Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 01. Juni 2016 - 12 K 1739/16

bei uns veröffentlicht am01.06.2016

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Antrag ist nicht zulässig. Denn er ist beim unzuständigen Gericht gestellt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist nicht das nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO zuständige Prozessgericht. Das zuständige Prozessgericht ist vielmehr das Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach § 52 Nr. 3 Satz 5 i. V. m. Satz 1 und 2 VwGO. Denn bei der beabsichtigten Klage handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. z. B. VG Ansbach, Urt. vom 14.01.2016 - AN 2 K 14.01653 - juris) um eine Verpflichtungsklage. Sachdienlicher Antrag bei der beabsichtigten Klage wäre nämlich, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.03.2016 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.03.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Leistungen der Antragstellerin in Teil A (Praxis) Arbeitsaufgabe A neu zu beurteilen und zu bewerten und das Prüfungsverfahren fortzusetzen.
Einschlägig ist vorliegend § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO. Danach ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat, wenn der Verwaltungsakt von einer Behörde erlassen wurde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt.
Vorliegend ist die Antragsgegnerin und nicht der Gesellenprüfungsausschuss, der die Prüfung tatsächlich abgenommen hat, Behörde im Sinne dieser Vorschrift (ganz h. M. vgl. VG Ansbach, Urt. vom 14.01.2016, a.a.O.; VG Meiningen, Urt. vom 04.02.1998 - 8 K 214/96.Me -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 11.11.1977 - XVI A 2172/76 -; zu Prüfungsausschüssen der IHK: BVerwG, Urt. vom 20.07.1984 - 7 C 28/83, BVerwGE 70, 4). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 HandwO errichtet die Handwerkskammer für die Abnahme der Gesellenprüfung Prüfungsausschüsse. Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 HandwO kann die Handwerkskammer unter bestimmten Voraussetzungen Handwerksinnungen ermächtigen, Gesellenprüfungsausschüsse zu errichten. Nach der Stellungnahme der Handwerkskammer Karlsruhe vom 25.05.2016 sind in ihrem Zuständigkeitsbereich grundsätzlich die Handwerksinnungen ermächtigt, Gesellenprüfungsausschüsse zu errichten, was auch bei der Antragsgegnerin zur Anwendung kommt.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ihrer Satzung (Innungssatzung) als Aufgabe ausdrücklich aufgenommen, die Gesellenprüfungen abzunehmen und hierfür Gesellenprüfungsausschüsse zu errichten. §§ 46ff. der Innungssatzung regeln dementsprechend die Zuständigkeit des Gesellenprüfungsausschusses und beinhalten weitere Verfahrensvorschriften. Damit ist der Gesellenprüfungsausschuss nach § 60 Nr. 3 HandwO Organ der Innung, nicht jedoch Behörde (so ausdrücklich OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 11.11.1977, a.a.O.). Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Innungssatzung, wonach es Aufgabe der Innung (selbst) ist, die Gesellenprüfungen abzunehmen; die Errichtung der Gesellenprüfungsausschüsse dient diesem Zweck, denn sie sind "hierfür… zu errichten".
Nach § 27 Abs. 1 der Prüfungsordnung für die Durchführung von Gesellen- und Umschulungsprüfungen der Handwerkskammer Karlsruhe (PrO) erhält der Prüfling von der für die Prüfungsabnahme zuständigen Körperschaft ein Zeugnis. Dies gilt nach § 28 PrO entsprechend für die Erteilung eines Bescheids bei nicht bestandener Prüfung. Die für die Prüfungsabnahme zuständige Körperschaft kann nur die Antragsgegnerin sein, nicht der Gesellenprüfungsausschuss, denn nur sie ist nach § 53 Satz 1 HandwO, § 1 Abs. 4 der Innungssatzung eine Körperschaft (des öffentlichen Rechts). Auch unterscheidet § 20 Abs. 2 PrO ausdrücklich zwischen der "für die Prüfungsabnahme zuständigen Körperschaft" und dem "Prüfungsausschuss". Soweit § 46 der Innungssatzung ebenfalls die Regelung trifft, dass der Gesellenprüfungsausschuss "für die Abnahme der Gesellenprüfung" zuständig ist, kann sich dies dem Zusammenhang nach nur auf die tatsächliche Durchführung der Gesellenprüfung beziehen (vgl. insgesamt BVerwG, Urt. vom 20.07.1984, a.a.O.).
Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin erstreckt sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke. Denn sie umfasst nach § 1 Abs. 3 der Innungssatzung die Handwerkskammerbezirke Heilbronn und Stuttgart sowie den Stadtkreis Pforzheim und den Landkreis Enzkreis.
Da die Antragstellerin ihren Wohnsitz nicht innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Antragsgegnerin hat, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 52 Nr. 3 Satz 3 VwGO nach § 52 Nr. 5 VwGO. Danach ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Vorliegend hat die Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 2 der Innungssatzung ihren Sitz in Pforzheim, das zum Bezirk des Verwaltungsgerichts Karlsruhe gehört. Dort muss die Antragstellerin ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen.
10 
Eine Verweisung des Verfahrens an das Verwaltungsgericht Karlsruhe ist nicht zulässig, da es sich um ein isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren handelt. Die Kammer schließt sich insoweit der fast ganz herrschenden Meinung an (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 15.11.2004 - 12 S 2360/04 - m.w.N., NVwZ-RR 2005, 860 -; VG des Saarlandes, Beschl. vom 04.12.2007 - 10 K 1140/07 -; a. A. VG Ansbach, Beschl. vom 01.10.2009 - AN 2 K 09.01433 - jew. juris).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 52


Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:1.In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 14. Jan. 2016 - AN 2 K 14.01653

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach AN 2 K 14.01653 Im Namen des Volkes Urteil vom 14. Januar 2016 2. Kammer gez. ..., Stv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Sachgebiets-Nr.: 0211 Hauptpu

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bei uns veröffentlicht am 15.11.2004

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Gründe   1  Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hat keinen Erfolg. 2  Der Ant

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 2 K 14.01653

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 14. Januar 2016

2. Kammer

gez. ..., Stv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebiets-Nr.: 0211

Hauptpunkte:

Handwerkskammer als richtige Widerspruchsbehörde bei Entscheidungen des Gesellenprüfungsausschusses der Handwerksinnung, Materielle Bewertungsrügen Gesellenprüfung Elektroniker

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

Innung für Elektro- und Informationstechnik ...

vertreten durch den Vorstand ...

- Beklagte -

wegen Prüfungs- und Versetzungsrechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 2. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Rauch, die Richterin am Verwaltungsgericht Gensler, die Richterin Geuder und durch die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Januar 2016

folgendes Urteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt ein Prüfungszeugnis über die bestandene Gesellenprüfung als Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik, hilfsweise die Neuverbescheidung seiner Prüfung.

Der Kläger hatte Teil 1 seiner Gesellenprüfung mit 50,50 von 100 Punkten bereits in einem früheren Prüfungstermin bestanden. Aus Teil 2 hatte er bei einem früheren Prüfungsversuch das Fach Wirtschafts- und Sozialkunde mit 53 von 100 Punkten ebenfalls bereits bestanden. Gemäß Bescheid der Innung für Elektro- und Informationstechnik ... vom 27. Februar 2014 hatte der Kläger insgesamt in Teil 2 der Prüfung damals nur 39,81 von 100 Punkten erzielt und in den Prüfungsteilfächern Kundenauftrag (38,84 Punkte), Systementwurf (34,00 Punkte) und Funktions- und Systemanalyse (37,00 Punkte) nicht bestanden.

Der Kläger meldete sich am 5. Mai 2014 zur erneuten Wiederholungsprüfung an. Dort erzielte er im Prüfungsfach Kundenauftrag 53,14 Punkte, im Fach Systementwurf 31,00 Punkte und im Fach Funktions- und Systemanalyse 26,00 Punkte, damit insgesamt im 2. Teil 42,85 Punkte. Die Prüfung war damit, was ihm mit Bescheid vom 28. Juli 2014 mitgeteilt wurde, nicht bestanden.

Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch und beantragte die Nachprüfung der Prüfungsleistungen.

Mit Schreiben vom 26. August 2014 teilte die Elektroinnung mit, dass es einer Nachprüfung nicht bedürfe, da das Prüfungsergebnis vom Prüfungsausschuss bereits zweimal geprüft worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2014 wies die Elektroinnung den Widerspruch sinngemäß zurück mit der Begründung, dass auch eine nochmalige Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis führen würde.

Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2014 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Freistaat Bayern und beantragte:

1. Unter Aufhebung des Bescheides über die nicht bestandene Prüfung gemäß § 28 Gesellenprüfungsverordnung der Innung für Elektro- und Informationstechnik... vom 28. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheides der Elektroinnung vom 12. September 2014 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein Prüfungszeugnis über die bestandene Gesellenprüfung auszustellen.

Hilfsweise: Unter Aufhebung des Bescheides über die nicht bestandene Prüfung gemäß § 28 Gesellenprüfungsordnung der Innung für Elektro- und Informationstechnik... vom 28. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2014 wird die Innung für Elektro- und Informationstechnik ... verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts die abgelegte Prüfung nochmals zu bewerten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits; die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2014 wurde auf gerichtlichen Hinweis hin die Innung für Elektro- und Informationstechnik ..., als Beklagter benannt, in den folgenden Schriftsätzen jedoch wieder der Freistaat Bayern als Beklagter aufgeführt.

Unter dem 30. Januar 2015 wurden folgende Rügen hinsichtlich der Prüfungsfächer Systementwurf und Funktions- und Systemanalyse erhoben:

Systementwurf:

Unter der Annahme, dass gleichmäßig 10 Punkte auf die je 10 Teilaufgaben zu vergeben gewesen seien, werde bemängelt, dass

- die Antwort auf Aufgabe 2 d fälschlicherweise als nicht korrekt gewertet worden sei,

- auf die genannte Formel bei Aufgabe 3 im Teil a kein Punkt vergeben worden sei,

- bei Aufgabe 3 c weitere 2 Punkte für die Gegeben- und Gesuchtformeln zu vergeben gewesen wären,

- bei Aufgabe 3 d ebenfalls weitere 3 Punkte für „gegeben“ und „gesucht“ hätten vergeben werden müssen,

- bei Aufgabe 6 trotz 3 richtiger Antworten nur 2 als richtig bepunktet worden seien und

- bei Aufgabe 7 wiederum keine Punkte auf die Gegeben- und Gesuchtwerte vergeben worden seien.

Funktions- und Systemanalyse:

- Bei Aufgabe 2 d seien 4 Haken vom Prüfer gemacht worden, jedoch offenbar wegen Abzug eines Punktes nur 3 Punkte vergeben worden; die volle Punktzahl hätte erteilt werden müssen,

- bei Aufgabe 3 c hätten 2 weitere Punkte vergeben werden müssen, weil die Aufgabe vollumfänglich zutreffend beantwortet sei,

- bei Aufgaben 3 d und e seien weitere je 2 Punkte zu vergeben, weil die Formeln vom Kläger richtig angesetzt, aber nicht zutreffend bewertet worden seien und

- auch bei Aufgabe 3 g seien fälschlicherweise keine Punkte auf die Gegeben- und Gesuchtformel vergeben worden.

Die Aufgabe 3 von insgesamt 6 Aufgaben habe offensichtlich den wesentlichen Teil der Gesamtaufgabe dargestellt, so dass die Verteilung der Punkte für den Kläger defizitär gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 wendete sich die Innung für Elektro- und Informationstechnik gegen das Klagebegehren und verwies auf den Widerspruchsbescheid vom 12. September 2014. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 legte sie auf gerichtliche Aufforderung eine handschriftliche Stellungnahme der Prüfungsausschussvorsitzenden vor. Diese führt zu den erhobenen Mängeln aus:

Systementwurf:

- Bei der Aufgabe 2 d („Was bedeutet die Aufschrift 230/400V auf dem Leistungsschild eines Motors?“), auf die der Kläger „Nennspannung“ geantwortet habe, sei nicht die Spannung gefragt gewesen, sondern wie der Motor betrieben werden kann,

- bei Aufgabe 3 (gemeint wohl a) sei die maximale Punktzahl von 2 Punkten erteilt worden,

- bei Aufgabe 3 c seien maximal 4 Punkte möglich gewesen; der Kläger habe auf „gegeben“ und „gesucht“ 2 Punkte erhalten, auf die weiteren nicht zur Aufgabe passenden Formeln hätten keine weiteren Punkte vergeben werden können,

- bei der Aufgabe 3 d hätten maximal 6 Punkte vergeben werden können. Auf den richtigen Rechenweg des Klägers seien 2 Punkte vergeben worden und zusätzlich 1 Punkt auf „gegeben“ und „gesucht“. Die sonstigen Rechnungen des Klägers seien nicht gefragt gewesen und hätten daher nicht bepunktet werden können,

- die Prüfungsaufgabe 6 a („Nennen Sie 3 Arten der Spannungserzeugung“) sei mit maximal 3 Punkten bepunktet worden, dem Kläger seien 2 Punkte auf die Umsetzung der Spannungserzeugung (Photovoltaik, Wasserkraft) gegeben worden, es sei jedoch nach der Art der Spannungserzeugung wie Piezzoeffekt, chemische Erzeugung, Wärme und Licht gefragt gewesen.

- Auf Aufgabe 7 habe der Kläger alle maximal zu erreichenden 4 Punkte erhalten.

Funktions- und Systemanalyse:

- Auf die Aufgabe 2 d („Berechnen Sie die Aufheizkosten …“) seien 4 Punkte zu vergeben gewesen. Der Kläger habe einen Punkt auf „gegeben“ und „gesucht“ erhalten; obwohl die Zeit falsch berechnet worden sei, habe er 1 Punkt hierfür erhalten. Auf den weiteren Rechenweg sei mit Folgefehler gerechnet worden, daher sei 1 weiterer Punkt vergeben worden. Der Bereitschaftsstromverbrauch sei in der Aufgabenstellung 2 angegeben gewesen.

- Bei der Aufgabe 3 c habe der Kläger 11 von möglichen 12 Punkten erhalten; 1 Punkt sei abgezogen worden wegen ungenauer Berechnung des Tangens.

- Bei den Aufgaben 3 d und e habe es maximal je 4 Punkte gegeben; der Kläger habe je 2 erhalten, obwohl die Formel, die er verwendet habe, so nicht korrekt sei.

- Bei Aufgabe 3 g hätten 6 Punkte erreicht werden können; der Kläger habe 2 erhalten, trotz falscher Formeln und nicht richtigen Ergebnisses.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 wendete sich die Klägerseite unter Vorlage von Auszügen aus dem Unterrichtsmaterial gegen diese Ausführungen und berief sich insbesondere darauf, dass die Antworten des Klägers bei den Aufgaben 2 d und 3 d (Systementwurf) korrekt gewesen seien und die volle Punktzahl erfordert hätten. Im Prüfungsfach Funktions- und Systemanalyse seien die Anmerkungen zur Aufgabe 2 d und 3 d, e und g ebenfalls nicht korrekt, wie sich aus den Unterrichtsmaterialien ergebe.

Mit Schriftsatz vom 2. November 2015 teilte die Elektroinnung auf gerichtliche Nachfrage mit, dass die nicht datierten und unterschriebenen handschriftlichen Anmerkungen das Ergebnis einer gemeinsamen Besprechung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und der stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, die über die Prüfung des Klägers entschieden hätten, seien. Die Klausuren des Klägers seien dreimal korrigiert worden. Eine dritte Korrektur werde in den Fällen vorgenommen, in denen sich das Nichtbestehen der Prüfung abzeichne. Die Drittkorrektur sei durch den Vorsitzenden bzw. die stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses und den Lehrervertreter erfolgt, die auch das Gesamtergebnis der Prüfung feststellten.

Bei der Gesellenprüfung für Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik handele es sich um eine landeseinheitliche Prüfung, die vom Landesinnungsverband gestellt werde. Die vorgegebene Konzeption beinhalte sämtliche Prüfungsaufgaben und -themen, eine Musterlösung, die Prüfungsdauer und die jeweils maximal erreichbare Punktzahl pro Prüfungsfach. Die Musterlösung bzw. Lösungsvorschläge einschließlich Punktevorgabe wurde vorgelegt. Die Innung für Elektro- und Informationstechnik ... sei gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks von der Handwerkskammer für Mittelfranken zur Errichtung eines Gesellenprüfungsausschusses ermächtigt worden.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2015 erhob die Klägerseite weitere Rügen:

- Bei der Aufgabe 9) des Prüfungsbereichs Systementwurf entspreche die auf den Prüfungsunterlagen angegebene erreichbare Punktezahl nicht der Angabe der Musterlösung.

- Bei den Aufgaben 3 a) und 3 b) des Fachs Funktions- und Systemanalyse hätten mehr Punkte vergeben werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakte, insbesondere die Prüfungsarbeiten des Klägers und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt im Hauptantrag im Kern sinngemäß die Feststellung, seine Gesellenprüfung als Elektroniker in der zweiten Wiederholungsprüfung in den Prüfungsfächern „Systementwurf“ und „Funktions- und Systemanalyse“ und damit den 2. Teil der Abschlussprüfung zum Elektroniker und die Abschlussprüfung insgesamt bestanden zu haben.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Erteilung eines Abschlusszeugnisses mit den entsprechenden Festsetzungen, zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb abzuweisen. Gleiches gilt für die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Neubewertung dieser beiden Prüfungsteile.

Der Zulässigkeit der Klage zum gemäß § 52 Nr. 3 Satz 1 und 5 VwGO zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach steht nicht entgegen, dass über den Widerspruch des Klägers die falsche Widerspruchsbehörde entschieden hat. Nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist für die Entscheidung über den Widerspruch grundsätzlich die nächsthöhere Behörde zuständig. Dies ist im Falle einer Entscheidung eines Gesellenprüfungsausschusses einer Handwerksinnung nach § 68 Handwerksordnung (HwO) die zuständige Handwerkskammer. Dem Gesellenprüfungsausschuss kommt dabei keine eigene Rechtspersönlichkeit zu; er bildet vielmehr einen rechtlich unselbstständigen Teil der Handwerksinnung, ein Innungsorgan nach § 60 Nr. 3 HwO. Die Innung als solche ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 53 Satz 1 HwO Träger der Prüfungsentscheidung. Da es sich bei der Abnahme von Gesellenprüfungen um keine Selbstverwaltungsaufgaben der Innungen handelt, sondern um von den Handwerkskammern gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 HwO übertragene Aufgaben (so auch VG Oldenburg, U.v. 20.09.1983, Az. 3 OS A 84782 - juris), sind diese nicht gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO selbst zur Widerspruchsentscheidung berufen. Vielmehr bleibt es beim Grundsatz der Entscheidung der nächsthöheren Behörde nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Dies ist nach § 91 Abs. 1 Nr. 5 HwO die Handwerkskammer.

Vorliegend hat zwar zu Unrecht die Elektroinnung selbst über den Widerspruch entschieden. Die Zulässigkeit der Klage gegen eine Prüfungsentscheidung setzt jedoch schon nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 AGVwGO nicht zwingend die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens voraus, vielmehr ist die Vorschaltung eines Widerspruchsverfahrens eine reine Option des Klägers. Vorliegend ist der Widerspruch vom Kläger zulässig erhoben worden und das Widerspruchsverfahren im Ergebnis erfolglos geblieben. Eine in jeder Hinsicht korrekte vorherige Durchführung des Widerspruchsverfahrens durch die Behörde setzt die Zulässigkeit der Klage nicht voraus. Dies hat der Kläger auch nicht in der Hand, sondern allein die Widerspruchsbehörde, weswegen dies der Zulässigkeit der Klage nicht entgegengehalten werden kann. Bei nicht korrekter Durchführung des Widerspruchsverfahrens kann ohne weitere Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage erhoben werden. Dieser Rechtsgedanke kommt auch in § 75 VwGO zum Ausdruck.

Die Klage ist zu Recht gegen die Elektroinnung als Trägerin der Prüfungsentscheidung gerichtet worden, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Die teilweise nicht korrekte Benennung des Beklagten in den Schriftsätzen der Klägerseite war nach Auslegung unter Berücksichtigung von § 78 Abs. 1 Nr. 1, letzter Halbsatz VwGO nicht schädlich. Dass Rechtsschutz gegen die Innung als sachlich richtiger Beklagter begehrt wird, wurde auch in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 nochmals klargestellt.

Die Klage ist jedoch im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Prüfungszeugnisses über das Bestehen seiner Gesellenprüfung. Der angegriffene Bescheid vom 28.Juli 2014, der dem Kläger bescheinigt, dass er die Prüfungsfächer „Systementwurf“ und „Funktions- und Systemanalyse“ nicht bestanden hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die beanstandeten Bewertungsfehler der gerügten Teilprüfungen liegen im Ergebnis nicht vor. Verfahrensfehler wurden nicht gerügt. Sie hätten im Falle ihres Vorliegens auch nicht unmittelbar einen Anspruch auf das begehrte Zeugnis begründet, sondern allenfalls auf Neubewertung der angegriffenen Prüfungsarbeiten oder auf Prüfungswiederholung, so dass sie den Hauptantrag auch insoweit nicht zum Erfolg führen konnten.

Prüfungsentscheidungen überprüft das Gericht abweichend von der sonstigen im Verwaltungsrecht geltenden umfassenden Untersuchungsmaxime nur, soweit der klägerische Vortrag in konkreter und substantiierter Form Indizien für rechtlich relevante Verfahrensfehler oder Bewertungsmängel enthält oder sich dem Gericht entsprechende Fehler anderweitig aufdrängen.

Prüfungsfehler unterliegen dabei rechtlich nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Prüfern kommt bei ihren Entscheidungen ein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum zu, der nur begrenzt verwaltungsgerichtlich überprüft wird. Die Prüfungsentscheidung stellt nämlich ein wertendes Urteil der Prüfer dar, das von Einschätzungen und Erfahrungen ausgeht, die diese im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Eine Prüfungsnote lässt sich in der Regel nicht isoliert betrachten, sondern nur in einem Bezugssystem, im Vergleich zu anderen Prüflingen und in Relation auf den Prüfungsstoff. Die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, lassen sich nicht regelhaft erfassen und überprüfen. Eine singuläre Kontrolle einer Einzelnote im Verwaltungsprozess durch das Gericht, das über dieses Bezugssystem, die spezifische Prüfungserfahrung und die fachlichen Kenntnisse nicht verfügt, würde dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht widersprechen, weil vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien nicht mehr garantiert wären.

Der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen, da diese Erwägungen insoweit nicht gelten, jedoch formale Aspekte wie Verfahrensfehler bei der Leistungsermittlung und -bewertung, insbesondere Rügen im Hinblick auf die Prüfungsunfähigkeit eines Prüflings, die Befangenheit eines Prüfers, das Vorliegen äußerer Störungen bei der Prüfung und das Fehlen einer ausreichenden Begründung des Prüfungsergebnisses.

Hingegen unterliegen materielle Rügen wie die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabe, die Einordnung der Prüfungsleistung in das Punkte- bzw. Beurteilungssystem des Prüfers, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung des Prüflings, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung und die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels grundsätzlich der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörden. Bei materiellen Rügen erstreckt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle jedoch darauf, ob die Prüfer objektive und rechtlich beachtliche Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten haben, insbesondere ob das anzuwendende Recht verkannt, ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sachfremde oder willkürliche Erwägungen angestellt wurden (zusammenfassend BVerwG, B.v. 13.05.2004 - 6 B 25/04 - NVwZ 2004, 1375).

Eine Verletzung von allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben liegt dabei auch dann vor, wenn zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen des Prüflings als falsch bewertet wurden. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Im Bereich wissenschaftlich-fachlicher Wertungen muss das Gericht gegebenenfalls die Einstufung als „richtig“, „falsch“ oder „vertretbar“ durch Sachverständigengutachten klären (BVerwG, U.v. 24.02.1993 - 6 C 38/92 - NVwZ 1993,686; BVerwG, B.v. 21.07.1998 - 6 B 44/98 - NVwZ 1999,187).

Auch bei festgestellten Prüfungsfehlern kommt eine gerichtliche Korrektur durch Aufhebung des Prüfungsbescheides nur dann in Betracht, wenn sich die festgestellten Fehler auf die Notengebung und damit auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben können. Fehler bei der Prüfungserhebung können regelmäßig nur durch eine Prüfungswiederholung, nicht aber durch eine Neubewertung behoben werden.

Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich für die einzelnen Rügen des Klägers folgendes:

Prüfungsarbeit Systementwurf:

Die insoweit erhobenen Rügen von Bewertungsfehlern greifen nicht durch. Die Prüfungskorrekturen erweisen sich weder als fachlich falsch, noch überschreiten sie den den Prüfern eingeräumten Bewertungsspielraum.

Soweit hinsichtlich der Teilaufgaben 3 a) und 7) seitens der Klägerseite eine höhere Punktvergabe gefordert wird, ist dem entgegenzuhalten, dass der Kläger die nach dem zentralen Lösungsvorschlag, an den sich die Prüfer bei ihrer Korrektur gehalten haben, maximale Punktzahl hierfür bereits erhalten hat und darüber hinaus nichts beanspruchen kann. Die Einstufung des Schwierigkeitsgrades bzw. der Wertigkeit einer Prüfungsaufgabe innerhalb der Gesamtprüfung obliegt den Prüfern bzw. der Prüfungsbehörde und betrifft den verwaltungsgerichtlich nicht überprüfbaren Bewertungsspielraum. Die Klägerseite scheitert damit mit der Forderung, dass nach ihrer Einschätzung teilweise eine höhere Punktzahl angemessen gewesen wäre.

Die gerügten Aufgaben 3 c), 3 d) und 6) hat der Kläger im Ergebnis nicht vollständig richtig gelöst. Für den zum Teil richtigen Rechenweg oder für die teilweise richtige Benennung der Ausgangswerte für die Berechnung hat der Kläger Punkte jedoch erhalten (für die Aufgabe 3 c) 2 von 4 möglichen Punkten, für die Aufgabe 3 d) 3 von 6 möglichen Punkten und für die Aufgabe 6) 2 von 3 möglichen Punkten). Die anteilige Bepunktung wurde vom Beklagten insbesondere im Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 nachvollziehbar dargelegt; Hinweise auf eine willkürliche Punktevergabe sind in keiner Weise erkennbar. Vielmehr ist die Punktevergabe der Korrektoren durch die Lösungshinweise in jeder Hinsicht nachvollziehbar und in jedem Falle durch den Bewertungsspielraum der Prüfer gedeckt.

Nachvollziehbar dargelegt wurde spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 auch die Bepunktung der Aufgabe 2 d) mit 2 von 4 Punkten, zu der der Kläger zum Beleg der Richtigkeit seiner Prüfungsleistung auf Unterrichtsmaterialien verwiesen hat. Der Kläger hatte auf die Frage “Was bedeutet die Aufschrift 230/400V?“ mit dem Stichwort „Nennspannung“ geantwortet. Diese Antwort war jedoch nach nachvollziehbar dargelegter und nicht zu beanstandender Bewertung der Prüfer im Hinblick auf den Kontext der Fragestellung nicht vollständig und hätte einer weiteren Spezifizierung im Hinblick auf den konkreten Motor bedurft.

Unbeachtlich ist, dass die auf dem Bearbeitungsblatt am Rand der Aufgabe 9) angegebene maximale Punktzahl von zweimal 2 Punkten nicht mit der tatsächlich angewandten Maximal-Punktezahl von zweimal 3 Punkten (Angabe auf dem Lösungsvorschlag) übereinstimmt. Da der Kläger diese Aufgabe nicht bearbeitet hat, waren für ihn zwingend 0 Punkte zu vergeben, so dass sich eine falsche Maximalpunktangabe auf ihn jedenfalls nicht ausgewirkt hat.

Gemessen an den gemäß dem Lösungsvorschlag maximal vergebbaren Punkten hätten dem Kläger - unterstellt, die von ihm erhobenen Rügen hätten alle zum Erfolg geführt - ohnehin nur 8 weitere Punkte vergeben werden können, nämlich plus 2 Punkte für Aufgabe 3 c), plus 3 Punkte für die Aufgabe 3 d), plus 1 Punkt für die Aufgabe 6) und plus 2 Punkte für die Aufgabe 2 d). Damit wäre er insgesamt auf 39 Punkte statt 31 Punkte gekommen und hätte damit ebenso wenig die Bestehensgrenze von 51 Punkten erreicht. Die Notenstufen und die Bestehensgrenze ergeben sich dabei aus § 24 der Prüfungsordnung für die Durchführung von Gesellen- und Umschulungsprüfungen der Handwerkskammer für Mittelfranken. Bei 50 bis 30 Punkten ergibt sich danach die Note 5 bzw. „mangelhaft“. Selbst wenn man angesichts der auf dem Aufgabenblatt nicht korrekt angegebenen Punkteanzahl bei Aufgabe 9 von einer geringeren notwendigen Punktezahl für das Bestehen ausgehen müsste (etwa 50 statt 51 Punkten aufgrund einer Höchstpunktezahl von 98 statt 100 Punkten), wäre diese Punktezahl bei weitem nicht erreicht und die Rügen erfolglos.

System- und Funktionsanalyse:

Die erhobenen Bewertungsrügen bleiben auch in Bezug auf die Prüfungsarbeit Funktions- und Systemanalyse ohne Erfolg.

Die Ergebnisse und Rechenwege des Klägers bei den Aufgaben 2 d), 3 a ) bis 3 e) und 3 g) sind nicht fehlerlos und deshalb nicht mit der Maximalpunktezahl bewertet worden. Die vorgenommenen Punktabzüge sind dabei nicht zu beanstanden und anhand des zentralen Lösungsvorschlags und den entsprechenden Erklärungen des Beklagten im Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 gut nachvollziehbar. Zwar hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 vorgetragen und durch das Vorlegen von Auszügen aus der Fachliteratur auch nachgewiesen, dass die vom Kläger verwendeten Formeln bei den Aufgaben 3 d) und 3 e) durchaus existieren. Die Beklagtenseite hat in der mündlichen Verhandlung jedoch erläutert, dass und warum diese Formeln auf die Aufgabenstellung nicht (vollständig) passen und fehlerhaft zur Doppelberücksichtigung des Wirkungsgrades geführt hat. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung letztlich auch eingestanden. Die Bepunktung mit jeweils 2 von 4 Punkten ist damit nicht zu beanstanden und hält sich im Rahmen des gerichtlich nicht weiter überprüfbaren Bewertungsspielraums.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 hat der Kläger erstmals vorgetragen, dass er die Aufgabe 2 b) vollständig und korrekt gelöst haben will, die dem Gericht vorgelegte Heftung der Prüfungsarbeit jedoch keine Eintragungen seinerseits aufweise. Er macht damit eine Manipulation seitens der Prüfungsbehörde durch Austausch der von ihm ausgefüllten durch eine leere Seite geltend. Eine derartige Manipulation durch die Beklagte liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht vor. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung nicht die Wahrheit gesagt hat, sondern aus prozesstaktischen Gründen einen falschen Vorwurf erhoben hat. Hierfür spricht zum einen, dass dieser - wenn er denn vorläge - offensichtliche Mangel in keinem der zahlreichen Schriftsätze der Klägerseite zuvor jemals erwähnt worden ist, zum anderen konnte die Beklagtenseite den Prüfungsablauf detailliert schildern. Insbesondere zeigte sie auf, dass die Prüfungsunterlagen bereits getackert und damit fest geheftet bei ihr ankommen und so auch den Prüflingen ausgehändigt und den Korrektoren zugeführt worden sind. Ein Lösen der Heftung und Austauschen einer Seite hätte in dem Korrekturraum, in dem unmittelbar nach der Prüfung mehrere Korrektoren gleichzeitig korrigiert haben, nicht unbemerkt passieren können. Auch ein Motiv, warum dem Kläger derart schädlich mitgespielt werden sollte, ist nicht im Ansatz erkennbar. Ebenso ist ein versehentliches Lösen der Prüfungsblätter voneinander nahezu ausgeschlossen. Dafür dass lediglich der Kläger nicht die Wahrheit sagt, spricht auch sein Verhalten bei der Eröffnung des Prüfungsergebnisses, das den rechtsstaatlichen Rahmen eindeutig verlassen hat. An dem Vortrag der Beklagtenvertreter hat das Gericht insoweit keine Zweifel.

Auch für das Prüfungsfach System- und Funktionsanalyse ergibt sich zusätzlich die Unbeachtlichkeit der erhobenen Rügen daraus, dass diese selbst bei Durchgreifen nicht zu einer Punktezahl von über 50 Punkten führen würde. Die Addition von weiteren Punkten bis zur jeweiligen Höchstpunktezahl der Teilaufgaben würde lediglich zu einer Punktezahl von maximal 47 Punkten führen (plus je 1 Punkt bei Aufgaben 2 d) und 3 c), plus je 2 Punkte bei Aufgaben 3 b), d) und e), plus 3 Punkte bei Aufgabe 3 a), plus 4 Punkte bei Aufgabe 3 g) und plus 6 Punkte bei Aufgabe 2 b ), somit insgesamt plus 21 Punkte). Das Prüfungsfach wäre damit auch nicht bestanden, die Note nach § 24 der Prüfungsordnung nur im Bereich der Note 5 bzw. „mangelhaft“.

Nach § 9 Abs. 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Elektroniker und zur Elektronikerin vom25. Juli 2008 hat der Kläger die Gesellenprüfung insgesamt damit endgültig nicht bestanden. Er hat damit weder ein mindestens „ausreichend“ im Teil 2 seiner Gesellenprüfung erreicht (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung), noch in mindestens zwei Prüfungsbereichen nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung die Note „ausreichend“ erzielt.

Die Klage war, nachdem weitere Rügen nicht erhoben waren, damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Eine Entscheidung über die Kosten für die rechtsanwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren erübrigt sich in dieser Situation.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Unter Berücksichtigung des im Streitwertkatalog unter 36.3 vorgeschlagenen Streitwerts in Höhe von 15.000 EUR für berufseröffnende Prüfungen im Allgemeinen werden vom Gericht für Gesellenprüfungen im Speziellen 10.000 EUR angesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist abzulehnen, weil der Verwaltungsgerichtshof für das Begehren des Antragstellers, ihm für einen beim Verwaltungsgerichtshof noch zu stellenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, nicht das hierfür sachlich zuständige Gericht der Hauptsache nach § 123 Abs. 2 S. 1 VwGO ist. Über das dazugehörende sachidentische, beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen erst noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung hat zwar der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden. Hierdurch wird der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zum Gericht der Hauptsache i.S.d. § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 123 RdNr. 33; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 123 RdNr. 28; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 166 RdNr. 31 a.A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.1994 - 2 M 52.94 -, juris web). Gericht der Hauptsache wird der Verwaltungsgerichtshof erst nach Einlegung der Berufung bzw. Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Zulassungsverfahren führt nur zu einem Verfahren vor der Eingangsstufe eines Berufungsverfahrens (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.07.1999 - 25 ZE 99. 1581 -, DVBl 1999, 1664 ff.). Es ist noch offen, ob ein Antrag auf Zulassung der Berufung tatsächlich gestellt bzw. Berufung tatsächlich eingelegt wird. Die Anbringung eines isolierten Prozesskostenhilfegesuches führt nicht zur Anhängigkeit der Hauptsache (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, a.a.O.; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., GVG § 17 a RdNr. 5; Zöllner; ZPO, 23. Aufl., GVG Vor §§ 17 bis 17 b RdNr. 12; Kissel, GVG, 3. Aufl., § 17 RdNr. 6) und begründet deshalb eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs als Gericht der Hauptsache nicht. Dies hat zur Folge, dass der Verwaltungsgerichtshof für den noch zu stellenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sachlich nicht zuständig ist, weshalb für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.
Eine Verweisung des isolierten Prozesskostenhilfeantrags an das Verwaltungsgericht scheidet aus, denn die grundsätzliche nach § 83 VwGO geltenden §§ 17 bis 17 b GVG sind, wie im Fall der Unzulässigkeit des Rechtswegs, auch im Fall der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht anwendbar (zur Rechtswegverweisung: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.1995 - 9 S 701/95 -, NJW 1995, 1915 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.04.1993 - 25 E 275.93 -, DÖV 1993, 831 f.; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23.11.1999 - 3Z AR 27.99 -, juris web; Sächsisches OVG, Beschluss vom 18.10.1993 - 1 S 198.93 -, NJW 1994, 1020; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 41 RdNr. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 41 RdNr. 2b; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 41 Vorb § 17 GVG RdNr. 20, § 166 RdNr. 31; Sodan/Ziekow, VwGO, Stand Januar 2003, § 166 RdNr. 266; Kiesel, GVG, 3. Aufl., § 17 RdNr. 6; Zöller, ZPO, 23. Aufl., Vor §§ 17 bis 17 b GVG RdNr. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 17 a GVG RdNr. 5 a.A. Sächsisches OVG, Beschluss vom 05.02.1998 - 1 S 730.97 -, VIZ 1998, 702; VG Aachen, Beschluss vom 18.11.2003 - 6 K 575.03 -, juris web; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 41 RdNr. 4; zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.02.2003 - 12 S 389/03 -; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 83 RdNr. 4; Sodan/Ziekow, VwGO, § 264, 266; Sennekamp, Die Verweisung summarischer Verfahren an das zuständige Gericht, NVwZ 1997, 692 ff; a.A. Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 83 RdNr. 4; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 83 RdNr. 27, § 41 Vorb § 17 bis 17 b GVG RdNr. 21; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 166 RdNr. 5). In einem isolierten Prozesskostenhilfeverfahren fehlt es auch im Rahmen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit an einem unabweisbaren Bedürfnis, dass das angerufene Gericht hierüber bindend entscheidet. Der nach § 83 S. 2 VwGO unanfechtbare Verweisungsbeschluss würde auf Grund der im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung (§ 114 ZPO) ergehen und hätte zur Folge, dass ein Gericht auf Grund summarischer Prüfung ohne eine Möglichkeit der Überprüfung bindend die sachliche und örtliche Zuständigkeit entscheiden könnte. Dies lässt sich mit der Regelung des § 17 a GVG systematisch nicht vereinbaren. Ein unabweisbares Bedürfnis im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren über gerichtliche Zuständigkeit eine bindende Entscheidung zu treffen besteht auch deshalb nicht, weil noch keine Rechtshängigkeit in der Sache vorliegt und eine erweiternde Bindung nicht eintritt, mit der Folge, dass im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren und dem Verfahren in der Sache unterschiedliche Zuständigkeiten entstehen können. Weil ablehnende Prozesskostenhilfebescheide nicht in materieller Rechtskraft erwachsen, ist auch kein sachlicher Grund für eine Verweisung gegeben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).