| |
|
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG sind öffentlich-rechtliche Verträge; der Streit um den Abschluss bzw. den Inhalt solcher Verträge ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Denn das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, den Beklagten zu einer Leistung, die kein Verwaltungsakt ist, nämlich der Abgabe zustimmender Willenserklärungen zu verurteilen (VGH Baden-Württemberg; Urteil vom 17.11.1997 - 7 S 291/96 -).
|
|
|
Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine neue Ermessensentscheidung über den Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung).
|
|
|
Bei der Kindertagesstätte des Klägers für zerebral geschädigte Kinder in U. handelt es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 93 BSHG. Eine Einrichtung ist die Zusammenfassung sächlicher Mittel und Personals, die auf eine gewisse Dauer angelegt und organisatorisch strukturiert ist, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen und Ziele zu erreichen (vgl. Münder in Bundessozialhilfegesetz, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Auflage 2003, -LPK-BSHG - § 93 Rdnr. 11). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger stellt in seiner Tagesstätte Personal (insbesondere die Konduktorinnen) und sächliche Mittel (Räume, Einrichtungsgegenstände) zur Verfügung, um dort behinderte Kinder zu betreuen. Die Einrichtung ist auf Dauer angelegt, was schon daraus deutlich wird, dass sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Kinder betreut hat.
|
|
|
Für den Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG ist derjenige Träger der Sozialhilfe zuständig, der für die Gewährung der Sozialhilfe an diejenigen Personen zuständig ist, die in der Einrichtung betreut werden (vgl. § 93 Abs. 1 BSHG). Das ist nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, denn der Kläger betreut Behinderte im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in seiner Kindertagesstätte teilstationär. Die Betreuung der Kinder in der Tagesstätte kann nicht mehr als ambulant angesehen werden. Eine teilstationäre Aufnahme in eine Einrichtung liegt nicht erst dann vor, wenn die Aufnahme für ganze Tage, das heißt auch über Nacht erfolgt. Die Aufnahme für einen Teil eines Tages reicht aus (vgl. Schoch in LPK-BSHG a.a.O., § 100 Rdnr. 36). Maßgeblich für die Abgrenzung zur ambulanten Behandlung ist das zeitliche Moment. Für eine teilstationäre Betreuung ist eine Aufnahme in eine Einrichtung erforderlich, die nicht nur einen unbedeutenden Teil eines Tages umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228). Bei einer Betreuung über 6 Stunden hintereinander ist das zeitliche Moment für eine teilstationäre Betreuung erfüllt. In der Zeit, in der sich die Kinder in der Tagestätte aufhalten, erfolgt auch eine umfassende Betreuung durch die Einrichtung.
|
|
|
Die Kammer hält an ihrer Rechtsauffassung, die sie in ihrem Beschluss vom 23.08.2002 - 1 K 1636/02 - zum Ausdruck gebracht hat, wonach der Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG schon deshalb ausscheide, weil die Einrichtung des Klägers keine Leistungen erbringe, die im Rahmen der Eingliederungshilfe gefördert werden können, nach dem Bekanntwerden des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2002 - 5 C 36/31 -, NVwZ-RR 2003, 43 nicht mehr fest. Sie bleibt aber insoweit bei ihrer Entscheidung im Eilverfahren, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG keine Rechtsgrundlage für die Finanzierung der Petö-Therapie bildet. Insoweit wird auf den Beschluss der Kammer vom 23.08.2002 verwiesen.
|
|
|
Nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30.05.2002 (a.a.O.), die die Kammer ihrer Entscheidung zugrunde legt, findet sich in § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG in der Fassung des Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. I Seite 1046, 1111) eine Rechtsgrundlage, welche auch die Finanzierung der Petö-Therapie ermöglicht. Zwar erging die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch zu der Vorgängerfassung des § 40 BSHG. Der Wortlaut der Vorschrift, die das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legte - § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG a.F. - ist aber mit dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG identisch. Der Wortlaut des § 12 EingliederungshilfeVO, den das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung heranzog, wurde, soweit er für seine Entscheidung maßgeblich war, durch den Art. 16 SGB IX (a.a.O., Seite 1113) ebenfalls nicht geändert.
|
|
|
Im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schuldbildung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG in Verbindung mit § 12 EingliederungshilfeVO) sind die Kosten der Petö-Therapie dann zu übernehmen, wenn sie nach Prüfung im Einzelfall für den Behinderten geeignet und erforderlich ist. Eine allgemeine ärztliche oder allgemeine sonstige fachliche Anerkennung dieser Methode ist für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2002, a.a.O.). Die Kammer hat nach dem Urteil des OVG Lüneburg (Urteil vom 22.01.2003 - 4 LB 316/02 -) sowie aufgrund der Studie von Blank und Voss, die der Beklagte dem Gericht vorgelegt hat, keine Zweifel daran, dass sich Fälle, in denen die Petö-Therapie im Rahmen der Eingliederungshilfe geeignet und erforderlich ist, nach Einzelfallprüfung feststellen lassen. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass der Beklagte den Abschluss der beantragten Vereinbarungen nicht mit der Begründung ablehnen kann, es könne keine Fälle geben, in denen er zur Übernahme der Kosten der Petö-Therapie verpflichtet sein könne.
|
|
|
Die Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst nicht nur Maßnahmen für Kinder, die bereits die Schule besuchen. Das Tatbestandsmerkmal "einschließlich der Vorbereitung hierzu" bezieht sich nicht nur auf die Hilfe zum Besuch weiterführender Schulen, sondern auch auf Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2002 a.a.O.; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 40 Rdnr. 41). Zur Vermeidung von Missverständnissen ist darauf hinzuweisen, dass die Bewilligung von Eingliederungshilfe nur dann in Betracht kommt, wenn als Hauptzweck der Anwendung der Petö-Therapie die Förderung des Schulbesuchs im Vordergrund steht.
|
|
|
Der Umstand, dass es für die Einrichtung des Klägers keinen Rahmenvertrag im Sinne des § 93 d BSHG gibt, steht dem Abschluss der beantragten Vereinbarungen nicht entgegen (vgl. Münder in LPK-BSHG, a.a.O., Rdnr. 22).
|
|
|
Liegen die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 und 3 BSHG vor, liegt der Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG im Ermessen des zuständigen Trägers der Sozialhilfe. Der Träger der Einrichtung hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Sozialhilfeträgers über die Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG (BVerwG, Urteile vom 30.09.1993 - 5 C 41/91 -, BVerwGE 94, 202 = FEVS 44, 353 und vom 01.12.1998 - 5 C 29/97 -, BVerwGE 108, 56). Eine Ermessensentscheidung hat der Beklagte bislang nicht getroffen. Er hat in der Klageerwiderung lediglich darauf hingewiesen, dass er Ermessen beim Abschluss der Vereinbarungen habe. Er hat bei seinen Ausführungen im Übrigen nicht erkannt, dass es Fälle gibt, in denen die Petö-Therapie nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG als Maßnahme der Eingliederungshilfe zu finanzieren ist und der Hilfeempfänger dann für die Inanspruchnahme der Hilfe darauf angewiesen ist, dass es vertragsgebundene Einrichtungen gibt, in denen er die Therapie auch durchführen lassen kann.
|
|
|
Ein weites Ermessen steht dem Beklagten allerdings nicht zu. Denn ein Hilfebedürftiger ist in aller Regel auf das Bestehen der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG angewiesen, wenn es um die Durchsetzung eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe für die in einer Einrichtung in Anspruch genommenen Leistungen bzw. um die Geltendmachung angemessener Wünsche (vgl. § 3 Abs. 2 BSHG) geht (vgl. zu § 93 Abs. 2 BSHG a.F.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.1997 - 7 S 291/96 -, NDV-RD 1998, 83; vgl. auch Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 93 Rdnr. 26, der von einem zumindest gebundenen Ermessen ausgeht). Erfüllt die Einrichtung die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 BSHG, dürften sich kaum noch Ermessensgesichtspunkte gegen den Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG finden lassen (Münder, LPK-BSHG, a.a.O., Rdnr. 22).
|
|
|
Der Beklagte kann den Abschluss der Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG nicht mit der Begründung ablehnen, dass es sich bei den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30.05.2002 a.a.O.) und des OVG Lüneburg (Urteil vom 22.01.2003 a.a.O.) um eine Einzelfallentscheidung handele und es ausreiche, dass dann im Einzelfall nach § 93 Abs. 3 BSHG vorgegangen werden könne. § 93 Abs. 3 BSHG ermöglicht es zwar, die Kosten einer Maßnahme der Eingliederungshilfe, die durch eine Einrichtung erbracht wird, auch dann zu übernehmen, wenn mit ihr noch keine Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG besteht. Dies ist aber nur dann möglich, wenn dies "nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten" ist. Diese Voraussetzung ist nicht mit der Einzelfallprüfung bei der Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG an den einzelnen Hilfeempfänger gleichzusetzen. Da § 93 Abs. 2 BSHG von dem Grundsatz ausgeht, dass Hilfen für Leistungen in einer Einrichtung nur dann erbracht werden können, wenn entsprechende Vereinbarungen bestehen, ist bei der Anwendung des § 93 Abs. 3 BSHG vielmehr danach zu fragen, ob es einen ausreichenden Grund gerade dafür gibt, eine Leistung in einer nicht vertragsgebundenen Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Der Verweis auf § 93 Abs. 3 BSHG schränkt die Möglichkeit für einen Hilfebedürftigen, Eingliederungshilfe zu erhalten, auf die er nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG eigentlich einen Anspruch hätte, unzulässig ein.
|
|
|
Der Beklagte darf den Abschluss der beantragten Vereinbarungen auch nicht mit der Ermessenserwägung ablehnen, es gebe bereits ausreichend andere Betreuungs- oder Behandlungsmöglichkeiten für zerebral geschädigte Kinder in gleichartigen Einrichtungen, wie sie der Kläger betreibt, bzw. in anderen Einrichtungen, die nach anderen Methoden und Konzepten arbeiten. Eine Bedürfnisprüfung im Rahmen der Ermessensausübung lässt § 93 Abs. 1 und 2 BSHG nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1993 a.a.O.; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1993 - 6 S 935/91 -, ESVGH 43, 287, der seine Auffassung wesentlich mit der heute nicht mehr bestehenden Vorrangregelung des § 93 Abs. 2 Satz 3 BSHG a.F. zugunsten der Träger nach § 10 BSHG und dem nicht mehr bestehenden Verweis des § 93 Abs. 2 Satz 4 BSHG a.F. auf § 95 SGB X begründete).
|
|
|
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Das Gericht wendet § 167 Abs. 2 VwGO auf die vorliegende Leistungsklage entsprechend an und macht von der Möglichkeit, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
|
|