Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 24. Feb. 2015 - RN 6 S 15.30120
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die am ... 1960 geborene Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige vom Volk der Roma mit serbisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Sie reiste nach eigenen Angaben am
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid, welcher der Antragstellerin am 5.2.2015 zugestellt wurde, hat diese am 19.2.2015 durch ihren Bevollmächtigten Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Gleichzeitig hat sie vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Sie trägt vor, dass sie aufgrund permanenter Diskriminierung in Serbien ihr Heimatland verlassen habe. Sie sei in Serbien mehrfach malträtiert und geschlagen sowie auf der Straße beleidigt und diskriminiert worden. Dies sei ausschließlich aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit geschehen. Die örtliche Polizei habe nichts unternommen, um sie vor entsprechenden Übergriffen und Anfeindungen zu schützen. Angehörige der Roma würden durch den serbischen Staat in ihrem elementaren Recht auf Freizügigkeit beschnitten und kriminalisiert. Sie unterlägen besonderen Restriktionen, der Zugang zur öffentlichen Grundversorgung sei nicht ohne weiteres sichergestellt.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Akten des Bundesamts sowie die wechselseitigen Schriftsätze in diesem und im Hauptsacheverfahren unter dem Aktenzeichen RN 6 K 15.30121.
II.
Die Entscheidung erfolgt gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG durch den Berichterstatter als Einzelrichter. Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf die Kammer nach Satz 2 dieser Vorschrift liegen nicht vor.
Der Antrag ist unzulässig, da die nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG einzuhaltende Antragsfrist nicht eingehalten wurde. Für die Fristberechnung gelten die §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB, so dass bei einer Zustellung am 5.2.2015 Fristablauf mit Ablauf des folgenden Donnerstags (12.2.2015) eintrat. Bei Eingang des mit Telefax vom 19.2.2015 gestellten Eilantrags am 19.2.2015 war die Antragsfrist somit abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Antrag hätte auch in der Sache nicht zum Erfolg geführt.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Da sich diese darauf stützt, dass die Anträge auf Anträge auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden und weder ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes anerkannt noch das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AsylVfG festgestellt wurde, hat das Verwaltungsgericht auch diese Fragen zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris).
Es bestehen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin.
Nach § 29 a Abs. 1 AsylVfG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die vom Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Gemäß § 29 a Abs. 2 AsylVfG sind sichere Herkunftsstaaten neben den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die in Anlage II des AsylVfG bezeichneten Staaten. Aufgrund der mit Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31.10.2014 (EinstufAsylbG) bewirkten Änderung der Anlage II sind Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien mit Wirkung ab dem 6.11.2014 als sichere Herkunftsstaaten anzusehen.
Demgemäß liegen die Anforderungen für die Anerkennung als Asylberechtigte bzw. für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG im Fall der Antragstellerin offensichtlich nicht vor.
Gegen die Einstufung von Serbien als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung der deutschen Verwaltungsgerichte (VG Berlin, B. v. 4.12.2014 - 7 L 596.14 A - juris, Rn. 6 ff.). Die entgegenstehende Ansicht des VG Münster (B. v. 27.11.2014 - 4 L 867/14.A - juris, Rn. 7) vermag nicht ansatzweise zu überzeugen, da sie sich zur Begründung einer möglicherweise bestehenden Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen darauf beruft, dass der Gesetzgeber die geänderten serbischen Ausreisebestimmungen und ihre Anwendung insbesondere auf die Volkszugehörigen der Roma nicht hinreichend beachtet habe (VG Münster, B. v. 27.11.2014, a. a. O., Rn. 11 ff.). Dass die melderechtlichen Bestimmungen Serbiens an sich, die - ähnlich wie die vergleichbaren Bestimmungen in Deutschland - eine bußgeldbewehrte Pflicht zur Abmeldung vorsehen, ersichtlich keinen unmittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit darstellen hat das erkennende Gericht bereits früher entschieden (VG Regensburg, B. v. 7.5.2014 - RO 6 K 14.30326 - juris, Rn. 20, ebenso nun auch OVG Lüneburg, B. v. 22.10.2014 - 8 LA 129/14 - juris, Rn. 17 ff.). Gleiches gilt für den durch Art. 33 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs neu eingefügten Art. 350a des serbischen Strafgesetzbuchs, da diese Norm eindeutig nicht auf die Bestrafung des serbischen Bürgers abzielt, der aus Serbien ausreisen will, sondern Unterstützungsleistungen und Beihilfehandlungen Dritter zur missbräuchlichen Asylantragstellung mit Strafe bedroht (VG Regensburg, B. v. 7.5.2014, a. a. O., OVG Lüneburg, B. v. 22.10.2014, a. a. O.). Entgegen der Ansicht des VG Münster (B. v. 8.7.2014 - 4 L 461/14.A - juris) bestehen aber auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine selektive Anwendung der genannten Normen auf Roma in Serbien (vgl. hierzu ausführlich OVG Lüneburg, B. v. 22.10.2014, a. a. O.).
Auch sonst ergeben sich keinerlei Hinweise für eine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien (vgl. VG Regensburg, U. v. 7.5.2014 a. a. O., Rn. 19). Diese Einschätzung wird auch durch den aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15.12.2014 (im Folgenden: Lagebericht) bestätigt, der systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Roma ausdrücklich verneint (Lagebericht, S. 9). Vielmehr ist festzustellen, dass Roma, die mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen haben. Im Übrigen hat sich die Situation der Roma in den letzten Jahren verbessert, wobei staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-Gesundheitsmediatorinnen, der Zugang zu „Gesundheitsbüchlein“ und damit zum Gesundheitssystem - auch für nicht registrierte Personen - sowie die Einstellung von 175 Pädagogischen Assistenten an Schulen erste Erfolge zeigen (Lagebericht, a. a. O.).
Die Antragstellerin hat die durch § 29 a AsylVfG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Belästigungen und Beleidigungen insbesondere durch alkoholisierte Jugendliche gehen ersichtlich weder vom Staat noch von den Staat beherrschenden Parteien oder Organisationen aus. Ebenso bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Bedrohung durch nicht staatliche Akteure i. S. v. § 3 c Nr. 3 AsylVfG vorliegt, gegen welche die Antragstellerin staatlichen Schutz nicht erlangen könnte. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach dem Lagebericht eingeräumt wird, dass die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma und Homosexuelle) vorgeht und die Polizei Übergriffe in manchen Fällen nur zögerlich verfolgt (Lagegericht, S. 11). Nach dem Bericht ist jedoch auch davon auszugehen, dass Anzeigen von Roma wegen Körperverletzung zu Gerichtsprozessen führen. Außerdem bestehen nach dem Lagebericht Ausweichmöglichkeiten für Angehörige der betroffenen Gruppen, sich in toleranteren Teilen Serbiens niederzulassen (Lagebericht a. a. O.).
Auch ein Anspruch auf Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylVfG scheidet damit aus, weil gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG § 3 c AsylVfG entsprechend Anwendung findet.
Ebenso wenig führt das Vorbringen der Antragstellerin dazu, dass im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung vom Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG auszugehen wäre. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergäbe, ist nicht ersichtlich. Auch für eine individuell-konkrete Gefahr für die Antragstellerin i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte. Da diese Norm lediglich zielstaatsbezogene Gefahren erfasst, kann eine eventuelle Reiseunfähigkeit im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Berücksichtigung finden, sondern wäre von der Ausländerbehörde im Rahmen der Abschiebung zu prüfen.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis scheidet hier schon deshalb aus, weil die Antragstellerin keinerlei Nachweise für die von ihr behaupteten Erkrankungen erbracht hat. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass in Serbien die medizinische Grundversorgung gewährleistet ist. Nach dem Lagebericht ist zudem davon auszugehen, dass unter anderem Angehörige der Roma, die über keinen festen Wohnsitz in Serbien verfügen, kostenfrei behandelt werden. Zahlreiche Krankheitsbilder werden überdies unabhängig vom Status der Patienten stets kostenfrei behandelt, darunter auch Diabetes (Lagebericht, S. 15, 16).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylVfG abzulehnen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 1252/14.A der Antragsteller gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6.6.2014 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e
2Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 4 K 1252/14.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. 6. 2014 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4ist zulässig und begründet. Es bestehen im Sinne des Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung des Bundesamtes.
5Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im asylrechtlichen Aussetzungsverfahren (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 36 Abs. 3 und Abs. 4 AsylVfG) ist die Frage, ob das Bundesamt die Anträge der Antragsteller auf Anerkennung als Asylberechtigte und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 13 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylVfG) zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Dabei ist die gerichtliche Prüfung gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG auf die Frage beschränkt, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angefochtene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
6Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. 5. 1996 - 2 BvR 1516/93 -, NVwZ 1996, 678 (680), und Beschluss vom 2. 5. 1984 - 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE 67, 43 ff.
7So liegt es hier. Es sprechen derzeit erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidung des Bundesamtes keinen Bestand haben wird. Der Bescheid des Bundesamtes beruht maßgeblich auf der Prämisse, dass den Antragstellern als Zugehörige der Volksgruppe der Roma im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien offensichtlich keine im asylrechtlichen Verfahren relevanten Nachteile drohen. An dieser Einschätzung des Bundesamtes bestehen ernstliche Zweifel. Derzeit ist nicht offensichtlich, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien keine asylrechtlich beachtlichen Nachteile drohen.
8Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylVfG liegt dann vor, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt. Unter welchen Voraussetzungen sich ein Asylantrag als offensichtlich aussichtslos erweisen kann, so dass sich ihre Abweisung dem Gericht "geradezu aufdrängt", lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern bedarf der jeweiligen Beurteilung im Einzelfall. Soweit eine kollektive Verfolgungssituation geltend gemacht wird kommt die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet in der Regel nur bei Fallgestaltungen in Betracht, denen eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zugrunde liegt. Dies schließt nicht aus, dass auch bei Sachverhalten, bei denen von einer "anerkannten Rechtsauffassung" noch nicht ausgegangen werden kann, die Unbegründetheit des Asylantrags offensichtlich sein kann. Dazu wird es aber regelmäßig eindeutiger und widerspruchsfreier Auskünfte und Stellungnahmen sachverständiger Stellen bedürfen, auf denen die Erkenntnis des Gerichts beruht, eine asylrechtlich relevante politische Verfolgung der Angehörigen einer kollektiv bezeichneten Gruppe liege offensichtlich nicht vor.
9Vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 12. 7. 1983 – 1 BvR 1470/82 -, juris, Rdn. 57, und vom 21. 7. 2000 – 2 BvR 1429/98 -, juris, Rdn. 3.
10Diese Voraussetzungen sind derzeit in Bezug auf die Verfolgungssituation der Roma in Serbien nicht erfüllt.
11Eine obergerichtliche Rechtsprechung, die die aktuelle Auskunftslage hinsichtlich der Verfolgungssituation der Roma in Serbien berücksichtigt, gibt es nicht. Bislang hat kein Oberverwaltungsgericht die Angaben von Dr. Waringo, die im beim VG Stuttgart anhängig gewesenen Klageverfahren A 11 K 5036/13 als Zeugin vernommenen worden ist und die von der Kammer im hier noch anhängigen Verfahren 4 K 802/13 eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. 7. 2014 – 508-516.80/4817 – berücksichtigt. Nach den Angaben von Dr. Waringo sind die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen dazu bestimmt und werden diese Bestimmungen tatsächlich in asylrechtlich erheblicher Weise dazu eingesetzt, unter anderem Roma unter Missachtung des grundlegenden Menschenrechts der Ausreisefreiheit die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder unmöglich zu machen.
12Der wesentliche Inhalt der Aussage der Zeugin Dr. Waringo ist in dem Urteil des VG Stuttgart vom 25. 3. 2014 – A 11 K 5036/13 – abgedruckt; das Urteil kann im Internet etwa unter www.proasyl.de abgerufen werden.
13Das Auswärtige Amt hat diesen Angaben von Dr. Waringo in seiner Auskunft vom 1. 7. 2014 aus den unten dargelegten Gründen nicht widersprochen, aber auch nicht bestätigt.
14Es kann auch nicht unabhängig von einer gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung eine „anerkannte Rechtsauffassung“ angenommen werden.
15Die erstinstanzliche Rechtsprechung ist in der Bewertung der asylerheblichen Relevanz der Aussagen der Zeugin Dr. Waringo uneinheitlich. Während das VG Stuttgart in seinem Urteil vom 25. 3. 2014, a. a. O., maßgeblich unter Hinweis auf die Aussage der Zeugin und ihre Ausführungen in „Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation“,
16abrufbar im Internet unter www.proasyl.de,
17das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug auf die klagenden Roma aus Serbien bejaht hat, lehnen das VG Sigmaringen, Urteil vom 28. 5. 2014 – 1 K 234/14 -, juris, und das VG Regensburg, Urteil vom 7. 5. 2014 – RO 6 K 14.30326 -, juris, auch unter Berücksichtigung der Angaben der von Dr. Waringo eine Gruppenverfolgung der Roma in Serbien und eine asylrechtlich beachtliche Einschränkung ihrer Ausreisefreiheit ab. Aus den Urteilen des VG Sigmaringen und des VG Regensburg ergibt sich nicht, dass Dr. Waringo und ihr folgend das VG Stuttgart einer sich aufdrängenden Fehleinschätzung der Situation der Roma in Serbien unterliegen. Das VG Sigmaringen und das VG Regensburg haben vielmehr die Einschätzung des VG Stuttgart und die tatsächlichen Angaben und Einschätzungen der Zeugin Dr. Waringo nicht durchgreifend in Frage gestellt.
18Das VG Sigmaringen stützt seine in Bezug auf die Ausreisefreiheit der Roma vom VG Stuttgart abweichende Einschätzung maßgeblich darauf, dass die dem VG Sigmaringen vorliegenden Erkenntnisquellen keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Richtigkeit der Angaben der vom VG Stuttgart vernommenen Zeugin Waringo enthielten. Diese Auffassung des VG Sigmaringen überzeugt (jedenfalls) nicht in einer das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes in dem Bescheid vom 6. 6. 2014 tragenden Weise. Abgesehen davon, dass das VG Sigmaringen die in seinem Urteil angesprochenen Erkenntnisquellen nicht im Einzelnen dargelegt hat, lassen sich allein daraus, dass andere (ältere) Erkenntnisquellen die Angaben der Zeugin Waringo nicht stützen, keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin herleiten. Denn aus dem Urteil des VG Sigmaringen geht nicht hervor, dass dem Gericht Erkenntnisquellen vorliegen, die sich mit der Einschätzung der Zeugin Waringo auseinandersetzen.
19Soweit das VG Regensburg, a. a. O., Rdn. 20, darauf verweist, dass Art. 17 der serbischen Verfassung ausdrücklich ein Recht auf Bewegungsfreiheit vorsehe, welches das Recht beinhalte, Serbien zu verlassen und wieder nach Serbien zurückzukehren, trifft dies zu und wird dieser rechtliche Ausgangspunkt auch von der Zeugin Dr. Waringo und dem VG Stuttgart zugrundegelegt. Der Verweis auf Art. 17 der serbischen Verfassung besagt aber nichts über die tatsächliche Anwendung der serbischen Ausreisebestimmungen. Der weitere Verweis des VG Regensburg, a. a. O., Rdn. 20, darauf, dass Verstöße gegen das bayerische Meldegesetz bußgeldbewehrt sind, ist auch im Ansatz nicht geeignet, die asylerhebliche Beachtlichkeit des serbischen Meldegesetzes in Frage zu stellen, wonach sich Personen, die länger als 90 Tage im Ausland bleiben, vor ihrer Ausreise und bei ihrer Rückkehr sich bei den zuständigen serbischen Behörden melden müssen und Verstöße hiergegen mit Geldstrafen geahndet werden können. Denn nach den Angaben von Dr. Waringo, die sie auf Informationen des Center for Minorities stützt, werden die serbischen melderechtlichen Bestimmungen tatsächlich selektiv auf Roma angewendet.
20Dr. Waringo, Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation, a. a. O., S. 41.
21Diese tatsächliche Anwendung des serbischen Meldegesetzes und der damit beabsichtigten Zielrichtung der serbischen Stellen wird durch den bloßen Verweis auf das bayerische Melderecht nicht in Frage gestellt.
22Schließlich liegt auch keine eindeutige und widerspruchsfreie Auskunftslage vor, die die Ablehnung der Asylanträge der Antragsteller als offensichtlich unbegründet rechtfertigt.
23Nach den Angaben von Dr. Waringo in dem beim VG Stuttgart anhängig gewesenen Verfahren A 11 K 5036/13 zielen die geltenden serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen unter anderem darauf, den Roma die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder unmöglich zu machen; diese Zielrichtung werde auch in der Praxis umgesetzt. Es drängt sich nicht auf, dass diese Angaben unzutreffend sind.
24Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft vom 1. 7. 2014 den Angaben von Dr. Waringo nicht widersprochen, die Angaben aber auch nicht bestätigt. Es hat zu den Ausreisebeschränkungen in seiner Auskunft vom 1. 7. 2014 ausgeführt:
25„Die Antragszahlen (Erst- und Folgeanträge serbischer Asylbewerber in Deutschland) sind in den letzten Jahren massiv angestiegen (2012: 12.812 Asylanträge, 2013: 18.001 Asylanträge). Die serbischen Asylbewerber reisen überwiegend legal mit Reisebussen ins Schengengebiet ein.
26Eine gesetzliche Regelung, die die Behinderung oder Verhinderung der Ausreise von serbischen Staatsangehörigen vorsieht, existiert nicht. Allerdings sieht die ‚Verordnung zur näheren Regelung der Art der Ausübung der polizeilichen Befugnisse der Grenzpolizisten und den Pflichten der Personen, die die Grenze überqueren’, vor, dass Grenzpolizisten außer dem Reisepass noch die Vorlage weiterer Unterlagen zum Reisezweck und der Rückkehrbereitschaft (z. B. Hotelbuchung, Einladung etc.) von Personen, die die serbische Grenze überqueren, verlangen können. Diese Verordnung ist Mitte 2011 in Kraft getreten. Es finden außerdem umfangreiche Aufklärungskampagnen unter Einschluss aller Print- und elektronischen Medien statt. Flyer und Plakate an Grenzübergängen erläutern die Voraussetzungen der visafreien Einreise in das Schengengebiet und die Problematik der missbräuchlichen Asylantragstellung.“
27Diese Auskunft ist unergiebig. Denn das Auswärtige Amt geht auf die tatsächliche Zielrichtung der Praxis der serbischen Grenzbehörden und der Aufklärungskampagnen über die Voraussetzungen der visafreien Einreise in das Schengengebiet und die „Problematik“ der missbräuchlichen Asylantragstellung nicht ein. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes erschöpft sich darin, die Befugnis der serbischen Grenzpolizei darzustellen und auf serbische Aufklärungskampagnen über die visafreie Ausreise in das Schengengebiet und die Problematik einer missbräuchlichen Asylantragstellung hinzuweisen. Die ausdrücklich in dem Beweisbeschluss der Kammer vom 22. 5. 2014 – 4 K 802/13.A – angesprochene Frage, ob die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen ausdrücklich dazu bestimmt und eingesetzt werden, Angehörigen von Minderheiten die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen, ist damit (formell) nicht beantwortet worden. Offen ist auch, ob das Auswärtige Amt hierzu deshalb nicht näher Stellung genommen hat, weil es die Angaben von Dr. Waringo und die darauf gestützte Einschätzung des VG Stuttgart hinsichtlich der Ausreisefreiheit der Roma in Serbien für zutreffend hält.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.