Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Feb. 2014 - 15 A 260/12

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2014:0227.15A260.12.0A
bei uns veröffentlicht am27.02.2014

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 5./6.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die (heim-)ordnungsrechtliche Einstufung von drei von der Klägerin betriebenen Wohngruppen für Menschen mit langjährigen Abstinenzerkrankungen ... in Kiel.

2

Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der die ... Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein mit 66,67 %, die Beklagte selbst mit 33,33 % beteiligt ist. Die Klägerin ist seit Jahrzehnten in der Suchthilfearbeit tätig und betreibt als privat-rechtliche Trägerin iSv §§ 75 ff. SGB XII mehrere Einrichtungen für Menschen mit chronischen Abhängigkeitserkrankungen, die Abstinenzprogramme durchlaufen. Konkret geht es im vorliegenden Fall um die Frage, ob drei von der Klägerin ... ... in Kiel in drei Reihenhäusern (Hausnummern ...) betriebene Wohngemeinschaften seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungs-Stärkungsgesetzes (SbStG) am 01.08.2009, das für Schleswig-Holstein im Zuge der Föderalismusreform das bis dahin geltende Heimgesetz des Bundes abgelöst hat, als stationäre Einrichtungen iSv § 7 Abs. 1 SbStG mit den sich daraus ergebenden heimaufsichtlichen Konsequenzen (Anzeigepflicht, Standards, Überprüfungen usw.) anzusehen sind oder nicht.

3

Die Gegebenheiten in den genannten Einrichtungen stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:

4

Bei den drei Gebäuden handelt es sich jeweils um baugleiche Einfamilienhäuser in einer Reihenhaussiedlung in ..., in denen jeweils fünf bis sechs Personen für einen Zeitraum von etwa neun bis zwölf Monaten leben. In den Kellern befinden sich jeweils eine Waschmaschine sowie Vorräte. In den Erdgeschossen befinden sich jeweils ein Wohn-/Esszimmer mit angrenzender Küche sowie ein kleiner Besprechungsraum. In den Obergeschossen sind jeweils ein Bad sowie drei Bewohnerzimmer (ein Einzelzimmer, zwei Doppelzimmer) vorhanden. Die Zimmer sind nicht abschließbar, bei Einzug werden in der Regel nur Doppelzimmer (gegenseitige Kontrolle) vergeben. Die Häuser werden inklusive der Bewohnerzimmer von der Klägerin größtenteils möbliert angeboten. Geschirrspüler, Trockner und Mikrowellen sind nicht vorhanden, da dies konzeptionell nicht vorgesehen ist. Es haben nur zwei der Bewohner einen Haustürschlüssel. Die Klägerin schließt mit den Bewohnern für den Wohnraum Nutzungsverträge.

5

Alle Betroffenen werden in einer Werkstätte der Klägerin in ... 39 Stunden pro Woche beschäftigt. In der Woche findet nach der Arbeit in den Wohnungen zwischen 16.00 Uhr und 21.00 Uhr eine Spätschicht-Betreuung statt (knapp zwei Stunden pro Haus), danach gibt es eine Rufbereitschaft. Jeden Mittwoch wird unter Anleitung eines Sozialtherapeuten die Betreuungssituation erörtert. Darüber hinaus werden tägliche Arbeiten verbindlich eingeteilt. Unter den Bewohnern gibt es eine klare Hierarchie, der „Älteste“ hat den größten Einfluss und mehr Freiheiten. Die Unterbringung folgt zunächst in einem Zwei-Bett-Zimmer, erst nach längerer Wohnphase hat man Anspruch auf ein Einzelzimmer. Die jeweils zur Verfügung stehenden Gelder werden von der Klägerin treuhänderisch verwaltet und wöchentlich ausgezahlt. Die hauswirtschaftliche Versorgung (Reinigung, Wäsche, Einkauf, Verpflegung) wird von den Betreuten innerhalb des von der Klägerin vorgegebenen Rahmens selbst geregelt. Die Mitglieder der Wohngruppe, vor allem die „Älteren“ wachen darüber, dass bestehende Regeln eingehalten werden und die vorhandenen Aufgaben von den Verantwortlichen umgesetzt werden. Dies gilt sowohl für das morgendliche Aufstehen, wie auch für die Erstellung von Essenplänen, den entsprechenden Einkauf, die Zubereitung und die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten, den Abwasch und das Tischdecken. Aufgetretene Missstände werden in den wöchentlichen Gruppengesprächen thematisiert. Dabei wird nach konstruktiven Lösungen gesucht, jedoch wird niemals eine zusätzliche finanzielle Unterstützung der Einrichtung geleistet.

6

Die Betreuung wird fortlaufend dokumentiert. Ziel sind u. a. Beratung und Unterstützung bei psychologischen, sozialen, finanziellen, rechtlichen und administrativen Fragen, Unterstützung im Bereich der Selbsthilfe, Verbesserung der Körperhygiene und der Ernährung, Hilfen zum Einteilen der zur Verfügung stehenden Finanzen, Einüben von angemessenem Kaufverhalten, Aufbau und Erhalt von Selbstversorgungskompetenz, sowie Vermittlung von Fähigkeiten bzw. Unterstützung im alltagspraktischen Bereich.

7

Sozialhilferechtlich werden die beschriebenen Wohngemeinschaften von allen Beteiligten übereinstimmend als teilstationäre Einrichtungen iSv § 13 SGB XII angesehen. Nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes stellt sich die Frage, wie die streitbefangenen Einrichtungen (heim-)ordnungsrechtlich einzuordnen sind.

8

Mehrere zwischen den Beteiligten hierzu geführte Gespräche blieben - auch nach Einholung eines Rechtsgutachtens durch die Klägerin bzw. von Stellungnahmen durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit - erfolglos. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere der Begriff und die Bewertung der „hauswirtschaftlichen Versorgung“, da dies wesentlicher Bestandteil für eine Einstufung als stationäre Einrichtung iSv § 7 Abs. 1 SbStG ist.

9

Mit Bescheid vom 15.06.2012, gerichtet an „...“, stellte die Beklagte sodann fest, dass es sich bei dem Angebot ... um eine stationäre Einrichtung im ordnungsrechtlichen Sinne handele.

10

Mit Schreiben vom 06.07.2012 meldete sich darauf die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und teilte mit, dass sie die Vertretung der Klägerin sowie der „...“ übernommen habe und legte gegen den Bescheid vom 15.06.2012 Widerspruch ein.

11

Nach Begründung des Widerspruches mit Schreiben vom 30.08.2012 erließ die Beklagte unter dem 06.09.2012 (in der Verwaltungsakte der Beklagten mit einem Ab-Vermerk vom 05.09.2012 versehen), diesmal gerichtet an die „... gGmbH Geschäftsführung“, einen inhaltlich mit dem Bescheid vom 15.06.2012 gleichlautenden Bescheid. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 SbStG für eine stationäre Einrichtung seien erfüllt. Insoweit sei allein fraglich, ob die Bewohnerinnen oder Bewohner „Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung“ erhielten oder erhalten könnten. Zwar spreche das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz pauschal von Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung, jedoch werde eine solche etwa in Einrichtungen der Eingliederungshilfe anders aussehen als in einer stationären Pflegeeinrichtung. Das Konzept der Klägerin lasse es nicht zu, dass andere Anbieter oder die Bewohnerinnen oder Bewohner selbst nach eigenen Vorstellungen die hauswirtschaftliche Versorgung übernähmen. Es gebe die Strukturen vor, innerhalb derer die Betroffenen auf der Grundlage von Gruppenbeschlüssen zu festgelegten Zeiten gemeinsam einkauften, kochten und die Wohnräume und ihre Wäsche reinigten. Die Mitarbeiter der Klägerin leiteten die Gruppe bei der Versorgung an, indem sie das während des abendlichen Dienstes stattfindende gemeinsame Kochen überwachten und - falls erforderlich - Hilfestellungen gäben. Es gebe feste Termine für Gruppensitzungen, auf die zwingend über das Essensbudget und die einzukaufenden Lebensmittel entschieden werde. Der einzelne Bewohner habe nicht die Möglichkeit, die Zeiten zu beeinflussen und individuell über den Einkauf der Lebensmittel und der sonstigen für die Haushaltsführung wichtigen Bedarfsmittel zu entscheiden. In einem von der Klägerin vorgegebenen Wochenplan seien überdies Essens-, Wäsche- und Reinigungszeiten festgelegt. Die Klägerin verwalte insgesamt die Finanzen der Betreuten. In den ersten vier Wochen des Aufenthaltes sei Ausgang zudem „nur in Begleitung zwecks Behörden-/Arztbesuchen“ möglich, so dass ein eigenverantwortliches Einkaufen von Lebensmitteln faktisch nicht möglich sei. Auch danach sei der Ausgang stark reglementiert. In den Wohngruppen gebe es seit jeher eine feste hierarchische Gruppenstruktur mit Ämterverteilung. Dies sei eine Struktur, die der Träger vorgebe. Der Einfluss der Klägerin auf die hauswirtschaftliche Versorgung der Bewohner sei demnach so stark, dass von einer eigenverantwortlichen hauswirtschaftlichen Versorgung nicht gesprochen werden könne. Das Konzept der Klägerin führe selbst aus, dass ein Ziel der Maßnahme das Erlernen einer Vielzahl von häufig nicht vorhandenen sozialen, hauswirtschaftlichen, sportlichen, schul- und ausbildungstechnischen Fertig- und Fähigkeiten sei. Die Klägerin habe damit eine Garantenstellung für die hauswirtschaftliche Versorgung übernommen. Damit sei bereits eine hauswirtschaftliche Versorgung gegeben. Die übrigen Voraussetzungen für die Annahme einer stationären Einrichtung iSv § 7 Abs. 1 SbStG (entgeltlicher Betrieb, keine Einflussnahme der Bewohnerinnen und Bewohner auf den Wechsel sowie die Anzahl der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner) lägen unzweifelhaft vor.

12

Gegen den Bescheid vom 06.09.2012 legte die Klägerin am 10.09.2012 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf die materiell-rechtliche Begründung des vorherigen Widerspruches vom 30.08.2012 gegen den Bescheid vom 15.06.2012. Darin vertritt die Klägerin die Auffassung, dass eine stationäre Einrichtung iSv § 7 Abs. 1 SbStG nicht anzunehmen sei. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die in der Wohngruppe lebenden Menschen berechtigt seien, ihre hauswirtschaftliche Versorgung vertraglich mit verschiedenen Leistungserbringern einzeln zu regeln. Es entspreche gerade dem Konzept der Klägerin, dass die Bewohner die hauswirtschaftliche Versorgung selbst übernehmen müssten. Sie müssten daher selbst in die jeweiligen Geschäfte gehen und die Besorgungen beschaffen. Dabei würden sie nicht von den Mitarbeitern der Klägerin begleitet. Die Auswahl der Geschäfte obliege allein den Bewohnern. Eine hauswirtschaftliche Versorgung sei daher nicht vorgegeben. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass in der ersten Phase der Betreuung bei der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfestellung geleistet werde. Auch der Umstand, dass den Bewohnern Sozialpädagogen beratend zur Seite stünden, sei unerheblich. Diese leisteten lediglich unterstützende Hilfe, gäben aber keine Vorgaben hinsichtlich der zu tätigenden Anschaffungen. Auch der vorhandene Wochenplan stelle lediglich eine Orientierungshilfe in den Bereichen Hauswirtschaft und Selbstversorgung dar. Überdies stehe der Einordnung als stationäre Einrichtung entgegen, dass die Bewohner die Wohngemeinschaft nach dem sozialhilferechtlichen Konzept der Klägerin alltäglich verlassen müssten, um die Werkstatt in ... aufzusuchen. Die Bewohner der Wohngemeinschaften ... seien insoweit uneingeschränkt in der Lage, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, aber auch in ihrem konsumierenden Verhalten frei und selbstbestimmt tätig zu werden. Mit einer stationären Einrichtung und den dort bestehenden Beschränkungen habe dies alles nichts gemein.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012 wies die Beklagte den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, eine hauswirtschaftliche Versorgung liege bei Einrichtungen der Eingliederungshilfe schon dann vor, wenn der Einrichtungsträger eine Garantenstellung für die hauswirtschaftliche Versorgung übernehme. Mit freier Wählbarkeit des Leistungserbringers nach dem Gesetz sei wohl kaum die Möglichkeit der Auswahl eines einzelnen Ladengeschäftes gemeint. Nach dem Gesetz müsse es den Bewohnern vielmehr möglich sein, in dem Bereich „Hauswirtschaft“ vollständig „abzuwählen“. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Nach dem Konzept der Klägerin sei es unmöglich, dass ein anderer Anbieter die hauswirtschaftliche Versorgung übernehmen dürfe bzw. anfangs der Unterbringung überhaupt die Fähigkeiten der Bewohner vorhanden seien, diese eigenverantwortlich zu übernehmen. Der Prozess des selbständigen Erlernens genau dieser Tätigkeiten sei wesentlicher Bestandteil der integrativen Arbeit. Die streitbefangene Einrichtung könne auch nicht als solche nach § 7 Abs. 2 SbStG angesehen werden. Dies gehe auch nicht aus einem Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit vom 09.03.2010 hervor, da dort nur der Fall angesprochen worden sei, dass eben keine Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung angeboten würden.

14

Am 02.11.2012 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie zunächst ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, dass das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit im genannten Erlass vom 09.03.2010 darauf hingewiesen habe, dass es im Gesetzgebungsverfahren versehentlich unterblieben sei, Wohngemeinschaft bzw. Wohngruppen für Menschen mit Behinderung in die Regelung des § 7 Abs. 2 SbStG mit verminderter ordnungsrechtlicher Überwachung aufzunehmen. Überdies seien die Unterstützung im alltagspraktischen Bereich sowie die Hilfe zur Selbstversorgung, die in der Leistungsvereinbarung angesprochen würden, keine Leistungserbringung aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern eine pädagogische Betreuungsleistung.

15

Im Übrigen sei der angefochtene Bescheid zu unbestimmt, da er im Tenor nur das „Angebot im ...“ anspreche. Es sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, auf welchen Bezugsgegenstand sich die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung eigentlich beziehe.

16

Die Klägerin beantragt,

17

den Bescheid der Beklagten vom 5./6.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15.10.2012 aufzuheben.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung verweist sie zunächst auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, die Konzeption der Klägerin biete genügend Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um eine ambulante Versorgung und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner handele, bei der diese während der gesamten Dauer ihres Aufenthaltes in der Einrichtung selbständig und eigenverantwortlich ihren Haushalt führten, sondern dass diese vielmehr hauswirtschaftlich versorgt würden. Die Konzeption habe vielmehr das Ziel des Abbaus von Fremdbestimmung und des Aufbaus von Selbständigkeit und Verantwortung. Die Betroffenen führten also gerade nicht während der gesamten Dauer ihres Aufenthaltes in der Einrichtung selbständig und eigenverantwortlich ihren Haushalt. Überdies sei durch die Hausordnung inklusive der nach festen vorgegebenen Prinzipien geregelten Aufgabenverteilung und Abstimmung innerhalb der Wohngruppen durch die mit den Betroffenen geschlossenen Vereinbarungen und durch das täglich anwesende Personal bzw. die ergänzende Rufbereitschaft dafür gesorgt, dass die Bewohner angemessen versorgt seien bzw. sich während des Aufenthaltes in der Einrichtung auf eine selbständige Haushaltsführung in der Zeit danach erst vorbereiteten. Einrichtungen wie die streitbefangenen Wohngruppen hielten die Bewohnerinnen und Bewohner in größerer vertraglicher und tatsächlicher Abhängigkeit als die Einrichtungen nach den §§ 8 bis 10 SbStG, so dass ein gesteigerter staatlicher Schutz iSv § 7 Abs. 1 SbStG geboten erscheine. Strenge Hausregeln wie der begrenzte Ausgang und Kontakt nach draußen, die Unterwerfung und eine Rangordnung unter den Bewohnerinnen und Bewohnern, die Verwaltung des Lebensmittelbudget und aller anderen, ihnen zustehenden Gelder durch die Einrichtungsträgerin, die Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung und der drohende Verlust der Wohnung bei Drogenkonsum bedeuteten eine Einschränkung der Selbstbestimmung, die nicht allein auf den mit den Therapiebedürftigen geschlossenen Verträgen und Vereinbarungen beruhen sollte, sondern auch eine angemessenen Begleitung und Prüfung durch die Heimaufsicht erfordere.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Der Bescheid vom 06.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 ist ein feststellender Verwaltungsakt. Rechtsgrundlage ist § 15 Abs. 1 SbStG, der für den Betrieb einer stationären Einrichtung eine Anzeigepflicht normiert.

23

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

24

Die Rechtswidrigkeit ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer fehlenden Bestimmtheit des Bescheides. Die Formulierung „bei dem Angebot im ... handelt es sich um eine stationäre Einrichtung im ordnungsrechtlichen Sinne, denn die Voraussetzungen des § 7 SbStG sind erfüllt“ macht hinreichend deutlich, dass es um die heimordnungsrechtliche Einstufung der von der Klägerin im... in Kiel betriebenen Wohngruppen für Menschen mit langjährigen Abstinenzerkrankungen geht. Der Klägerin mag zuzugeben sein, dass der Tenor des angefochtenen Bescheides unglücklich formuliert ist, jedoch hat sie dies über Jahre hinweg bis zum Schriftsatz vom 30.10.2013, in dem eine vermeintliche inhaltliche Unbestimmtheit erstmals thematisiert wird, nicht gehindert, inhaltlich punktgenau (und letztlich erfolgreich) zu argumentieren. Allen Beteiligten und auch objektiv ist klar, dass es beim „Angebot im ...“ nicht etwa um eine Werbekampagne, sondern um die von der Klägerin betriebenen Einrichtungen geht.

25

Diese Einrichtungen sind entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als stationäre Einrichtungen iSv § 7 Abs. 1 SbStG anzusehen.

26

Dabei ist zunächst klarzustellen, dass sich das Schleswig-Holsteinische Selbstbestimmungsstärkungsgesetz - anders als noch im Regierungsentwurf (vgl. Landtagsdrucksache 16/2704, dort § 7 Abs. 2) vorgesehen - von der Begrifflichkeit „stationär/teilstationär“ gelöst hat und nur noch stationäre Einrichtungen iSv § 7 Abs. 1 SbStG kennt. Hinzukommen in § 7 Abs. 2 SbStG enumerativ aufgeführte Einrichtungen, denen einzelne Elemente der stationären Einrichtungen iSv Abs. 1 fehlen und die einer verminderten heimaufsichtlichen Kontrolle unterworfen sind, sowie die in den §§ 8 - 11 SbStG genannten Wohn-,Pflege- und Betreuungsformen. Dementsprechend ist im späteren Gesetzgebungsverfahren in § 6 („Geltungsbereich“) ein Absatz 3 angefügt worden, der ausführt, dass die Feststellung, ob eine Versorgungsform nach den §§ 7 - 10 dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliege, die leistungsrechtliche Einordnung unberührt lasse.

27

Nach § 7 Abs. 1 SbStG sind stationäre Einrichtungen auf einen dauernden Aufenthalt ausgerichtete Einrichtungen,

28

1. in denen volljährige Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung länger als drei Monate wohnen können sowie Leistungen der Pflege, der Betreuung und hauswirtschaftlichen Versorgung erhalten oder erhalten können,
2. die entgeltlich betrieben werden,
3. in denen die Bewohnerinnen und Bewohner keinen Einfluss auf den Wechsel sowie die Anzahl der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner haben und
4. in denen Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung Leistungen des Wohnens, der Pflege, der Betreuung und der hauswirtschaftlichen Versorgung vertraglich nicht mit verschiedenen Leistungserbringern einzeln regeln können.

29

Die Beteiligten gehen in Bezug auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 SbStG zunächst übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass in den Einrichtungen im... volljährige Menschen mit einer (seelischen) Behinderung länger als drei Monate wohnen können und dort Betreuungsleistungen erhalten. Zwischen den Beteiligten umstritten und für den vorliegenden Fall streitentscheidend ist damit die Frage, ob die Betroffenen dort eine hauswirtschaftliche Versorgung erhalten oder erhalten können. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

30

Dabei weist die Beklagte zunächst zutreffend darauf hin, dass die Gewährung einer hauswirtschaftlichen Versorgung im Einzelfall stark einrichtungsbezogen ist und sich etwa in einer Einrichtung für Schwerstpflegefälle anders darstellt als in einer Wohngruppe mit relativ offenen Strukturen. Zutreffend ist auch, dass die Wohnbedingungen in den betroffenen Einrichtungen der Klägerin insgesamt stark reglementiert sind und dieses Reglement sich auch auf die hauswirtschaftlichen Abläufe erstreckt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Betroffenen dort auch Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung erhalten. Sie haben diese vielmehr selbst zu erbringen. Die Klägerin setzt nur den Rahmen, in dem sich die hauswirtschaftlichen Abläufe zu halten haben, überlässt die eigentliche Ausgestaltung - die hauswirtschaftliche Versorgung selbst - aber den Bewohnerinnen und Bewohnern. Dem steht nicht entgegen, dass sie die Einhaltung des vorgegebenen Rahmens - durch Verwaltung und zur Zuverfügungstellung der finanziellen Mittel und auch im Übrigen - überwacht und ihr damit eine von der Beklagten so genannte Garantenstellung zukommt. Die Klägerin weist insoweit zutreffend darauf hin, dass sie keine hauswirtschaftliche Versorgung selbst zur Verfügung stellt, was bei einem Zeitaufwand von werktäglich 100 Minuten pro Haus auch kaum vorstellbar ist, sondern lediglich (im Sinne von „Aufbau und Erhalt von Selbstversorgungskompetenz/Vermittlung von Fähigkeiten bzw. Unterstützung im alltagspraktischen Bereich“) unterstützend tätig wird. Dies stellt sich aber als dem Leistungsbereich „Betreuung“ und nicht dem Leistungsbereich „hauswirtschaftliche Versorgung“ zuzuordnender Bestandteil der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SbStG dar, mit anderen Worten, die Klägerin stellt nur „Rat“, nicht aber „Rat und Tat“ zur Verfügung.

31

Diese Sichtweise wird (bzw. wurde zumindest im Jahre 2010) auch vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein geteilt. In einem Erlass vom 09.03.2010 heißt es unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsgeschichte, dass es sich bei Wohngemeinschaften bzw. Wohngruppen für Behinderte nicht um stationäre Einrichtungen iSd § 7 Abs. 1 SbStG handele, da keine Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Nr. 1 angeboten würden. Dem weiteren Schluss, dass insoweit eine ungewollte Gesetzeslücke bestehe und § 7 Abs. 2 SbStG (mit eingeschränkter Heimaufsicht) entsprechend anzuwenden sei, vermag die Kammer allerdings nicht zu folgen.

32

In der Tat ist der Gesetzgebungsgeschichte zu entnehmen, dass der später nicht Gesetz gewordene Regierungsentwurf zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz, der in § 8 Abs. 1 Nr. 6 noch Wohngemeinschaften und Tagesstätten für Menschen mit einer seelischen Behinderung oder einer Suchterkrankung ausdrücklich erwähnte, davon ausging, dass derartige Einrichtungen (mit einer eingeschränkten Heimaufsicht) nicht alle Leistungsbereiche abdecken. In der Begründung zum Regierungsentwurf (Landtagsdrucksache 16/2290, Seite 34) heißt es nämlich:

33

„In diesen Wohn, -Pflege- und Betreuungsformen besteht eine Abhängigkeit von ein und demselben Leistungsanbieter in zwei oder drei Bereichen des Wohnens, der Pflege, der Betreuung und der hauswirtschaftlichen Versorgung, nicht jedoch in allen vier Leistungsbereichen wie bei stationären Einrichtungen, … .“

34

Im späteren Gesetzgebungsverfahren sind sodann - unter Aufgabe der Begrifflichkeit „teilstationär“ - vier von sechs Einrichtungen, die in § 8 Abs. 1 des Regierungsentwurfs genannt worden waren (Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, Einrichtungen der Kurzzeitpflege, Altenheime, stationäre Hospize) als ausdrücklich erwähnte Einrichtungen mit eingeschränkter Heimaufsicht Bestandteil des jetzigen § 7 Abs. 2 SbStG geworden, nicht aber die im Regierungsentwurf genannten Wohn- und Hausgemeinschaften, die nicht gemäß § 10 selbstverantwortlich geführt werden und die Wohngemeinschaften und Tagesstätten für Menschen mit einer seelischen Behinderung oder einer Suchterkrankung.

35

Von daher verbietet es sich nach Auffassung der Kammer auch, auf die vorliegend streitigen Einrichtungen § 7 Abs. 2 SbStG analog anzuwenden. Bei einer bewussten Transformation von nur vier von sechs Tatbeständen von § 8 Abs. 1 des Regierungsentwurfs in § 7 Abs. 2 SbStG kann von einerplanwidrigen Regelungslücke nicht die Rede sein.

36

Zwar mag aus Sicht der Beklagten eine irgend geartete Heimaufsicht angesichts der doch recht weitgehenden Einschränkungen der Selbstbestimmung der Betroffenen in allen Lebensbereichen, auch wenn diese freiwillig hingenommen werden, wünschenswert sein, das geltende Recht bietet hierfür jedoch keine Handhabe, da auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 8 - 11 SbStG erkennbar nicht einschlägig sind.

37

Nach alledem hat die Beklagte die betroffenen Einrichtungen im ...in Kiel zu Unrecht als stationäre Einrichtungen iSv § 7 Abs. 1 SbStG eingestuft, da in ihnen eine hauswirtschaftliche Versorgung durch die Klägerin nicht angeboten wird.

38

Der Bescheid der Beklagten vom 06.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 war daher aufzuheben.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.

40

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich eine andere Kostenentscheidung auch dann nicht ergibt, wenn man den an „...“ gerichteten Bescheid vom 15.06.2012 als Bestandteil des vorliegenden Verfahrens und damit die in Abweichung zur Klagschrift vom 01.11.2012 reduzierte Antragstellung als teilweise verdeckte Klagrücknahme ansieht. Eine sich daraus ergebende Obsiegensquote der Beklagten wäre so gering, dass in diesem Fall ihr die gesamten Kosten nicht nach § 154 Abs. 1 VwGO, sondern nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO aufzuerlegen gewesen wären.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 13 Leistungen für Einrichtungen, Vorrang anderer Leistungen


(1) Die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstat

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(1) Die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.

(2) Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.