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I. Der Antragsteller wehrt sich gegen die sofortige Vollziehung seines Ausschlusses aus der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt ... nach § 12 Abs. 4 Feuerwehrgesetz (FwG), den die Antragsgegnerin am 30.7.2004 verfügt hat.
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Der 25-jährige Antragsteller ist seit seinem zwölften Lebensjahr Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt ..., seit seiner Volljährigkeit im aktiven Dienst der Feuerwehrabteilung ....
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Seit Jahren gibt es Schwierigkeiten zwischen dem Antragsteller und anderen Angehörigen der Feuerwehrabteilung .... Am 20.6.2001 erteilte ihm der Feuerwehrkommandant einen förmlichen Verweis wegen „verschiedener Unstimmigkeiten und daraus resultierendem Fehlverhalten“. Nach der Disziplinarverfügung hatte er damals die Vorwürfe eingeräumt und sein Verhalten gegenüber den Beteiligten bedauert.
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Auslöser für das vorliegende Verfahren war ein Vorfall am 29.5.2003. Während eines nächtlichen Einsatzes bespritzten zwei Feuerwehrmänner den Antragsteller mit Löschschaum, wobei der Schaum in dessen linkes Auge gelangte. Der Antragsteller suchte ausweislich einer erst am 18.8.2004 ausgestellten ärztlichen Bescheinigung am 30.5.2003 um 21:05 Uhr die Notfallsprechstunde einer Augenarztpraxis auf, wo sein linkes Auge wegen einer Bindehautentzündung und geringen oberflächlichen Hornhautentzündung behandelt wurde.
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Darüber, ob die Feuerwehrkameraden den Antragsteller absichtlich mit Löschschaum bespritzten oder es sich um einen unverschuldeten Unfall beim Einsatz handelt, besteht zwischen den Beteiligten Streit.
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Nach Versuchen einer internen Klärung des Vorfalls stellte der Antragsteller am 26.8.2003 förmliche Strafanzeige, nachdem eine formlose Bitte an die Polizei um Hilfe zur Klärung der Angelegenheit vom 28.7.2003 im Ergebnis keinen Erfolg hatte.
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Mit Schreiben vom 13.9.2003 erklärte einer der beiden angezeigten Feuerwehrkameraden, er sehe sich außerstande, nach der Strafanzeige gegen ihn mit dem Antragsteller weitere Einsätze zu machen. Durch die Strafanzeige gegen Kameraden bestehe kein Vertrauen mehr untereinander. Mit Schreiben vom 17.9.2003 suspendierte der stellvertretende Feuerwehrkommandant den Antragsteller mit Wirkung zum 17.9.2003, 22:00 Uhr, vorläufig vom Dienst. Vorangegangen war ein entsprechender Beschluss des Abteilungsausschusses (Abteilung ...). Über diese Sitzung wurde der Antragsteller zwar informiert, nahm aber nicht teil, weil er - was er allerdings erst später belegte - an seinem damals erst drei Tage zuvor angetretenen neuen Arbeitsplatz unabkömmlich war.
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Mit Schreiben vom 18.9.2003 bat die Feuerwehrabteilung ... den Feuerwehrkommandanten Stadtbrandmeister ..., ein Ausschlussverfahren gegen den Antragsteller durch den Gesamtausschuss einzuleiten. In der Folgezeit wehrte sich der Antragsteller vehement gegen die Suspendierung, worüber in regem Wechsel von E-Mails innerhalb der Feuerwehr diskutiert wurde.
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Am 18.9.2003 stellte die Staatsanwaltschaft ... das Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalls am 28.7.2003 nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit hinsichtlich möglicher Körperverletzung erweislich seien, und verwies den Antragsteller auf den Privatklageweg. Der Antragsteller gab sich damit nicht zufrieden und erreichte mit seiner Beschwerde eine Fortführung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.
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In der Sitzung des Feuerwehrgesamtausschusses vom 23.9.2003 beschloss dieser einstimmig, dem Antragsteller den freiwilligen Austritt aus der Freiwilligen Feuerwehr ... nahe zu legen und, sofern er davon keinen Gebrauch mache, das formelle Ausschlussverfahren einzuleiten. In der Sitzung machte der Abteilungskommandant ausweislich des Protokolls deutlich, dass für die Entscheidung des Abteilungsausschusses ausschließlich die Strafanzeigen gegen die Kameraden maßgeblich gewesen seien, die als grob unkameradschaftliches Verhalten gewertet worden seien. Sonstige Beschwerden, die gegen den Antragsteller eingegangen seien, hätten wegen fehlender Beweise bei der Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt. Gleiches gelte für frühere Vorgänge. Ein Ausschussmitglied gab zu bedenken, dass der Antragsteller „über lange Zeit provoziert wurde“.
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Mit „Disziplinarverfügung“ vom 24.9.2003 wandelte der Feuerwehrkommandant ... die vorläufige Suspendierung „in eine endgültig Suspendierung“ um.
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In einem umfangreichen Schreiben vom 25.9.2003 wandte sich der Antragsteller an den Oberbürgermeister, die Gemeinderatsmitglieder und die Kameraden der Feuerwehr. Er trug u.a. vor, seit er im aktiven Feuerwehrdienst sei, werde er fortlaufend von den beiden angezeigten Kameraden schikaniert und beleidigt. So habe man ihm zum Beispiel „Republikanerhefte“ in den Spind gelegt, seine Stiefel rot angemalt, seine Kompetenzen im Rettungsdienst in Frage gestellt, ihn in ausländerfeindlicher Art und Weise wie auch wegen seiner sexuellen Ausrichtung beleidigt. Seitens der Verantwortlichen sei hiergegen nie etwas unternommen worden. Ebenso wenig beim jüngsten Fall der Körperverletzung. Der Antragsteller schilderte sodann den Vorfall vom 29.5.2003 aus seiner Sicht. Die besagten Kameraden hätten vor der Attacke mit dem Löschschaum zweimal versucht, ihn mit dem Wasserstrahl zu treffen, was aber misslungen sei. Beim Einsatz des Löschschaums sei keinerlei Hektik mehr angebracht gewesen. Die beiden hätten sich angestupst und mit dem Kopf in seine Richtung genickt und sodann ohne zu zögern direkt auf ihn gezielt. Er habe erhebliche Augenverletzungen davongetragen. Der Versuch, die Angelegenheit mit den Beteiligten vor Ort zu klären, sei misslungen. Er habe sodann den Abteilungskommandanten gebeten, in dieser Sache aktiv zu werden und etwas gegen die Schikanen gegen ihn zu unternehmen. Drei Monate sei nichts passiert. Am 22.7.2003 habe sich Herr ... geäußert, dass es sich sicher nur um ein Versehen gehandelt habe und er nichts mehr unternehmen werde. Er - der Antragsteller - habe sich nach langen Überlegungen und Gesprächen mit mehreren Feuerwehrleuten entschlossen, strafrechtlich gegen die Kameraden vorzugehen. Am 30.6.2003 sei er zur Polizei gegangen und habe den Vorfall geschildert.
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Inzwischen hatte sich Bürgermeister ... als zuständiger Dezernent die Feuerwehr und den Antragsteller um Stellungnahme zu den Geschehnissen gebeten. Mit Schreiben vom 20.1.2004 an den Antragsteller verteidigte er die Notwendigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Daran hielt auch der Oberbürgermeister mit Schreiben vom 19.2.2004 fest.
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Am 24.2.2004 stellte die Staatsanwaltschaft ... das Ermittlungsverfahren gegen die beiden vom Antragsteller angezeigten Feuerwehrmänner erneut ein. In der Mitteilung darüber vom 25.2.2004 erläuterte sie dem Antragsteller, auch aufgrund der weiteren Ermittlungen sei kein zur Anklageerhebung hinreichender Verdacht gegeben. Die beiden Beschuldigten bestritten entschieden, bewusst in Richtung auf den Anzeigeerstatter gespritzt zu haben; auch sonst ergäben sich keine weiteren hinreichenden Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Darstellung des Anzeigeerstatters. Bei der gegebenen Sachlage sei nicht erkennbar, weshalb gerade dessen Darstellung allein richtig sein sollte, sodass - es stünde Aussage gegen Aussage - das Verfahren aus diesem Grund einzustellen sei.
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Mit Schriftsätzen vom 2.3.2004 und 11.03.2004 erhob der inzwischen vom Antragsteller beauftragte Prozessbevollmächtigte Widerspruch gegen die vorläufige und endgültige Suspendierung. Er rügte einen Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 1 LVwVfG und legte seine Auffassung dar, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Feuerwehr nach § 14 Abs. 2 FwG nicht vorlägen.
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Am 11.5.2004 wurde die Anhörung des Antragstellers vor dem Gesamtfeuerwehrausschuss nachgeholt. Der Ausschuss beschloss aufgrund dieser Anhörung, das formelle Ausschlussverfahren einzuleiten. Mit Schreiben vom 8.6.2004 beantragte der Feuerwehrkommandant beim Oberbürgermeister den Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr.
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Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 13.5.2004 gerügt hatte, in der Anhörung seien weder der Feuerwehrkommandant noch ein Mitglied des Ausschusses im Stande gewesen, vorzutragen, was dem Antragsteller überhaupt vorgeworfen werde, hörte der Bürgermeister den Antragsteller mit Schreiben vom 9.6.2004 förmlich an. Er listete insgesamt sechs Vorhaltungen auf.
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Am 11.6.2004 erschien ein Artikel in der ...-Zeitung mit der Überschrift „Erstmalig: Feuerwehrmann droht Ausschluss“. Am 19.6.2004 veröffentlichte die Zeitung einen Leserbrief des Antragstellers dazu.
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Mit Schriftsatz seines Anwalts vom 24.6.2004 wehrte sich der Antragsteller dagegen, dass ihm die Erstattung einer Strafanzeige nach dem erfolglosem Versuch einer feuerwehrinternen Lösung als verwerflich vorgehalten werde, und stritt die weiteren ihm vorgehaltenen Fälle unkameradschaftlichen Verhaltens im Einzelnen ab.
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Der Gemeinderat beschloss in nichtöffentlicher Sitzung am 29.7.2004 den Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr. Mit Bescheid vom 30.7.2004, zugestellt am 31.7.2004, verfügte die Antragsgegnerin in Ausführung des Gemeinderatsbeschlusses:
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„1. Sie werden aus der Freiwilligen Feuerwehr ... ausgeschlossen.
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2. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird im öffentlichen Interesse angeordnet.“
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Die Begründung stellte insgesamt sechs verschiedene Handlungen des Antragstellers einzeln und in ihrer Gesamtheit als eine Verletzung der Dienstpflicht zum kameradschaftlichen Verhalten nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 FwG dar. Der Antragsteller habe erstens „wider besseren Wissens“ behauptet, von zwei anderen Feuerwehrleuten am 29.5.2003 absichtlich mit Löschschaum bespritzt worden zu sein. Zweitens warf ihm die Antragsgegnerin vor, trotz Vorhalts des Bürgermeisters, dass es keinerlei Beweise für den Vorwurf gebe, gleichwohl gegen die Einstellungsverfügung Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt und drittens nach erneuter Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft wiederum nicht nachgewiesene Vorwürfe in seinem veröffentlichten Leserbrief verbreitet zu haben. Als vierter Punkt wurde angeführt, dass der Antragsteller am Vormittag des 29.5.2003 in der Feuerwache ... eine Feuerwehrangehörige als „Schlampe“ bezeichnet zu haben. Fünftens habe er in einem Telefongespräch mit dem Abteilungskommandanten am 18.9.2003 diesen mit den Worten bedroht: „Wenn ich gehen muss, wirst Du auch gehen“. In einer E-Mail vom 21.12.2003 habe er sechstens dem Abteilungskommandanten „schlechte Wünsche“ für seine Feuerwehrkameraden übermittelt. Die weiteren Ausführungen wiederholten ausdrücklich die Feststellung, dass die Beschuldigungen gegen zwei Feuerwehrkameraden „erweislich unwahr“ seien. Das hartnäckige Beharren auf falschen Tatsachenbehauptungen zum Nachteil zweier Feuerwehrkameraden, aber auch die anderen Vorfälle, die Beleidigungen und Bedrohungen anderer Feuerwehrangehöriger darstellten, bedeuteten einen derart schwerwiegenden und massiven Verstoß gegen die Dienstpflichten zum vorbildlichen und kameradschaftlichen Verhalten, dass keine andere Wahl bleibe, als ihn aus der Feuerwehr auszuschließen.
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Der Antragsteller legte am 6.8.2004 gegen den Bescheid vom 30.7.2004 Widerspruch ein und reichte zeitgleich seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bei Gericht ein.
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In der Widerspruchsbegründung und seinen Schriftsätzen an das Gericht, zuletzt vom 27.9.2004, verteidigt der Antragstellervertreter die vom Antragsteller erstattete Strafanzeige und die Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens sowie den Leserbrief als dessen gutes Recht. Die Behauptungen der Beleidigung einer Feuerwehrangehörigen als „Schlampe“ sei falsch. Der Antragsteller habe den Feuerwehrkommandanten auch nicht bedroht. Der Ausdruck „schlechte Wünsche“ komme in seiner E-Mail vom 21.12.2003 (mit der u.a. die Hoffnung auf einen für bestimmte Kameraden schlechten Ausgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgedrückt wird) nicht vor.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen und verteidigt ihre bisherige Auffassung zur Sach- und Rechtslage.
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II. Der Antrag ist zulässig und begründet.
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Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung des Feuerwehrausschlusses im Bescheid vom 30.7.2004 formell ordnungsgemäß besonders verfügt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und auch ausreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Kammer vermag aber die Anordnung des Sofortvollzugs in der Sache nicht zu halten.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende gerichtliche Entscheidung erfordert eine Interessenabwägung. Dabei sind das private Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes gegeneinander abzuwägen. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, aber auch durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung auf Grund summarischer Erfolgsprüfung gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass das Suspensivinteresse umso größeres Gewicht hat, je mehr der Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat, und dass umgekehrt das Vollzugsinteresse umso mehr Gewicht hat, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat. Im vorliegenden Fall spricht nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand mehr für einen Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren. Nach diesen Maßstäben überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Wirksamkeit seines Ausschlusses aus der Feuerwehr.
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Nach summarischer Prüfung hat der Widerspruch des Antragstellers gegen den Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr erhebliche Erfolgsaussichten. Ob die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr vorliegen, ist sehr zweifelhaft.
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Nach § 12 Abs. 4 FwG kann ein ehrenamtlich tätiger Feuerwehrangehöriger bei fortgesetzter Nachlässigkeit im Dienst oder bei schweren Verstößen gegen die Dienstpflichten durch den Gemeinderat nach Anhörung des Feuerwehrausschusses aus der Gemeindefeuerwehr ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung der Dienstpflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 FwG in Betracht. Danach sind die Feuerwehrangehörigen verpflichtet, im Dienst ein vorbildliches Verhalten zu zeigen und sich den anderen Angehörigen der Feuerwehr gegenüber kameradschaftlich zu verhalten. Was ein schwerer Verstoß gegen das Gebot des kameradschaftlichen Verhaltens sein kann, der einen (unehrenhaften) Ausschluss aus der Feuerwehr rechtfertigt, bedarf angesichts der sprachlichen Weite des Begriffs einer systematischen Auslegung unter Beachtung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit.
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§ 14 Abs. 2 FwG regelt, dass bei einer schuldhaften Verletzung der Dienstpflichten der Kommandant einen Verweis erteilen oder den Feuerwehrangehörigen vorläufig des Dienstes entheben kann. Grobe Verstöße kann der Bürgermeister auf Antrag des Kommandanten mit einer Geldbuße ahnden. Ein schwerer Verstoß stellt in dieser Abstufung noch eine Steigerung des groben Verstoßes dar. Es muss sich um ein vorwerfbares Verhalten handeln, das eine weitere Angehörigkeit zur Feuerwehr als schlichtweg nicht zumutbar und nach keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheinen lässt. Der Verstoß muss so schwerwiegend sein, dass mildere Disziplinarmaßnahmen nicht angemessen sind (vgl. Schäfer/Hildinger, Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl., § 12 Rn. 10; siehe auch Surwald, Feuerwehrgesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 12 Rn. 12 „ultima ratio“).
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Der Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr wird im angegriffenen Bescheid ausdrücklich und in erster Linie darauf gestützt, dass der Antragsteller erweislich falsche Tatsachenbehauptungen über Feuerwehrkameraden verbreitet habe. Angesichts der Wiederholung dieses Vorwurfs in der Begründung des Bescheids vom 30.7.2004 im Zusammenhang mit der Vorgeschichte kann es sich bei den Worten "erweislich unwahr" nicht um eine missglückte Formulierung für "nicht erweislich wahr" handeln. Die Antragsgegnerin wirft dem Antragsteller also vor, falsche Behauptungen über den Ablauf des Vorfalls am 29.5.2003 aufzustellen und deswegen für die Feuerwehr untragbar geworden zu sein.
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Dies vermag die Kammer derzeit nicht nachzuvollziehen. Nach summarischer Prüfung des Sachstands, wie er im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ohne förmliche Beweisaufnahme möglich und geboten ist, ist offen, ob der Vorwurf des Antragstellers gegen zwei Feuerwehrangehörige, ihn während eines Löscheinsatzes durch Bespritzen mit Feuerlöschschaum absichtlich attackiert zu haben, der Wahrheit entspricht oder die Darstellung der beiden Beschuldigten, sie hätten ihn mit dem (ungefährlichen) Löschschaumstrahl unabsichtlich getroffen. Nach dem im zweiten Einstellungsbeschluss wiedergegebenen Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft ist der Vorfall selbst wohl nicht zweifelhaft und von den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren eingeräumt worden. Eine Anklageerhebung ist an der subjektiven Seite des Vorwurfs gescheitert. Den Beschuldigten hätte nicht nur nachgewiesen werden müssen, dass sie die Spritze bewusst in Richtung des Antragstellers gehalten hatten, sondern auch, dass sie als Folge davon dessen Verletzung mindestens fahrlässig verschuldet haben. Die Variante, die die Antragsgegnerin zuletzt im gerichtlichen Verfahren angedeutet hat, es habe den Vorfall schon nicht gegeben, erscheint allerdings konstruiert und steht im Widerspruch mit den Ergebnissen der Staatsanwaltschaft. Die Beschuldigten bestritten nur, bewusst in Richtung auf den Anzeigeerstatter gespritzt zu haben. Unter diesen Umständen ist derzeit nicht belegt, dass der Antragsteller die Vorwürfe der vorsätzlichen Körperverletzung wider besseren Wissens erhoben hat. Es ist außerdem auch noch denkbar, dass er den Vorfall subjektiv so erlebt hat, obwohl seitens der beschuldigten Feuerwehrkameraden kein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten vorlag.
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Ohne den Nachweis, dass der Antragsteller tatsächlich wider besseres Wissen die beiden Feuerwehrmänner beschuldigt hat, kann nach Auffassung der Kammer dem Antragsteller der Vorwurf eines schweren Verstoßes gegen die Dienstpflichten nicht gemacht werden. Nachdem der Antragsteller unbestritten vor Erstattung der Strafanzeige versuchte, feuerwehrintern eine Klärung zu erreichen, vermag die Kammer allein im Beharren auf der Strafanzeige bis hin zur Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens kein Verhalten zu sehen, das den Ausschluss aus der Feuerwehr rechtfertigt. Das Recht, einen strafrechtlich möglicherweise relevanten Vorfall den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, kann jedenfalls nach der Vorgeschichte im vorliegenden Fall nicht als unkameradschaftlich gewertet werden. Dem Antragsteller darf dieses Recht grundsätzlich nicht abgesprochen werden, sonst würde die Pflicht zu kameradschaftlichem Verhalten als Bindung an einen strengen Korpsgeist in der Feuerwehr missdeutet, die das Entstehen rechtsfreier Räume begünstigt.
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Auch der veröffentlichte Leserbrief rechtfertigt nach Auffassung der Kammer nicht die Annahme eines schweren Verstoßes gegen die Dienstpflichten. Man mag zweifeln, ob der Schritt des Antragstellers klug war. Jedenfalls hat er nur auf einen Zeitungsartikel reagiert, der offensichtlich auf Informationen aus der Stadtverwaltung basiert. Der Konflikt, der ohnehin schon in weiten Kreisen bekannt gewesen sein dürfte, hat so nur eine zusätzliche Verbreitung durch die Presse gefunden. Warum dem Antragsteller dies als schwerer Verstoß gegen seine Pflicht zur Kameradschaft vorgehalten werden muss, konnte die Antragsgegnerin nicht deutlich machen. Soweit es darum geht, dass der Antragsteller nach der endgültigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens in seinem Leserbrief seinen Vorwurf gegen die beiden beschuldigten Kameraden tunlichst nicht hätte öffentlich wiederholen sollen, wird der Vorwurf dadurch relativiert, dass er vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung einem nicht von ihm zu verantwortenden möglicherweise falschen Eindruck der interessierten Öffentlichkeit zu seiner Person zurechtrücken wollte.
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Die weiteren Punkte der Begründung des Feuerwehrausschlusses sind derzeit teils nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft (Bezeichnung „Schlampe“) und teils aus der lebhaften mit E-Mail geführten Debatte zu dem Konflikt in den Kreisen der Feuerwehr aus dem Zusammenhang gerissen. Sie wurden auch erst im Nachhinein zur Rechtfertigung des Ausschlussverfahrens herangezogen. Nach dem Protokoll der Sitzung des Feuerwehrgesamtausschusses am 23.9.2003 hat der Abteilungskommandant deutlich gemacht, dass für die Entscheidung des Abteilungsausschusses ausschließlich die Strafanzeigen maßgeblich gewesen seien. Sonstige Beschwerden seien wegen fehlender Beweise nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen worden, ebenso auch nicht frühere Vorgänge.
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Außerdem hat der Antragsteller anscheinend auf einen aggressiven Ton der „Gegenseite“ nur teilweise reagiert. Unter anderem haben Feuerwehrangehörige eine E-Mail verbreitet, in der ihn der stellvertretende Abteilungskommandant als „notorischen Lügner“ bezeichnete. Hinzu kommen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller über längere Zeit hinweg von anderen Feuerwehrangehörigen mit üblen Scherzen und Herabwürdigungen drangsaliert wurde. Die Richtigkeit der wechselseitigen Vorwürfe zu einzelnen Vorfällen des lange schwelenden Konflikts um den Umgang mit dem Antragsteller in der Feuerwehrabteilung ... lässt sich dabei allein nach Aktenlage in einem gerichtlichen Eilverfahren ohne Beweisaufnahme nicht beurteilen. Immerhin hat der Abteilungskommandant in einer E-Mail an das städtische Rechtsamt vom 28.6.2004 eingeräumt, dass es Vorfälle gegeben hat, bei denen dem Antragsteller rechtsradikale Zeitschriften in den Spind gelegt und seine Stiefel mit roter Farbe beschmiert wurden. Dabei tritt der Abteilungskommandant zwar entschieden dem Eindruck entgegen, dass die Nichtakzeptanz des Antragstellers in der Abteilung mit dessen türkischer Volkszugehörigkeit zu tun habe, bezeichnet es aber deutlich zurückhaltender als spekulativ, welche Akzeptanz die sexuelle Orientierung des Antragstellers in der Feuerwehr besitzt.
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Unter diesen Umständen braucht nicht vertieft zu werden, ob, wenn man die Voraussetzungen des Feuerwehrausschlusses für gegeben hält, die Antragsgegnerin ihr dann in § 12 Abs. 4 FwG eröffnetes Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Jedenfalls die fehlerhafte Annahme einer „erweislich unwahren“ Behauptung des Antragstellers schlägt auch auf die Ermessensausübung durch.
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Es spricht somit viel dafür, dass der Widerspruch des Antragstellers oder eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage zu einer Aufhebung des Bescheids vom 30.7.2004 führen werden.
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Wegen dieser erheblichen Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache muss die Abwägung des Gerichts, ob das besondere öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an einem sofort wirksamen Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr dessen Interesse an einem vorläufigen Verbleib in der Feuerwehr überwiegt, zu Gunsten des Antragstellers ausfallen.
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Der Makel einer unehrenhaften Beendigung seiner Feuerwehrzugehörigkeit trifft den Antragsteller derzeit besonders hart, weil er arbeitslos ist und einen Beruf mit Bezug zum Feuerwehrdienst hat. Für seine Arbeitssuche ist von erheblicher Bedeutung, auf die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr verweisen zu können. Dagegen erschließt sich der Kammer nicht, warum es der Feuerwehr nicht wenigstens vorübergehend möglich sein soll, die Dienstpläne so zu fassen, dass eine enge Zusammenarbeit der Hauptkontrahenten im Konflikt um den Antragsteller vermieden wird, ohne ihre Einsatzbereitschaft zu gefährden. Der Antragsteller hat bei den ca. 200 Angehörigen der ... Feuerwehr auch Unterstützung gefunden und es sehen sich bei weitem nicht alle außerstande, mit ihm Dienst zu tun.
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Prozesskostenhilfe war dem Antragsteller nach §§ 166 VwGO, 114, 115 ZPO uneingeschränkt zu bewilligen, da in Kürze sein Arbeitslosengeld ausläuft.
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