Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. März 2018 - 4 A 173/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2018:0307.4A173.15.00
bei uns veröffentlicht am07.03.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteiles zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Fall gegen einen Abfallgebührenbescheid der Beklagten, soweit die Beklagte mit diesem Abfallgebühren für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 festsetzte.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks  ... , das im Gebiet der Beklagten belegen ist. Mit diesem Grundstück ist die Klägerin an die öffentliche Abfallentsorgung der Beklagten angeschlossen. Ihr Grundstück ist mit einem 80 l Restabfallbehälter ausgestattet, der alle 14 Tage geleert wird.

3

Die Beklagte erhob im Jahre 2014 auf Grundlage ihrer Satzung über die Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftssatzung) in der  ...  vom 06.02.2003 in der Fassung der 4. Änderungssatzung vom 25.03.2010 i.V.m. den Bestimmungen der Gebührensatzung zur Satzung über die Abfallwirtschaft in der  ...  vom 03.12.1998 (Abfallwirtschaftsgebührensatzung) Abfallgebühren, wobei sich der Gebührensatz aus § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgebührensatzung in der jeweils gültigen Fassung ergab.

4

Die Beklagte legte den insoweit geregelten Gebührensätzen Kalkulationen über die voraussichtlich in Zusammenhang mit der Abfallwirtschaft in einem bestimmten Zeitraum (im Folgenden: Kalkulationsperiode oder Kalkulationszeitraum) entstehenden Kosten zugrunde (im Folgenden: Vorauskalkulation). Dabei wählte die Beklagte jedenfalls seit dem Jahre 2008 dreijährige Kalkulationsperioden. Für die Kalkulationsperiode 2008-2010 fertigte die  ...  GmbH eine Vorauskalkulation im Bereich der Abfallwirtschaft an.

5

Nach Ablauf der Kalkulationsperiode 2008-2010 ließ die Beklagte von dem Unternehmen  ...  eine Form der Betriebsabrechnung erstellen, die von ihr als „Nachkalkulation 2008-2010“ bezeichnet wurde. In dieser „Nachkalkulation“ wurden die tatsächlich angefallenen Kosten den tatsächlich eingegangenen Gebühreneinnahmen gegenübergestellt.

6

Die Vorauskalkulation für die Jahre 2014-2016 ließ die Beklagte ebenfalls von dem Unternehmen  ...  erstellen. Den insoweit ermittelten, voraussichtlich entstehenden „Gesamtkosten“ aus dem Bereich der Abfallwirtschaft wurde danach ein Betrag in Höhe von 17.410.778 €, bezeichnet als „Ergebnisvortrag (2008-2010)“, hinzugerechnet und ein weiterer Betrag abgezogen. Daraus ergab sich der errechnete „Gebührenbedarf“ in der Kalkulationsperiode 2014-2016 in Höhe vom 90.880.775,00 €.

7

Auf Grundlage des sich aus der Vorauskalkulation für die Jahre 2014-2016 ergebenden Gebührenbedarfs ermittelte die Beklagte die notwendige Änderung des Gebührensatzes für die Erhebung von Abfallgebühren in der Kalkulationsperiode 2014-2016, um den Gebührenbedarf mit den erhobenen Gebühren decken zu können.

8

Die Beklagte erließ vor diesem Hintergrund die 7. Satzung zur Änderung der Gebührensatzung vom 12.02.2014, die am 01.03.2014 in Kraft trat. Nach § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgebührensatzung i.d.F. der 7. Änderungssatzung beträgt die Gebühr für eine einmalige 14-tägige Leerung eines 80 l Restabfallbehälters 15,12 € pro Monat.

9

Mit Bescheid vom 06.03.2014 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem Abfallgebühren für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 in Höhe von 2,48 € fest und forderte die Klägerin zur Zahlung dieses Betrages auf. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 19 Abfallwirtschaftssatzung in Verbindung mit den Bestimmungen der Abfallwirtschaftsgebührensatzung in ihrer während des genannten Veranlagungszeitraumes gültigen Fassung.

10

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.03.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruchs trug die Klägerin vor, es bestünden erhebliche Bedenken, dass eine in den Jahren 2008-2010 entstandene Kostenunterdeckung in Höhe von 17.410.778 € in die Gebührenkalkulation für die Periode 2014-2016 hätte einfließen dürfen.

11

Mit Bescheid vom 27.08.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

12

Zur Begründung führte sie aus, dass die durch den Bescheid vom 06.03.2014 vorgenommene Gebührenfestsetzung rechtmäßig sei. Diese beruhe auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die 7. Satzung zur Änderung der Abfallwirtschaftsgebührensatzung sei rechtmäßig, da der Gebührensatz in Übereinstimmung mit § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG kalkuliert worden sei.

13

In der die Jahre 2008-2010 umfassenden Kalkulationsperiode sei eine Kostenunterdeckung in Höhe von 17.410.778 € entstanden. Diese Unterdeckung sei im Laufe des Kalenderjahres 2011 festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits die nächste Kalkulationsperiode gelaufen, die die Jahre 2011-2013 umfasst habe. Am 01.03.2014 habe nunmehr ein weiterer Kalkulationszeitraum für die Jahre 2014-2016 begonnen. In die Kalkulation für diesen Zeitraum habe man in Übereinstimmung mit § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG die festgestellte Unterdeckung aus der Periode 2008-2010 einstellen können.

14

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.09.2015 Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhoben.

15

Zur Begründung trägt sie vor, der Bescheid vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Gebührenfestsetzung durch den Gebührenbescheid vom 06.03.2014 beruhe für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 nicht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die 7. Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 12.02.2014 sei unwirksam. Die der dortigen Gebührenbemessung zu Grunde liegende Vorauskalkulation sei fehlerhaft und verstoße gegen § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG.

16

Es sei nicht nachvollziehbar, ob überhaupt eine Kostenunterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2008-2010 vorliege. Um zu bestimmen, ob eine umlagefähige Kostenunterdeckung gegeben sei, müsse ein Vergleich der tatsächlichen mit den kalkulierten Kosten erfolgen. Nur eine Abweichung der in die Gebührenkalkulation eingestellten Kostenpositionen von deren tatsächlichem Betriebsergebnis könne eine Kostenunterdeckung begründen.

17

Selbst wenn tatsächlich eine Kostenunterdeckung vorläge, erfordere § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG, dass die Unterdeckung in den auf die Feststellung folgenden drei Jahren wirtschaftlich-faktisch ausgeglichen werden müsse. Die Unterdeckung sei im vorliegenden Fall gemäß der Angaben der Beklagten im Widerspruchsbescheid im Jahre 2011 festgestellt worden. Soweit die Beklagte ihren Vortrag in Bezug auf den Zeitpunkt der Feststellung geändert habe, bestreite sie ausdrücklich, dass eine Feststellung erst nach dem Jahre 2011 stattgefunden habe.

18

Der Begriff der Feststellung sei nach seinem Wortlaut nicht auf einen willkürlichen gesonderten Akt der rechnerischen Ermittlung der genauen Höhe der Über- bzw. Unterdeckung begrenzt. Feststellen umfasse vielmehr auch ein schlichtes Erkennen, Bemerken oder Wahrnehmen. Insofern sei davon auszugehen, dass die in den Jahren 2008-2010 erwirtschafteten Unterdeckungen durch die Beklagte bzw. deren Entsorgungsbetriebe im Jahre 2011 anhand des insofern maßgeblichen Betriebsergebnisses erkannt, bemerkt bzw. wahrgenommen worden seien. Die Beklagte dürfe den Beginn des Ausgleichszeitraumes nicht durch Hinauszögern der Feststellung selbst bestimmen können. Es sei eine Verpflichtung des Einrichtungsträgers gegeben, zeitnah eine Feststellung der erwirtschafteten Unterdeckung zu betreiben.

19

Entsprechend der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts habe der dreijährige Ausgleichszeitraum im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG mit Ablauf des Jahres begonnen, in dem die Unterdeckung festgestellt worden sei, das hieße mit Ablauf des Jahres 2011. Spätmöglichster Zeitpunkt eines Ausgleiches der Unterdeckung sei daher der 31.12.2014 gewesen.

20

In diesem Zeitpunkt habe ein wirtschaftlich-faktischer Ausgleich durchgeführt worden sein müssen. Nicht ausreichend sei, dass die rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausgleich durch Erlass einer Änderungsatzung geschaffen worden seien. Durch die Einstellung der Kostenunterdeckung in die Vorauskalkulation 2014-2016, die Grundlage für den Gebührensatz in der Kalkulationsperiode 2014-2016 geworden sei, läge ein wirtschaftlich-faktischer Ausgleich erst im Jahre 2016 vor.

21

Die Klägerin beantragt,

22

den Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2015 insoweit aufzuheben, als Abfallgebühren für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 festgesetzt werden.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Zur Begründung trägt die Beklagte ergänzend zu ihren Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren vor, § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgebührensatzung i.d.F der 7. Änderungssatzung verstoße nicht gegen § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG, denn die Unterdeckung aus der Kalkulationsperiode von 2008-2010 sei jedenfalls nicht vor dem Jahre 2013 festgestellt worden. Soweit sie in vorangegangenen Schriftsätzen unstreitig gestellt habe, dass eine Feststellung bereits im Jahre 2011 erfolgt sei, halte sie daran nicht mehr fest.

26

Die Unterdeckung in der Kalkulationsperiode 2008-2010 sei im Rahmen der Vorauskalkulation der Periode 2014-2016 errechnet worden. Diese habe man erst im Jahre 2013 in Auftrag gegeben. Das mit der Erstellung der Vorauskalkulation für die Kalkulationsperiode 2014-2016 beauftragte Unternehmen habe diesen Auftrag im Jahre 2013 erhalten.

27

Der Begriff der Feststellung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG sei gesetzlich nicht definiert. Eine Unterdeckung im Sinne der Norm werde allerdings nicht bereits bei Vorliegen eines Betriebsergebnisses festgestellt. Vielmehr bedürfe es jedenfalls eines weiteren Rechenwerkes.

28

Zuständig für die Feststellung einer Unterdeckung sei entweder der Bürgermeister oder die Gemeindevertretung. Dies sei unter Anderem davon abhängig, ob die Feststellung einer Unterdeckung als wichtige Entscheidung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 GO anzusehen sei.

29

Es sei ausreichend, dass innerhalb des in § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG geregelten Dreijahreszeitraums die Kalkulationsperiode beginne, innerhalb der die Unterdeckung ausgeglichen werde. § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG bestimme insoweit nicht das Ende des Ausgleichszeitraums, sondern dessen Beginn. Einen wirtschaftlich-faktischen Ausgleich der Kostenunterdeckung innerhalb des Dreijahreszeitraumes sehe § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG nicht vor.

30

Hilfsweise weise sie darauf hin, dass der dreijährige Ausgleichszeitraum nach § 9 Abs. 2 Satz 9 KAG erst nach Ablauf derjenigen Kalkulationsperioden beginne, in der die Unterdeckung festgestellt worden sei. Selbst wenn man also von einer Feststellung einer Unterdeckung im Jahre 2011 ausgehen würde, würde der Ausgleichszeitraum für einen wirtschaftlich-faktisch zu bewirkenden Ausgleich erst mit dem Jahre 2014 beginnen.

31

Die Kammer hat im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2017 beschlossen, durch Anhörung des Zeugen  ...  als verantwortlichem angestellten Direktor der Entsorgungsbetriebe  ...  Beweis über die Behauptung der Beklagten zu erheben, dass eine Unterdeckung der Kalkulationsperiode 2008–2010 erstmalig im Jahre 2013 bekannt wurde. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage 1 zum Protokoll vom 27.09.2017 verwiesen. Die Aussage des Zeugen  ...  ist im Einverständnis der Beteiligten durch Verlesung der Anlage 1 in die mündliche Verhandlung vom 07.03.2018 eingeführt worden.

32

Am Ende der mündlichen Verhandlung am 27.09.2017 hat die Kammer die Entscheidung verkündet, dass ein Aufklärungsbeschluss seinem wesentlichen Inhalt nach ergeht. Daraufhin hat die Kammer am 05.10.2017 durch die Berichterstatterin beschlossen, zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes die Vorlage verschiedener Unterlagen, einschließlich eines als „Übersetzungshilfe“ bezeichneten Dokuments, aus dem sich nachvollziehbar ergibt, dass die in der „Nachkalkulation 2008-2010“ enthaltenen Kostenpositionen bereits als Kostenpositionen in der Vorauskalkulation 2008-2010 berücksichtigt wurden, von der Beklagten zu fordern.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die zulässige Klage ist unbegründet.

35

Der Bescheid vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit in diesem Abfallgebühren für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 festgesetzt wurden, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

36

Die Beklagte beruft sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1, §§ 12 Abs. 1, 19 der aufgrund der §§ 4, 17 GO und § 5 LAbfWG erlassenen Satzung über die Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftssatzung) in der...  vom 06.02.2003 in der Fassung der 4. Änderungssatzung vom 25.03.2010 (im folgenden AbfWS) i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 und 3 und 6 der auf Grundlage der §§ 4, 17 GO und §§ 1, 2 und 6 KAG erlassenen Gebührensatzung zur Satzung über die Abfallwirtschaft in der...  vom 03.12.1998 (Abfallwirtschaftsgebührensatzung) i.d.F. der 7. Änderungssatzung vom 12.02.2014 (im Folgenden AbfWGebS).

37

Nach § 6 Abs. 2 AbfWGebS setzt der Bürgermeister der Beklagten die Höhe der Abschlagszahlungen und den Abrechnungsbetrag fest und gibt diese durch Ausweisung auf den Rechnungen und Gebührenbescheiden der Stadtwerke...  bekannt. Der insoweit seitens der Beklagten durch den Bürgermeister gegenüber der Klägerin erlassene, formell rechtmäßige Bescheid über Abfallgebühren vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 ist materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Abfallgebühren für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 dem Grunde und der Höhe nach rechtlich zutreffend festgesetzt.

38

Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung einer Abfallgebühr in dem hier maßgeblichen Zeitraum ist dem Grunde nach gemäß der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 1, 19 AbfWS i.V.m. § 5 Abs. 1 und 3 Satz 1 AbfWGebS i.V.m. § 4 Abs. 1 AbfWS und § 6 Abs. 3 AbfWGebS entstanden. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AbfWS betreibt die Beklagte die Entsorgung der im Stadtgebiet anfallenden Abfälle als öffentliche Einrichtung. Die Beklagte erhebt nach § 19 AbfWS für die Inanspruchnahme der Abfallentsorgung nach Maßgabe der AbfWS Gebühren in der Höhe der jeweils geltenden Gebührensatzung, hier der AbfWGebS.

39

Die Klägerin hat in dem hier maßgebenden Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 eine öffentliche Einrichtung der Beklagten in Form der Abfallentsorgung nach Maßgabe des §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 1 AbfWS in Anspruch genommen. Nach den §§ 1 Abs. 2, 12 AbfWS umfassen die der Beklagten im Rahmen der Abfallentsorgung zukommenden Aufgaben unter anderem Maßnahmen des Einsammelns von Restabfall durch Holsysteme. Abfallbehälter für unter anderem Restabfälle sind in den dafür überlassenen Behältern am Tag der Abfuhr auf dem Standplatz bereitzustellen, werden seitens der Beklagten abgeholt und nach der Entleerung wieder zurückgebracht, § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 AbfWS. An das genannte Holsystem ist die Klägerin angeschlossen. Sie ist Eigentümerin des im Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks  ... . Ihr Grundstück ist mit einem 80 l Restabfallbehälter ausgestattet, der alle 14 Tage geleert wird.

40

Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfallgebühr war am 06.03.2014 für den hier maßgeblichen Zeitraum auch bereits entstanden. Gemäß § 5 Abs. 1 AbfGebS entsteht die Gebührenpflicht bei Verfahren nach § 12 Abs. 1 AbfWS mit Beginn des Monats, in dem die Abfallbehälter erstmalig benutzt werden und ist mit dem Ende des Monats ihrer letzten Benutzung beendet. Die Klägerin ist als Eigentümerin des Grundstücks unter der Adresse  ...  auch Gebührenschuldner nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 der AbfWS, § 5 Abs. 3 Satz 1 AbfGebS.

41

Die Beklagte hat die für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Beklagten in Form der Abfallentsorgung in dem Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 anfallenden Gebühren gegenüber der Klägerin auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei festgesetzt.

42

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS wird die Gebühr für das Verfahren nach § 12 Abs. 1 AbfWS nach der Zahl und dem Rauminhalt der Abfallbehälter sowie der Häufigkeit der Entleerung berechnet; sie beträgt bei einmaliger 14-tägiger Leerung für einen Restabfallbehälter von 80 l 15,12 € im Monat.

43

Die hinsichtlich der Höhe der Abfallgebühr insoweit maßgebliche Rechtsgrundlage des § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS, die mit Wirkung zum 01.03.2014 in Kraft trat, ist rechtmäßig. § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS steht mit den materiell-rechtlichen Regelungen zur Berechtigung der Kommunen zum Erlass von Gebührensatzungen der §§ 4, 6 KAG, insbesondere mit § 6 Abs. 2 KAG in Einklang.

44

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG sollen Benutzungsgebühren so bemessen werden, dass sie die erforderlichen Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung decken. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das sogenannte Kostendeckungsprinzip in § 6 KAG verankert, das einerseits ein Kostendeckungsgebot und andererseits ein Kostenüberschreitungsverbot enthält (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 10.09.2015, Az.: 4 LB 39/14, juris Rn. 69; Thiem/Böttcher, KAG SH, 21 EL. 2017, § 6 Rn. 106, 108). Das bedeutet, dass die Benutzungsgebühren (in der Regel) so zu bemessen sind, dass die in Zusammenhang mit der Beanspruchung einer öffentlichen Einrichtung entstehenden und berücksichtigungsfähigen Kosten gedeckt sind, die Einnahmen aus den Gebühren jedoch nicht über diese Kosten hinausgehen.

45

Mit diesem gesetzlich verankerten Prinzip steht der in § 2 Abs. 1 AbfGebS geregelte Gebührensatz in Einklang. In dieser satzungsrechtlichen Festlegung der Höhe der Abfallgebühr liegt kein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot. Die Beklagte hat im Zuge der für die Gebührenbemessung ausschlaggebenden Kostenermittlung (Vorauskalkulation der Periode 2014-2016) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise periodenfremde Kosten in Form der Kostenunterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2008-2010 in Höhe von 17.410.778 € berücksichtigt.

46

Die im Zuge der Gebührenerhebung berücksichtigungsfähigen, voraussichtlich entstehenden Kosten werden in der Regel aufgrund einer (Voraus)Kalkulation ermittelt (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 24.06.1998, Az. 2 L 22/96, juris Rn. 21; Belz, in: Habermann/Arndt, KAG, Stand 01.2017, § 6 Rn. 185, 190; Thiem/Böttcher, KAG SH, 21. EL 2017, § 6 Rn. 110b). Die Erstellung einer Kostenkalkulation als Basis der Gebührenbemessung wird vom KAG nicht nur in § 6 Abs. 2 Satz 1 vorausgesetzt, sondern in § 6 Abs. 2 Satz 8 bis 10 KAG ausdrücklich angesprochen. § 6 Abs. 2 Satz 8 bis 10 KAG enthält Vorgaben, die bei Erstellung einer der Gebührenerhebung zugrundeliegenden Kostenkalkulation zu beachten sind und mit denen die Kostenkalkulation in Einklang zu stehen hat.

47

Zwar dürfen in die Vorauskalkulation grundsätzlich nur periodeneigene Kosten, d.h. solche Kosten, die in der zugrunde gelegten Kalkulationsperiode anfallen, eingestellt werden. Um die relevanten Kosten i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG) berechnen zu können und die Einhaltung des Kostendeckungsprinzips sicherzustellen, ist deren Bezug zu einer Rechnungsperiode erforderlich, wobei die Periode die anfallenden Kosten bestimmt (Belz, in: Habermann/Arndt, KAG, Stand 01.2017, § 6 Rn. 190; Thiem/Böttcher, KAG SH, 21. EL 2017, § 6 Rn. 162).

48

Diesem Grundsatz widerspricht es zunächst, wenn – wie im vorliegenden Fall – Kostenunterdeckungen aus vorangegangenen Kalkulationsperioden in die für die Bemessung des Gebührensatzes für eine spätere Kalkulationsperiode maßgebliche Vorauskalkulation eingestellt werden. Im vorliegenden Fall wurden im Zuge der Erstellung der Vorauskalkulation für die Jahre 2014-2016, die Grundlage des Gebührensatzes in § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS war, zunächst die in Zusammenhang mit der Abfallwirtschaft in diesem Zeitraum voraussichtlich entstehenden Kosten ermittelt, dann mit einem „Ergebnisvortrag“ aus den Vorjahren in Höhe von 17.410.778 € verrechnet und so der als „Gebührenbedarf“ bezeichnete Betrag berechnet.

49

Von dem soeben beschriebenen Grundsatz, dass nur periodeneigene Kosten in eine Vorauskalkulation eingestellt werden dürfen, lässt jedoch § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG eine Ausnahme zu. Danach ist unter anderem eine sich am Ende des Kalkulationszeitraumes aus einer Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ergebende Kostenunterdeckung innerhalb der auf die Feststellung der Unterdeckung folgenden drei Jahre auszugleichen. Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Kostenunterdeckung aus einer Vorperiode im Zuge der Gebührenbemessung für eine spätere Kalkulationsperiode ist demnach, dass eine Kostenunterdeckung im Sinne der Norm vorliegt, die Kostenunterdeckung festgestellt und innerhalb von drei Jahren nach ihrer Feststellung ausgeglichen wird.

50

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall mit Blick auf die Einstellung eines Ergebnisvortrags aus den Vorjahren in Höhe von 17.410.778 € vor.

51

Im vorliegenden Fall ist eine Kostenunterdeckung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG in Höhe von 17.410.778 €, resultierend aus der Kalkulationsperiode 2008-2010, gegeben.

52

Grundsätzlich hat der Einrichtungsträger, der eine Kostenunterdeckung in eine Vorauskalkulation für eine spätere Kalkulationsperiode einstellen will, diese darzulegen. Ihm steht hinsichtlich der Bemessung von Über- und Unterdeckungen kein Beurteilungsspielraum zu (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 22.10.2003, Az.: 2 LB 148/02, NordÖR 6/2004, S. 259 (261)). Insoweit handelt es sich um einen reinen Rechenvorgang, der durch das Gericht voll überprüfbar ist.

53

Eine Kostenunterdeckung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG ist durch einen Vergleich der tatsächlichen mit den kalkulierten Kosten festzustellen (OVG Schleswig, Urteil vom 15.05.2017, Az.: 2 KN 1/16, juris Rn. 50; vgl. Jahr, in: Habermann/Arndt, KAG, Stand 01.2017, § 6 Rn. 196). Nicht ausreichend ist insoweit ein bloßer Abgleich der tatsächlichen Kosten mit den tatsächlichen (Gebühren)Einnahmen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 17.05.2017, Az.: 2 KN 1/16, juris Rn. 53). Bei den kalkulierten Kosten in diesem Sinne handelt es sich um die Kosten, die innerhalb einer Rechnungsperiode entsprechend der Vorauskalkulation voraussichtlich anfallen werden.

54

Auf Seiten der Beklagten hat ein für die Kammer nachvollziehbarer Rechenvorgang stattgefunden, bei dem indirekt die tatsächlichen mit den kalkulierten Kosten gegenübergestellt wurden. Diesen Rechenvorgang hat die Beklagte durch Vorlage des Blattes „Ergebnisse der Nachkalkulationen 2008-2010 (endgültig)“ dargelegt.

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55

(Quelle:  ... , Betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation, Bl. 261 d.A.)

56

Der von der Beklagten verwandte Begriff der „Gesamtkosten“ entspricht den tatsächlich innerhalb der Rechnungsperiode angefallenen Kosten, d.h. den tatsächlichen Kosten im oben genannten Sinne. Mit „Ist-Gebühreneinnahmen“ umschreibt die Beklagte den Betrag, der von dem Einrichtungsträger innerhalb der Kalkulationsperiode durch Gebührenerhebungen tatsächlich eingenommen worden ist. Dagegen bezeichnet der Ausdruck „Soll-Gebühreneinnahmen“ den nach der Vorauskalkulation errechneten Gesamtgebührenbedarf für eine Kalkulationsperiode, der sich aus dem Betrag der Soll-Kosten zuzüglich Verlustvorträgen aus Vorjahren berechnen lässt.

57

Die Beklagte hat nach dem Blatt „Ergebnisse der Nachkalkulationen 2008-2010 (endgültig)“ zunächst den sich aus der von ihr erstellten (bereinigten) Abrechnungen ergebenden, nicht gedeckten Betrag für die Jahre 2008, 2009 und 2010 in die Berechnung der Kostenunterdeckung eingestellt (für das Jahr 2008 beispielsweise einen Betrag in Höhe von 4.274.327 €). Dieses entspricht der Gegenüberstellung von tatsächlich angefallenen Gesamtkosten abzüglich der Ist-Gebühreneinnahmen (im Weiteren als „betriebswirtschaftliches Minus“ bezeichnet). Um aus dieser Gegenüberstellung den Betrag ermitteln zu können, der sich bei einer Verrechnung von tatsächlichen mit kalkulierten Kosten im oben genannten Sinne ergibt, nahm die Beklagte zwei weitere Rechenschritte vor.

58

In dem ersten Rechenschritt errechnete die Beklagte die Differenz von Gesamtkosten und Soll-Gebühreneinnahmen. Dazu verringerte die Beklagte das „betriebswirtschaftliche Minus“ um den Betrag, der dem Unterschiedsbetrag von Ist- und Soll-Gebühreneinnahmen entspricht.

59

Dieser Rechenschritt war vor dem Hintergrund vorzunehmen, dass der Betrag der Ist-Gebühreneinnahmen, der in die Berechnung des „betriebswirtschaftlichen Minus“ eingestellt wurde, regelmäßig – so auch im vorliegenden Fall – nicht dem Betrag der Soll-Gebühreneinnahmen entspricht. Vielmehr ist der Betrag der Ist-Gebühreneinnahmen in der Regel geringer als der Betrag der Soll-Gebühreneinnahmen, da es in tatsächlicher Hinsicht immer wieder zu Zahlungsausfällen (für das Jahr 2008 hier 303.688 €) von Gebührenschuldnern kommt. Damit fällt auch der Betrag des „betriebswirtschaftlichen Minus“ regelmäßig höher aus, als der Differenzbetrag von Gesamtkosten abzüglich der Soll-Gebühreneinnahmen. Will man demnach aus dem „betriebswirtschaftlichen Minus“ den Differenzbetrag von Gesamtkosten und Soll-Gebühreneinnahmen errechnen, muss der Betrag der Zahlungsausfälle, der der Differenz von Ist- und Soll-Gebühreneinnahmen entspricht, von dem Betrag des „betriebswirtschaftlichen Minus“ abgezogen werden (hier für das Jahr 2008: 4.274.327 € – 303.688 = 3.970.639 €).

60

Mit dem zweiten Rechenschritt berechnete die Beklagte nunmehr den Differenzbetrag von tatsächlichen Kosten und kalkulierten Kosten, mithin den Betrag der Kostenunterdeckung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG. Dazu addierte die Beklagte die Verlustvorträge aus Vorjahren mit dem Differenzbetrag von Gesamtkosten und Soll-Gebühreneinnahmen (vgl. für das Jahr 2008: 3.970.639 € + 1.413.870 € + 1.263.914 € = 6.648.423 €)

61

Dieser Rechenschritt war erforderlich, da sich der Betrag der Soll-Gebühreneinnahmen (d.h. der Gesamtgebührenbedarf – vgl. oben) im vorliegenden Fall aus dem Betrag der kalkulierten Kosten und dem Betrag der Verlustvorträge aus Vorjahren zusammensetzt. Der Differenzbetrag von Gesamtkosten und Soll-Gebühreneinnahmen war demnach um den Betrag der Verlustvorträge aus Vorjahren zu bereinigen, um im Ergebnis den Differenzbetrag von tatsächlichen und kalkulierten Kosten zu erhalten.

62

Diese Bereinigung hatte hier auch durch Addition des Betrages der Verlustvorträge aus Vorjahren zu erfolgen. Denn der errechnete Betrag einer Kostenunterdeckung fiel vor Vornahme des zweiten Rechenschritts genau um den Betrag der Verlustvorträge aus Vorjahren zu gering aus. Hintergrund dessen ist, dass ein Differenzbetrag (hier Gesamtkosten abzüglich Soll-Gebühreneinnahmen) desto geringer ausfällt, je höher der zu subtrahierende Betrag (hier Soll-Gebühreneinnahmen) ist. Verringert man den zu subtrahierenden Betrag (hier Soll-Gebühreneinnahmen) um den Betrag X (hier Verlustvorträge aus Vorjahren) muss sich der Differenzbetrag um den gleichen Betrag X erhöhen.

63

Bei der Ermittlung des Ausgangspunktes der Errechnung der Kostenunterdeckung, d.h. der Ermittlung des „betriebswirtschaftlichen Minus“ entsprechend der als „Nachkalkulation“ bezeichneten Abrechnung wurden seitens des ausführenden Unternehmens  ...  nur solche Kostenpositionen eingestellt, die auch bei Erstellung der Vorauskalkulation berücksichtigt wurden. Dies ist vor dem Hintergrund entscheidend, dass bei der Ermittlung des Differenzbetrages von tatsächlichen Kosten und kalkulierten Kosten nur solche Kosten bei der Berechnung der tatsächlich entstandenen Kosten berücksichtigt werden dürfen, die bereits in die Vorauskalkulation eingestellt wurden (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 15.05.2017, Az.: 2 KN 1/16, juris Rn. 51; Urteil vom 24.06.1998, Az.: 2 L 22/96, juris Rn. 29; Belz, in: Habermann/Arndt, KAG, Stand 01.2017, § 6 Rn. 196). § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG soll es ermöglichen, die im Regelfall mit Vorauskalkulationen, die Kostenprognosen darstellen, verbundenen Abweichungen der kalkulierten von den tatsächlich entstandenen Kosten auszugleichen. Die Norm dient jedoch nicht dazu, einer dem Kostendeckungsgebot nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG widersprechende Unterlassung der Einstellung bestimmter Kostenpositionen in eine Vorauskalkulation zu begegnen.

64

Die Beklagte hat Unterlagen vorgelegt, die es ermöglichen, im Sinne einer Plausibilitätskontrolle den in der Vorauskalkulation enthaltenen einzelnen Kostenpositionen die in der „Nachkalkulation“ aufgeführten Kostenstellen zuzuordnen. So enthält die Vorauskalkulation beispielsweise die Kostenposition „Bioabfallkompostierung 2008“ mit einem Wert von 3.257.00,00 €. Diese Kostenposition der Vorauskalkulation findet sich entsprechend der von der Beklagten nach Aufforderung durch das Gericht vorgelegten „Übersetzungshilfe“ (Bl. 262 d. Gerichtsakte) in den Kostenstellen 62452, EK61212, EK61309 mit 3.285.211,00 €, (-) 2.907,00 € und (-) 49.404,00 € der „Nachkalkulation“ wieder. Die Kammer hat unter Zuhilfenahme der vorgelegten „Übersetzungshilfe“ weitere Kostenpositionen der Vorauskalkulation den in der „Nachkalkulation“ aufgeführten Kostenstellen – entsprechend des am Beispiel der Kostenposition „Bioabfallkompostierung 2008“ beschriebenen Vorgehens – zuordnen können.

65

Die Kostenunterdeckung ist innerhalb von drei Jahren nach ihrer Feststellung ausgeglichen worden. Die Feststellung erfolgte frühestens im Jahre 2013.

66

Die Feststellung einer Kostenunterdeckung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG erfordert nach Auffassung der Kammer jedenfalls die Vorlage eines Rechenergebnisses, das die Differenz von tatsächlichen und kalkulierten Kosten wiedergibt. Die bloße Vermutung, dass eine Kostenunterdeckung vorliegen könnte, ist nicht als Feststellung in diesem Sinne zu qualifizieren.

67

Vor Vorlage eines Rechenergebnisses kann der Einrichtungsträger, wenn er bemerkt, dass mehr Ausgaben angefallen sind als Gebühren eingenommen wurden, lediglich vermuten, dass dieses Ergebnis auf eine Kostenunterdeckung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG zurückzuführen ist. Neben der Möglichkeit, dass eine Kostenunterdeckung in diesem Sinne vorliegt, besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass im Zuge der Vorauskalkulation bestimmte tatsächlich relevante Kostenpositionen unberücksichtigt geblieben sind oder ein erheblicher Zahlungsausfall von Gebührenschuldnern zu verzeichnet ist. Es ist dem Einrichtungsträger zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, einen bestimmten Betrag der Unterdeckung konkret zu benennen oder gar in eine Kostenkalkulation für eine Folgeperiode einzustellen.

68

Gegen eine solche Auslegung spricht auch nicht, dass der Einrichtungsträger ansonsten den Zeitpunkt der Feststellung beliebig weit hinauszögern könnte. Denn die beliebige Verlagerung des Zeitpunkts der Feststellung wird jedenfalls durch § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG und dem darin enthaltenen Kostendeckungsgebot sowie dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit begrenzt. Wann diese Grenze genau erreicht ist, muss im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden werden. Denn nach Auffassung der Kammer ist es jedenfalls zulässig, wenn ein Einrichtungsträger – wie im vorliegenden Fall – eine Kostenunterdeckung in der Kalkulationsperiode feststellt, die auf die Periode, aus der die Kostenunterdeckung resultiert, folgt. Dies ergibt sich für die Kammer aus einer teleologischen und historischen Auslegung von § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG.

69

Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts war es bereits vor Einführung des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes sowie zur Änderung des Landesabfallwirtschaftsgesetzes vom 30.11.2003 (GVOBl S. 614) möglich, Gebührenunterdeckungen in die folgende(n) Rechnungsperiode(n) einzubeziehen (OVG Schleswig, Urteil vom 24.06.1998, Az.: 2 L 22/96, juris 28 f.; Urteil vom 13.12.1993, Az.: 2 K 9/91, Die Gemeinde 1994, 134, 136; Urteil vom 24.10.2001, Az.: 2 L 29/00, juris Rn. 50 ff.; Urteil vom 22.10.2003, Az.: 2 LB 148/02, NordÖR 6/2004, S. 259 (261)). Vor dem Hintergrund des Gebots der Leistungsbezogenheit sah das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgerichts es für geboten an, dass der Ausgleich möglichst zeitnah, d.h. regelmäßig in der übernächsten Rechnungsperiode erfolgt (OVG Schleswig, Urteil vom 03.03.2000, Az.: 2 M 59/99, juris Rn. 22).

70

Die Gesetzesmaterialien enthalten keinerlei Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Regelungen schaffen wollte, die von dieser Rechtsprechung abweicht. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Schleswig-Holsteinische Gesetzgeber mit der Einführung von § 6 Abs. 2 Satz 8-10 KAG die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nachvollziehen wollte (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Plenarprotokoll 15/98, 12.11.2003, S. 7536).

71

Außerdem hat der Gesetzgeber es aus Gründen der Gebührenkontinuität für sinnvoll gehalten, den Kalkulationszeitraum von einem auf drei Jahre zu verlängern und die Möglichkeit zu schaffen, Kostenunter- und überdeckungen über mehrere Kalkulationsperioden in den Gebührenhaushalt einzubringen (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Plenarprotokoll 15/98, 12.11.2003, S. 7540). Auch insoweit trägt der Gesetzgeber der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts Rechnung und schaffte mit § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG die gesetzliche Grundlage für einen periodenübergreifenden Ausgleich von Kostenunter- und -überdeckungen. Nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts war ein im Interesse einer Gebührenkontinuität über mehrere Jahre verteilter Ausgleich ohne entsprechende gesetzliche Regelung nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu rechtfertigen (OVG Schleswig, Urteil vom 03.03.2000, Az.: 2 M 59/99, juris Rn. 22; Urteil vom 24.10.2001, Az.: 2 L 29/00, juris Rn. 51).

72

Das Rechenergebnis „Kostenunterdeckung“ lag nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall erst im Jahre 2013 vor.

73

Zwar hat die Beklagte zunächst im Widerspruchsbescheid und auch zu Beginn des Klageverfahrens ausgeführt, eine Kostenunterdeckung sei bereits im Jahre 2011 bemerkt worden. Diesen Vortrag hat sie jedoch im weiteren Verfahren revidiert und trägt nunmehr vor, eine Kostenunterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2008-2010 frühestens im Jahre 2013 festgestellt zu haben. Die Klägerin bestreitet diesen abgeänderten Vortrag der Beklagten.

74

Vor diesem Hintergrund hat die Kammer im Zuge der mündlichen Verhandlung am 27.09.2017 beschlossen, durch Vernehmung des Zeugen  ...  als angestelltem Direktor der Entsorgungsbetriebe  ...  Beweis über die Frage, ob eine Unterdeckung der Kalkulationsperioden 2008-2010 erstmalig im Jahre 2013 bekannt wurde, zu erheben.

75

Der Zeuge hat dargelegt, dass das Verfahren zur Unterdeckung auf den verbindlichen Jahresabschlüssen nach dem Handelsrecht basiere. Diese seien Rechnungsgrundlage für die nachfolgende Gebührenkalkulation nach den Grundsätzen des KAG. Es müssten allerdings noch Änderungen, Kürzungen und Anpassungen vorgenommen werden. Dieser Rechenvorgang habe im Jahr 2013 stattgefunden. Es sei nicht so, dass eine isolierte Nachkalkulation für die abgelaufene Periode stattfinde, sondern dass diese zusammen mit der Vorauskalkulation für die neue Periode erstellt werde. Im Jahre 2013 habe man die Firma  ...  mit diesem Vorgang beauftragt.

76

Der Jahresabschluss werde aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in der Eigenbetriebsverordnung und der Gemeindeordnung nach dem HGB angefertigt. Ein Gebührenergebnis sei darin nicht enthalten. Es gäbe vier gebührenrechnende Einheiten. Erst nach Erstellung des Jahresabschlusses finde für jede gebührenrechnende Einheit eine Betriebsabrechnung statt.

77

Die Aussage des Zeugen  ...  ist glaubhaft. Die Schilderungen des Zeugen waren plausibel und nachvollziehbar. Er räumte gelegentliche Erinnerungslücken ein und ließ insbesondere keine einseitigen Be- oder Entlastungstendenzen erkennenden. Vielmehr erklärte der Zeuge, zwar selbst den Widerspruchsbescheid unterschrieben, jedoch nicht alle Verästelungen selbst geprüft zu haben. Zur damaligen Zeit sei die Feststellung noch nicht relevant gewesen. Dies sei es erst durch die aktuelle Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts geworden. Seitdem sehe man genau hin, zu welchem Zeitpunkt eine Unterdeckung festgestellt werde.

78

Vor diesem Hintergrund bedarf die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob eine Feststellung einer Kostenunterdeckung eines weiteren (förmlichen) Aktes, der entweder in die Zuständigkeit des Bürgermeisters oder der Gemeindevertretung falle, keiner weiteren Klärung. Gleiches gilt hinsichtlich der Fragen, ob die dreijährige Ausgleichsfrist des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG mit Ablauf des Jahres oder der Kalkulationsperiode, in dem bzw. der die Kostenunterdeckung festgestellt wird, beginnt. Denn selbst wenn man im vorliegenden Fall die bloße Vorlage des Rechenergebnisses „Kostenunterdeckung“ bei einem Sachbearbeiter der Beklagten für die Feststellung ausreichen lässt, beginnt der dreijährige Ausgleichszeitraum vorliegend frühestens am 01.01.2014.

79

Eine Vorverlagerung des Beginns des dreijährigen Ausgleichszeitraumes auf den Tag im Jahre 2013, in dem das Rechenergebnis „Kostenunterdeckung“ bei der Beklagten vorlag, kommt nach Ansicht der Kammer nicht in Betracht. Es entspricht abgabenrechtlichen Grundsätzen, dass Jahresfristen mit Ablauf des Jahres, in das das den Fristbeginn auslösende Ereignis fällt, beginnen, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG, §§ 170 Abs. 1, 229 Abs. 1 AO.

80

Die Kostenunterdeckung war damit bis zum 31.12.2016 auszugleichen. Es kann hier dahinstehen, ob § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG einen wirtschaftlich-faktischen Ausgleich einer Kostenunterdeckung fordert oder es ausreichend ist, dass aufgrund einer Satzung mit einem wirtschaftlich-faktischen Ausgleich begonnen wurde. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15.05.2017 zum Az.: 2 KN 1/16 ausgeführt, dass es für einen Ausgleich im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG nicht ausreichend sei, wenn innerhalb der Dreijahresfrist eine den Ausgleich regelnde Satzung in Kraft trete (OVG Schleswig, Urteil vom 15.05.2017, Az.: 2 KN 1/16, juris Rn. 60). Damit hat sich das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht im Ergebnis für die Notwendigkeit eines wirtschaftlich-faktischen Ausgleiches innerhalb der in § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG geregelten Frist ausgesprochen.

81

Ob sich die Kammer dieser Rechtsauffassung anschließt, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn mit Ablauf der in § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG geregelten Ausgleichsfrist am 31.12.2016 war sowohl die den Ausgleich regelnde AbfWGebS vom 12.02.2014 in Kraft getreten, als auch ein wirtschaftlich-faktischer Ausgleich der Kostenunterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2008-2010 in Form des durch Gebühreneinnahmen tatsächlich beglichen Betrages in Höhe von 17.410.778 € bewirkt.

82

Entsprechend der Vorauskalkulation 2014-2016 (Bl. 60 d.A.) addierte das Unternehmen  ...  zu dem Betrag der innerhalb der Kalkulationsperiode 2014-2016 voraussichtlich entstehenden Gesamtkosten den als „Ergebnisvortrag (2008-2010)“ bezeichneten Betrag der Kostenunterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2008-2010 in Höhe von 17.410.778 €. Das Gesamtergebnis ergab den Gebührenbedarf für die Kalkulationsperiode 2014-2016 in Höhe von 90.880.775 €, der über den in § 2 Abs. 1 AbfWGebS geregelten Gebührensatz durch die Gebührenerhebung in den Jahren 2014-2016 auf die Gebührenschuldner umgelegt wurde. § 2 Abs. 1 AbfWGebS trat gemäß Ziff. 5 der 7. Satzung zur Änderung der Gebührensatzung über die Abfallwirtschaft in der  ...  am 01.03.2014 in Kraft.

83

Die Beklagte hat auf Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS auch die Höhe der Gebühr in dem Bescheid vom 06.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2015 für den hier maßgebenden Zeitraum vom 01.03.2014 bis 05.03.2014 mit 2,48 € richtig berechnet.

84

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AbfWGebS beträgt die Gebühr für das Verfahren nach § 12 Abs. 1 AbfWG bei einmaliger 14-täglicher Leerung für einen Restabfallbehälter von 80 l 15,12 € im Monat, mithin 181,44 € im Jahr. Daraus ergibt sich eine Gebühr von 0,497 € pro Tag. Die Gebühr für einen Zeitraum von 5 Tagen beträgt dementsprechend 2,485 €, wobei die Beklagte hier den Betrag auf 2,48 € abrundete.

85

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

86

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 15. Mai 2017 - 2 KN 1/16

bei uns veröffentlicht am 15.05.2017

Tenor Es wird festgestellt, dass § 9 Abs. 7 und § 10 Abs. 3 der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Hansestadt Lübeck vom 1. Dezember 2014 unwirksam sind. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urte

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Es wird festgestellt, dass § 9 Abs. 7 und § 10 Abs. 3 der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Hansestadt Lübeck vom 1. Dezember 2014 unwirksam sind.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich mit dem Normenkontrollverfahren gegen die Erhöhung der Gebühren für Straßenreinigung und Winterdienst zum 1. Januar 2015.

2

Er ist Eigentümer des im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen Grundstücks „…“. Mit Bescheid vom 20. Januar 2015 zog die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Straßenreinigungsgebühren für das Jahr 2015 in Höhe von 473,96 € nach ihrer Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung vom 1. Dezember 2014 heran. Die Gebühr wurde nach 41 Frontmetern mit 3,36 € pro Frontmeter als Reinigungsgebühr (in Höhe von 137,76 €) sowie mit 8,20 € pro Frontmeter als Wintergebühr (in Höhe von 338,20 €) bemessen. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Februar 2015 Widerspruch ein, der noch nicht beschieden ist.

3

Die streitgegenständliche Satzung, die am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, war am 27. November 2014 von der Bürgerschaft beschlossen und am 9. Dezember 2014 in der Lübecker Stadtzeitung amtlich bekannt gemacht worden. Die Satzung enthält u.a. folgende Regelungen:

4

§ 9 Bemessungsgrundlage und Höhe der Reinigungsgebühr

5

(1) Die Reinigungsgebühr wird für die anliegenden und die durch die Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) erhoben. Maßstab für die Gebühr ist die Straßenfrontlänge.

6

(2) bis (6) (…)

7

(7) Die jährliche Reinigungsgebühr beträgt für jeden Frontmeter eines Grundstücks in einer Straße der

8

Reinigungsklasse S 0

122,80 EUR

Reinigungsklasse S 1

 43,96 EUR

Reinigungsklasse S 2

 19,40 EUR

Reinigungsklasse S 3

 3,36 EUR

Reinigungsklasse S 4

1,40 EUR

Reinigungsklasse S 5

 91,84 EUR

Reinigungsklasse S 6

9,20 EUR

9

(8) (...)

10

§ 10 Bemessungsgrundlage und Höhe der Winterdienstgebühr

11

(1) Die Winterdienstgebühr wird für die anliegenden und die durch die Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) erhoben. Maßstab für die Gebühr ist die Straßenfrontlänge. § 9 Abs. 2-4 und 6 gelten entsprechend.

12

(2) Maßstab ist außerdem Art und Umfang des vorgesehenen Winterdienstes gemäß der im Straßenverzeichnis aufgeführten Winterdienstklassen.

13

(3) Die jährliche Winterdienstgebühr beträgt für jeden Frontmeter eines Grundstücks in einer Straße der

14

Winterdienstklasse W 0

 18,96 EUR

Winterdienstklasse W 1

 8,20 EUR

15

(4) (…)

16

Bis zum 30. Dezember 2014 gab es zwei getrennte Satzungen, eine Straßenreinigungs- und eine Straßenreinigungsgebührensatzung. Die Regelungsgegenstände beider Satzungen wurden in der hier streitgegenständlichen Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung zusammengefasst und teilweise geändert.

17

Im Unterschied zum heutigen Satzungsrecht wurde früher eine einheitliche Straßenreinigungsgebühr für Straßenreinigung und Winterdienst erhoben, während heute zwei Gebühren festgesetzt werden, eine für die Straßenreinigung und eine separate für den Winterdienst. Zudem gab es nach der früheren Satzung eine Winterreinigung für alle Straßen, jetzt nur noch für rund ein Drittel der Straßen (ausgehend von den der Berechnung des Anteils des Allgemeininteresses zugrunde gelegten Straßenmetern: 340.520 Straßenreinigungsmeter und 219.234 Winterreinigungsmeter). Die Zahlen der vorherigen tatsächlichen Reinigungsmeter, insbesondere für den Winterreinigungsdienst, liegen dem Senat nicht vor.

18

Die Höhe der Gebühren bemisst sich heute - wie auch früher - nach dem sogenannten Frontmetermaßstab und danach, welcher Reinigungsklasse die Straße, an der das Grundstück des Gebührenschuldners anliegt, zugeordnet ist. Die Zuordnung der einzelnen Straßen zu den entsprechenden Reinigungsklassen folgt - damals wie heute - aus der Anlage zur jeweiligen Satzung. Die Reinigungsklasse gibt über Art und Anzahl der Reinigungen Auskunft. Vor Inkrafttreten der streitgegenständlichen Satzung gab es sieben Reinigungsklassen mit Gebühren in unterschiedlicher Höhe. Auch nach heutigem Satzungsrecht gibt es für die Straßenreinigungsgebühr weiterhin sieben Klassen, während sich die Winterdienstgebühr nach zwei Winterdienstklassen bemisst. Durch die Schaffung der getrennten Winterdienstklassen gibt es nunmehr Straßen, für die nur die Reinigungsgebühr zu entrichten ist, solche, für die ausschließlich für den Winterdienst Gebühren zu entrichten sind und diejenigen - wie im Falle des Antragstellers -, für die Gebühren sowohl für Reinigung als auch für Winterdienst verlangt werden.

19

Zuvor waren die Straßenreinigungsgebühren letztmalig zum 1. April 2007 angepasst worden; die Bürgerschaft hatte am 29. März 2007 für die Straßenreinigungsgebühren eine Kalkulationsperiode von drei Jahren festgelegt. Für die Kalkulation der Gebühren ab 2015 berücksichtigte die Antragsgegnerin aus der abgelaufenen Kalkulationsperiode 2007-2009 einen Übertrag in Form einer Überdeckung in Höhe von 238.000,00 Euro und aus der Kalkulationsperiode 2010-2012 die endgültige „Nachkalkulation“ mit einer Unterdeckung in Höhe von 3.342.00,00 Euro. Die Unterdeckung hatte ihre wesentliche Ursache in den Witterungsverhältnissen im Winter 2009/2010. Zudem wurde das den Kalkulationen zugrunde liegende Berechnungssystem ab dem Jahr 2015 so umstrukturiert, dass eine unmittelbare Vergleichbarkeit der Kostenstellen mit den entsprechenden Kostenstellen der vorherigen Kalkulationsperioden bzw. Vorkalkulationen nicht mehr gegeben ist.

20

Zum Zeitpunkt des Beschlusses der Bürgerschaft über die hier streitgegenständliche Satzung umfasste die seinerzeit laufende Kalkulationsperiode den Zeitraum 2013-2015. Um die Ergebnisse der „Nachkalkulationen“ zeitnah berücksichtigen zu können, wurde der damals laufende Kalkulationszeitraum vorzeitig zum 31. Dezember 2014 beendet, um eine Gebührenanpassung zum 1. Januar 2015 vornehmen zu können. Ab dem 1. Januar 2015 begann dann ein neuer dreijähriger Zeitraum, der noch bis zum 31. Dezember 2017 andauert.

21

In der Beschlussvorlage vom 20. November 2014 zur streitgegenständlichen Satzung heißt es insoweit:

22

„Ergebnisse Nachkalkulation

23

Während für den Zeitraum 2007 bis 2009 noch ein Überschuss von TEUR 238 erwirtschaftet werden konnte, ergab die Nachkalkulation der Kalkulationsperiode 2010 bis 2012 eine Unterdeckung von TEUR 3.342 oder durchschnittlich TEUR 1.114 je Jahr. (…)

24

Ergebnisse Vorkalkulation

25

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nachkalkulationen wurden die neuen Gebührensätze für die Kalkulationsperiode 2015 bis 2017 im Wege der Vorkalkulation ermittelt. (…) Der (…) notwendige Gebührenmehrbedarf von 4,1 Mio. EUR je Kalkulationsjahr hat verschiedene Ursachen. Zunächst ergibt sich dieser aus den mit der Nachkalkulation ermittelten Unterdeckungen aus Vorperioden. Darüber hinaus werden damit die Preissteigerungen seit 2007 ausgeglichen. Schließlich führen die deutlichen Ausweitungen der Leistungen im Rahmen der Straßenreinigung und beim Winterdienst zu entsprechenden Kostensteigerungen. Die Entsorgungsbetriebe … haben im Jahr 2010 erstmalig eine repräsentative Kundenbefragung durchgeführt. Gezielt wurde in dieser Befragung besonderer Wert auf Sauberkeit in der Wohngegend und in der Innenstadt sowie auf die Art der Verschmutzungen gelegt.Die Ergebnisse der Umfrage zeigten wesentliche Kernwünsche zur Verbesserung der Sauberkeit in einigen Wohngegenden und in der Innenstadt. Diesen Auftrag nahmen die EBL in Abstimmung mit dem Träger und den politischen Gremien zum Anlass, hier schrittweise gezielte Verbesserungen vorzunehmen und die Reinigungsleistung nochmals zu intensivieren. Auch die Erfahrungen der letzten Winter wurden bei der Vorkalkulation berücksichtigt. Von den mit 8,8 Mio. EUR kalkulierten jährlichen Gesamtkosten für Straßenreinigung und Winterdienst machen die Kosten für den Winterdienst mit 2,9 Mio. EUR etwa ein Drittel aus. (…)“

26

Am 20. März 2015 hat der Antragsteller beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gestellt. Er vertritt die Auffassung, die Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2014 verstoße gegen § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) und sei deshalb unwirksam, weil die der Gebührenbemessung zugrundeliegende Kalkulation fehlerhaft sei. Er meint, die Ergebnisvorträge der Jahre 2007-2009 und 2010-2012 hätten zu Unrecht zu einer Gebührenanhebung ab dem Jahr 2015 geführt; denn es habe schon keine umlagefähige Unterdeckung vorgelegen.

27

Jedenfalls sei gegen den in § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG normierten dreijährigen Ausgleichszeitraum verstoßen worden. Danach sei eine festgestellte Unterdeckung innerhalb der auf die Feststellung folgenden drei Jahre auszugleichen. Das heißt, die in 2013 festgestellte Unterdeckung des Kalkulationszeitraumes 2010-2012 hätte spätestens in den Jahren 2014, 2015 und 2016 ausgeglichen werden müssen.

28

Darüber hinaus sei der mit 15% berücksichtigte Öffentlichkeitsanteil zu gering bemessen. Insbesondere sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine Großstadt mit ganz erheblicher touristischer und kultureller Bedeutung handele. Zudem werde das Allgemeininteresse am Winterdienst zu niedrig angesetzt.

29

Ferner sei die Kalkulation auch deshalb fehlerhaft, weil nicht ersichtlich sei, wie die in der Periode 2010-2012 entstandenen Kosten, die eine Unterdeckung verursacht hätten, sich auf die Straßenreinigung und den Winterdienst verteilten und auf die kalkulierten Kosten der streitgegenständlichen Periode umgelegt würden.

30

Schließlich sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Kosten des Winterdienstes diejenigen der Straßenreinigung um ein Vielfaches überstiegen.

31

Der Antragsteller beantragt,

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festzustellen, dass § 9 Abs. 7 und § 10 Abs. 3 der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2014 unwirksam sind.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie vertritt die Auffassung, dass kein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 KAG bei der Berücksichtigung vorheriger Über- und Unterdeckungen vorliege. Die Überdeckung der Periode 2007 bis 2009 und die Unterdeckung der Periode 2010 bis 2012 seien ordnungsgemäß ermittelt worden. Sie, die Antragsgegnerin, habe unter Beachtung der Dreijahresvorgabe des § 6 Abs. 2 KAG die für die Periode 2010 bis 2012 ermittelte Unterdeckung in die Kalkulation der Periode 2015 bis 2017 eingestellt und durch den Erlass der streitgegenständlichen Satzung eine Kalkulationsperiode beginnen lassen, innerhalb derer die festgestellte Unterdeckung ausgeglichen werde.

36

Sie, die Antragsgegnerin, habe auch nicht gegen den Dreijahreszeitraum des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG verstoßen. Es genüge, dass innerhalb dieses Dreijahreszeitraums eine Kalkulationsperiode beginne, innerhalb derer eine festgestellte Kostenüber- oder -unterdeckung ausgeglichen werde. Im vorliegenden Fall sei innerhalb der Dreijahresfrist des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG nicht bloß eine den Ausgleich regelnde Satzung formal in Kraft getreten, sondern sei mit dem Ausgleich im Sinne der Auffassung des Antragstellers bereits wirtschaftlich-faktisch in den Jahren 2015 und 2016 begonnen worden. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass innerhalb des Dreijahreszeitraums die Kalkulationsperiode beginnen müsse, innerhalb derer eine Über- oder Unterdeckung ausgeglichen werde. Es sei unschädlich, dass der Ausgleich erst im Jahre 2017 vollständig abgeschlossen sei.

37

Ferner sei der Öffentlichkeitsanteil mit 15 % nicht zu beanstanden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum eine touristische und kulturelle Bedeutung zwingend zu einem erhöhten Allgemeininteresse führen sollte. Sachgerecht erscheine, die touristische und kulturelle Bedeutung dem Anliegerinteresse zuzuordnen. Denn der dadurch begründete Verkehr dürfte Ziel- und Quellverkehr und keinen Durchgangsverkehr darstellen. Es sei auch nicht erkennbar, warum das Allgemeininteresse im Bereich des Winterdienstes grundsätzlich höher zu bewerten sein sollte als dasjenige im Bereich der (normalen) Straßenreinigung.

38

Sie habe ferner eine fehlerfreie Kalkulation innerhalb der einzelnen Leistungsbereiche zugrunde gelegt. Schließlich gebe es nachvollziehbare Erklärungen, weshalb die Kosten der Einsätze im Winterdienst diejenigen im Sommerdienst überstiegen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat Erfolg.

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A. Der Antrag ist zulässig.

41

Die auf Grundlage von § 45 Abs. 3 StrWG i.V.m. §§ 2 und 6 KAG erlasse Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Hansestadt Lübeck vom 1. Dezember 2014 unterliegt nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 SH-AG VwGO der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht. Die Antragsfrist von einem Jahr nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist gewahrt. Die streitgegenständliche Satzung wurde am 9. Dezember 2014 in der Lübecker Stadtzeitung amtlich bekannt gemacht; der Normenkontrollantrag ist am 19. März 2015 bei Gericht eingegangen.

42

Der Antragsteller ist auch antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO; denn er ist als Eigentümer eines Grundstücks, das an eine öffentliche Straße angrenzt, gebührenpflichtig (vgl. § 11 i.V.m. § 1 der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung) und bereits mit Bescheid vom 20. Januar 2015 zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen worden.

43

Da sich der Antragsteller lediglich gegen die der Gebühr zugrundeliegende Kalkulation wendet, sind die in § 9 Abs. 7 der Satzung normierte Straßenreinigungsgebühr und die in § 10 Abs. 3 der Satzung festgelegte Winterdienstgebühr Gegenstand der Normenkontrolle. Es genügt die Darlegung, durch die angegriffene Rechtsvorschrift - das sind hier Vorschriften der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Antragsgegnerin - in einem bestimmten Aspekt rechtlich betroffen zu sein. Ist das Verfahren in dieser Weise zulässig angestrengt worden, muss das Gericht die Norm umfassend prüfen (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juni 2006 - 2 KN 5/05 -, Juris Rn. 52). Es gilt ferner der Grundsatz, dass bei Normen, die unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB teilbar sind, die verwaltungsgerichtliche Kontrolle nur auf den Teil des Normgefüges beschränkt ist, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht. Das hat zur Folge, dass ein dennoch auf den gesamten Normenbestand zielender Normenkontrollantrag jedenfalls insoweit unzulässig ist, als er den Antragsteller nicht berührende Normenteile erfasst, die schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers eigenständig lebensfähig und damit abtrennbar sind (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juni 2006 - 2 KN 5/05 -, Juris Rn. 52 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -). Die Antragsbegründung ergibt, dass der Antragsteller nur die abtrennbaren Regelungen zur Gebührenhöhe beanstandet, weshalb er seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung den Darlegungen angepasst und präzisiert hat.

44

B. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. § 9 Abs. 7 und § 10 Abs. 3 der Straßenreinigungs- und Straßenreinigungsgebührensatzung der Hansestadt Lübeck vom 1. Dezember 2014 sind unwirksam.

45

Die der Gebührenbemessung zugrundeliegende Kalkulation für die Kalkulationsperiode 2015-2017 ist fehlerhaft. Zwar hat eine umlagefähige Unterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2010-2012 im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG vorgelegen (I.). Hinsichtlich der berücksichtigten Unterdeckungen der Kalkulationsperiode 2010-2012 liegt aber ein Verstoß gegen den dreijährigen Ausgleichszeitraum des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG vor (II.). Ferner ist der Öffentlichkeitsanteil zu gering bemessen (III.). Ob außerdem die Unterdeckungen fehlerhaft auf die Bereiche Winterdienst und Straßenreinigung verteilt worden und die Gebühren des Winterdienstes plausibel sind, lässt der Senat offen (IV.).

46

Nach § 45 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 StrWG sind Gemeinden, die reinigungspflichtig sind, berechtigt, durch Satzung die Eigentümerinnen und Eigentümer oder die zur Nutzung dinglich Berechtigten der anliegenden Grundstücke sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstehenden Kosten heranzuziehen; die Herangezogenen gelten als Benutzerinnen und Benutzer einer Einrichtung im Sinne von § 6 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein.

47

§ 6 Abs. 2 KAG enthält die wesentlichen Regelungen zur Gebührenhöhe: Danach sollen Benutzungsgebühren so bemessen werden, dass sie die erforderlichen Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung decken (§ 6 Abs. 2 Satz 1 KAG). Die Kosten sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln (§ 6 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der Gebührenbemessung kann ein Kalkulationszeitraum von bis zu drei Jahren zugrunde gelegt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 8 KAG). Nach § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG ist eine sich am Ende des Kalkulationszeitraums aus einer Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ergebende Kostenüber- oder -unterdeckung innerhalb der auf die Feststellung der Über- oder Unterdeckung folgenden drei Jahre auszugleichen. Der Zeitraum für den Ausgleich kann unabhängig davon gewählt werden, welcher Zeitraum der Kalkulationsperiode zugrunde gelegt wurde, in der die Abweichung auftritt (§ 6 Abs. 2 Satz 10 KAG).

48

I. Im Jahr 2013 ist eine dem Grunde nach für eine nachfolgende Kalkulationsperiode umlagefähige Unterdeckung aus der Kalkulationsperiode 2010-2012 in Höhe von 3.342.000 Euro festgestellt worden.

49

1. Die Überdeckungen aus der Kalkulationsperiode 2007-2009 und die Unterdeckungen aus der Kalkulationsperiode 2010-2012 sind nicht anhand einer Nachkalkulation, sondern – zutreffend – anhand einer mit der Vorauskalkulation kongruenten Betriebsabrechnung ermittelt worden. Insoweit enthält die von der Antragsgegnerin vorgelegte, von … erstellte, betriebswirtschaftliche Gebührenkalkulation 2015-2017 (vgl. z.B. Bl. 33 Beiakte A) ebenso wie die darauf Bezug nehmende Beschlussvorlage an die Bürgerschaft nur eine falsche Begrifflichkeit, wenn von „Nachkalkulation“ die Rede ist.

50

Die Ermittlung der Kostenüber- bzw. -unterdeckung hat durch den Vergleich der tatsächlichen mit den kalkulierten Kosten bzw. Maßstabseinheiten zu erfolgen. Damit kommt nicht nur der Gebührenkalkulation, sondern insbesondere auch der Betriebsabrechnung für den Kalkulationszeitraum eine besondere Bedeutung zu. Nur eine Abweichung der in die Gebührenkalkulation eingestellten Kostenpositionen mit deren tatsächlichen Betriebsergebnis begründet eine Kostenüber- bzw. -unterdeckung (Belz in: Habermann/Arndt, KAG SH, § 6 Rn. 196). Einer Betriebsabrechnung müssen dieselben Grundsätze (Leitentscheidungen) zugrunde gelegt werden, wie dies bei der Vorauskalkulation der Fall war. Sinn und Zweck der gebührenrechtlichen Betriebsabrechnung ist es, die Prognoseabweichungen gegenüber der Gebührenvorauskalkulation festzustellen, und nicht eine „Gebührennachkalkulation“ zu erstellen (vgl. Belz, a.a.O., Rn. 196).

51

Kosten, die nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt werden, können nicht erstmals in folgenden Rechnungsperioden als "Unterdeckung" berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Senats vom 24. Juni 1998 - 2 L 22/96 -, Leitsatz 5, Juris). Das heißt, eine Übertragung ist nicht möglich bei Kosten, die in zurückliegenden Rechnungsperioden zwar durch die Leistungserbringung im Rahmen der öffentlichen Einrichtung verursacht, aber nicht in die jeweiligen Gebührenbedarfsberechnungen eingestellt worden sind. In solchen Fällen liegt eine dem Kostendeckungsgebot des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG und dem Einnahmebeschaffungsgrundsatz des § 76 GO (i.V.m. § 57 KrO) widersprechende Unterlassung vor, die zur Folge hat, dass der Vergleich von Kalkulation und Betriebsergebnis keine Unterdeckung ausweist, gleichwohl aber der Gebührensatz in der abgelaufenen Rechnungsperiode zu niedrig bemessen war. Dieser Fehler kann nicht durch Ansatz der ausschließlich durch frühere Leistungen verursachten Kosten in späteren Rechnungsperioden behoben werden. Das gilt sowohl bei bewusster Unterlassung und nachfolgende Änderung der Auffassung des Trägers der kostendeckenden Einrichtung, als auch hinsichtlich nur versehentlich oder irrtümlich nicht berücksichtigter Kosten. Es fehlt jeweils an einer durch das Rechnungsergebnis auszuweisenden Unterdeckung, die in die nächste Periode übertragen werden könnte; vielmehr würde in solchen Fällen an abgeschlossene Sachverhalte angeknüpft werden (Senatsurteil vom 24. Juni 1998, a.a.O., Juris Rn. 29). Der nach der Kostenrechnung für eine bestimmte Periode kalkulierte Gebührensatz muss grundsätzlich für diesen Zeitraum unverändert beibehalten bleiben. Ist der Gebührensatz für die Periode nach dem Grundsatz der Veranschlagungsmaxime ordnungsgemäß ermittelt worden, bleibt er rechtsgültig, auch wenn sich aufgrund der tatsächlichen Kostenentwicklung im weiteren Verlauf der Rechnungsperiode bei seiner Anwendung Abweichungen ergeben, solange der Gebührensatz sich nur im Rahmen des dem Normgeber der Gebührensatzung einzuräumenden Einschätzungsspielraums hält (Senatsurteil vom 24. Juni 1998, a.a.O., Juris Rn. 31; so auch Thiem/Böttcher § 6 KAG, Rn. 171).

52

Unter Gebührennachkalkulation wird demgegenüber eine Gebührenkalkulation verstanden, welche im Nachhinein, d.h. nach Ablauf einer Rechnungsperiode, auf Basis von Ist-Kosten erstellt wird. Der darin ausgewiesene Gebührensatz wird rückwirkend auf den Zeitpunkt zu Beginn der der Gebührennachkalkulation zugrundeliegenden Rechnungsperiode erlassen (vgl. Belz, a.a.O., Rn. 197). Im Rahmen einer solchen Nachkalkulation, anders als bei einer Betriebsabrechnung, steht es dem Einrichtungsträger frei, auch kalkulatorische Ansätze (Leitentscheidungen) der Vorauskalkulation zu ändern oder Kosten zu berücksichtigen, die bei der Vorauskalkulation „vergessen“ wurden. Unzulässig ist lediglich die Saldierung vergessener Kosten mit überhöhten Kostenansätzen in der Kalkulation, ohne dass sich das für die Gebührenbemessung zuständige Gremium dies zu eigen gemacht hat, und die Einstellung von in früheren Rechnungsperiode vergessenen Kosten – unter Verstoß gegen den Grundsatz der Periodengerechtigkeit – in nachfolgenden Kalkulationen für spätere Rechnungsperioden (Urteil des Senats vom 22. Oktober 2003 - 2 LB 148/02 unter Hinweis auf Urteil vom 24. Juni 1998 - 2 L 22/96 -).

53

Die Ermittlung der Kostenüber- bzw. Kostenunterdeckung hat danach durch eine Betriebsabrechnung zu erfolgen, der dieselben Grundsätze (Leitentscheidungen) zugrunde gelegt werden müssen, wie dies bei der Vorauskalkulation der Fall war. Das ist hier geschehen. Bei der von der Antragsgegnerin vorgelegten, von … erstellten, betriebswirtschaftlichen Gebührenkalkulation 2015-2017 (vgl. z.B. Bl. 33 Beiakte A), und ebenso bei der darauf Bezug nehmenden Beschlussvorlage an die Bürgerschaft, die irreführend als „Nachkalkulation“ bezeichnet wird, handelt es sich um Soll/Ist-Vergleiche der Jahre 2010-2012 (und 2007-2009) und damit um auf Soll-Gebühreneinnahmen bezogene Betriebsabrechnungen, die vorstehenden Grundsätzen der Ermittlung einer Über- bzw. Unterdeckung gerecht werden. Die vorgelegten Abrechnungen sind keine bloßen Abgleiche der Ist-Kosten mit den Ist-Einnahmen. Wie sich aus den „Nachkalkulationen Straßenreinigung / Winterdienst“ (Beiakte C) ergibt, hat die Antragsgegnerin zur Ermittlung der Über- bzw. Unterdeckungen der Vorperioden auf Soll-Gebühreneinnahmen bezogene Betriebsabrechnungen erstellt; denn in den vorgelegten Abrechnungen für die Kalkulationszeiträume 2007-2009 und 2010-2012 wird auf Soll-Gebühreneinnahmen Bezug genommen. Dadurch werden die Prognosen der (Vor-) Kalkulationen berücksichtigt. Bereits aus der Gegenüberstellung der „Gesamt Gebührenfähigen Kosten“ und „Gesamt Soll-Gebühreneinnahmen“ ergibt sich, dass es sich um Soll/Ist-Vergleiche handelt, durch die die Prognoseabweichungen gegenüber der Gebührenvorkalkulation festgestellt werden.

54

2. Der Einwand des Antragstellers, die Fehler der Kalkulation für die Periode 2010-2012 als „Unterdeckungen“ in die Folgeperiode 2015-2017 fortzuschreiben, sei unzulässig, es hätte vielmehr eine Neukalkulation durchgeführt werden müssen, greift nicht durch.

55

Es ist schon mehr als fraglich, ob der Gebührensatz der vorangegangenen Kalkulationsperiode 2010-2012 fehlerhaft gewesen ist. Die Antragsgegnerin hat insoweit geltend gemacht, die für die Jahre 2007-2009 erstellte Vorkalkulation sei bewusst für die Jahre 2010-2012 übernommen worden; damit seien die seinerzeit prognostizierten Zahlen für den Zeitraum 2010-2012 zugrunde gelegt worden. Die Gebührensätze seien im Vergleich zu der vorangegangenen Periode 2007-2009 unverändert geblieben. Dabei habe sie mit einem geringfügigen Überschuss aus den Jahren 2007-2009 gerechnet und sei davon ausgegangen, dass die Gebühren selbst bei – zwar nicht vorhersehbaren aber möglichen – Kostensteigerungen weiterhin kostendeckend seien. Eine Unterdeckung der Jahre 2010-2012 sei nicht bewusst in Kauf genommen worden. Dagegen ist dem Grunde nach nichts zu erinnern.

56

Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass ein in der Satzung bestimmter Gebührensatz nicht schon dann fehlerhaft ist, wenn sich einige der veranschlagten Kostenpositionen am Ende der Kalkulationsperiode als überhöht eingeschätzt er-weisen und sich eine - nicht beabsichtigte - Kostenüberdeckung herausstellt, sondern erst dann, wenn die Gebührenkalkulation von sachfremden Erwägungen, wie der Absicht einer Gewinnerzielung, getragen worden ist oder aber die Anwendung unrichtiger Kalkulationsmethoden oder Verwendung unzutreffender Daten zu einer erheblichen Kostenüberdeckung und damit zu einer Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots führt (Urteil des Senats vom 16. Juni 2011 – 2 KN 3/10 – Leitsatz 1). Nichts anderes gilt, wenn sich einige der veranschlagten Kostenpositionen am Ende der Kalkulationsperiode als zu niedrig eingeschätzt erweisen und sich eine - nicht beabsichtigte – Kostenunterdeckung ergibt, solange diese nicht auf sachfremden Erwägungen beruht.

57

Selbst aber für den Fall, dass die Kalkulation für die Jahre 2010-2012 fehlerhaft gewesen sein sollte, hinderte das nicht, die auf dieser (fehlerhaften) Prognoseentscheidung ermittelten Über- bzw. Unterdeckungen in eine Betriebsabrechnung einzustellen. Denn es bestand trotz der hauptsächlich aus den Witterungsbedingungen im Winter 2009/2010 herrührenden erheblichen Fehlbeträge keine Pflicht zum Abbruch des Kalkulationszeitraums 2010-2012. Ein Gebührensatz, der für eine Rechnungsperiode ordnungsgemäß ermittelt worden ist, bleibt rechtsgültig, auch wenn sich bei seiner Anwendung aufgrund der tatsächlichen Kostenentwicklung im weiteren Verlauf der Rechnungsperiode eine Kostenüber- oder -unterdeckung ergibt (vgl. Thiem/Böttcher, § 6 KAG, Rn. 171). Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom 22. Oktober 2003 (- 2 LB 148/02 -); denn dieses befasst sich mit einer „Nachkalkulation“ im Sinne einer nach Abschluss der Rechnungsperiode aufgrund sogenannter harter Zahlen neu vorzunehmenden Kalkulation und nicht mit dem Abbruch einer Rechnungsperiode.

58

Aufgrund der Ausführungen und Erläuterungen der Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestehen zwar keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der errechneten Unterdeckung. Der Senat merkt aber an, dass es bei Änderung des Berechnungssystems – wie vorliegend – sinnvoll wäre, von vornherein eine „Übersetzungshilfe“ mitzuliefern, um eine Vergleichbarkeit der Kostenstellen vorangegangener und nachfolgender Kalkulationsperioden zu erleichtern. Wäre es darauf noch entscheidungstragend angekommen, hätte dies nachgeholt werden müssen. Wegen nachfolgender Erwägungen kann die exakte Höhe der Unterdeckungen letztlich dahinstehen.

59

II. Die Berücksichtigung der Überdeckungen aus der Kalkulationsperiode 2007-2009 und der Unterdeckungen aus der Kalkulationsperiode 2010-2012 in der für die angegriffenen Gebührenregelungen maßgeblichen Kalkulationsperiode 2015-2017 verstößt gegen die Verpflichtung aus § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG, eine sich am Ende des Kalkulationszeitraums aus einer Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ergebende Kostenüber- oder -unterdeckung innerhalb der auf die Feststellung der Über- oder Unterdeckung folgenden drei Jahre auszugleichen.

60

Die Unterdeckung, die im Laufe des Kalenderjahres 2013 festgestellt worden ist, hätte in den darauffolgenden drei Jahren 2014-2016 ausgeglichen werden müssen (alternativ hätte der Ausgleich auch in einem kürzeren, etwa einem Zweijahreszeitraum 2015-2016 vorgenommen werden können, was eine höhere Gebühr bedeutet hätte). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Überdeckung der Jahre 2007-2009; deren Ausgleich hätte nach Feststellung im Jahr 2010 in den Jahren 2011-2013 stattfinden müssen. Sie war daher bei der streitgegenständlichen Gebührenkalkulation nicht mehr zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Unterdeckung reicht es nicht aus, wenn – wie hier – innerhalb der Dreijahresfrist des § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG eine den Ausgleich regelnde Satzung in Kraft getreten und mit dem Ausgleich begonnen worden ist.

61

Bereits der Wortlaut von § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG, wonach eine sich am Ende des Kalkulationszeitraums ergebende Kostenüber- oder -unterdeckung innerhalb der auf die Feststellung der Über- oder Unterdeckung folgenden drei Jahre auszugleicheni s t , deutet darauf hin, dass der Ausgleich in dem vom Gesetzgeber durch diese Bestimmung vorgegebenen Zeitraum bewirkt sein muss. Dem ist nicht allein durch Erlass einer entsprechenden Gebührensatzung und Beginn des Ausgleichs innerhalb von drei Jahren Genüge getan. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Entstehungsgeschichte und die Systematik des Gesetzes.

62

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes sowie zur Änderung des Landesabfallwirtschaftsgesetzes vom 30. November 2013 (GVOBl S. 614) die Rechtsprechung des Senats aufgegriffen (vgl. Plenarprotokoll 15/98 Seite 7536; so auch Belz in: Habermann/Arndt, § 6 KAG Rn. 202 S. 68). Zur Frage, wann eine festgestellte Unterdeckung berücksichtigt werden kann, und zum Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine mehrperiodische Verrechnung von Gewinnen und Verlusten heißt es im Urteil des Senats vom 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 - (Juris Rn. 51):

63

„Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1993 (2 K 9/91, Die Gemeinde 1994, 134) ausgeführt, dass nach den Grundsätzen der Einnahmebeschaffung in § 76 GO und der Kostendeckung sowohl Gebührenüberdeckungen als auch Unterdeckungen bei der nächsten Gebührenkalkulation nach Entdeckung solcher Abweichungen zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsprechung hat er mit Urteil vom 24. Juni 1998 (2 L 22/96, NordÖR 1998, 351) dahingehend modifiziert, dass Kosten, die nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt wurden, nicht erstmals in folgenden Rechnungsperioden als Unterdeckung berücksichtigt werden können. Die nächste Gebührenkalkulation nach Entdeckung der Kostenabweichungen ist regelmäßig die für die übernächste Rechnungsperiode, weil das Betriebsergebnis einer Rechnungsperiode erst im Laufe des Folgejahres vorliegt.

64

Dieser zeitliche Ablauf klärt, warum der Senat unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 13. Dezember 1993 (a.a.O.) im Urteil vom 24. Juni 1998 (a.a.O.) unter Verwendung auch des Plurals ausgeführt hat, ungewollte Über- und Unterdeckungen seien - auch ohne dahingehende landesrechtliche Regelung - in die folgende(n) Rechnungsperiode(n) einzubeziehen. Mit Beschluss vom 3. März 2000 (2 M 59/99, Die Gemeinde 2000, 143) hat der Senat klargestellt, dass ohne gesetzliche Grundlage ein über mehrere Jahre verteilter Ausgleich nur bei Vorliegen besonderer Umstände überhaupt in Betracht kommen kann. Daran ist festzuhalten.“

65

Mit der Neuregelung in § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines über mehrere Jahre verteilten Ausgleichs dieser eigentlich periodenfremden Kosten und dessen Beginn nunmehr gesetzlich geregelt. Dass die Dreijahresfrist nach Ablauf des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Kostenüber- bzw. -unterdeckung festgestellt worden ist, entspricht der bisherigen Rechtsprechung.

66

War es nach der bisherigen Senatsrechtsprechung möglich, ungewollte Über- und Unterdeckungen der abgelaufenen Rechnungsperiode in die Kalkulation des Gebührensatzes der folgenden Periode (übernächste Periode) einzubeziehen (vgl. auch Leitsatz 1 zum Urteil vom 24. Oktober 2001 a.a.O.), hat der Gesetzgeber hinsichtlich des Ausgleichszeitraums nicht auf die der Feststellung der Über- oder Unterdeckung folgende (übernächsten) Kalkulationsperiode abgestellt. Vielmehr verwendet er einen von der von der Kommune gewählten Kalkulationsperiode unabhängigen Drei-Jahreszeitraum, sogenannter Ausgleichszeitraum. Dies bedeutet: Nach heutiger Rechtslage muss der Ausgleich auch bei einer nur einjährigen Kalkulationsperiode maximal erst fünf Jahre nach Beginn der Kalkulationsperiode vollzogen sein; denn nach Feststellung der Unter- bzw. Überdeckung im Folgejahr nach Ende der Kalkulationsperiode besteht drei Jahre Zeit für den Ausgleich (vgl. auch Thiem/Böttcher, § 6 KAG Rn. 179a). Nach zwei dreijährigen Kalkulationsperioden muss zwingend eine einjährige Kalkulationsperiode folgen, weil sonst die gesetzliche Ausgleichsfrist nicht eingehalten werden kann. Die dreijährige Ausgleichsfrist beginnt im zweiten Kalenderjahr der nachfolgenden dreijährigen Kalkulationsperiode zu laufen und endet bereits ein Kalenderjahr nach Ablauf der zweiten/nachfolgenden Kalkulationsperiode (vgl. Belz in Habermann/Arndt KAG SH § 6 KAG Rn. 202 und Brüning in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 852, der deshalb einjährige Kalkulationszeiträume empfiehlt).

67

Ob der Gesetzgeber diese Folge abgesehen hat, ist nicht bekannt. Die Gesetzesmaterialien geben diesbezüglich keinen Aufschluss, weil sie sich lediglich mit den Kalkulations- und nicht den Ausgleichszeiträumen befassen. Aus den im Plenarprotokoll festgehaltenen Redebeiträgen ergibt sich zum einen, dass mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gesetzgeberisch nachvollzogen werden sollten (Plenarprotokoll 17/98, Redebeitrag von … H., Seite 7536). Zum anderen heißt es, man habe sich mit der Frage des Gebührenkalkulationszeitraumes auseinandergesetzt und es für sinnvoll erachtet – auch aus Gründen einer Kontinuität der Gebühr – den Zeitraum letztlich von einem auf drei Jahre zu verändern (Plenarprotokoll 17/98, Redebeitrag von … M., Seite 7539). Schließlich wird unter anderem erwähnt, dass durch die Vergrößerung der Kalkulationszeiträume bei der Gebührenkalkulation die Möglichkeit geschaffen werde, Kostenüberdeckung und Kostenunterdeckung über mehrere Kalkulationsperioden in den Gebührenhaushalt einzubringen (Plenarprotokoll 17/98, Redebeitrag von … F., Seite 7540).

68

Das hier vertretene Verständnis von § 6 Abs. 2 Satz 9 KAG wird bestätigt durch die Gesetzessystematik. Nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 2 Satz 10 KAG kann „der Zeitraum für den Ausgleich“ unabhängig davon gewählt werden, welcher Zeitraum der Kalkulationsperiode zugrunde gelegt wurde, in der die Abweichung auftritt. Daraus folgt, dass der Ausgleich nur in einer maximal dreijährigen Zeitspanne und nicht durch ein Ereignis – weder durch das Inkraftsetzen der Satzung, noch durch den Beginn des Ausgleichs – bewirkt werden kann. Vom „Zeitraum für den Ausgleich“ ist der in § 6 Abs. 2 Satz 8 und 9 KAG genannte, ebenfalls maximal drei Jahre währende „Kalkulationszeitraum“ zu unterscheiden, der in § 6 Abs. 2 Satz 10 KAG mit „Zeitraum der Kalkulationsperiode“ bezeichnet wird.

69

Der Senat weist darauf hin, dass bei einem Ausgleich einer Kostenüber- oder -unterdeckung in der Gebührenkalkulation die unterschiedlichen Kostenträger, einerseits Straßenreinigung und andererseits Winterdienst, zu berücksichtigen sind. Da die Antragsgegnerin jetzt – im Vergleich zu vorherigen Kalkulationsperioden – getrennte Gebühren festsetzt, muss sie die auf die einzelnen Kostenträger bezogene jeweilige Unterdeckung auf die jeweilige Gebühr umlegen und nicht die Gesamtunterdeckung auf beide Kostenträger zusammen. Bei fehlender proportionaler Umlegung würde ansonsten gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen (vgl. Senatsurteil vom 5. September 1996 - 2 K 8/94 - und Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2000 - 2 L 105/00 -). Ob diesen Anforderungen vorliegend Genüge getan ist, nachdem sich die Unterdeckung der Jahre 2010-2012 bei Erhebung einer Einheitsgebühr ergeben hat, kann wegen der festgestellten Fehler offenbleiben. Dies gilt auch im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegnerin, es bestehe kein Unterschied zur vorherigen Kalkulation, da sie in ihrer Satzung nur diejenigen Straßen für den Winterdienst vorgesehen habe, die auch in der Vergangenheit vom Winterdienst betroffen worden seien, die übrigen Straßen hätten (zumeist) aus Kapazitätsgründen vernachlässigt werden müssen.

70

Unabhängig davon ist aber die Ausweisung getrennter Gebühren für Winterdienst und Straßenreinigung zulässig und ermöglicht es, bei der Gebührenbemessung die erforderlichen Differenzierungen je nach „Leistungsprofil“ vornehmen zu können (vgl. zum Erfordernis der differenzierten Gebührenstruktur bei unterschiedlichem „Leistungsprofil“ der Winterdienstarbeiten: Urteil des Senats vom 17. Juni 1998 - 2 L 88/97 -, Juris Rn. 37 m.w.N.).

71

III. Die Antragsgegnerin hat zudem den Anteil des Allgemeininteresses fehlerhaft auf 15 % und damit unwirksam festgelegt. Es fehlt insoweit bereits an einer tragfähigen, alle wesentlichen Aspekte berücksichtigenden Ermessensentscheidung der Bürgerschaft (1). Darüber hinaus ist das Öffentlichkeitsinteresse am Winterdienst deutlich zu niedrig bemessen (2).

72

1. Das Schleswig-Holsteinische Landesrecht enthält keine Regelung, nach der bei der Bestimmung der Gebührensätze von den Kosten der Straßenreinigung ein Anteil für das Allgemeininteresse abzuziehen ist. Allerdings gebietet der Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, Kosten, die die Befriedigung des Allgemeininteresses betreffen, nicht den Anliegern aufzubürden. Das ist dann der Fall, wenn die Straßenreinigung in einer Gemeinde nicht allein für Anliegerstraßen und damit ausschließlich im besonderen Interesse der Anlieger, sondern auch für Straßen, die nicht nur dem Anliegerverkehr dienen (z.B. Straßen mit innerörtlichem oder überörtlichem Durchgangsverkehr) und damit zugleich im Interesse der übrigen Straßenbenutzer und insoweit im Allgemeininteresse durchgeführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989 - 8 C 90.87 -, Juris Rn. 16). Bei Festlegung der Höhe des Kostenanteils für das Allgemeininteresse hat der Ortsgesetzgeber eine weitgehende Einschätzungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989, a.a.O., Juris Rn. 19). Er hat sich bei seiner Entscheidung an den örtlichen Verhältnissen, insbesondere an dem Verhältnis zwischen der Anzahl einerseits der Anliegerstraßen und andererseits der Straßen (Reinigungsfläche), die nicht nur dem Anliegerverkehr dienen, zu orientieren. Ob die Ermessensentscheidung des Satzungsgebers diesen Maßstäben entspricht, bedarf tatsächlicher Feststellungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989, a.a.O., Juris Rn. 20).

73

Die Ermessenserwägungen des Satzungsgebers, d.h. der Antragsgegnerin, müssen danach alle für die Bemessung der Höhe des Allgemeininteresses wesentlichen Aspekte berücksichtigen (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016 - 9 KN 288/13 -, Juris Rn. 17, 25). Damit der Satzungsgeber sämtliche Erwägungen berücksichtigen kann, müssen sie sich aus den dem Rat, bzw. hier der Bürgerschaft, vorgelegten Unterlagen – etwa der Sitzungsvorlage, der Gebührenkalkulation und deren Anlagen oder sonstigen Unterlagen und/oder dem Protokoll der Rats- bzw. Bürgerschaftssitzung – ergeben. Es muss deutlich werden, dass sich der Ortsgesetzgeber bei seiner Entscheidung an den örtlichen Gegebenheiten orientiert hat, insbesondere an dem Verhältnis zwischen der Anzahl einerseits der Straßen, die überwiegend von dem zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Personenkreis genutzt werden, und andererseits derjenigen Straßen die in erheblichem Umfang auch einem einrichtungsfremden Benutzerkreis dienen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.).

74

Diesen Anforderungen wird die Beschlussvorlage der Bürgerschaft vom 20. November 2014 nicht gerecht.

75

Darin heißt es:

76

„Allgemeininteresse

77

Die Straßenreinigung und der Winterdienst umfassen ein breites Spektrum an Leistungen, die durch ein Team von rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – beim Winterdienst in der Spitze bis zu 300 Arbeitskräften pro Einsatz – täglich per Hand oder mit modernen Maschinen ausgeführt werden. Für die Straßenreinigungs- und Winterdienstleistungen gemäß Satzung wird derzeit eine Einheitsgebühr (mit 7 Reinigungsklassen) erhoben. Die kommunale Straßenreinigung ist keine geschlossene Einrichtung in dem Sinne, dass die von ihr erbrachte Reinigungsleistung nur den Grundstückseigentümern zugutekommt, deren Grundstücke durch die von der Gemeinde gereinigten Straßen erschlossen werden; sie dient vielmehr einem nicht unbeachtlichen Maß allen Straßenbenutzern und damit der Allgemeinheit. Dieses Allgemeininteresse ist bei der Gebührenkalkulation entsprechend zu berücksichtigen. Diesem Umstand Rechnung tragend, werden 15 % der gesamten Aufwendungen für gebührenfinanzierte Leistungen durch die Hansestadt Lübeck getragen. Die Höhe des Anteils zur Abgeltung des allgemeinen Interesses an sicheren und sauberen Straßen ist vom Gesetzgeber nicht vorgegeben, sondern hängt jeweils von den örtlichen Gegebenheiten ab. Nach der einschlägigen Rechtsprechung darf dieser Anteil in Schleswig-Holstein jedoch nicht unter 15 % liegen. Soweit Reinigungs-/Winterdienstleistungen auf Brücken, an Wasserstraßen und Strecken außerhalb der geschlossenen Ortslage erbracht werden, fehlt es an einer Möglichkeit, hierfür Gebühren zu erheben. Auch diese Leistungen sind aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren und dürfen nicht mit der Quote für das Allgemeininteresse verrechnet werden.“

78

Die Beschlussvorlage erweckt den Anschein, dass das Allgemeininteresse lediglich deshalb mit 15% angesetzt wurde, um der Rechtsprechung des Senats zu genügen. Nach dieser Rechtsprechung sind 15 % das Minimum, was als Allgemeininteresse an sauberen Straßen zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 1994 - 2 L 241/93 - Juris Rn. 38). Dies stellt eine - für sich genommen - nicht ausreichende Erwägung dar. Die von der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen zum „Verfahren zur Ermittlung des Allgemeininteresses an der Straßenreinigung und dem Winterdienst in der Hansestadt Lübeck“ (Bl. 154 ff. GA), haben den Bürgerschaftsmitgliedern hingegen nicht zur Verfügung gestanden. Ob diese den Anforderungen an die vorzunehmenden Ermessenserwägungen entsprechen, ist daher unerheblich. Es genügt nicht, dass eine alle wesentlichen Aspekte berücksichtigende Verwaltungsunterlage zwar zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses existent war und im gerichtlichen Verfahren vorgelegt wird, diese aber dem Satzungsgeber bei der Beschlussfassung nicht vorgelegen hat.

79

2. Selbst aber wenn diese dem Senat vorgelegten Berechnungsunterlagen der Bürgerschaft bei der Beschlussfassung vorgelegen hätten, ist der danach errechnete Anteil des einheitlichen Allgemeininteresses von 15% jedenfalls für den Winterdienst nicht an den örtlichen Gegebenheiten ausgerichtet.

80

Es ist zwar rechtlich zulässig, aber nicht notwendig, dass der Gemeinde- bzw. Öffentlichkeitsanteil differenziert nach der Verkehrsbedeutung der jeweils gereinigten Straßen festgelegt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 1989, a.a.O., Juris Rn. 18; OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016, a.a.O., Juris Rn. 17).

81

Wenn aber – wie vorliegend – ein das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckender Gemeindeanteil festgelegt wird, muss nachvollziehbar sein, wie dieser ermittelt worden ist. Erforderlich ist, dass der Ortsgesetzgeber zunächst die Höhe des Allgemeininteresses ermittelt, das bei den einzelnen Straßengruppen (beispielsweise Anliegerstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Durchgangsstraßen) und sonstigen Anlagen (beispielsweise öffentlich zugängliche Park- und Grünanlagen) in seinem Gebiet jeweils an der Straßenreinigung besteht. Dabei wird er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das Allgemeininteresse umso höher ist, je intensiver einrichtungsfremde Nutzer die betreffende Straßengruppe der Anlage in Anspruch nehmen. In einem weiteren Schritt sind sodann die jeweils gebildeten Straßengruppen und sonstigen Anlagen hinsichtlich ihrer jeweiligen Reinigungsfläche zueinander ins Verhältnis zu setzen. Aus diesem Verhältnis der verschiedenen Gruppen zueinander und dem Ausmaß der einrichtungsfremden Nutzung innerhalb der Gruppen errechnet sich der einheitlich festgelegte Gemeindeanteil (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016, a.a.O., Juris Rn. 17).

82

Bei der dem Senat vorgelegten Aufstellung „Verfahren zur Ermittlung des Allgemeininteresses an der Straßenreinigung und dem Winterdienst in der Hansestadt Lübeck“ (Bl. 154 ff. GA) ist zwar eine entsprechende Vorgehensweise gewählt worden. Es ist für jede einzelne Straße unter Berücksichtigung der jeweiligen Länge für Sommer- und Winterdienst, der Verkehrsbelastung und der Einstufung als Anliegerstraße/Durchgangsstraße/Publikumsmagnet das jeweilige Allgemeininteresse bestimmt und schließlich eine gewichtete Quote von 15,2% errechnet worden.

83

Die ermittelten Anteile sind jedoch gemessen an den örtlichen Gegebenheiten widersprüchlich und schwerlich mit der Senatsrechtsprechung in Einklang zu bringen, nach der selbst in einer Konstellation, in der überwiegend Anliegerstraßen existierten, von einem Öffentlichkeitsanteil von 15 % ausgegangen werden müsste (vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 1994 - 2 L 241/93 -, Juris Rn. 38:„Minimum“).

84

Der der Beschlussvorlage für die Bürgerschaft beigefügten Synopse (Gegenüberstellung von alter und neuer Rechtslage einschließlich Straßenverzeichnis) sind die Umschreibungen der beiden Winterdienstklassen W 0 und W 1 zu entnehmen. Danach fallen unter die Winterdienstklasse W 0:

85

„Fußgängerzonen und ähnliche Verkehrsflächen, in denen man den Anliegern die Durchführung des Winterdienstes nicht zumuten kann, sowie sämtliche Verkehrsflächen der Reinigungsklasse S0 (12 x wöchentliche Reinigung aller Straßenteile)“

86

und unter die Winterdienstklasse W 1:

87

„Gefährliche und verkehrswichtige Fahrbahnen, insbesondere die verkehrsreichen Durchgangsstraßen der Ortsdurchfahrten von Bundestraßen sowie die Hauptverkehrsstraßen und die dazugehörenden Fußgängerüberwege und Radwege“.

88

Der Senat geht davon aus, dass jedenfalls hinsichtlich des Winterdienstes in Fußgängerzonen sowie auf allen gefährlichen und verkehrswichtigen Fahrbahnen ein hohes – mithin 15% übersteigendes – Allgemeininteresse bestehen müsste. Wie dennoch bezüglich etwa 40% der Straßenlänge, auf der Winterdienst durchgeführt wird – nämlich auf 90.199 m von 219.234 m (vgl. Ermittlungsergebnis Bl. 154 GA) –, lediglich von einem 5%igen Allgemeininteresse für Sammel- und Wohnstraßen/Anliegerstraßen („Einstufung 4“) ausgegangen werden kann, erschließt sich nicht. Schließlich ist der überwiegende Anteil von Anliegerstraßen vom Winterdienst ausgeschlossen (vgl. Straßenverzeichnis als Anlage zur Synopse bzw. der Satzung, gekennzeichnet mit „ohne“).

89

Die Argumentation der Antragsgegnerin, die touristische und kulturelle Bedeutung – etwa der Fußgängerzonen – sei dem Anliegerinteresse zuzuordnen, weil der dadurch begründete Verkehr „Ziel- und Quellverkehr“ und keinen „Durchgangsverkehr“ darstelle, greift nicht. Diese im Straßenausbaubeitragsrecht geltende Umschreibung, die besagt, dass in Anliegerstraßen vorwiegend Verkehr von und zu den Grundstücken stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 26.04.2006 - 2 KN 7/05 -, Juris Rn. 145), ist auf das Straßenreinigungsgebührenrecht nicht übertragbar.

90

Da die öffentliche Einrichtung „Straßenreinigung“ nicht nur einzelne Straßen, sondern alle nach dem Satzungsrecht zu reinigenden in der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen umfasst (vgl. § 1 der streitgegenständlichen Satzung), sind Anliegerinteresse und Allgemeininteresse abweichend vom Straßenausbaubeitragsrecht zu definieren (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016, a.a.O., Juris Rn. 16). Bei letzterem bildet die jeweilige ausgebaute Straße die öffentliche Einrichtung, und das Anliegerinteresse bestimmt sich allein nach dem Umfang desjenigen Verkehrs, der von den an dieser Straße anliegenden Grundstücken ausgeht bzw. dorthin führt. Demgegenüber gibt im Straßenreinigungsgebührenrecht das Anliegerinteresse das Interesse wieder, das sämtliche Eigentümer von Grundstücken, die an gereinigte Straßen innerhalb der öffentlichen Einrichtung „Straßenreinigung“ angrenzen bzw. durch diese erschlossen werden, an der Reinigung der Straßen und sonstigen Anlagen innerhalb der öffentlichen Einrichtung haben. Das Allgemeininteresse wird dagegen begründet durch das Interesse der einrichtungsfremden Nutzer an gereinigten Straßen. Zu diesen gehören sowohl die ortsansässigen Eigentümer von Grundstücken an nicht zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Straßen als auch die Ortsfremden, soweit diese beiden Personengruppen Durchgangsstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Anliegerstraßen sowie sonstige gereinigte Einrichtungen der Gemeinde in Anspruch nehmen. Außerdem kann die Gemeinde selbst zusätzlich ein eigenes Interesse an der Reinigung ihrer Straßen, Wege und sonstigen Anlagen innerhalb der satzungsmäßig definierten öffentlichen Einrichtung haben (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 2016, a.a.O., Juris Rn. 17).

91

Aufgrund der kulturellen und touristischen Bedeutung der Altstadt der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass nicht nur die Fußgängerzonen von vielen Ortsfremden genutzt werden, die – auch im Winter – ein Interesse an gereinigten Straßen haben. Die Antragsgegnerin kommt mit dem Winterdienst zudem ihrer gegenüber allen Straßennutzern bestehenden Verkehrssicherungspflicht nach.

92

IV. Da die angegriffenen Satzungsnormen nach den vorstehenden Ausführungen bereits unwirksam sind, bedarf es zur Verteilung der Unterdeckungen auf die Straßenreinigung und den Winterdienst (dazu siehe bereits oben II) und zur Plausibilität der Gebühren für den Winterdienst keiner weiteren Ausführungen. Insoweit merkt der Senat nur an, dass hinsichtlich der Gebührenkalkulation im Übrigen, auch zu den Kosten für den Winterdienst, durchgreifende Bedenken weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

93

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

94

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

95

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.