab) gegründet und versteht sich als eine innerislamische Erneuerungsbewegung. Ihr Gründer behauptete von sich, göttliche Offenbarungen empfangen zu haben, nach denen er der den Muslimen verheißene Messias und Mahdi, der herabgestiegene Krishna, der wiedergekehrte Jesus und der wiedererschienene Mohammed sei. An der Frage seiner Propheteneigenschaft spaltete sich die Bewegung im Jahre 1914. Die Minderheitengruppe der Lahoris (Ahmadiyya-Anjuman Lahore), die ihren Hauptsitz nach Lahore/Pakistan verlegte und die Rechtmäßigkeit der Kalifen als Nachfolger des Religionsgründers nicht mehr anerkannte, sieht in Ahmad lediglich einen Reformer im Sinne eines "wieder neubelebten" Mohammed, während die Hauptgruppe der Quadianis (Ahmadiyya Muslim Jamaat) ihn als einen neuen Propheten nach Mohammed verehrt, allerdings mit der Einschränkung, dass er nicht ermächtigt sei, ein neues Glaubensgesetz zu verkünden, denn Mohammed sei der letzte "gesetzgebende" Prophet gewesen. Die Bewegung betrachtet sich als die einzig wahre Verkörperung des Islam, den ihr Gründer wiederbelebt und neu offenbart habe. Während die orthodoxen Muslime aus der Sicht der Ahmadis zur Glaubens- und Welterneuerung hingeführt werden müssen, sind die Ahmadis aus der Sicht der orthodoxen Muslime Apostaten, die nach der Ideologie des Islam ihr Leben verwirkt haben.
26 
Im Zuge der Teilung des indischen Subkontinents und der Gründung eines islamischen Staates Pakistan am 13. August 1947 siedelten viele Ahmadis dorthin über, vor allem in den pakistanischen Teil des Punjab. Mitglieder der Hauptgruppe des Qadianis erwarben dort Land und gründeten die Stadt Rabwah im Punjab, die sich zum Zentrum der Bewegung entwickelte. Mehr als 95 % der Bevölkerung gehören der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft an und die Stadt ist der Hauptsitz der Gemeinschaft (Ahmadiyya Verfolgungsbulletin Mai 1996, S. 28). Heute heißt die Stadt nach einem Beschluss des Parlaments von Punjab gegen den Willen der Bevölkerung Tschinab Nagar (Ahmadiyya Rundschreiben vom 30.04.1999).
27 
Die Angaben über die Zahl der Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gehen weit auseinander und reichen etwa von 103.000 bis 4 Millionen (vgl. Gutachten Dr. Wohlgemuth an Hamb. OVG vom 22.02.1988, S. 454 f.), wobei die Minderheitengruppe der Lahoris mit ca. 5.000 Mitgliedern (AA an Hess. VGH vom 20.07.1994) hier unberücksichtigt bleiben kann. Nach Angaben der Ahmadiyya Muslim Jamaat selbst lag deren Mitgliederzahl im Jahr 1994 bei etwa 2 bis 3 Millionen (vgl. AA an Hess. VGH vom 20.07.1994, S. 1); weltweit sollen es 12 Millionen Mitglieder in über 140 Staaten sein (Ahmadiyya Mitteilung vom 04.09.1996), nach Stanek etwa 1 bis 3 Millionen (Referat vom 15.12.1997, S. 4). Nach Schätzung des der Ahmadiyya-Bewegung zugehörigen Gutachters Prof. Chaudhry lag die Zahl der Ahmadis in Pakistan in diesem Zeitraum dagegen nur bei ein bis zwei Millionen (vgl. Gutachten an Hess. VGH vom 22.05.1994, S. 6). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ahmadis möglicherweise stärker noch als andere muslimische Glaubensgemeinschaften in Pakistan dazu neigen, ihre Anhängerschaft verdoppelt und verdreifacht anzugeben, und dass ihre Stärke deshalb und aufgrund ihrer früher regen Missionstätigkeit überschätzt worden sein kann (vgl. Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, 1991, S. 295 f.). Die bisweilen genannte Mitgliederzahl von 4 Millionen (vgl. Ahmadiyya an Bundesamt vom 14.07.1991) dürfte deshalb zu hoch (vgl. Gutachten Dr. Conrad an Hess. VGH vom 31.10.1994, S. 4) und eine Schätzung auf 1 bis 2 Millionen - auch für den Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin - eher realistisch sein (vgl. Ende/Steinbach, S. 295 für 1983; Dr. Khalid vor dem Bay. VGH am 22.01.1985, S. 7).
28 
Auch für den Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats sind verlässliche Zahlen über die Entwicklung der Zahl der Ahmadis in Pakistan aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht feststellbar; die Ergebnisse der letzten Volkszählung in Pakistan im März 1998 (UNHCR Report vom 01.05.1998, S. 8) sind bis heute nicht veröffentlicht worden. Dass die bereits dem Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1994 (10 UE 77/94) zugrunde gelegte Mitgliederzahl von ca. 1 bis 2 Millionen aber auch heute noch zutreffen dürfte, lässt sich trotz des allgemeinen Bevölkerungswachstums Pakistans von jährlich 2,9 % bei rund 133 Millionen Einwohnern (Fischer Weltalmanach 1999, "Pakistan") oder 136 Millionen (Statistisches Jahrbuch 1995 für das Ausland, S. 210; Microsoft Encarta Enzyklopädie 1999, "Pakistan") oder 126 Millionen Einwohnern (Encyclopaedia Universalis, Chiffres du Monde 1998, "Pakistan") damit erklären, dass die Ahmadiyya-Bewegung seit 1974 und insbesondere seit 1984 so gut wie keine Missionserfolge in Pakistan mehr verzeichnen konnte und durch die gegen sie gerichteten Repressalien Hunderttausende ihrer Mitglieder durch Austritt und Auswanderung verloren haben dürfte (vgl. bereits Gutachten Dr. Ahmed an VG Ansbach vom 05.06.1978, S. 23) Dem steht eine Gesamtbevölkerung Pakistans gegenüber, die zu etwa 75 bis 77 % aus sunnitischen und zu 15 bis 20 % aus schiitischen Muslimen besteht und in unterschiedlichste Glaubensrichtungen zerfällt (vgl. Ende/Steinbach, S. 281; AA an VG Schleswig vom 26.08.1993).“
29 
Auch die aktuellen Zahlen sind nach wie vor nicht eindeutig und weitgehend ungesichert, was nicht zuletzt darin begründet ist, dass die Ahmadis bedingt durch die noch darzustellenden Verbote, sich als Moslems zu bekennen und zu bezeichnen, seit 1974 in großem Umfang die Teilnahme an Volkszählungen verweigern und diese boykottieren (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.41). Das Auswärtige Amt teilt im jüngsten Lagebericht (vom 18.05.2007, S. 16) nur mit, dass nach eigenen Angaben die Ahmadis etwa vier Millionen Mitglieder zählen sollen, wobei allerdings allenfalls 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder seien.
30 
2. Die Lage der Ahmadis wird maßgeblich durch die folgenden rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt:
31 
a) Der Islam wird in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt. Die Freiheit der Religionsausübung ist allerdings von Verfassung wegen garantiert (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2). Durch eine Verfassungsänderung von 1974 wurden die Ahmadis allerdings ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt und in der Verfassung als religiöse Minderheit bezeichnet und geführt. Nach der Verfassung ist hiernach kein Muslim im Sinne der gesamten pakistanischen Rechtsordnung, wer nicht an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Prophetenamtes Mohammeds glaubt bzw. auch andere Propheten als Mohammed anerkennt.
32 
Dieses hat unmittelbare Konsequenzen für den Bereich des Wahlrechts insofern, als Ahmadis nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren können und nur solche wählen können. Um ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren bzw. wählen zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetenamtes Mohammeds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden seitdem die Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.34 ff.). In den Pässen werden die Ahmadis ausdrücklich (wieder) als “non-muslim” geführt (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16).
33 
b) Seit 1984 bzw.1986 gelten namentlich drei Vorschriften des pakistanischen Strafgesetzbuches, die sich speziell mit den Ahmadis befassen und diese gewissermaßen zur Absicherung und Unterfütterung ihrer verfassungsrechtlichen Behandlung in den Blick nehmen.
34 
Sec. 298 B lautet (vgl. BVerfGE 76, 143):
35 
„(1) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung
36 
a) eine Person, ausgenommen einen Kalifen oder Begleiter des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ameerui Mumineen', 'Khalifar-ul-Mimineem', 'Shaabi' oder 'Razi-Allah-Anho' bezeichnet oder anredet;
b) eine Person, ausgenommen eine Ehefrau des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ummul-Mumineen' bezeichnet oder anredet;
c) eine Person, ausgenommen ein Mitglied der Familie des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ahle-bait' bezeichnet oder anredet;
d) sein Gotteshaus als 'Masjid' bezeichnet, es so nennt oder benennt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe bestraft.
37 
(2) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung die Art oder Form des von seiner Glaubensgemeinschaft befolgten Gebetsrufs als 'Azan' bezeichnet oder den 'Azan' so rezitiert wie die Muslime es tun, wird mit Freiheitsstrafe der beiden Arten und mit Geldstrafe bestraft.“
38 
Sec. 298 C lautet:
39 
„Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung mittelbar oder unmittelbar den Anspruch erhebt, Muslim zu sein, oder seinen Glauben als Islam bezeichnet oder ihn so nennt oder seinen Glauben predigt oder propagiert oder andere auffordert, seinen Glauben anzunehmen, oder wer in irgendeiner anderen Weise die religiösen Gefühle der Muslime verletzt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und Geldstrafe bestraft.“
40 
Sec. 295 C schließlich hat folgenden Wortlaut:
41 
„Wer in Worten, schriftlich oder mündlich oder durch sichtbare Übung, oder durch Beschuldigungen, Andeutungen oder Beleidigungen jeder Art, unmittelbar oder mittelbar den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) verunglimpft, wird mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft.“
42 
Die genannten Vorschriften, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut im Übrigen nicht nur die öffentliche Sphäre der Religionsausübung betreffen (in diesem Sinne auch ausführlich HessVGH, U.v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 92 ff.; vgl. auch BVerfG, Kammerb. v. 21.12.1992 – 2 BvR 1263/92 - juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 26.10.1993 - 9 C 50.92 - NVwZ 1994, 500; v. 25.01.1995 – 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82, insbesondere auch zur Abgrenzung zwischen forum internum und zur Glaubensbetätigung mit Öffentlichkeitsbezug), stellen diskriminierenden, nicht mit Art. 18 Abs. 3 IPbpR zu vereinbarende Strafbestimmungen dar, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL erfüllen (vgl. auch etwa EGMR, U.v. 24.02.1998 - 140/1996/759/958-960 – Larissis - http://www.echr.coe.int/echr/ -, wonach ein Verbot des Missionierens, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, eine unzulässige Beschränkung der Religionsfreiheit darstellt). Es handelt sich nicht um staatliche Maßnahmen, „die der Durchsetzung des öffentlichen Friedens und der verschiedenen, in ihrem Verhältnis zueinander möglicherweise aggressiv-intoleranten Glaubensrichtungen dienen, und zu diesem Zweck etwa einer religiösen Minderheit mit Rücksicht auf eine religiöse Mehrheit untersagt wird, gewisse Bezeichnungen, Merkmale, Symbole oder Bekenntnisformen in der Öffentlichkeit zu verwenden, obschon sie nicht nur für die Mehrheit, sondern auch für die Minderheit identitätsbestimmend sind“ (so BVerfGE 76, 143 im Kontext des Asylgrundrechts). Dies gilt nicht nur mit Rücksicht auf die fehlende Beschränkung auf die öffentliche Sphäre, sondern auch deshalb, weil hier der pakistanische Staat, auch wenn er stark durch Glaubensüberzeugungen der Mehrheitsbevölkerung geprägt sein mag, nicht die Rolle eines um Neutralität bemühten Staatswesens einnimmt. Vielmehr werden hier einseitig die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Haftung genommen und in ihren Freiheitsrechten und in ihrer religiösen Selbstbestimmung beeinträchtigt, obwohl von einem aggressiven Auftreten gegenüber anderen Religionen, namentlich auch anderen Strömungen des Islam nichts bekannt geworden ist und den inneren Frieden störende Handlungen nicht von ihnen ausgehen, sondern weitgehend allein von zunehmend aggressiv agierenden orthodoxen Teilen der Mehrheitsbevölkerung sowie auch direkt und unmittelbar von staatlichen Behörden (vgl. hierzu AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 14 ff.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 und 10; vgl. auch HessVGH, U.v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 34).
43 
Seit Einführung der spezifisch auf die Ahmadis zugeschnittenen Blasphemiebestimmung von sec. 295 C, die neben weiteren ähnlichen Bestimmungen steht, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen, sollen etwa 2000 Strafverfahren gegen Ahmadis eingeleitet worden sein (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56; vgl. aber auch Ziffer 19.55 mit etwas niedrigeren Zahlen von ausdrücklich und im Einzelnen von der Glaubensgemeinschaft selbst dokumentierten Fällen); allein im Jahre 2006 soll es zu 21 Anklagen gegen Ahmadis gekommen sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 15, das im Übrigen ausdrücklich die steigende Tendenz als besorgniserregend qualifiziert, vgl. dort S. 5; vgl. auch Freedom House 2007, mit dem Hinweis auf eine Zunahme in den jüngsten Jahren; vgl. auch zu ähnlichen Zahlen Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.51; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 123 ff., wonach seit 1988 von 647 Fällen allein in den Medien berichtet worden sei). Allerdings ist es bislang zu keinen Todesurteilen gekommen, die auch in letzter Instanz bestätigt worden wären. Weitere Informationen über die Zahl rechtskräftiger Verurteilungen liegen dem Senat nicht vor. Faire Gerichtsverfahren sind, v.a. in erster Instanz häufig nicht garantiert, weil den Gerichtsorganen die erforderliche Neutralität fehlt, wobei dies nicht zuletzt darauf beruht, dass sie zum Teil durch örtliche Machthaber oder islamistische Extremisten unter Druck gesetzt werden oder aber in hohem Maße korrupt sind (vgl. AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practices, 11.03.2008, S. 9 f.). In der Regel werden die Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht gegen Kaution freigelassen (U.S. Department of State, a.a.O., S. 10). Anwälte von Betroffenen werden gleichfalls häufig von privater Seite eingeschüchtert und unter Druck gesetzt (vgl. U.S. Department of State, a.a.O., S. 16 f.). Die Bestimmung der sec. 295 C wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Pakistan auch keineswegs restriktiv verstanden und ausgelegt. Nach dem Urteil des Lahore High Court vom 17.09.1991 (bestätigt durch Urteil des Supreme Court vom 03.07.1993), mit dem ein Verbot der 100-Jahr-Feiern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gebilligt wurde, stellt das Rezitieren der Glaubensformel „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet“ durch einen Ahmadi nicht nur ein strafbares „Sich-Ausgeben“ als Muslim im Sinne von sec. 298 C dar, sondern eine Lästerung des Namens des Propheten (vgl. hierzu im Einzelnen HessVGH, U. v. 31.08.1999 – 10 UE 864/98.A – juris – Tz. 46 und 69).
44 
Was die Strafbestimmungen der sec. 298 B und C betrifft, sollen gegenwärtig etwa 1000 Verfahren anhängig sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16; vgl. auch zu Zahlen der insgesamt durchgeführten Verfahren Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.55 f.), wobei hier die Angeklagten sich zumeist auf freiem Fuß befinden (vgl. zu den Hintergründen und Motiven für die Einleitung von Verfahren auch AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.57).
45 
Demgegenüber werden Strafbestimmungen, die den Schutz der religiösen Gefühle aller Religionen, somit auch der Minderheitsreligionen, gewährleisten sollen, in der Rechtswirklichkeit nicht oder selten angewandt, wenn deren Gefühle durch Angehörige der Mehrheitsreligion verletzt worden sind (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2).
46 
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser rechtliche Rahmen in der Metropole der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Rabwah keine Gültigkeit haben sollte. Abgesehen davon ist nichts dafür ersichtlich, dass alle im Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie schutzsuchenden gläubigen Ahmadis dort einen zumutbaren internen Schutz im Sinne von Art. 8 QRL finden könnte, zumal auch dort keine Sicherheit vor Übergriffen durch radikale Muslime bestehen dürfte (vgl. hierzu im Einzelnen unten d).
47 
c) Den Ahmadis ist es seit 1983 oder 1984 untersagt, öffentliche Versammlungen bzw. religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, namentlich auch solche Veranstaltungen, auf den öffentlich gebetet wird (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.53). Hingegen wird es Ahmadis nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu versammeln, selbst wenn dies durch die Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann und wird (AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16), jedenfalls wird dies im Grundsatz faktisch hingenommen. Allerdings wird die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadurch behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen werden bzw. deren Errichtung verhindert wird, während gleichzeitig orthodoxe Sunniten ungehindert an der gleichen Stelle ohne jede Genehmigung eine Moschee errichten können, sowie Gebetshäuser oder Versammlungsstätten immer wieder von Extremisten überfallen werden (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 5, 7 und 10 f.).
48 
Im Gegensatz zu anderen Minderheitsreligionen ist den Ahmadis jedes Werben für ihren Glauben mit dem Ziel andere zum Beitritt in die eigene Glaubensgemeinschaft zu bewegen, strikt untersagt und wird auch regelmäßig strafrechtlich verfolgt (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).
49 
Den Ahmadis ist die Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka verboten, wenn sie dabei als Ahmadis auftreten bzw. sich zu erkennen geben (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).
50 
Literatur und andere Veröffentlichungen mit Glaubensinhalten im weitesten Sinn sind verboten; allerdings finden Publikationen in internen Kreisen durchaus größere Verbreitung (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 4).
51 
d) Ahmadis sind seit Jahren und in besonders auffälligen Maße Opfer religiös motivierter Gewalttaten, die aus der Mitte der Mehrheitsbevölkerung von religiösen Extremisten begangen werden, ohne dass die Polizeiorgane hiergegen effektiven Schutz gewähren würden; in nicht wenigen Fällen haben auch Angehörige der Polizei unmittelbar derartige Aktionen mit unterstützt, zumindest aber diesen untätig zugesehen und diese geschehen lassen (vgl. U.S. Department of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practices, 11.03.2008, S. 17 f.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 f. und 10 f.; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, 119; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 124 mit Beispielen). Dies gilt selbst für ihre „Metropole“ Rabwah, jetzt Chenab Nagar (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.59; ai, Jahresbericht 2006). Zu in den 70-er Jahre vorgefallenen pogromartigen Ausschreitungen vergleichbaren Aktionen ist es jedoch nicht mehr gekommen.
52 
e) Nur der Vollständigkeit halber soll noch auf folgenden Umstand hingewiesen werden, der allerdings das vom Senat für richtig gehaltene Ergebnis nicht entscheidend beeinflusst, sondern allenfalls zur Abrundung des Bildes beiträgt und geeignet ist: Die frühere überdurchschnittliche Repräsentanz von Ahmadis im öffentlichen Dienst sinkt seit Jahren bedingt durch eine zunehmende Diskriminierung bei Einstellungen und Beförderungen (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 17; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.62; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 114; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 16 f.). Desgleichen wird von weit verbreiteten Diskriminierungen beim Zugang zum öffentlichen Bildungswesen und in demselben berichtet (Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 119; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.65).
53 
3. Die so beschriebene Situation der Ahmadis in Pakistan, die von der „Fédération Internationale des Droits Humaines“ (FIDH) im Januar 2005 in der Weise zusammenfassend charakterisiert wurde, dass „die Ahmadis wohl die einzige der am meisten betroffenen Gruppen sei, bei der die Verweigerung des Rechts auf öffentliche Meinungsäußerung, Religionsausübung und Versammlungsfreiheit nahezu umfassend sei“ (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56), stellt für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen und in diesem verwurzelten Ahmadi, zu dessen Glaubensüberzeugung es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und in diese zu tragen, eine schwerwiegende Menschrechtsverletzung jedenfalls im Sinne einer kumulierenden Betrachtung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL darstellen. Der Präsident von amnesty international Pakistan wird dahingehend zitiert, die Ahmadis seien die am meisten unterdrückte Gruppe in Pakistan, was er nicht zuletzt darauf zurückführt, dass es – anders als bei Christen – niemanden gebe, der sich für diese wirkungsvoll einsetze und den erforderlichen Druck ausübe (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.63 a. E.)
54 
Von zentraler Bedeutung für diese Schlussfolgerung des Senats ist dabei das gegen die Ahmadis gerichtete verfassungsunmittelbare Verbot sich als Muslime zu begreifen bzw. zu verstehen und dieses Verständnis insoweit auch in die Öffentlichkeit zu tragen (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. b QRL). Denn hieraus leiten sich letztlich alle oben beschriebenen Verbote, insbesondere soweit sie auch strafbewehrt sind (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL), ab. Dieses Verbot und seine Folgeumsetzungen müssen das Selbstverständnis der Ahmadis im Kern treffen, wenn jegliches Agieren in der Öffentlichkeit, insbesondere auch ein Werben für den Glauben und ein friedliches Missionieren nicht zugelassen werden und nur unter dem Risiko einer erheblichen Bestrafung möglich sind.
55 
Bei diesem Ausgangspunkt kann nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob die bislang bzw. gegenwärtig festgestellten Verurteilungen bzw. Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsdichte die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Gruppenverfolgung rechtfertigen würden. Denn es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass angesichts der angedrohten erheblichen, ja drakonischen Strafen sowie der zahlreichen nicht enden wollenden ungehinderten Übergriffe extremistischer Gruppen es der gesunde Menschenverstand nahe legen, wenn nicht gar gebieten wird, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen bzw. äußerst zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche werbende Verbreiten des eigenen Glaubens. Diese seit nunmehr weit über 20 Jahre währenden rechtlichen und sozialen Gesamtumstände und -bedingungen der Glaubenspraxis werden auch einen nicht unwesentlichen Faktor für die bereits eingangs festgestellte Stagnation der gesamten Ahmadiyya-Bewegung ausmachen. Insoweit muss die absolute Zahl der Strafverfahren und ihr Verhältnis zu der Zahl der gläubigen Ahmadis daher isoliert betrachtet notwendigerweise ein unzutreffendes Bild abgeben. Würden die gläubigen Ahmadis ihr selbstverständliches Menschenrecht aktiv wahrnehmen, so müssten sie bei realistischer Betrachtungsweise mit erheblichen und nach Art und Zahl zunehmenden Reaktionen von staatlicher Seite bzw. auch von Dritten rechnen. Da die öffentliche Glaubensbetätigung für die Ahmadis (nach ihrem Selbstverständnis gerade auch als Teil der Muslime) als unverzichtbarer Teil des Menschenrechts auf freie Religionsausübung verstanden werden muss, kann auch nicht eingewandt werden, dass das gegenwärtige festzustellende weitgehende Schweigen in der Öffentlichkeit nur Ausdruck eines latenten flüchtlingsrechtlich irrelevanten und daher hinzunehmenden Anpassungsdrucks ist.“
56 
5. Die beschriebene Lage hat sich für Ahmadis auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entscheidungserheblich verändert. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.11.2012 geht von drei bis vier Millionen Ahmadis in Pakistan aus, wovon 500.000 bis 600.000 Mitglieder „bekennend“ seien. Im aktuellen Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012 (zitiert nach Abs.; hier: Abs. 19.98) ist von 291.000 bzw. 600.000 Ahmadis die Rede. Laut dem International Religious Freedom Report Pakistan des United States Department of State for 2011 (S. 2, Sektion I.) sind allerdings überhaupt keine verlässliche Daten erreichbar bezüglich der Anzahl der Ahmadis, die sich aktiv an religiösen Ritualen oder Gottesdiensten beteiligen. Vergleichbares gilt offenbar bezüglich der Ermittlung von verlässlichen Daten zur Frage der Häufigkeit von Übergriffen auf Ahmadis in Pakistan (vgl. Pakistan-Report vom 07.12.2012, Abs. 19.162). Das Gericht sieht daher keinen erfolgsversprechenden Ansatz für weitere Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht; die Beklagte hat einen solchen auch nicht aufgezeigt. In dem Bericht „Persecution of Ahmadis in Pakistan during the Year 2011“ (Annex II), den auch das Upper Tribunal - Immigration and Asylum Chamber in seinem Urteil „MN and others“ (Pakistan CG <2012> UKUT 00389) vom 13.11.2012 als relevant angesehen hat (dort Rn. 30, Fn. 6), werden im Zeitraum April 1984 bis 31. 12.2011 offiziell registrierte „Police Cases“ gegen Ahmadis von insgesamt 3.820 aufgeführt, davon 299 wegen „Blasphemie“, zuzüglich von über 60.000 Verfahren (wegen Sec. 298 C) gegen die gesamte Bevölkerung von Rabwah, die 2009 noch anhängig gewesen seien (Abs. 19.136). Der Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012 (Abs. 1949) spricht im Zeitraum 1986 bis 2006 allein von 695 Anklagen wegen Blasphemie; insgesamt seien im Zeitraum 1984 bis 2004 über 5.000 Anklagen gegen Ahmadis ergangen. Im Juni 2011 seien mindestens 14 Verfahren gegen Ahmadis anhängig gewesen, in denen die Todesstrafe verhängt worden sei (Abs. 1939). 2010 seien zwei wegen Blasphemie angeklagte Christen und zwei Muslims getötet worden (Abs. 19.47). Von 1984 bzw. 1987 bis 2011 seien 1.117 Personen wegen Blasphemie angeklagt (Abs. 19.50) und nachweisbar 210 Ahmadis wegen ihres Glaubens umgebracht worden; zudem wisse man von 254 entsprechenden Mordversuchen (Abs. 10.131). In Pakistan könne heute zudem jedermann einen Ahmadi wegen Blasphemie anzeigen, möglicherweise auch aus eigensüchtigen Motiven, ohne dass sich der Anzeigende selbst der Gefahr der Verfolgung wegen falscher Anschuldigungen aussetze. Eine Anzeige habe nicht selten auch erhebliche Konsequenzen für die Angezeigten und ihre Familien dahingehend, dass sie hernach Opfer von Gewalttaten seitens nicht-staatlicher Akteure werden. Selbst Richter werden offenbar nicht selten ungestraft von religiösen Fanatikern erpresst (Abs. 19.35 und 19.57). Dies alles nutze und nutzt bis heute etwa die islamistische Gruppierung „Khatm-e-Nabuwwat“ („Siegel der Prophetenschaft“) zur Verfolgung von Ahmadis (vgl. auch AA, Lagebericht 02.11.2012, S. 14). Gerichtliche Todesurteile würden zwar wohl nicht vollstreckt (Abs. 19.59). Aber selbst, wenn ein Rechtsmittelgericht einen Ahmadi letztlich freispreche, würden die Angeklagten nach entsprechenden Anzeigen meist jahrelang in Haft gehalten, weil auch eine Freilassung gegen Kaution in der Regel scheitere (Abs. 19.53). In Haft aber sei, ebenso wie auf Polizeistationen, die Folterung mittels verschiedenster Methoden weit verbreitet bzw. an der Tagesordnung (vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices Pakistan for 2011, S. 6). Dies berichtet auch das Auswärtige Amt; bei den 2011 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen sei zu vermuten, dass in der Mehrzahl Folter zum Tod beigetragen habe oder sogar die Todesursache gewesen sei (Lagebericht Pakistan vom 02.11.2012, S. 23).
57 
Neben staatlichen Verfolgungsmaßnahmen leiden Ahmadis in Pakistan offenbar immer wieder ganz erheblich unter Verfolgungsmaßnahmen von privaten Akteuren, die allerdings zahlenmäßig kaum seriös zu quantifizieren sind. Gegen brutal vorgehende Extremisten, oft angefeuert durch entsprechende Mullahs, können Ahmadis in aller Regel keinerlei effektiven Schutz erlangen (UNHCR - Eligibility Guidelines for assessing the international protection needs of members of religious minorities from Pakistan v. 14.05.2012 , S. 22), wie zahlreiche bekannt gewordene Fälle belegen (Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012, Abs. 1912, 19.27, 19.44, 19.121, 19.127, 19.145, 19.60). Mordaufrufe und entsprechende Flugblätter zeigten oftmals unmittelbar Wirkung. Exemplarisch kann ein Vorfall vom 28.05.2010 zitiert werden, bei dem Extremisten der „Khatm-e-Nabuwwat“-Gruppierung beim Freitagsgebet in Lahore gut koordinierte Angreifer vor zwei Ahmadi-Moscheen „Kill-all !“-Rufe skandieren und schließlich die Moscheen stürmen ließen; am Ende wurden 85 Ahmadis getötet und 150 weitere verletzt (Abs. 19.125). Dieses Bild der Schutzlosigkeit der Ahmadis wird ergänzt durch die seit 2011 zunehmenden Berichte von Schändungen von Ahmadi-Gräbern im gesamten Punjab (Abs. 19.156). Zudem schwenken offenbar in jüngerer Zeit die Medien, nicht nur das staatliche Fernsehen, sondern auch die traditionell eigentlich liberale englischsprachige Presse, auf die Anti-Ahmadi-Rhetorik ein. Dies hat offenbar zur Folge, dass sich die Auffassung, Ahmadis folgten einer Irrlehre und seien keine Muslime bzw. Apostaten, in der Mehrheitsbevölkerung allgemein durchzusetzen beginnt, was zu einer weiteren Verschärfung der allgegenwärtigen Diskriminierungen der Ahmadis führt (Abs. 19.150). Vor diesem Hintergrund ist auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bzw. interner Schutz erkennbar. In der Gesamtschau ergibt sich vielmehr landesweit ein überaus düsteres Bild. Ahmadis scheinen im heutigen Pakistan in gewisser Weise im mittelalterlichen Sinne „vogelfrei“.
58 
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - ausgeführt, dass im Rahmen der Gefahrenprognose zunächst „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis jedenfalls annäherungsweise zu bestimmen ist. In einem weiteren Schritt ist sodann festzustellen, wie viele Verfolgungsakte die Angehörigen dieser Gruppe treffen. Dabei ist insbesondere zu ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ahmadi inhaftiert und bestraft wird, der entgegen den Vorschriften des Pakistan Penal Code bei seiner Glaubensausübung religiöse Begriffe und Riten des Islam benutzt, seinen Glauben öffentlich bekennt oder für ihn wirbt“ (vgl. Rn. 33). Dies muss mit verfügbaren Erkenntnisquellen, gegebenenfalls durch Heranziehung eines Sachverständigen ermittelt werden (vgl. Rn. 45).
59 
Nach den in das Verfahren eingeführten und oben zitierten Erkenntnisquellen ist in diesem Sinne davon auszugehen, dass in Pakistan heute etwa 4 Millionen Ahmadis leben. Die Zahl der „bekennenden Ahmadis“ wird mit 500.000 bis 600.000 angegeben. Insbesondere zur Frage, wie viele Ahmadis hiervon ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizieren bzw. aus Angst vor solcher Verfolgung auf eine entsprechende Glaubensbetätigung erzwungenermaßen verzichten, hat das Gericht am 13.03.2013 als Sachverständigen ausführlich Herrn K. der Frankfurter Ahmadi-Gemeinde angehört. Nach dessen überzeugenden Ausführungen sind heute rund 400.000 Ahmadis durch regelmäßige Kontakte mit den lokalen Gemeinden bekannt und ihre Religion bekennend, wovon „durchaus fast alle unter den gegebenen Möglichkeiten öffentlichkeitswirksam aktiv“ seien. Die große Masse dieser aktiven Ahmadis müsse allerdings aus Angst vor Verfolgungsmaßnahmen auf die öffentlichkeitswirksame Praxis ihres Glaubens verzichten. Damit ist davon auszugehen, dass „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis“ bzw. erzwungenermaßen hierauf verzichtenden Ahmadis annäherungsweise mit 300.000 bis 400.000 zu bestimmen ist.
60 
Registrierte staatliche Verfolgungsakte sind nach den verfügbaren Erkenntnisquellen in einer Größenordnung von mindestens 60.000 nachweisbar, wenn nur die 60.000 registrierten Verfahren (wegen Sec. 298 C) in Rabwah in den Blick genommen werden. Hinzu kommen die weiteren offiziell registrierten „Police Cases“ sowie natürlich die zahlreichen Verfolgungsakte durch nichtstaatliche Akteure, die allerdings nicht seriös quantifizierbar sind.
61 
Dies alles weist auf die sehr hohe Wahrscheinlichkeit hin, dass ein Ahmadi inhaftiert und bestraft wird, der entgegen den Vorschriften des Pakistan Penal Code bei seiner Glaubensausübung religiöse Begriffe und Riten des Islam benutzt, seinen Glauben öffentlich bekennt oder für ihn wirbt. Bestätigt wird diese Einschätzung durch den Bericht des Sachverständigen K., der davon ausgeht, dass ein solches Verfolgungsrisiko mit annähernd 100 % zu beziffern ist. Eine solch extrem hohe Verfolgungswahrscheinlichkeit lässt sich den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen allerdings nicht entnehmen. Soll eine Relationsbetrachtung auf deren Grundlage erstellt werden, müsste nach dem oben Ausgeführten aber von einer Verfolgungswahrscheinlichkeit zumindest im Verhältnis 1:10 oder sogar 1:5 ausgegangen werden. Hieraus kann nach Überzeugung des Gerichts ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass für die Gruppe der ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanter Weise praktizierenden Glaubensangehörigen der Ahmadi in Pakistan ein reales Verfolgungsrisiko besteht. Und dies erlaubt des Weiteren die Schlussfolgerung, dass die Gruppe der Ahmadis, zu deren religiöser Identität bzw. zu deren religiösem Selbstverständnis unverzichtbar die verfolgungsträchtige Praktizierung des Glaubens auch in der Öffentlichkeit gehört, landesweit von den Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit in flüchtlingsrechtlich beachtlicher Weise betroffen ist. Denn bei dieser wertenden Betrachtung ist das erhebliche Risiko für Leib und Leben - insbesondere jahrelange Inhaftierung mit Folter - zu berücksichtigen, sodass an den Nachweis der Verfolgungswahrscheinlichkeit keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es entspricht der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auch dann vorliegen kann, wenn aufgrund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber - wie im Falle der Ahmadi in Pakistan - die jahrelange Haft, Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urteil vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - juris Rn. 17). Ist demnach ein aktiv bekennender Ahmadi gegeben, für den auch die öffentliche Glaubensbetätigung zur Wahrung seiner religiösen Identität unverzichtbar ist, muss landesweit von einem realen Verfolgungsrisiko ausgegangen werden, ohne dass eine inländische Fluchtalternative bzw. interner Schutz besteht.
II.
62 
Gemessen an den dargelegten Maßstäben war der Kläger vor seiner Ausreise aus Pakistan von individueller Verfolgung bedroht gewesen. Denn er hat glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass er in seiner Heimat immer wieder nur wegen seines Glaubens von Ahmadi-Gegnern verprügelt und misshandelt worden ist. Der Kläger kann sich mithin auch auf die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 QRL berufen.
63 
Selbst wenn aber nicht von einer Vorverfolgung ausgegangen werden könnte, wäre der Kläger derzeit als aktiver bekennender Ahmadi in Pakistan einer ihn individuell treffenden Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt. Ihm ist eine Fortführung seiner öffentlichkeitswirksamen religiösen Betätigung als Angehöriger der Ahmadis bei einer Rückkehr nach Pakistan im oben dargelegten Sinne nicht ohne konkrete Gefahr von erheblicher Verfolgung, ja unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL möglich.
64 
Nach der ausführlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung steht für das Gericht fest, dass für ihn die Ausübung der religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Die auch öffentliche Glaubensbetätigung ist ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar. Denn der Kläger, der seit seiner Geburt Ahmadi ist, ist mit seinem Glauben überaus eng verbunden, hat diesen in der Vergangenheit regelmäßig ausgeübt und praktiziert ihn auch gegenwärtig in vielfältiger Weise. Der Kläger wurde vom erkennenden Gericht als religiös geprägte Persönlichkeit erlebt. Alle Fragen zu seiner Religionszugehörigkeit und Religionsausübung hat er überzeugend beantwortet. Stets hat der Kläger an den verschiedenen Orten die Gottesdienste der Ahmadi besucht. Auch im Bundesgebiet lebt er seinen Glauben aktiv und auch in der Öffentlichkeit. Für den Kläger ist das Befolgen der Regeln seiner Religion, etwa das regelmäßige Beten ein wesentlicher Teil seines Tagesablaufs. Die Teilnahme an den religiösen Veranstaltungen der Ahmadi-Gemeinde sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er konnte im Übrigen die Fragen des Gerichts zu seiner Glaubensgemeinschaft, deren Gründer und deren Grundprinzipien überzeugend beantworten und führte aus, dass er mit seiner Religion überaus vertraut ist. Der Kläger steht nach alledem nach Überzeugung des Gerichts in einer engen und verpflichtenden Beziehung zum Glauben der Ahmadis, so dass ihm auf der Grundlage der obigen Ausführungen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
65 
Besteht nach alledem kein Anlass für eine weitere Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, ist auch die Nr. 3 des angefochtenen Bundesamtsbescheids aufzuheben.
66 
Nachdem dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, ist schließlich die Grundlage für die gemäß § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung entfallen, weshalb auch Nr. 4 des angefochtenen Bundesamtsbescheids aufzuheben ist.
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO (solange das Bundesverwaltungsgericht etwa aufgrund des EuGH-Urteils vom 09.11.2010 in der Rechtssache C-57/09 keine andere Quotelung vorgibt, wird das Asylbegehren weiterhin mit 1/3 bewertet). Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 27/09/2010 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. September 2007 - A 6 K 43/07 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelasse
published on 20/05/2008 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. September 2007 – A 6 K 258/07 – wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.