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Die Antragstellerin, ein Möbel-Handelshaus, begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 13.08.2009 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 21.07.2009. Mit dieser Verfügung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin untersagt, ihre Verkaufsstellen in H. während der gesetzlichen Ladenschlusszeiten für Verkaufsveranstaltungen zu öffnen sowie die Öffnung anzukündigen oder ankündigen zu lassen (Ziffer 1), die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung angeordnet (Ziffer 2) und der Antragstellerin für den Fall eines Verstoßes ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 EUR angedroht (Ziffer 3). Die Antragstellerin hat namentlich bezeichnete Kunden mit einer Einladung vom 19.01.2009 „zum verkaufsoffenen VIP-Sonntag“ eingeladen und dabei die „geladenen Stammkunden“ mit erheblichen Preisnachlässen in Abhängigkeit vom Einkaufswert angelockt. Der Andrang an Besuchern war so groß, dass sich erhebliche Schlangen vor dem Eingang bildeten und die Parkplätze der Antragstellerin, weiterer vier umliegender Einkaufsmärkte und des nahegelegenen Freibads vollständig belegt waren. Nach Angabe der Antragstellerin ging diese Einladung an alle diejenigen ihrer Preisepass-Inhaber, die in den letzten beiden Jahren Umsätze bei der Antragstellerin getätigt oder den Preisepass erst jüngst beantragt hatten. Dieser Preisepass muss bei der Antragstellerin aktiv beantragt werden.
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Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens der angegriffenen Verfügung keine Folge leisten zu müssen, und dem öffentlichen Interesse, diese zugleich vollziehen zu können. Dabei kommt den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs eine wesentliche Bedeutung zu.
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Bei summarischer Beurteilung der Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch der Antragstellerin mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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1. Die angefochtene Untersagungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Satz 2 Ladenöffnungsgesetz (LadÖG). Danach kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus dem Ladenöffnungsgesetz ergebenden Pflichten anordnen. In Satz 1 der Vorschrift ist geregelt, dass die zuständige Behörde die Aufsicht über die Ausführung der Vorschriften dieses Gesetzes führt. Voraussetzung für die Anordnung der in Ziffer 1 der Verfügung vom 21.07.2009 angeordneten Untersagung ist zunächst, dass ein Verstoß gegen das Verbot des § 3 Abs. 2 LadÖG vorliegt. Danach müssen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein 1. an Sonn- und Feiertagen (...). Streitig ist zwischen den Beteiligten im vorliegenden Verfahren, ob es sich bei dem Möbelmarkt der Antragstellerin am fraglichen Sonntag um eine Verkaufsstelle im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes handelte. Dieses definiert Verkaufsstellen in § 2 Abs. 1 wie folgt:
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„Verkaufsstellen im Sinne dieses Gesetzes sind
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1. Ladengeschäfte aller Art, Apotheken, Tankstellen und Verkaufsstellen in Bahnhöfen, auf Flugplätzen, von Genossenschaften, von landwirtschaftlichen Betrieben sowie Hofläden,
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2. sonstige Verkaufsstände und -buden, Kioske, Basare und ähnliche Einrichtungen, falls in ihnen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden. Dem Feilhalten steht das Zeigen von Mustern, Proben und Ähnlichem gleich, wenn Warenbestellungen in der Einrichtung entgegengenommen werden.“
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Nach dieser Vorschrift ist der Möbelmarkt der Antragstellerin als Ladengeschäft grundsätzlich eine Verkaufsstelle. Maßgeblich für den Begriff der Verkaufsstelle ist, wie der Zusammenhang der Vorschrift ergibt, dass die Waren zum
Verkauf an jedermann
feilgehalten werden. Wäre dies nicht der Fall, so verlöre das Ladengeschäft - ausnahmsweise - seine Eigenschaft als Verkaufsstelle. Ob von einem Verkauf an „Jedermann“ gesprochen werden kann, richtet sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und insbesondere der Zielsetzung des Ladenöffnungsgesetzes nach der Lebensanschauung. Der Gesetzeszweck ist - wie beim Ladenschlussgesetz des Bundes - darauf gerichtet, den Arbeitsschutz zu vervollständigen, die Angestellten in den Verkaufsstellen vor zu langer Arbeitszeit an Werktagen und vor verbotener Sonntagsbeschäftigung zu schützen, den Anreiz, aus Wettbewerbsgründen gegen den Arbeitsschutz zu verstoßen, möglichst zu vermindern und insoweit auch der Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen zu dienen (vgl. Stober, Ladenschlussgesetz, 4. Aufl., RdNr. 12 f zu § 3; ebenso Ambs, in Erbs/Kohlhas, Strafrechtliche Nebengesetze, Vorbemerkungen zum Gesetz über den Ladenschluss, RdNr. 2). Einen solchen „Verkauf an jedermann“ hält die Kammer vorliegend für gegeben.
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a) Die Kammer kann offenlassen, ob bereits deshalb ein „Verkauf an jedermann“ vorliegt, weil die Antragstellerin keine hinreichenden Kontrollen beim Einlass vorgenommen hat. Hierfür könnte sprechen, dass es einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin gelang, Einlass zu erhalten, indem er ein weißes, unbeschriebenes, gefaltetes DIN A 4 Blatt ein wenig aus seiner Brusttasche zog und dann durchgewunken wurde. Personalausweise wurden nach den Beobachtungen dieses Mitarbeiters von den Kunden nicht verlangt. Die Antragstellerin hat dies allerdings bestritten und hierzu Beweis angeboten. Träfe es zu, dass wegen mangelhafter Kontrollen jede beliebige Person Zugang hatte, läge schon hierin ein Verkauf an jedermann.
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b) Eine Einschränkung des Personenkreises, an den verkauft wird, reicht nach allgemeiner Auffassung nicht aus, um einen „Verkauf an jedermann“ auszuschließen. Einen solchen Ausschluss nimmt die Rechtsprechung an, wenn aus Gründen einer sachlichen Beziehung zwischen dem Betreiber des Geschäftslokals und seinen Kunden eine gerechtfertigte, nicht willkürliche Eingrenzung auf einen bestimmten und individualisierbaren Personenkreis als Abnehmer stattfindet. Wenn hingegen der Inhaber eines Geschäftslokals ohne eine solche sachliche Beziehung zu seinen Kunden bestimmte Gruppen von Verbrauchern auswählt, um diese jederzeit, ohne Rücksicht auf die Ladenschlusszeiten, zu bedienen, so hindert dies die Anwendung der Vorschriften des Ladenöffnungsgesetzes nicht, denn ein Geschäftsinhaber kann nicht von sich aus willkürlich darüber befinden, welche Personenkreise er außerhalb der Ladenschlusszeiten bedienen will, da dies zu einer Aushöhlung des Ladenschlussgesetzes führen würde (vgl. dazu OLG Hamm, Urt. v. 08.04.1986 - 4 U 366/85 - GewArch 1986, 346 [Verkauf von Reitsportartikeln an Teilnehmer eines Reitturniers], OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.1986 - 6 U 147/86 - GewArch 1988, 61 [Verkauf an Angehörige japanischer Reisegruppen nach Voranmeldung], OLG Naumburg, Urt. v. 09.12.2005 - 10 U 42/05 - juris [Verkauf von Unterhaltungselektronik an gezielt eingeladene Gewerbetreibende der Region], VG Minden, Beschluss v. 08.03.2006 - 3 L 64/06 - juris [Möbelverkauf an 299 geladene Gäste im Rahmen eines „Glücksfestes“]).
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Eine geschlossene Gruppe stellen die eingeladenen „Stammkunden“ der Antragstellerin nicht dar. Ihre Verbundenheit untereinander besteht lediglich darin, dass sie Kunden der Antragstellerin und Inhaber eines Preisepasses mit Umsätzen innerhalb der letzten zwei Jahre sind. Ob hierfür ein Mindestumsatz Voraussetzung war, ist angesichts der unterschiedlichen Darstellungen der Antragstellerin unklar, letztendlich aber nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, dass diese Kunden miteinander durch kein gemeinsames Kriterium verbunden sind. Ein Eigenleben der Gruppe (vgl. VG Minden, a.a.O.) fehlt gänzlich. Vielmehr zeigte der tatsächliche Ablauf des „VIP-Sonntags“, dass entgegen der vorgeblich vorgenommenen Eingrenzung des Kundenkreises ein Mehrfaches des an einem normalen Verkaufstag sich einstellenden Kundenandrangs zu bewältigen war. Die Inhaberschaft eines „Preisepasses“ wirkte damit offensichtlich nicht als besonderes Qualifikationsmerkmal. Es handelt sich bei diesem Pass offenbar um eine Kundenkarte, die ohne weiter Voraussetzungen vom Kunden beantragt werden kann. Eine sachlich gerechtfertigte Eingrenzung des Kundenkreises oder eine besondere Beziehung gerade zu dem ausgewählten Adressatenkreis (vgl. Ambs, aaO, RdNr. 11 zu § 1 LSchlG, wie sie die Rechtsprechung für die Beziehung des Großhändlers zu den Wiederverkäufern annimmt, vgl. BGH, Urt. v. 03.11.1989, - Metro III - NJW 1990, 1294 = GewArch 1990, 286), lag gerade nicht vor. Die Veranstaltung war vielmehr von ihrem ganzen Gepräge her auf eine an die breite Masse der Kunden gerichtete Verkaufsveranstaltung am Sonntag zugeschnitten. Die angebliche Eingrenzung diente damit lediglich der Umgehung der Ziele des Ladenöffnungsgesetzes.
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c) Da Verkaufspersonal anwesend war und Verkäufe getätigt wurden, diente die Veranstaltung auch dem geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 3 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz (vgl. dazu Stober a.a.O., RdNrn. 36 ff.). Es handelte sich nicht um eine bloße Werbeveranstaltung.
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d) Die Antragsgegnerin hat das ihr in § 13 Abs. 1 Satz 2 LadÖG eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt. Zutreffend führt die Antragsgegnerin aus, es sei aufgrund des Erfolges der Veranstaltung am 25.01.2009 nicht auszuschließen, dass zu gegebener Zeit eine Wiederholungsveranstaltung stattfindet. Anders noch als in der Anhörung vom 12.03.2009 stellt die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung keinen Zusammenhang zu den beiden Tagen des Jahres 2009 her, für die der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Sonntagsfreigabe abgelehnt hat. Die Wiederholungsgefahr liegt vielmehr wegen des Erfolgs der Veranstaltung ebenso auf der Hand wie die Gefahr, dass Konkurrenten der Antragstellerin ähnliche Veranstaltungen durchführen werden, sollte das Verhalten der Antragstellerin geduldet werden. Zutreffend stellt die Antragsgegnerin im Übrigen bei ihrer Ermessensausübung auf den Verfassungsauftrag zum Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe ab. Schließlich stellt auch der Erlass eines Bußgeldbescheides kein milderes Mittel zur Sicherstellung der Ladenöffnungszeiten dar. Der Bußgeldbescheid dient vielmehr der Ahndung eines bereits begangenen Verstoßes, die vorliegende Verfügung dient der Verhinderung eines zukünftigen Verstoßes. Ein Vorrang der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit vor dem verwaltungsrechtlichen, zukunftsgerichteten Vorgehen besteht daher nicht.
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2. Auch die Zwangsgeldandrohung in Höhe von 25.000,00 EUR dürfte nicht zu beanstanden sein. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 20 Abs. 1, 2 und 4, 23 LVwVG. Der Höhe nach hält sich das Zwangsgeld im bis zu 50.000,00 EUR reichenden Rahmen. Das Gericht teilt die Auffassung der Antragstellerin nicht, die angedrohte Höhe des Zwangsgelds sei völlig übersetzt, denn das Ziel der Untersagungsverfügung ist die Verhinderung einer weiteren Großverkaufsveranstaltung. Zur Erreichung dieses Ziels muss das Zwangsgeld eine empfindliche Höhe haben. Die Höhe des möglichen Bußgelds nach dem Ladenöffnungsgesetz (bis zu 10.000,00 EUR) hat erkennbar keinen Zusammenhang mit der Bemessung des angedrohten Zwangsgeldes.
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3. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung gesondert damit begründet, der Schutz der Beschäftigten und der verfassungsrechtliche Auftrag zum Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe sowie die Vermeidung eines ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils rechtfertigten die Anordnung. Diese Begründung überzeugt auch inhaltlich, zumal hier nicht - wie die Antragstellerin meint - von einem Zwang der Konkurrenz, ebenfalls solche Verkaufsveranstaltungen durchzuführen, die Rede ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer geht von einem geschätzten Gewinn von 20.000,00 EUR an dem „VIP-Sonntag“ aus; dieser Betrag war im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
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