Verwaltungsgericht München Urteil, 19. März 2018 - M 8 K 16.4726
Tenor
I. Die Baugenehmigung vom 22. September 2016, Az. … wird aufgehoben.
II. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
12.30 bis 14.00 Uhr Mittagessen,
13.00 bis 15.00 Uhr Ruhezeit, Freispiel oder Hausaufgabenbetreuung,
15.00 bis 17.00 Uhr Angebote in den umliegenden Grünanlagen, Freifläche, Freispiel,
ab 17.00 Uhr Freispiel oder Hausaufgabenbetreuung, Snack.
Der Bescheid der Beklagten vom 22.9.2016, Az: … wird aufgehoben.
die Klage wird abgewiesen.
Gründe
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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 8 K 14.3357
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 27. April 2015
8. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte:
- Abstandsflächenübernahme
- Überdeckung der Abstandsflächen vor Außenwänden, die im 90° Winkel zueinander stehen
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
... - Klägerin -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
... - Beklagte -
beigeladen: ...
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
wegen Baugenehmigung ...-str. 59, FlNr. ... Gem. ... - Nachbarklage
Errichtung einer Schallschutzwand
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 8. Kammer,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2015 am 27. April 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
die Klage abzuweisen.
die Klage abzuweisen.
Der Baugenehmigungsbescheid der ... vom ... Juli 2014 wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
I.
II.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom
II.
Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen für das Grundstück ... ...-str. 16, Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., erteilte Baugenehmigung für ein Wohnheim für Flüchtlinge und Wohnungslose.
Am
(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.)
Das fünfgeschossige Vordergebäude mit ausgebautem Dachgeschoss liegt mit seiner Traufe knapp unter der des Gebäudes ...-str. 14; die Firste der ...-str. 14 und des streitgegenständlichen Gebäudes liegen mit 16,53 m auf gleicher Höhe. Das Flachdach des klägerischen Gebäudes liegt im südlichen Bereich ca. 0,60 m (abgegriffen), im nördlichen (Straßen-)Bereich ca. 1,30 m unter der Traufe des streitgegenständlichen Neubaus. Im Erdgeschoss sollen im fünfgeschossigen Vordergebäude 5 Appartements, im eingeschossigen Anbau 1 Appartement, im 1., 2., 3. und 4. Obergeschoss je 6 Appartements und im Dachgeschoss 3 Appartements für insgesamt 33 Flüchtlinge entstehen.
Des Weiteren befinden sich im eingeschossigen, rückwärtigen Anbau ein Therapiezimmer und ein Mehrzweckraum.
Das Kellergeschoss, in dem unter anderem 7 Stellplätze vorgesehen sind, weist keinen direkten Ausgang bzw. keine Zufahrt zur ...-straße auf.
Nach der Ansicht „Anbau“ und „Ausstieg Ost“, war im südöstlichen Grundstücks-bereich ein überdachter Treppenabgang als zweiter Fluchtweg über die Tiefgarage des klägerischen Anwesens vorgesehen.
Mit Bescheid vom
Weiterhin enthielt die Baugenehmigung den Hinweis, dass der Brandschutznachweis gemäß Bauantrag durch einen vom Bauherren beauftragten Prüfsachverständigen geprüft werde. Aussagen und Eintragungen in den Bauantragsunterlagen zum Brandschutz seien daher nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung und Genehmigung.
Die Baugenehmigung vom
Mit einem am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 28. Juli 2015 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage mit dem Antrag,
den Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
Auf dem Grundstück der Klägerin bestehe für die Beigeladene eine Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt, durch die auf den benachbarten Grundstücken der Klägerin errichtete Tiefgarage gehen und mit Kraftfahrzeugen fahren zu können. Dies schließe denknotwendig das Recht ein, über das dienende Grundstück der Klägerin auf diesem Weg zu der vor Kurzem dort erstmals hergestellten Tiefgarage auf dem streitgegenständlichen Grundstück der Beigeladenen zu gelangen, folglich dort eine bauliche Verbindung zwischen den beiden Tiefgaragen in der Weise herzustellen, dass diese mit Kraftfahrzeugen durchfahren werden könne. Die von der Klägerin geltend gemachte Einrede der Verjährung greife nicht durch.
Mit Schreiben vom
Der inhaltlich unrichtige Lageplan mit nicht vorhandenen Bebauungen stelle keine geeignete Grundlage für die erteilte Baugenehmigung dar, da insoweit nicht ausgeschlossen werden könne, dass aufgrund der unrichtigen Pläne möglicherweise Nachbarrechte der Klägerin verletzt werden würden. Das Vorhaben sei gebietsunverträglich und habe eine abriegelnde Wirkung. Der zu erwartende Zu- und Abgangsverkehr verletze das Gebot der Rücksichtnahme. Es gelinge der Beigeladenen nicht, hinreichende KFZ-Stellplätze nachzuweisen, da die im Kellergeschoss des Vorhabens vorgesehenen Stellplätze keine Anbindung an die öffentliche Straße hätten, weshalb der Beigeladenen de facto keine Stellplätze zur Verfügung stünden. Daran ändere auch die mit notarieller Urkunde vom 9. Mai 1974 bestellte Grunddienstbarkeit nichts, da insoweit eine Verjährung eingetreten sei und die Klägerin einen Anspruch auf die Löschung habe, zumal sich durch die geänderte Bebauung und Nutzung der Charakter der Grunddienstbarkeit in unzulässiger Weise geändert habe. Die Beklagte habe über essentielle Mindestanforderungen an das geplante Bauvorhaben hinweggesehen; hierbei sei auch unberücksichtigt gelassen worden, dass durch einen Tiefgaragendurchbruch einer Vielzahl unbekannter Menschen Tür und Tor geöffnet wäre, in das klägerische Wohngebäude zu gelangen. Darüber hinaus weiche die tatsächliche Bauausführung von den eingereichten Plänen ab. Die Baugröße der Rettungsausstiege - die in den Stockwerken 2 - 4 an der Südseite des Vorhabengebäudes realisiert worden seien - seien in den ursprünglichen Plänen nicht enthalten und seien im Vergleich zu späteren Planung auch noch überdimensioniert ausgeführt worden. Es handele sich - abweichend von den Plänen - im 1. Obergeschoss um zwei Einzelbalkone links und rechts vom Anbau, die - wie auch die darüber liegenden Balkone - deutlich breiter ausgeführt worden seien, als auf den Plänen wiedergegeben, und zwar bis über die äußeren Fensterlaibungen hinaus und bis auf 0,96 m an die Balkone der Klägerin heranreichend. Es liege auf der Hand, dass die ungenehmigte Balkonausbildung zudem zu einer Einschränkung der Wohnqualität der Wohnungseigentümer der Klägerin führe.
Dem Schriftsatz vom 1. August 2016 war ein Endurteil des Landgerichts München I
Mit Schriftsatz vom 8. August 2016 nahm der Bevollmächtigte der Beigeladenen zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 1. August 2016 Stellung und führte aus, dass die Klägerin als Nachbarin keinen materiellen Anspruch darauf habe, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreiche. Eine Baugenehmigung sei demnach nur dann aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Vorlagen der Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grunde eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden könne. Diese sei aber im Hinblick auf die behauptete Abweichung vom amtlichen Lageplan nicht dargelegt.
Das Vorhaben füge sich in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein, da es sich um ein Allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO handele, weshalb die Darstellung im Flächennutzungsplan zutreffend sei. Es handele sich auch im Reinen Wohngebiet nicht um eine gebietsfremde Nutzung, da aufgrund der typischerweise mit der Unterbringung von nur 33 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung auszuschließen sei, dass das Wohnen im einen Allgemeinen oder selbst einem reinen Wohngebiet unzumutbar gestört werde. Dies gelte auch im Hinblick auf den An- und Abfahrtsverkehr, da die untergebrachten 33 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge weder über einen Führerschein noch über Kraftfahrzeuge verfügten. Die Unterstellung, dass selbst bei bestimmungsgemäßer Nutzung von vornherein davon auszugehen wäre, dass es künftig zu unzumutbaren Lärmbelästigungen kommen werde, sei aus der Luft gegriffen und lasse sich im Einklang mit geltendem Recht nicht begründen.
Auch das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt; vom streitgegenständlichen Gebäude ginge keine „erdrückende“ Wirkung aus. Auch etwaige Einsichtsmöglichkeiten seien nicht unzumutbar, zumal es sich bei den geplanten Balkonen um reine Fluchtbalkone handele, die bestimmungsgemäß von den Appartements aus nicht betreten werden könnten, da dort nur Fenster mit einer Brüstungshöhe von 0,90 m - also gerade keine Balkontüren - vorhanden seien. Die Fluchtbalkone bildeten zusammen mit der Stahlwendeltreppe und den Notleiteranlagen ausschließlich einen gerade nicht zum Aufenthalt von Menschen bestimmten zweiten Rettungsweg. Die vorhandenen Fluchtbalkone mit einer Tiefe von nur 1,20 m seien daher dem Zweck entsprechend nicht überdimensioniert, sondern seien so ausgeführt worden, dass sie dem vorbeugenden Brandschutz als zweiter Rettungsweg gerecht werden würden. Die Größe sei mit der Branddirektion der Beklagten abgestimmt und von der Beklagten genehmigt worden.
Im Übrigen weigere sich die Klägerin zu Unrecht, die zulasten ihres dienenden Grundstücks und zugunsten des streitgegenständlichen als dem herrschenden Grundstück eingetragene Dienstbarkeit zur Durchfahrt durch ihre Tiefgarage zu gewähren. Die Beigeladene habe in enger Abstimmung mit der Branddirektion der Beklagten ein Brandschutzkonzept erstellt, das Eingang in das streitgegenständliche Baugenehmigungsverfahren gefunden habe und von der Bauordnungsbehörde der Beklagten bzw. deren Branddirektion geprüft worden sei. Die Pläne für dieses Brandschutzkonzept seien diesem Schriftsatz als Anlage beigefügt worden. Die Behauptung der Klägerin, die tatsächliche Bauausführung weiche von den eingereichten Plänen ab, sei unrichtig. Aus dem Brandschutzkonzept sei ersichtlich, dass die Feuerwehr von der ...-straße aus östlich am Gebäude vorbei - muss wohl heißen „westlich“, Anm. des Verfassers - auf die Südseite des Gebäudes gelangen könne.
Mit Schreiben vom 14. September 2016 legten die Bevollmächtigten der Klägerin das Protokoll der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 12. August 2015 vor, das den Beschluss enthält, mit dem die Verwaltung beauftragt wurde, gegen die Baugenehmigung für das Wohnheim für Flüchtlinge Klage zu erheben.
Das Gericht hat am 26. September 2016 Beweis über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Baugrundstück sowie in dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der der Bevollmächtigte der Klägerin den Antrag aus dem Klageschriftsatz vom 28. August 2015 stellte und die Vertreterinnen der Beklagten und der Bevollmächtigte der Beigeladenen Klageabweisung beantragten, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte und das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 24. Juli 2015 ist rechtswidrig.
Die Baugenehmigung wurde auf der Basis von Plänen erteilt, die die Anforderungen des Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBO i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 1 Nr. 5 BauVorlV verfehlen (1.)
Da diese Mängel Teile des Vorhabens erfassen, die nachbarrechtsrelevant sind, liegt darin zugleich eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Klägerin, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (2.).
1. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBO sind mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrages erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 BauVorlV sind für den Nachweis des Brandschutzes im Lageplan, in den Bauzeichnungen und in der Baubeschreibung - soweit erforderlich - der erste und zweite Rettungsweg nach Art. 31 BayBO - insbesondere notwendige Treppenräume, Ausgänge, notwendige Flure - mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stellen, einschließlich der Fenster - die als Rettungswege nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBO dienen - unter Angabe der lichten Maße und Brüstungshöhen anzugeben.
1.1 Inhalt der zur Genehmigung gestellten Pläne sind vorliegend weder die Austrittsbalkone - insoweit entgegen der Behauptung der Beigeladenen - noch die Rettungstreppe, die bei der vorgesehenen Grundrissplanung aus Brandschutzgründen notwendig ist und auch tatsächlich errichtet wurde und vom 1. Ober-geschoss bis auf das Dach des eingeschossigen Anbaus führt. In den genehmigten Plänen sind in der Ansicht „Süd“ keine Balkone zu erkennen; der Schnitt A-A, der an den möglichen Balkonen vorbei gelegt wurde, zeichnet im Schattenriss zwar die Balkone der Klägerin nach. Am streitgegenständlichen Gebäude sind Austrittsbalkone nicht dargestellt. Auch in den Grundrissdarstellungen finden sich keine Austrittsbalkone. § 11 Abs. 1 Nr. 5 BauVorlV verlangt eine solche Darstellung in den vorzulegenden und zu genehmigenden Bauzeichnungen und zwar unabhängig von der Frage, ob der Brandschutz bauaufsichtlich geprüft wird oder - wie vorliegend - gemäß Art. 62 Abs. 3 Nr. 1 BayBO die Möglichkeit eröffnet ist, den Brandschutz durch einen Prüfsachverständigen bescheinigen zu lassen. Diese Möglichkeit kann nicht bedeuten - wie die Beigeladene und die Beklagte offenbar meinen -, dass Gebäudebestandteile, nur weil sie im Zusammenhang mit dem Brandschutz stehen, in den Bauzeichnungen nicht - mehr - dargestellt werden müssen, wenn der Brandschutz - wie unter anderem im Fall des Art. 62 Abs. 3 Nr. 1 BayBO - nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist.
Genau das Gegenteil bestimmen § 1 Abs. 1 Satz 1 und auch § 11 Abs. 1 Nr. 5 BauVorlV, wonach - soweit erforderlich - die entsprechenden Anlagen in den Bauzeichnungen darzustellen sind. Die Verlagerung des Brandschutznachweises - durch die Vorlage einer Prüfbescheinigung - in die private Verantwortung des Bauherren kann diesen nicht von der Verpflichtung, das Bauvorhaben mit allen seinen genehmigungspflichtigen Bestandteilen in den Plänen darzustellen, entbinden.
Vielmehr muss der Bauherr gegebenenfalls vor der Einreichung der Bauvorlagen abklären, inwieweit der Brandschutz genehmigungspflichtige Gebäudebestandteile erfordert. Auch ohne Prüfbescheinigung - die gemäß Art. 68 Abs. 5 Nr. 2 BayBO erst mit Baubeginn vorliegen muss - konnte für die Beigeladene bzw. deren Architekten nicht außer Frage stehen, dass für die im rückwärtigen Gebäudebereich situierten Appartements ein zweiter Rettungsweg errichtet werden muss. Die Darstellung der Beigeladenen und der Beklagten, dass sich eine solche Notwendigkeit - quasi nicht vorhersehbar - erst durch die Prüfbescheinigung ergeben habe, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
Genauso wenig nachvollziehbar ist, dass die Beklagte - nachdem die Prüfbescheinigung jedenfalls vor Baubeginn vorliegen musste bzw. hätte vorliegen müssen - weder die Bauausführung im Hinblick auf den Widerspruch zwischen den Vorgaben der Prüfbescheinigung sowie der eingereichten und genehmigten Pläne verhindert, noch die insoweit notwendige Tektur gefordert hat. Eine solche Tektur lag auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts der Beklagten nicht vor, wie der Bevollmächtigte der Beigeladenen und die Vertreterin der Beklagten ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung betont haben.
Die Gebäudebestandteile „Rettungsbalkone“ und „Rettungstreppe“ gehören aber zweifellos zum genehmigungspflichtigen Gesamtbauvorhaben und sind nicht durch den Zusammenhang mit dem bauaufsichtlich nicht zu prüfenden Brandschutznachweis dem Prüfprogramm entzogen und somit plötzlich „faktisch genehmigungsfrei“ geworden.
Damit wird auch die - weil Sonderbau - zum Prüfprogramm gehörende Abstandsflächenfrage dem Prüfprogramm entzogen bzw. in die Prüfbescheinigung verlagert, deren Zweck nach dem gesetzgeberischen Willen darin bestehen soll, technische Brandschutzfragen zu klären.
Genau diese Rechtsfolge leiten aber die Beigeladene und die Beklagte aus der Möglichkeit, den Brandschutznachweis durch eine Prüfbescheinigung nachzuweisen, ab. Diese Schlussfolgerung würde dem Bauherren das Recht geben, Bauzeichnungen und Baupläne zur Genehmigung zu stellen, die letztlich weder dem Brandschutz noch dem Grundsatz, die Bauvorlagen in der Art und Weise einzureichen, die für die Beurteilung des Vorhabens erforderlich ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV) gerecht werden können. Diese Konsequenz macht sich der als Hinweis in die Baugenehmigung von der Beklagten formulierte Satz: „ Aussagen und Eintragungen in den Bauantragsunterlagen zum Brandschutz sind daher nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung und Genehmigung.“, zu eigen; er bedeutet, dass auch Gebäudebestandteile, die nicht nur beim technischen Brandschutz relevant sind, sondern auch bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich zu prüfen sind - wie eben die Rettungstreppe oder auch die Austrittsbalkone - in dieser Hinsicht nicht geprüft werden, selbst wenn sie in den Bauvorlagen enthalten sind.
Soweit dem Gericht bekannt ist, hat sich die Beklagte bisher noch nie auf einen derartigen Standpunkt gestellt und im Falle einer Prüfbescheinigung eingezeichnete Gebäudebestandteile wie Rettungsbalkone und Rettungstreppen als in den Bauzeichnungen quasi nicht existent betrachtet.
Eine solche Folgerung aus dem eingeschränkten Prüfprogramm hinsichtlich des Brandschutznachweises zu ziehen, widerspricht den gesetzlichen Intentionen und führt auch dazu, dass - wie vorliegend - Baupläne genehmigt werden, deren Umsetzbarkeit gerade aus Brandschutzgründen unmöglich ist.
Die von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 1. August 2016 vorgelegten „Austauschpläne“ belegen, dass vorliegend genau dieser Fall eingetreten ist, nämlich Pläne genehmigt wurden, die offensichtlich den Anforderungen an den baulichen Brandschutz nicht gerecht werden können.
In den so genannten „Austauschplänen“ sind sowohl erstmals die Austrittsbalkone als auch die Rettungstreppe und ein Durchgang für die Feuerwehr an der Westseite des Erdgeschosses dargestellt; in den genehmigten Plänen finden sich weder die Rettungsbalkone und die Rettungstreppe noch der Durchgang im Erdgeschoss, an den sich gemäß dem „Austauschplan - Erdgeschoss“ östlich zwei Büros anschließen, während im genehmigten „Erdgeschossplan“ statt dessen noch zwei Appartements dargestellt waren.
Auch im Hinblick auf den im Rahmen der Vorlage einer Prüfbescheinigung nicht bauaufsichtlich zu prüfenden Brandschutz kann nur der Grundsatz, dass alle genehmigungspflichtigen Bauteile in die Bauvorlagen einzuzeichnen sind, gelten.
1.2 Die Pläne sind auch insoweit unschlüssig und widersprüchlich, als sie einen Abgang zur Tiefgarage des klägerischen Grundstücks - als Weiterführung des 2. Rettungsweges für die rückwärtig gelegenen Apartments - darstellen, der so aufgrund des nicht existenten und absehbar nicht realisierbaren Durchgangs zu dieser Tiefgarage keine Funktion hat. Vielmehr kann der 2. Rettungsweg aus dem rückwärtigen Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks aktuell nur über Inanspruchnahme der benachbarten Grundstücke realisiert werden, ohne das hierfür die zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben wären. Insoweit ist auch der im Grundrissplan „Kellergeschoss“ dargestellte Durchgang zur Tiefgarage der Klägerin unrichtig. Ob ein solcher Durchgang mittel- oder langfristig zivilrechtlich durchgesetzt werden kann, muss zumindest als offen betrachtet werden, da nach dem Wortlaut der Grunddienstbarkeitsbestellung vom 29.Mai 1974 nur der jeweilige Eigentümer und dessen Bevollmächtigte des herrschenden Grundstücks - das seinerzeit mit einem Einfamilienhaus bebaut war - berechtigt sind.
Der nunmehr in den „Austauschplänen“ für den Brandschutznachweis unter Verzicht auf 2 Apartments an der Westseite im Erdgeschoss dargestellte „Feuerwehrdurchgang“ ist weder Inhalt der genehmigten Pläne noch wurde seine Realisierung bislang mittels Tektur angestrebt. Über die mangelnde Darstellung eines solchen notwendigen Durchgangs kann die Bauaufsichtsbehörde ebenfalls nicht mit der Behauptung, dieser sei - nur - Bestandteil der nicht zum Prüfprogramm gehörenden Prüfbescheinigung hinwegsehen; vielmehr gehört die Darstellung eines solchen Durchgangs zum notwendigen Inhalt des entsprechenden Grundrissplans, vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 11 Abs.1 Nr.5 BauVorlV.
2. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 116. EL, Juli 2014, Art. 64 Rn. 75). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Bau-genehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a. a. O. Rn. 80).
Sind die Angaben in den Bauvorlagen in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig, so ist eine Baugenehmigung rechtswidrig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen von der Genehmigungsbehörde nicht zutreffend beurteilt wurden (vgl. Gaßner, a. a. O. Rn. 82).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1775 - juris Rn. 11 m. w. N.). Wenn die Baugenehmigung selbst oder die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauvorlagen wegen Ungenauigkeiten keine Entscheidung zulassen, ob die Anforderungen derjenigen Vorschriften gewährleistet sind, die zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehören und die Nachbarschutz vermitteln, kann eine Nachbarrechtsverletzung zur Aufhebung einer Baugenehmigung führen (BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektiv-öffentliche Abwehrrechte der Klägerin begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung der Klägerin hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16;
Dem folgt auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung.
Das Bestimmtheitsgebot verlangt in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Baumaßnahmen und Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat.
Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht (OVG NRW, U. v. 6.6.2014 - 2 A 2757/12 - juris Rn. 73 und OVG Lüneburg, B. v. 26.1.2012 - 1 ME 226/11 - juris Rn. 22).
2.1 Die eingereichten und genehmigten Bauvorlagen sind vorliegend offensichtlich unvollständig (1.), da sowohl für die Beigeladene bzw. deren Architekten und auch für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich war, dass der erforderliche zweite Rettungsweg für die im rückwärtigen Gebäudebereich liegenden Appartements der Obergeschosse nicht dargestellt war. Die Großzügigkeit der Beklagten im Hinblick auf dieses erhebliche Defizit der eingereichten und genehmigten Pläne erstaunt insoweit, als diese in anderen Fällen auch geringfügigere Mängel der Bauvorlagen rügt und als Ablehnungsgrund heranzieht (vgl. das Verfahren M 8 K 15.2110 - hinsichtlich der von der Beklagten abgelehnten Baugenehmigung; hier wurde bei der Darstellung „Schnitt - Rampe und Ansicht von Osten Haus 1“ gerügt, dass das hier nur zur Vervollständigung des Bildes dargestellte „Haus 2“ auf seiner Südseite keinen Balkon aufwies, obwohl in den Bauzeichnungen, die das „Haus 2“ explizit dargestellt hatten, die Balkone ordnungsgemäß eingezeichnet waren).
Vorliegend betreffen die Unvollständigkeit und die daraus resultierende Unrichtigkeit der Bauvorlagen auch Vorschriften, deren Verletzung subjektiv-öffentlich-rechtliche Abwehrrechte der Klägerin begründen können, da bei dem als „Sonderbau“ zu bewertenden Bauvorhaben gemäß Art. 60 Abs. 1 BayBO die Abstandsflächen im Prüfumfang der Baugenehmigung enthalten sind. Aufgrund der Breite des Grundstücks von lediglich 12 m und der Höhe der Rettungstreppe einschließlich Geländer von 19,50 m (abgegriffen aus dem Austauschplan - Ansicht Süd) ist offensichtlich, dass eine solche Rettungstreppe die Abstandsflächen - weder zum westlichen noch zum östlichen Nachbarn (Klägerin) - einhalten kann.
Somit kann aufgrund der unvollständigen und damit auch unrichtigen Planvorlagen nicht nur nicht sicher bestimmt werden, dass Abstandsflächenverletzungen vom Vorhaben gegenüber der Klägerin nicht ausgehen; vielmehr ist von einer solchen Abstandsflächenverletzung auszugehen, zumal auch fragwürdig ist, ob ein derartiger Abstandsflächenverstoß durch eine Abweichung ausgeräumt werden könnte, da bei einem Neubauvorhaben insoweit die Atypik - im Hinblick auf die Notwendigkeit einer außenführenden Rettungstreppe - fehlt. Es ist auch nicht ohne weiteres anzunehmen, dass die Klägerin aufgrund eigener Nichteinhaltung von Abstandsflächen gehindert wäre, den Abstandsflächen-verstoß der Beigeladenen geltend zu machen.
2.2 Die nicht realisierbare, aber in den Plänen dargestellte Weiterführung des 2. Rettungsweges durch die Tiefgarage der Klägerin hat insoweit Nachbarrelevanz, als im Brandfall zur Rettung der Bewohner Nachbargrundstücke in Anspruch genommen werden müssen. Diese Inanspruchnahme ist auch nicht nur zivilrechtlich von Bedeutung - grundsätzlich ergeht die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritte (Art. 68 Abs. 4 BayBO) - sondern hat auch öffentlich-rechtliche Nachbarrelevanz, da hierdurch ein Notwegerecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB im Brandfall begründet wird (vgl. BVerwG, U. v. 26.3.1976 - IV C 7.74
3. Die streitgegenständliche Baugenehmigung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko unterworfen hat, konnten ihr gemäß § 154 Abs. 3 VwGO die hälftigen Verfahrenskosten auferlegt werden.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -) i. V. m.
Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Dezember 2014 ist wirkungslos geworden.
III.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Beigeladene trägt seine in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 7. Dezember 2016 anzuordnen und 7 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach dem Beigeladenen einstweilen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen.
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene, diese als Gesamtschuldner, tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte. Eine Kostenerstattung zwischen der Beklagten und den Beigeladenen findet nicht statt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur „Sanierung einer Winkelstützmauer“.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung E. , Flur 11, Flurstück 846. Auf diesem betreibt sie einen seit Jahrzehnten bestehenden Metallverwertungsbetrieb. Das Flurstück 846 liegt südöstlich der Bahnstrecke I. -M. , unmittelbar am Bahnhof I. -S. , hat einen Gleisanschluss und stand bis zu Eintragung der Klägerin als Eigentümerin ins Grundbuch am 3. November 2004 im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland - Eisenbahnvermögen. Zuvor war es an die Klägerin (bzw. deren Rechtsvorgänger) vermietet.
4Südöstlich an das Grundstück der Klägerin grenzen - von Südwesten nach Nordosten - die Flurstücke 847 bis 850 (T.------straße Nr. 11, 11 a, 11 b, 11 c), die im Eigentum der Beigeladenen stehen. Die Grundstücke weisen ein erhebliches Gefälle von der T.------straße in Richtung auf das Grundstück der Klägerin auf. Die Straße hat an den Grundstücken der Beigeladenen im Nordosten eine Höhe von 196,67 m über NN und im Südwesten von 194,50 m über NN.
5Die Q. Q1. & C. GmbH stellte im August 1999 vier Bauanträge zur Errichtung von zwei Doppelhäusern auf dem Flurstück 278, den jetzigen Flurstücken 847 bis 850. Die Doppelhäuser sollten in einem Abstand von ca. 3,80 m bis 4,30 m von der T.------straße errichtet werden und eine Gebäudelänge von 11 m haben. Die Nordwestwände der beiden Doppelhäuser sollten in einem Abstand von ca. 7,50 m zur Grenze des Flurstücks 846 errichtet werden. Nach den Ansichtszeichnungen und den Schnitten sollte das vorhandene Gelände in den südöstlichen Grundstücksbereichen zur Straße angeschüttet werden und in den nordwestlichen Bereichen unverändert bleiben. Das vorhandene Gelände sollte an den Eckpunkten der Nordwestwände Höhen von 188,25 m und 188,06 m (Nr. 11 c), 188,06 m bzw. 187,98 m (Nr. 11 b), 187,74 m und 187,73 m (Nr. 11 a) und 187,73 m bzw. 188,99 m (Nr. 11) haben. Hinter den Nordwestwänden sollte das natürliche, zum Flurstück 846 abfallende Gelände erhalten bleiben. In einem Schreiben des Architekturbüros T1. an die Stadt I. vom 2. Februar 2000 heißt es: „Im Böschungsbereich zur Bahn hin wird eine Aufforstung mit ortsüblichem Gehölz […] empfohlen (begrünter, natürlicher Sichtschutz zum Bahngewerbegelände).“
6Ebenfalls mit Schreiben vom 2. Februar 2000 wies die Beklagte die Q. Q1. & C. GmbH darauf hin, dass die Abstandflächen der geplanten Doppelhaushälften nicht vollständig auf dem Baugrundstück lägen.
7Mit Schreiben vom 29. März 2000 bzw. 9. Mai 2000 wurden neue Lagepläne mit neuen Abstandflächenberechnungen und Abstandflächen-Zeichnungen eingereicht. In diesen sind die geplanten Wohnhäuser in südöstlicher Richtung zur T.------straße hin verschoben, so dass die Nordwestwände einen Abstand von ca. 9 m zum Grundstück der Klägerin einhalten. Das Gelände an den Nordwestwänden soll Höhen von 189,88 m bzw. 189,02 m (Nr. 11 c und 11 b) und 188,43 m bzw. 188,57 m (Nr. 11 a und 11) haben. Die Grundstückshöhen an der nordwestlichen Grenze sind in den Lageplänen am Flurstück 850 mit 181,37 m bzw. 181,92 m, am Flurstück 849 mit 181,92 m und 182,37 m, am Flurstück 848 mit 182,37 m und 182,56 m sowie am Flurstück 847 mit 182,56 m und 183,29 m angegeben. Die mit den früheren Bauanträgen eingereichten Geländeschnitte und Ansichtszeichnungen wurden nicht ausgetauscht.
8Die Beklagte erteilte der Q. Q1. & C. GmbH bzw. den Beigeladenen (bzw. deren Rechtsvorgängern) mit Bauscheinen vom 14. Juni 2000 und 11. Juli 2000 vier Baugenehmigungen zur Errichtung von jeweils zwei Doppelhäusern.
9Unter dem Datum vom 21. Dezember 2000 fertigte der Dipl.-Ing. I1. für die Eigentümergemeinschaft T.------straße eine „Statische Berechnung“ für die „Errichtung einer Stützwand“ an der Grenze zum klägerischen Grundstück an.
10Im Zuge der Errichtung der Wohnhäuser wurde auf den Grundstücken der Beigeladenen eine 51,56 m lange Mauer aus 3 m hohen Winkelstützelementen im Bereich der nordwestlichen Grenzen errichtet. Die Beklagte wies die Q. Q1. & C. GmbH nach Fertigstellung des Rohbaus der Häuser T.------straße Nr. 11 b und 11 c in Bescheinigungen vom 5. November 2001 darauf hin, dass die Stützmauer an der nordwestlichen Grundstücksgrenze in einem gesonderten Verfahren behandelt werde.
11Jeweils mit Schreiben vom 25. Oktober 2001 gerichtet an die Beigeladenen zu 4. und 5. sowie an die BP Q1. & C. GmbH als Eigentümerin des Grundstücks T.------straße Nr. 11 c (jetzt das Grundstück der Beigeladenen zu 6. und 7.) teilte die Beklagte mit, dass bei einer am 22. Oktober 2001 durchgeführten Ortsbesichtigung festgestellt worden sei, dass an der westlichen Grundstücksgrenze zum benachbarten Bahngelände eine Mauer errichtet worden sei. Diese weise von der Seite des Nachbargrundstücks aus gemessen eine Höhe von rund 3 m auf. Für diese gebe es keine Baugenehmigung. Es sei beabsichtigt, durch den Erlass einer Ordnungsverfügung den Rückbau der Mauer aufzugeben. Mit Schreiben des Architekturbüros T1. vom 1. März 2002 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die Stützwand zum Bahngelände hin bei Beendigung der Arbeiten - wieder angeböscht - eine Höhe von nur 2 m haben werde.
12In den Bescheinigungen zur Fertigstellung der Bauvorhaben gemäß § 82 BauO NRW vom 3. Dezember 2002, gerichtet an die Eigentümer der Häuser T.------straße Nr. 11, 11 a und 11 c wies die Beklagte darauf hin, dass „das Gelände zur nördlichen und nordwestlichen Grundstücksgrenze im 3 m Grenzbereich entsprechend dem natürlichen Verlauf wiederherzustellen“ sei. Dieser Hinweis unterblieb in der Bescheinigung betreffend die Haushälfte T.------straße Nr. 11 b.
13Die Klägerin (bzw. deren Rechtsvorgänger) legte mit Schreiben vom 20. Juli 2001 Widerspruch gegen die Baugenehmigungen ein. Diesen wies die Bezirksregierung Arnsberg im Januar 2002 als unbegründet zurück.
14Mit an die Deutsche Bahn AG/Deutsche Bahn Immobilien GmbH gerichtetem Schreiben vom 31. Oktober 2002 baten die früheren Eigentümer des Grundstücks T.------straße Nr. 11 und die Beigeladenen zu 2. bis 7. die Aufschüttung auf den benachbarten Grundstücken der T.------straße Nr. 11 bis 11 c zu genehmigen. Mit Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens an die Beigeladene zu 2. vom 1. August 2003 wurde dieser unter Bezugnahme auf „Ihre Nachricht vom 16.06.2003“ „an die Deutsche Bahn AG (DB Imm) und unserer Telefonate“ mitgeteilt: „Gegen eine Anschüttung Ihres Grundstücks bestehen von hier keine Bedenken. Wir bitten Sie jedoch, dafür Sorge zu tragen, dass durch die Aufschüttung eine Gefährdung unseres Grundstücks ausgeschlossen ist. Alle entstehenden Kosten und mögliche Folgekosten gehen zu Ihren Lasten.“ Mit Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens an den Beigeladenen zu 5., zu 7. und den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. vom 22. August 2003 wurde diesen unter Bezugnahme auf „Ihre Nachricht vom 20. August 2003“ und Telefonate mit der Beigeladenen zu 2. ebenfalls mitgeteilt, dass gegen eine Anschüttung ihrer Grundstücke keine Bedenken bestünden.
15Am 9. November 2004 stellten die Beigeladenen zu 2. bis 7. und der Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. einen Bauantrag auf nachträgliche Genehmigung der errichteten Stützmauer. Dem Antrag war ein Auszug aus dem Liegenschaftskataster beigefügt, auf dem die Stützmauer in einem Abstand von 0,50 m zur Grenze auf ihren Grundstücken eingezeichnet ist. Gleichfalls beigefügt war das Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens an den Beigeladenen zu 7. vom 22. August 2003. Der Bauantrag wurde mit Bescheid vom 8. Februar 2005 wegen fehlender Unterlagen und erheblicher Mängel nach § 72 Abs. 1 BauO NRW zurückgewiesen.
16Die Beigeladenen zu 2. bis 7. und der Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. stellten am 11. Mai 2005 einen neuen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung einer Stützwand. Aus dem Antragsschreiben des Architekten T1. geht hervor, es solle an der gemeinsamen Grenze zur Bundesbahn eine Betonstützwand von ca. 2 m Höhe erstellt werden. Eine entsprechende Genehmigung der Bundesbahn liege vor. Dem Antrag beigefügt waren die oben genannten Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens an die Beigeladenen zu 2., 5. und 7. vom 1. bzw. 22. August 2003. Mit Bauschein vom 13. Oktober 2005 erteilte die Beklagte die „Genehmigung für die Errichtung einer Nebenanlage Stützwand (L = 51,56 m) mit Anschüttung“. In der Baubeschreibung, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden ist, wird auf die beigefügte oben genannte Statik vom Dipl.-Ing. Olaf I1. vom 21. Dezember 2000 verwiesen. Die Stützwand sollte nach den genehmigten Bauvorlagen unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet werden und aus 3 m hohen Stahlbetonwinkelstützenelementen bestehen. Die Oberkante-Fußplatte der Winkelstützwand sollte auf Höhe des Geländes des Flurstücks 846 liegen und so in den tragfähigen Grund eingebaut werden, dass sie etwa 1,90 m aus dem vorhandenen Gelände herausragt. Die Böschung zu den Rückwänden der Doppelhaushälften sollte einen Neigungswinkel von 30 Grad haben. Zu den genehmigten Bauvorlagen gehörte auch eine Ansichtszeichnung, nach der das Gelände an den Nordwestwänden in Höhe der Fundamente liegen und Höhen von 188,25 m bzw. 187,98 m (Nr. 11 c und 11 b) und 188,43 m bzw. 186,99 m (Nr. 11 a und 11) haben sollte. Die Böschungsneigung war in der statischen Berechnung zur Baugenehmigung mit 10 Grad angesetzt.
17Mit Schreiben vom 5. August 2010 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass nach der von ihr eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des Dipl.-Ing. B. vom 26. Juli 2010 die Standsicherheit der Stützwand nicht mehr gegeben sei. Mit weiteren Schreiben vom 5. August 2010 bat die Klägerin die Beigeladenen um Stellungnahme. Die Beigeladenen antworteten darauf mit Schreiben vom 9. August 2010 unter anderem, dass es für die Stützwand eine Baugenehmigung gebe.
18Die Beklagte stellte im Rahmen von mehreren Ortsbesichtigungen in der zweiten Augusthälfte 2010 unter anderem fest, dass zwischen den Doppelhäusern mittels Pflanzsteinen und Geländeanschüttungen eine nicht genehmigte Stellplatzanlage angelegt worden war. Im rückwärtigen Bereich der Grundstücke der Beigeladenen zu 2. bis 5. waren mit Pflanzsteinen abgestützte Anschüttungen und Terrassierungen vorgenommen und ebene Aufenthaltsflächen etwa in Höhe des Fußbodens des Kellergeschosses angelegt worden. Die Beklagte stellte ferner fest, dass es zu Rissbildungen am Fuß der Mauer gekommen war und ein Abschnitt der Mauer sich zum Grundstück der Klägerin geneigt hatte.
19Die Beklagte forderte den Beigeladenen zu 1. mit Ordnungsverfügung vom 18. August 2010 auf, das Streifenfundament der nordwestlichen Gebäudewand des Gebäudes T.------straße Nr. 11 auf einer Breite von ca. 0,50 m bis zur Unterkante Fundament frei zu legen und durch einen Bodengutachter nachzuweisen, dass das Gebäude auf gewachsenen Baugrund geführt ist. Es sei festgestellt worden, dass die Stützmauer nicht mehr standsicher sei. Aufgrund von unterschiedlichen Darstellungen in der statischen Berechnung und den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Architektenplänen sei es nicht ersichtlich, ob das Gebäude auf gewachsenen Boden gegründet worden sei.
20Die Beigeladenen zu 3. und 5. wurden mit Ordnungsverfügungen vom 24./25. August 2010 aufgefordert, bis zum 30. September 2010 die aus Pflanzsteinen bestehende Stützmauer sowie die dahinter liegende Anschüttung im Bereich des Stellplatzes zu entfernen. Entsprechende Duldungsverfügungen gingen an die Beigeladenen zu 2. und 4.
21Mit Ordnungsverfügung vom 30. August 2010 wurde den Beigeladenen zu 1., 3., 5. und 7. aufgegeben, bis zum 30. Oktober 2010 das Gelände auf ihren Grundstücken oberhalb der an der Grenze zum Flurstück 846 befindlichen Stützmauer so herzustellen, dass von der Oberkante der Stützmauer bis zur nordwestlichen Außenwand des Wohngebäudes ein Böschungswinkel von maximal 10 Grad entsteht, und das Gelände unterhalb der nordwestlichen Außenwand des Wohngebäudes im derzeitigen Zustand nicht zu Aufenthaltszwecken zu nutzen bzw. durch Besucher nicht nutzen zu lassen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei einer am 16. August 2010 durchgeführten Ortsbesichtigung sei festgestellt worden, dass das Gelände oberhalb der Stützmauer bis etwa zur Höhe des Erdgeschossfußbodens angeschüttet und mit Pflanzsteinen abgefangen worden sei. Die derzeit vorhandene Neigung betrage mehr als 45 Grad. Die Stützmauer weise bereits Risse und Verformungen auf und sei nicht mehr standsicher. Entsprechende Duldungsverfügungen gingen an die Beigeladenen zu 2., 4. und 6.
22Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Oktober 2010 teilten die Beigeladenen zu 2. bis 5. mit, sie würden keine Rechtmittel gegen die Ordnungsverfügung wegen der Standsicherheit der Mauer einlegen. Es würden Maßnahmen ergriffen, um die Auflast der unteren, gegossenen Stützwand zum Flurstück 846 zu verringern.
23Mit Ordnungsverfügung vom 17. November 2010 forderte die Beklagte die Klägerin unter Androhung der Ersatzvornahme und Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, eine 10 m breite Fläche entlang der Stützwand auf ihrem Betriebsgelände nicht mehr zu nutzen und zu betreten, diese sei abzusperren. Die Klägerin erhob hiergegen Klage vor dem Verwaltungsgericht (4 K 3668/10) und stellte zugleich einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (4 L 959/10). Beide Verfahren wurden am 2. Februar 2011 durch Vergleich erledigt.
24Die Beigeladenen zu 2. bis 5. entfernten im April 2011 das hinterfüllte Erdreich an der Stützwand auf ihren Grundstücken T.------straße Nr. 11 a und 11 b und bauten die Geländeböschung zurück. Sie beseitigten weitgehend die Pflanzsteinmauer und die Stellplatzanlage zwischen den Doppelhäusern.
25Mit Schreiben vom 5. April 2011 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, es gebe für die Stützmauer im derzeitigen Zustand keine Baugenehmigung. Sollte bis zum 26. April 2011 kein Lösungsvorschlag vorgelegt werden, müsse der Abriss verfügt werden.
26Mit Schreiben vom 25. Mai 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, eine Ordnungsverfügung zur Beseitigung der auf dem Nachbargrundstück illegal errichteten Stützmauer zu erlassen.
27Am 18. Juli 2011 stellten die Beigeladenen einen Bauantrag zur „Sanierung der bestehenden Winkelstützmauer gemäß Baugenehmigung aus 2005“. Dem Bauantrag war ein Auszug aus dem Liegenschaftskataster beigefügt. Aus diesem geht hervor, dass die Stützwand an den nordwestlichen Grenzen der Grundstücke der Beigeladenen errichtet ist. Zum Bauantrag gehörte zudem eine statische Berechnung zur „Sanierung der bestehenden Winkelstützwand (L = 51,56)“ der Firma I-L. vom 11. Juli 2011, in der ebenfalls von einem Standort der Mauer an den Grenzen ausgegangen wird. In dem I-L. Gutachten heißt es unter anderem: Die vorhandene Stahlbeton-Winkelstützmauer sei in Teilbereichen nicht mehr standsicher gewesen, da sie zum Teil nicht ordnungsgemäß geplant und ausgeführt worden sei. Es sei festgestellt worden, dass die statische Berechnung aus dem Jahre 2000, die der Baugenehmigung aus dem Jahr 2005 zugrunde liege, nicht mit der damals genehmigten Stützwandplanung des Architekten übereinstimme, da die angesetzte Böschungsneigung am Stützwandkopf mit 10 Grad wesentlich zu gering angesetzt worden sei. Die Winkelstützwand sei nicht mit Oberkante-Fußplatte auf Höhe des horizontalen Bahngeländes angeordnet, sondern ca. 0,90 bis 2 m höher. Die Sohle der Winkelstützwand befinde sich gemäß Ortsbegehung vom 19. Mai 2011 etwa im Schnittpunkt der ursprünglichen Geländeoberkante im Hangbereich und der Grundstücksgrenze. Die Oberkante der Stützwand liege demnach etwa 3 m über dem ursprünglichen Gelände. Zur Wiederherstellung der Standsicherheit der Stützmauer seien folgende Sanierungsmaßnahmen vorgesehen: „A) Obere und untere Rückverankerung des vertikalen Schenkels der vorhandenen WST durch dauerhafte, gebohrte und verpresste Ankerpfähle nach DIN EN 14199, B) Horizontale Ortbetongurtung für die obere und untere Ankerlage als Stützung des vertikalen Schenkels der WST, der nun als Verzugselement der rückverankerten Wand wirkt, C) Überprüfung ‚Betongründung‘ zur Aufnahme der Vertikalkräfte, D) kleinerer Böschungswinkel zur Verringerung der Hinterfüllungswirkung.“ Zur nachhaltigen Standsicherheit der Hangstützung werde nicht mehr von der als Schwergewichtswand wirkenden Winkelstützwand ausgegangen, da diese von vornherein zu gering bemessen gewesen und durch die hohen Einwirkungen der unplanmäßigen Ausführung überbeansprucht und geschädigt worden sei. Als Sanierungssystem werde von einer im Baugrund dauerhaft rückverankerten, ebenen Stützwand ausgegangen. Das zu stützende Gelände werde mit einer aufsteigenden Schräglage von ca. 30 Grad angesetzt und verlaufe dann, bis zur Bebauung, etwas 5 m horizontal. Die durchgeführte Bemessung der Sanierungskonstruktion zeige, dass die Standsicherheit der vorhandenen Stützwand in der zuvor beschriebenen Form dauerhaft wiederhergestellt werden könne.
28Die Klägerin wurde im Baugenehmigungsverfahren beteiligt und nahm mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2011 Stellung.
29Die Beklagten erteilte den Beigeladenen am 5. Oktober 2011 die Baugenehmigung 1/63/BG0319/11 zur „Änderung einer Nebenanlage Sanierung einer Winkelstützmauer“. Hierin wurde einer Abweichung gemäß § 73 BauO NRW zugestimmt von den Vorschriften „§ 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 10 Nr. 2 BauO NW hinsichtlich der Einhaltung der Abstandflächen von baulichen Anlagen, die nicht Gebäude sind, soweit sie höher als 1 m über der Geländeoberfläche sind und dazu geeignet sind, von Menschen betreten zu werden“. Bestandteil der Baugenehmigung ist unter anderem das I-L. Gutachten vom 11. Juli 2011.
30In einem Vermerk zur Begründung der Abweichung von den Vorschriften „§ 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 10 Nr. 2 BauO NRW“ wird ausgeführt: Die Mauer selbst sei zeitgleich mit den Gebäuden T.------straße Nr. 11 bis 11 c im Jahr 2002 errichtet worden. Die Baugenehmigung für die Stützmauer sei am 13. Mai 2005 nachträglich erteilt worden. Auf Grund der Gefährdung der Standsicherheit der Mauer sei die dahinter befindliche Anschüttung in den letzten Monaten beseitigt worden. Zur Sanierung und Wiederherstellung der Standsicherheit der Mauer bei Erddruck würden zweireihige Erdanker gesetzt und das Geländer hinter der Stützwand wieder aufgeschüttet. Obwohl es sich dabei um eine abstandflächenauslösende bauliche Anlage nach § 6 Abs. 10 Nr. 2 BauO NRW handele, werde der Nachbar dadurch nicht mehr als bisher in seinen nachbarlichen Belangen beeinträchtigt. Die Höhe der Mauerkrone ändere sich nicht. Der Böschungswinkel werde zudem nicht steiler ausgeführt als der vormals vorhandene. Eine Beeinträchtigung hinsichtlich Besonnung, Belüftung und Belichtung sei nicht zu befürchten, da auf dem Grundstück ein Schrotthandel betrieben werde. Mit der Sanierung und Erhaltung der vorhandenen Stützmauer sei zudem die öffentliche Sicherheit und Ordnung wieder hergestellt.
31Die Klägerin hat am 27. Oktober 2011 Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 18. Januar 2012 stattgegeben (4 L 651/11). Der erkennende Senat hat auf die Beschwerde der Beklagten am 16. März 2012 den Beschluss abgeändert und den Eilantrag abgelehnt (2 B 197/12).
32Die Beigeladenen übermittelten am 29. November 2011 eine Standsicherheitsprüfung des Dipl.-Ing. M1. zur - in Details ergänzten - Ausführungsplanung zur Stützwandsanierung der Firma I-L. vom 8. November 2011.
33Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 24. April 2012 erklärte das Eisenbahn-Bundesamt, dass nach den dort vorliegenden Unterlagen das Grundstück der Klägerin bislang nicht von Bahnbetriebszwecken freigestellt sei.
34Der Dipl.-Ing. L1. erstellte unter dem Datum vom 22. Mai 2012 einen Aufmessungsriss, nach dem der Abstand der Mauer zur Grenze zum klägerischen Grundstück von Nordost nach Südwest zwischen 0,17, 0,56 und 0,16 m schwankt.
35Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen:
36Das genehmigte Vorhaben halte die erforderlichen Abstandflächen nicht ein. Das Verkehrsflächenprivileg komme nicht zum Tragen, weil ihr Grundstück seit 1960 ein Gewerbegrundstück und keine Bahnfläche sei. Der Verstoß beeinträchtige sie in der Nutzung ihres Gewerbegrundstücks.
37Die Klägerin hat beantragt,
38die den Beigeladenen vom Oberbürgermeister der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 5. Oktober 2011 zur „Änderung einer Nebenanlage - Sanierung einer Winkelstützmauer“ auf den Grundstücken Gemarkung E. , Flur 11, Flurstücke 847, 848, 849, 850 (postalische Anschrift T.------straße 11 - 11c, 58091 I. ) aufzuheben.
39Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen:
42Die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es sei zu Recht eine Abweichung von der Einhaltung der abstandflächenrechtlichen Vorschriften erteilt worden.
43Die Beigeladenen haben beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Sie haben im Wesentlichen vorgetragen:
46Die Klägerin habe Abwehrrechte gegen das Vorhaben verwirkt. Die Stützmauer sei seit dem Jahr 2001 errichtet und das Bundeseisenbahnvermögen habe sich im Jahr 2003 mit den Aufschüttungen einverstanden erklärt. Dies binde auch die Klägerin. Die Stützwand verstoße nicht gegen § 6 BauO NRW. Es sei zu Recht eine Abweichung zugelassen worden. Wegen der Hanglage liege eine atypische Grundstückssituation vor. Die Klägerin nutze ihr Grundstück als Schrottplatz, so dass ihr Grundstück im Hinblick auf die durch § 6 BauO NRW geschützten Belange nicht beeinträchtigt sei. Es handele sich um eine Verkehrsfläche, der eine Schutzwirkung nicht zukomme.
47Mit Urteil vom 25. Juni 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.
48Mit Beschluss vom 26. August 2013 hat der Senat die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zugelassen.
49Die Beklagte trägt - ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend und vertiefend - im Wesentlichen vor:
50Die Voraussetzungen einer Abweichung nach § 73 BauO NRW seien als erfüllt anzusehen. Eine Grundstücksatypik sei in der Gesamtschau der gegebenen nachbarrechtlichen Situation, welche sich aus den besonderen topographischen Verhältnissen der Grundstücke der Beigeladenen und der Klägerin ergebe, zu bejahen. Zwischen den Grundstücken habe bereits ursprünglich, also vor Errichtung der Doppelhaushälften der Beigeladenen und der fraglichen Winkelstützmauer, ein erhebliches, das Verhältnis der Grundstücke untereinander prägendes Gefälle bestanden. Die Atypik könne nicht ausschließlich und überwiegend auf die Baumaßnahmen der Beigeladenen zurückgeführt werden. Eine Einschränkung der Nutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin infolge der Abweichungsentscheidung sei auch nicht ersichtlich. Zudem sei der Klägerin ein eigenes faktisches Interesse daran zu unterstellen, eine standsichere Winkelstützmauer an der Grundstücksgrenze zu haben, damit ihre Betriebsabläufe nicht durch herabrutschendes Erdreich gefährdet würden. Eine solche Gefährdung sei auch dann nicht auszuschließen, wenn die Winkelstützmauer komplett abgetragen würde, da das Ausgangsgefälle gleichwohl bestehen bleibe. Die Schreiben der Verwaltung des Bundeseisenbahnvermögens aus August 2003 seien bei objektiver Betrachtung dahingehend auszulegen, dass hiermit auch die streitgegenständliche Winkelstützmauer genehmigt worden sei. Ein Verzicht habe auch mündlich durch den Bahnmitarbeiter, der seinerzeit vor Ort gewesen sei, erklärt werden können. An diesem Verzicht müsse sich die Klägerin auch in Anbetracht der Aufschüttungen im Jahr 2010, die wieder beseitigt worden seien, festhalten lassen. Auf Grund des Umstands, dass die von der Klägerin genutzte Fläche bis heute nicht entwidmet sei und bis heute als Nebenanlage der Bahn genutzt werde und sie sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs I. -S. befinde, spreche nach wie vor auch sehr viel dafür, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW im vorliegenden Fall anzuwenden sei.
51Die Beklagte beantragt,
52das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
53hilfsweise,
54Beweis zu der Frage zu erheben, welche Erklärungen von der Seite der Bahn im April/Mai 2003 zu der hier in Rede stehenden Stützmauer sowie zu der Anschüttung auf dem Gelände der Beigeladenen abgegeben worden sind.
55Die Beigeladenen tragen - ihr erstinstanzliches Vorbringen ebenfalls ergänzend und vertiefend - im Wesentlichen vor:
56Die Abweichungsentscheidung sei nicht materiell nachbarrechtswidrig. Die Stützmauer und die Böschung seien nicht einheitlich zu betrachten, denn es liege eine vorhandene, weitgehend natürliche Böschung vor, bestehend aus dem Felshang mit aufliegendem gewachsenem Erdreich sowie einer nur ergänzenden Anschüttung. Die Baugenehmigung und die Abweichungsentscheidung seien jedenfalls nicht zu unbestimmt. Da die Stützwand sowohl jetzt als auch im sanierten Zustand erst bei der ursprünglichen Geländeoberfläche beginne, stehe die Tiefe der Abstandfläche fest, von der die Abweichung erteilt worden sei. Ein grundstücksbezogener atypischer Sonderfall liege vor. Es treffe nicht zu, dass erst die Bebauung durch die Beigeladenen Anlass für die Stützmauer und die Dimensionierung und Ausdehnung der Anschüttungen gewesen sei. Auch die Nachbarhäuser T.------straße Nr. 7 und 9 hätten auf voller Grundstückslänge eine Stützmauer zur Sicherung ihrer Böschung errichtet. Die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange der Klägerin würden nicht durch die zu sanierende Stützmauer tangiert. Zudem seien die Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens von August 2003 dahingehend auszulegen, dass die Zustimmung zur Aufschüttung unter den gegebenen Umständen als wirksamer Verzicht auf die Geltendmachung des nachbarlichen Abwehrrechts auch die bestehende Stützmauer umfassen sollte. Seinerzeit sei ein Mitarbeiter der Bahn vor Ort gewesen. Diesem sei von der Beigeladenen zu 2. zur Erläuterung der geplanten Anschüttung tatsächlich eine Bauzeichnung von den ihr damals vorliegenden Plänen des Architekturbüros T1. vorgelegt worden. Der Mitarbeiter der Bahn habe seinerzeit oben zwischen den Doppelhäusern gestanden und auf den Hang herabgeschaut. Er habe erklärt, gegen eine weitere Anschüttung bis zur Mauerkrone keine Bedenken zu haben. Die Klägerin habe die Grundstückssituation einschließlich Mauer und Anschüttung zudem über Jahre akzeptiert.
57Die Beigeladenen beantragten,
58das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
59hilfsweise,
60den Bediensteten der Bahn als Zeugen zu hören.
61Die Klägerin beantragt,
62die Berufungen zurückzuweisen.
63Sie trägt im Wesentlichen vor:
64Das streitgegenständliche Vorhaben, die Stützmauer und die daran anschließende Aufschüttung, die als Einheit zu betrachten seien, halte die erforderlichen Abstandflächen nicht ein. Für eine Abweichung nach § 73 BauO NRW fehle es an der erforderlichen Atypik. Weder die ursprüngliche Topographie noch die ursprüngliche Lage der Grundstücke zueinander hätten zwangsläufig einen Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW zur Folge gehabt. Der Hang in seiner ursprünglichen Gestalt, d. h. vor der erstmaligen Bebauung der Grundstücke der Beigeladenen, habe keine Errichtung einer Stützmauer und/oder Anschüttung erfordert. Ein Abrutschen des Hangs in seiner damaligen Gestalt auf ihr Nachbargrundstück habe nicht gedroht. Es sei nichts dafür dargetan, dass die Beigeladenen ihre Grundstücke ohne den Abstandflächenverstoß nicht entsprechend den einschlägigen baurechtlichen Vorgaben angemessen baulich nutzen könnten. Die Beigeladenen wollten mit dem in Rede stehenden Bauvorhaben allein ihre besonderen Nutzungswünsche hinsichtlich ihrer Grundstücke durchsetzen bzw. wollten bauliche Maßnahmen, die sie zu diesem Zweck bereits realisiert hätten, nachträglich legalisieren, was den Anwendungsbereich des § 73 BauO NRW gerade nicht eröffne. Selbst wenn eine rechtserhebliche Atypik vorläge, wäre die in Rede stehende Abweichung mit öffentlichen Belangen nicht vereinbar. Dies folge bereits aus der Unschärfe dahingehend, in welchem Umfang den Beigeladenen eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächenvorschriften erteilt worden sei. Das Vorhaben der Beigeladenen erweise sich auch im Übrigen nicht mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Der erforderliche Sozialabstand zwischen ihr, der Klägerin, einschließlich ihrer Mitarbeiter und den Beigeladenen werde durch das streitbefangene Vorhaben der Beigeladenen nicht gewahrt. Sie werde auch in der Ausnutzbarkeit ihres Grundstücks eingeschränkt. Bei den betroffenen Flächen ihres Betriebsgeländes handele es sich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche. Es liege auch kein wirksamer Verzicht auf Nachbarrechte vor. Die Erklärungen des Bundeseisenbahnvermögens aus 2003 könnten sich allenfalls auf die Aufschüttung in der Gestalt beziehen, die diese jeweils im damaligen Zeitpunkt der Erklärungen des Bundeseisenbahnvermögens aufwies. Dies entspreche nicht der einheitlichen baulichen Anlage bestehend aus Stützmauer und Aufschüttung in der Gestalt, die diese im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Baugenehmigung 2011 hatte, und erst recht nicht der baulichen Anlage aus Stützmauer und Aufschüttung in der Gestalt, die sie durch die Baugenehmigung 2011 noch erlangen solle.
65Im Rahmen eines Ortstermins am 20. Mai 2014 hat die Berichterstatterin des Senats die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten des Ortstermins wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
66In der mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2014 haben die Vertreter der Beklagten den Geländeverlauf und den Genehmigungsinhalt anhand einer von einem ihrer Statiker angefertigten Skizze erläutert. Danach soll die angefochtene Baugenehmigung einerseits den bestehenden Zustand absichern, andererseits den Beigeladenen gegebenenfalls die Möglichkeit eröffnen, in gewissem Umfang Abgrabungen vorzunehmen und Terrassen anzulegen.
67Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
68E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
69Die zulässigen, namentlich innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 VwGO begründeten Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben keinen Erfolg.
70Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet.
71I. Die Klage ist zulässig.
721. Die Klägerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die streitgegenständliche Baugenehmigung möglicherweise in eigenen Rechten - hier in den ihr mit den drittschützenden abstandflächenrechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts eingeräumten nachbarlichen Abwehrrechten - möglicherweise verletzt zu sein. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die bauliche Anlage, die Gegenstand der angefochtenen Genehmigung ist, die nach § 6 BauO NRW erforderlichen Abstandflächen nicht einhält und die von der Beklagten erteilte Abweichung von der Einhaltung der erforderlichen Abstandflächen nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW entspricht.
732. An dem erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung fehlt es offensichtlich auch nicht deswegen, weil die hiermit (unter anderem) ermöglichte Sanierung der Stützmauer insoweit im Interesse der Klägerin ist, als damit die aus einer einsturzgefährdeten Stützmauer an der Grundstücksgrenze gerade für ihr eigenes Grundstück ausgehenden Gefahren beseitigt würden. Denn die Sanierung der - was inzwischen zwischen den Beteiligten unstreitig ist - bisher formell illegalen Stützmauer entsprechend der streitgegenständlichen Baugenehmigung stellt keinesfalls die einzige und aus Sicht der Klägerin offenkundig auch nicht die eingriffsschwächste Möglichkeit der Herstellung eines Zustands dar, in dem von den Grundstücken der Beigeladenen keine Gefährdung durch herabstürzende Bauteile und herabrutschendes Erdreich mehr für das Grundstück der Klägerin ausgeht.
74II. Die Klage ist begründet.
75Die den Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 5. Oktober 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
76Die Baugenehmigung ist in nachbarrechtswidriger Weise unbestimmt (dazu 1.). Darüber hinaus verstößt sie gegen die die Klägerin schützende Vorschrift des § 6 BauO NRW (dazu 2.). Die von der Beklagten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW erteilte Abweichung ist nachbarrechtswidrig (dazu 3.). Ein Verzicht auf die Geltendmachung von Abwehrrechten gegen das genehmigte Vorhaben und den hiermit verbundenen Abstandflächenverstoß liegt nicht vor (dazu 4.). Die Klägerin hat ihren Abwehranspruch auch nicht verwirkt (dazu 5.).
771. Die Baugenehmigung ist in nachbarrechtswidriger Weise unbestimmt.
78Gegenstand der streitgegenständlichen Genehmigung und damit das zu betrachtende Vorhaben ist im Ansatz eine erstmalige Legalisierung einer baulichen Anlage bestehend aus der - schon vorhandenen, zu sanierenden - Stützmauer mit einer dahinterliegenden Anschüttung als Gesamtanlage. Auf der Grundlage und nach den Vorgaben der Genehmigung soll die bestehende Stützmauer unter Verwendung der vorhandenen Bausubstanz saniert und die dahinter liegende Anschüttung (jedenfalls in einem ersten Abschnitt hinter der Mauer) auf einen Böschungswinkel von 30 Grad gebracht werden. Damit ermöglicht die Baugenehmigung auch eine Vervollständigung der Anschüttung, da derzeit das Erdreich direkt hinter der Stützmauer im Bereich der Grundstücke T.------straße Nr. 11 a und 11 b zur Entlastung der Stützmauer entfernt ist. Zur Sanierung der Stützmauer gehört und gerade deren Sinn und Zweck ist es vorliegend - wovon auch alle Beteiligten im Ausgangspunkt übereinstimmend ausgehen -, die (vollständige) Anschüttung des Geländes wieder in bestimmtem Umfang zu legalisieren. Diese Anschüttung soll die Stützmauer abfangen. Die Stützmauer und die Anschüttungen bilden deswegen offenkundig funktional eine Einheit; sie sind ‑ gerade deswegen - auch baulich-konstruktiv miteinander verbunden.
79Allerdings bleibt - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - unklar, welcher bauliche Endzustand konkret von der Baugenehmigung legalisiert werden soll. Diese Unklarheit wirkt sich mit Blick auf §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW auch nachbarrechtsrelevant aus.
80Das Bestimmtheitsgebot verlangt in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung , dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Baumaßnahmen und Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
81Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BauR 2014, 667 = juris Rn. 58, vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris Rn. 41, und vom 29. Oktober 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 35, jeweils m. w. N.
82Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist insoweit unbestimmt, als ihr nicht eindeutig zu entnehmen ist, wie die Anschüttungen im Nahbereich zu den Nordwestwänden der Wohnhäuser der Beigeladenen ausgestaltet werden soll. Die Baugenehmigung selbst bezeichnet das Bauvorhaben nur mit „Sanierung der bestehenden Winkelstützmauer (L = 51,56 m gemäß Baugenehmigung aus 2005“. Im I-L. Gutachten vom 11. Juli 2011, das Gegenstand der Baugenehmigung ist, ist unter dem Punkt 2.3 „Geplante Sanierung der Stützwandkonstruktion“ als eine zur Wiederherstellung der Standsicherheit vorgesehene Maßnahme ein „kleinerer Böschungswinkel zur Verringerung der Hinterfüllungseinwirkung“ genannt. Der Böschungswinkel ist mit 30 Grad klar - weil auch für die statischen Berechnungen maßgeblich - festgelegt. Im Nahbereich der Mauer ist die Anschüttung dementsprechend auszugestalten. Wie aber das Gelände im Hausbereich im Endzustand aussehen soll, regelt die Baugenehmigung nicht eindeutig. Die unter dem Punkt 2.3 des I-L. Gutachtens eingefügte als Bild 6 bezeichnete Skizze zeigt zwar auf einer Höhe von ca. 188,00 m über NN eine (mindestens) 5 m tiefe ebene Fläche. Die Darstellung ist allerdings nicht maßstabgerecht. Unter Punkt 3.1 „oberes und unteres Berechnungssystem“ wird - allerdings nur zum „Statischen System zur Sanierung“ - überdies ausgeführt, das zu stützende Gelände werde in einer aufsteigenden Schräglage von 30 Grad angesetzt und verlaufe dann, bis zur Bebauung, etwa 5 m horizontal. Inwieweit eine solche Ausgestaltung im weiteren Verlauf der Anschüttung im Hausbereich und wie konkret mit der Baugenehmigung zwingend vorgegeben ist, geht aus dieser jedoch letztlich nicht eindeutig hervor. Die sich aus dem Bild 6 ergebende und unter dem Punkt 3.1 angesprochene Ausgestaltung mit einem ca. 5 m tiefen Plateau auf einer Höhe deutlich unter Kellerniveau erscheint schon deswegen, weil sie weder zeichnerisch noch textlich genauer - auch nicht im Einzelnen für die vier Wohnhäuser der Beigeladenen jeweils - beschrieben wird, lediglich als eine Option. Nur dahingehend lassen sich auch die Äußerungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verstehen. Ob bzw. welche Vorgaben die Baugenehmigung hinsichtlich der Gestaltung der Anschüttung im Hausbereich mache, konnten diese nicht klar erläutern. Ungeklärt blieb danach auch, ob die Baugenehmigung Abgrabungen, die für die Anlegung eines Plateaus auf einer Höhe deutlich unter Kellerniveau erforderlich wären, tatsächlich legalisiert. In der von Herrn H. angefertigten Skizze ist eine Ausführung mit einer ca. 4,50 m tiefen ebenerdigen Fläche auf einer Höhe von 188,43 m über NN für das Haus T.------straße Nr. 11a ebenfalls nur als „möglich“ bezeichnet. Wie den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen war, gehen diese offenbar davon aus, dass sie auf der Grundlage der Baugenehmigung in der Gestaltung des Hausbereichs, solange nur ein Steigungswinkel von 30 Grad eingehalten wird, (relativ) frei sind.
83Diese demnach gegebene Unbestimmtheit der Baugenehmigung hinsichtlich der Vorgaben, die sie für die Gestaltung der Anschüttung im Hausbereich macht, ist in den hier gegebenen Grundstücksverhältnissen auch nachbarrechtsrelevant. Der bauliche Endzustand der Gesamtanlage Stützmauer mit Anschüttung ist hier nicht nur maßgeblich für die - hier überhaupt nicht vorgenommene - Ermittlung der Tiefe der Abstandflächen und damit die Frage, in welchem Umfang diese auf das Grundstück der Klägerin fallen. Vielmehr ist gerade unter dem Aspekt der Einhaltung eines angemessenen Sozialabstands, der hier nicht zuletzt im Rahmen der vorliegend erforderlichen Abweichungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW besondere Bedeutung erlangt (vgl. dazu im Einzelnen unter 2.), für die Klägerin unter Abwehrrechtsgesichtspunkten relevant, ob die Wohnnutzung auf den Grundstücken der Beigeladenen durch Schaffung einer noch unter Kellerniveau liegenden Terrassenfläche nicht unerheblicher Ausdehnung näher an ihr gewerblich genutztes Grundstück heranrückt - oder nicht.
842. Stützmauer und Anschüttung halten im Anschluss daran die erforderlichen Abstandflächen nicht ein.
85a) Die als Einheit zu betrachtende baulichen Anlage bestehend aus der zu sanierenden Stützmauer und der dahinter herzustellenden Anschüttung unterfällt dem Abstandflächenerfordernis nach § 6 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW. Sie ist - wie bereits ausgeführt - mehr als 1 m (ausgehend von den vorliegenden Unterlagen 3 m plus x) über der Geländeoberfläche und überdies in seiner Gesamtheit geeignet, von Menschen betreten zu werden. Dass die Stützmauer selbst nicht direkt betreten werden kann, ist insoweit unschädlich. Die nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 BauO NRW erforderlichen Abstandflächen hält die bauliche Anlage nicht ein. Die Mauer selbst als Teil der Gesamtanlage müsste jenseits des erforderlichen Grenzabstands beginnen.
86Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Februar 2011 - 7 B 1803/10 -, BRS 78 Nr. 188 = juris Rn. 33, und vom 10. Februar 2010 - 7 B 1368/09 -, juris Rn. 22.
87Die Stützmauer befindet sich jedoch - was auf der Grundlage des vom Dipl.-Ing. L1. erstellten Aufmessungsrisses vom 22. Mai 2012 zwischen den Beteiligten inzwischen ebenfalls unstreitig ist - in einem Abstand von nur 0,16 bis 0,56 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Die erforderlichen Abstandflächen - ungeachtet der Frage nach ihrer genauen Tiefe - liegen demnach entgegen § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW nicht auf den Grundstücken der Beigeladenen.
88b) Dies ist vorliegend auch nicht etwa deswegen unschädlich, weil die Abstandflächen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW auf eine öffentliche Verkehrsfläche fallen.
89Nach dieser Vorschrift dürfen Abstandflächen abweichend von § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW, wonach diese auf dem Grundstück selbst liegen müssen, auch auf öffentlichen Verkehrsflächen, öffentlichen Grünflächen und öffentlichen Wasserflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte.
90Öffentliche Verkehrsflächen sind nach Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift Flächen, die ihrer Zweckbestimmung entsprechend für den öffentlichen Verkehr dauerhaft in der für sie vorgesehenen Form gesichert, daher einer Bebauung entzogen und somit zur Aufnahme der Abstandflächen angrenzender Gebäude geeignet sind. Im Verhältnis zwischen diesen Flächen und einem Baugrundstück kann es nicht zu den durch die Abstandflächenvorschriften geregelten Nutzungskonflikten kommen.
91Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2003- 7 A 4101/01 -, juris Rn. 39 ff., Beschlüsse vom 3. April 1992 - 7 B 3794/91 -, S. 5 f. des amtlichen Umdrucks, und vom 8. Juli 1987 - 7 B 1192/87 -, EStT NRW 1988, 100; siehe auch die amtliche Begründung zu § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW 1984 LT-Drs. 9/2721, S. 76.
92Öffentliche Verkehrsflächen sind zunächst die zur Erschließung angrenzender Grundstücke bestimmten Straßen, Wege und Plätze. Zu den öffentlichen Verkehrsflächen zählen z. B. auch öffentliche Eisenbahnen, öffentliche Wasserstraßen und öffentliche Flugplätze. Diese öffentlichen Verkehrsflächen unterfallen § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW nach Systematik und Sinn und Zweck jedoch nur, soweit sie - wie eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße - zur Aufnahme von Abstandflächen geeignet sind, weil sie einer Bebauung dauerhaft sicher entzogen sind. Dies trifft auf einen dem (öffentlichen) Eisenbahnverkehr dienenden Schienenweg regelmäßig zu.
93Vgl. zum Merkmal der Öffentlichkeit der Eisenbahnen nach Eisenbahnrecht z. B. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2012 - 8 A 281/10 -, juris Rn. 27 ff.
94Anders ist dies für Flächen auf einem Bahngelände zu beurteilen, auf denen bauliche Anlagen errichtet werden können - sei es auf der Grundlage eisenbahnrechtlicher Planfeststellung bzw. Plangenehmigung, sei es auf der Grundlage einer Baugenehmigung, wenn der zu errichtenden Anlage die Eisenbahnbetriebsbezogenheit fehlt. Solche Flächen unterfallen § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW nicht, weil nicht sichergestellt ist, dass sie dauerhaft einer Bebauung entzogen sind.
95Vgl. Johlen, in: Gädtke/Czepuck/u.a., BauO NRW, 12. Aufl., 2011, § 6 Rn. 173; siehe auch Kamp/Schmickler, in: Schönenbroicher/Kamp, BauO NRW, 2012, § 6 Rn. 142.
96So liegt es hier. Die Fläche unterhalb der Stützmauer, auf die die Abstandflächen fallen, liegt nicht im unmittelbaren Nahbereich der Bahngleise, die allein die Klägerin zu betrieblichen Zwecken auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit der Bahn nutzt, sondern von diesen Bahngleisen abgesetzt, und dient der Klägerin im Wesentlichen als Lagerfläche. Dafür, dass eine Bebauung dieser Fläche - z. B. mit einer von der Klägerin in der Vergangenheit angedachten Halle für den Gewerbetrieb, aber auch mit kleineren, den betrieblichen Zwecken der Klägerin dienenden baulichen Anlagen - im Hinblick auf die vorhandenen Bahngleise und dessen Nutzung dauerhaft in keiner Weise in Betracht kommt, ist - auch unter Berücksichtigung der im Ortstermin von der Berichterstatterin gewonnen, den übrigen Mitgliedern des Senats vermittelten Eindrücke von den örtlichen Verhältnissen - nichts ersichtlich. Hiervon geht offenbar, worauf dahingehende Äußerungen ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung hindeuteten, auch die Beklagte nicht aus. Auf die von ihr unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OVG NRW vom 15. März 1974 - X B 32/74 -, OVGE MüLü 29, 245 ff., aufgeworfene Frage, nach welchem Rechtsregime eine solche bauliche Anlage errichtet werden könnte,
97vgl. zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Eisenbahnbundesamt und Baugenehmigungsbehörde z. B. OVG NRW, Urteil vom 15. März 2011 - 20 A 2148/09 -, DVBl. 2011, 767 = juris Rn. 145 ff., Beschluss vom 8. Februar 2010 - 8 B 1652/09.AK -, NVwZ-RR 2010, 475 = juris Rn. 33 ff., Urteil vom 27. April 1998 - 7 A 3818/96 -, BRS 60 Nr. 165 = juris Rn. 3 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. Dezember 2001 - 5 S 2274/01 -, BRS 64 Nr. 176 = juris Rn. 22 f.,
98kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
993. Die von der Beklagten nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW erteilte Abweichung von der Einhaltung der Abstandflächenvorschriften ist nachbarrechtswidrig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es am Vorliegen einer hierfür zu verlangenden atypischen Grundstückssituation fehlt.
100Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann, soweit in diesem Gesetz oder in aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften nichts anderes geregelt ist, die Genehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Abweichungen von § 6 sind nach § 73 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW insbesondere zulässig, wenn durch das Vorhaben nachbarliche Interessen nicht stärker oder nur unwesentlich stärker beeinträchtigt werden als bei einer Bebauung des Grundstücks, die nach § 6 BauO NRW zulässig wäre.
101Die Regelungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW setzt - wie der Senat bereits in seinem im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 16. März 2012 - 2 B 187/12 - ausgeführt hat - einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zugrunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maße abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Nur eine grundstücksbezogene Atypik - insbesondere Besonderheiten der Lage und des Zuschnitts der benachbarten Grundstücke zueinander oder im topografischen Geländeverlauf - kann eine Abweichung rechtfertigen, nicht aber außergewöhnliche Nutzungswünsche eines Eigentümers, die eine noch stärkere Ausnutzung seines Grundstücks erfordern als nach § 6 BauO NRW ohnehin schon zulässig. § 73 BauO NRW ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen. Im Übrigen muss § 73 BauO NRW so ausgelegt werden, dass er dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit von Normen genügt und dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht widerspricht. Auch eine Auslegung der Vorschrift, die es der Behörde ermöglichen würde, über die Normanwendung im Bereich des Abstandflächenrechts mehr oder minder nach Belieben zu verfügen, würde diesen Anforderungen nicht genügen. Die Anwendung des § 6 BauO NRW wäre jedoch ins Belieben der Bauaufsichtsbehörden gestellt, wenn es für die Zulässigkeit einer Abweichung - unter Verzicht auf das Erfordernis einer besonderen Situation im Einzelfall - allein darauf ankäme, ob denkbare alternative Bebauungsmöglichkeiten, die nach § 6 BauO NRW zulässig wären, zu allenfalls unwesentlich stärkeren Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen führen würden. Die Regelungen des § 6 BauO NRW sollen dem Nachbarn ein angemessenes Maß an Schutz garantieren, aber zugleich auch den Standard dessen festlegen, was ein Nachbar an Bebauung in welchem Abstand hinzunehmen hat. Die Gewährleistung dieser Schutzziele erfordert eine strikte Beachtung der vorgeschriebenen Abstandflächen. Könnten die festgelegten normativen Standards allein mit Blick auf die Möglichkeit einer alternativen, nach § 6 BauO NRW zulässigen Bebauung außer Acht gelassen werden, wäre eine gleichmäßige Anwendung des Gesetzesvollzugs nicht gewährleistet.
102Vgl. zum Ganzen auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 - 2 A 2056/12 -, juris Rn. 22, Urteil vom 29. Oktober 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 82, Beschluss vom 25. September 2012 - 2 B 1048/12 -, S. 9 des amtlichen Umdrucks, jeweils m.w.N.
103Eine Hanglage - wie die vorliegend vorhandene - führt ausgehend von dem Vorstehenden nicht automatisch auf eine atypische Grundstückssituation. Die Abstandflächenvorschriften bieten im Grundsatz auch eine adäquate Konfliktlösung im hängigen Gelände, auch im hier in Rede stehenden Verhältnis zwischen einem Hanggrundstück und einem angrenzenden ebenerdigen Grundstück. Insoweit kommt es ebenfalls auf eine wertende Vergleichsbetrachtung der Auswirkungen des streitgegenständlichen (Anschüttungs-)Vorhabens mit denen eines Alternativvorhabens schon im Grundsatz nicht an.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2010 - 7 B 1368/09 -, juris Rn. 25.
105Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW vorliegend nicht gegeben. Nach den im Hauptsacheverfahren gewonnenen Erkenntnissen über die Örtlichkeit und die Genese der Bebauung der Grundstücke der Beigeladenen einschließlich der in der Vergangenheit erfolgten Errichtung einer quasi-grenzständigen Stützmauer und Veränderungen des Geländes liegt eine vom Senat auf der Grundlage der summarischen Betrachtung des Eilverfahrens noch ernsthaft in Betracht gezogene atypische Grundstückssituation nicht vor. Die mit dem streitgegenständlichen Bauvorhaben verbundene Unterschreitung der Abstandflächen resultiert hier nicht aus einer besonderen (atypischen) Grundstückssituation, sondern ist allein auf eine stärkere als nach § 6 BauO NRW zulässige Ausnutzung der Grundstücke der Beigeladenen zurückzuführen. Dies ergibt sich aus folgender Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls:
106Für den Zeitpunkt der Errichtung der Stützmauer und der darauffolgenden erstmaligen Vornahme von Anschüttungen des Geländes, auf den sich die streitgegenständliche Baugenehmigung nach dem Vorstehenden als Legalisierungsbaugenehmigung rückbezieht und der insoweit Ausgangspunkt der - wertende Elemente einbeziehenden - Betrachtung ist, ob Raum für eine Abweichungsentscheidung besteht, lässt sich das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation nach den oben genannten Maßstäben nicht feststellen. Nach den im Hauptsacheverfahren gewonnenen zusätzlichen Erkenntnissen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass vorliegend zunächst allein die Bebauung der Grundstücke der Beigeladenen mit Wohnhäusern eine Veränderung der Hanglage - Errichtung einer Stützmauer mit Anschüttung - im Bereich zwischen den Nordwestwänden der Wohnhäuser und dem Grundstück der Klägerin im Ausgangszustand nicht erforderlich machte. Die Bauantragsunterlagen (Ansichtszeichnungen und Schnitte), die Bestandteil der Baugenehmigungen aus 2000 geworden sind, sahen vor, dass das vorhandene Gelände in den südöstlichen Grundstücksbereichen zur Straße angeschüttet werden, in den nordwestlichen Bereichen jedoch unverändert bleiben sollte. In Richtung des Bahngeländes waren nur Balkone, aber keine ebenerdigen Nutz- bzw. Aufenthaltsflächen in Richtung des Bahngeländes vorgesehen. In dem oben genannten Schreiben des Architekturbüros T1. an die Beklagte vom 2. Februar 2000 wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass im Böschungsbereich zur Bahn hin eine Aufforstung mit ortsüblichem Gehölz als begrünter, natürlicher Sichtschutz zum Bahngewerbegelände empfohlen werde. Das natürliche Gelände zwischen den Nordwestwänden der Wohnhäuser und dem Grundstück der Klägerin hätte nach Errichtung der Wohnhäuser demnach ohne Veränderung erhalten bleiben können. Zum damaligen und auch zum jetzigen Zeitpunkt war und ist die Standsicherheit der Wohnhäuser unabhängig von der Anschüttung und der diese abstützenden Mauer gewährleistet. Die Beklagte hat diesen Sachverhalt, nachdem die Gefährdung der Standsicherheit der Stützmauer offenkundig geworden war, geprüft. Dies mündete konkret für das Wohnhaus des Beigeladenen zu 1. in der Ordnungsverfügung vom 18. August 2010, mit der aufgegeben wurde, durch einen Bodengutachter nachzuweisen, dass das Gebäude auf gewachsenen Grund geführt sei. Standsicherheitsbedenken in Bezug auf die Wohnhäuser der übrigen Beigeladenen wurden zu keinem Zeitpunkt erhoben. Die topografischen Verhältnisse erforderten und erfordern demnach eine Anschüttung mit einer diese sichernden Stützmauer schon grundsätzlich nicht. Die Wohnhäuser der Beigeladenen, mit denen die jeweiligen Grundstücke ohnehin schon vergleichsweise stark baulich ausgenutzt wurden, waren - unter Zugrundelegung der Baugenehmigungsunterlagen - ohne ebenerdige Nutz- bzw. Aufenthaltsflächen in Richtung des Bahngeländes konzipiert. Stattdessen wurden - gerade der erheblichen Hanglage entsprechend - Balkone auf zwei Ebenen geplant. Dies ermöglichte eine den topografischen Verhältnissen angepasste, aber zugleich angemessene bauliche Ausnutzung der Grundstücke. Die Anschüttung mit Stützmauer lässt sich demgegenüber allein auf den Wunsch der Beigeladenen zurückführen, den zum Bahngelände hin gelegenen Bereich ihrer Grundstücke - entgegen der Ursprungskonzeption der Bebauung, die an die vorgefundene, die Grundstücke prägende Hanglage angepasst war - ebenfalls bzw. optimaler ausnutzen zu können.
107Es lässt sich überdies auf der Grundlage der Feststellungen im Hauptsacheverfahren auch nicht sagen, dass eine Anschüttung mit Stützmauer im rückwärtigen Bereich der Grundstücke der Beigeladenen, wenn eine solche - entgegen dem Vorstehenden - für eine angemessene bauliche Nutzung der Grundstücke als erforderlich angesehen werden müsste, aufgrund der topografischen Gegebenheiten zwangsläufig nur unter Inkaufnahme eines Abstandflächenverstoßes zu Lasten des klägerischen Grundstücks erfolgen konnte bzw. könnte. Es ist weder seitens der Beigeladenen substantiiert dargelegt noch sonst etwas dafür ersichtlich, dass eine Anschüttung mit Stützmauer, die außerhalb einer einzuhaltenden Abstandfläche beginnen würde, nicht auf eine Gestaltung der Hanglage im rückwärtigen Nahbereich der Wohnhäuser führen könnte, die die Schaffung ebenerdiger Nutz- bzw. Aufenthaltsflächen in Richtung des Bahngeländes in gewissem Umfang ermöglichen würde. Soweit die Beigeladenen andeuten, hierfür erforderliche bauliche Maßnahmen - Errichtung einer Stützmauer höher am Hang - würden zu einer Destabilisierung des Hangs mit negativen Auswirkungen auf die Standsicherheit der Wohnhäuser führen, bleibt dies reine Spekulation. Auch die Dimensionierung der Anschüttung, die auf den in Rede stehenden Abstandflächenverstoß führt, erweist sich demnach allein als durch den Wunsch der Beigeladenen nach möglichst weitgehender baulicher Ausnutzung ihrer Grundstücke bestimmt. Durch die vorgefundenen topografischen Gegebenheiten an sich ist der Abstandflächenverstoß auch insoweit nicht veranlasst.
108Eine atypische Grundstückssituation lässt sich vorliegend auch nicht unter Bezugnahme auf die vom Ausgangszustand vor der Bebauung der Grundstücke der Beigeladenen mit Wohnhäusern inzwischen abweichende aktuelle (faktische) Situation begründen. Denn diese Grundstückssituation - sanierungsbedürftige, quasi-grenzständig errichtete Stützmauer mit (inhomogener, teilweise beseitigter) Anschüttung, die den natürlichen Hangverlauf deutlich verändert hat - haben die Beigeladenen - die im Hauptsacheverfahren zur Genese der baulichen Veränderungen im Hangbereich ihrer Grundstücke gewonnenen Erkenntnisse zugrundegelegt - selbst durch (formell und materiell) illegale Baumaßnahmen herbeigeführt. Dies schließt es nach den bereits im Eilbeschluss vom 16. März 2012 - 2 B 197/12 - und vorstehend erneut dargestellten Maßstäben aus, in der gegebenen konkreten Grundstückssituation von einer Atypik als Voraussetzung für eine Abweichung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW auszugehen. Von Bauherrn in rechtswidriger Weise selbst geschaffene Grundstückssituationen können nach Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift eine Abweichung von den grundsätzlich streng einzuhaltenden Abstandflächenvorschriften grundsätzlich – wie auch hier ‑ nicht rechtfertigen.
109Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 1988- 7 A 2897/88 -, BRS 48 Nr. 139 = juris Rn 30; Bay. VGH, Urteil vom 22. Dezember 2011- 2 B 11.2231 -, juris Rn. 18.
110Vorliegend beruht die aktuelle Grundstückssituation allein auf illegalen Baumaßnahmen der Beigeladenen. Dies ergibt sich aus der Entwicklung des Baugeschehens, die das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen zutreffend dargestellt hat: Nach den Bauanträgen aus 1999/2000 sollte der Hangverlauf zwischen den Nordwestwänden der zu errichtenden Wohngebäude und dem klägerischen Grundstück unverändert bleiben. Dennoch wurde parallel zur Errichtung der Wohnhäuser die streitgegenständliche Stützmauer errichtet. Bereits im Dezember 2000 fertigte der Dipl.-Ing. I1. für die Eigentümergemeinschaft T.------straße eine statische Berechnung für die Errichtung einer Stützwand mit Anschüttung an der Grenze zum Grundstück der Klägerin an. Auf die Schreiben der Beklagten vom 25. Oktober 2011 gerichtet an die Beigeladenen zu 4. und 5. und die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 6. und 7., in denen darauf hingewiesen wurde, dass es für die 3 m hohe Stützmauer zum benachbarten Bahngelände keine Baugenehmigung gebe, antwortete der zuständige Architekt T1. mit Schreiben vom 1. März 2002 offenkundig wahrheitswidrig, die Stützwand werde bei Beendigung der Arbeiten „wieder angeböscht“ eine Höhe von nur 2 m haben. Auf den in den Bescheinigungen zur Fertigstellung der Bauvorhaben gemäß § 82 BauO NRW vom 3. Dezember 2002 enthaltenen Hinweis der Beklagten, das Gelände zur nördlichen und nordwestlichen Grundstücksgrenze im 3 m Grenzbereich sei entsprechend dem natürlichen Verlauf wiederherzustellen, reagierten die Beigeladenen zu 2., 3., 6. und 7. bzw. der Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. nicht. Sie bemühten sich zwar ab Ende 2002 um eine Zustimmung des Bundeseisenbahnvermögens zu einer Anschüttung auf ihren Grundstücken. Weder auf diese noch die im Jahr 2005 erteilte Baugenehmigung können sich die Beigeladenenn im vorliegenden Zusammenhang jedoch berufen. Die Zustimmungserklärungen des Bundeseisenbahnvermögens aus August 2003 deckten - wie unten stehend im Einzelnen ausgeführt wird - jedenfalls keine die Standsicherheit der Stützmauer und damit die Sicherheit des Bahngrundstücks gefährdenden Anschüttungen. Solche nahmen die Beigeladenen in der Folgezeit jedoch, insbesondere die Beigeladenen zu 2. bis 5. in großem Umfang, vor. Dass mit der Baugenehmigung 2005 weder die vorhandene Stützmauer noch die/eine dahinterliegende Anschüttung legalisiert wurde, war bei objektivierter Betrachtung überdies offenkundig. Es war auch für die Beigeladenen, ungeachtet dessen, dass sie sich falsche Angaben des von ihnen bevollmächtigten Architekten ohnehin zurechnen lassen müssen, nicht zu übersehen, dass es sich bei der vorhandenen Stützmauer nicht um eine solche handelte, die lediglich 1,90 m - sondern 3 m und damit 1,10 m höher - aus dem Gelände herausragte. Dass die insbesondere von den Beigeladenen zu 2. bis 5. nach Erteilung der Baugenehmigung vorgenommenen Anschüttungen einen von der Baugenehmigung 2005 allenfalls legalisierten Böschungswinkel von 30 Grad nicht einhielten, war ebenfalls ohne Weiteres erkennbar. Gerade die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben durch - eigenen Angaben im Ortstermin zufolge seit Erteilung der Baugenehmigung im Jahr 2005 stetig - fortgesetzte Anschüttungen und Abstützung derselben durch in einem Winkel von deutlich mehr als 45 Grad aufgebaute Pflanzsteine den Druck auf die - illegal errichtete - Stützmauer stetig erhöht, bis diese schließlich dem Druck sichtbar nicht mehr standhielt und vorläufige Sicherungsmaßnahmen durch teilweise Abtragung von Erdreich erforderlich wurden. Die Beigeladenen zu 1., 6. und 7. haben, obwohl auch für diese erkennbar gewesen sein muss, dass die Anschüttungen und Abstützungen durch Pflanzsteine mit dem in der Baugenehmigung 2005 vorgeschriebenen Böschungswinkel von allenfalls 30 Grad nicht in Einklang standen, die Baumaßnahmen der Beigeladenen zu 2. bis 5. nicht unterbunden. Dieses Unterlassen ist den Beigeladenen zu 1., 6. und 7. - ungeachtet der von ihnen im Einzelnen konkret selbst vorgenommenen Anschüttungen und sonstigen baulichen Veränderungen des Hangs - im Rahmen der hier gebotenen wertenden Betrachtung zuzurechnen, da alle Beigeladenen bzw. deren Rechtsvorgänger stets als Gesamtverantwortliche für die Stützmauer mit Anschüttungen in Erscheinung getreten sind.
111Haben die Beigeladenen die jetzige Situation demnach durch wiederholte, jeweils offenkundig illegale bauliche Maßnahmen bzw. deren Hinnahme verursacht, scheidet die Annahme einer atypischen Grundstückssituation bezogen auf den aktuellen Zustand schon grundsätzlich aus.
112Fehlt es demnach an einer atypischen Grundstückssituation, kommt es auf die Frage, ob die Abweichungsentscheidung der Beklagten im Übrigen nachbarrechtskonform getroffen worden ist, nicht an.
1134. Der Geltendmachung des Abwehrrechts gegen die nachbarrechtswidrige Abstandflächenunterschreitung steht ein Verzicht der Klägerin nicht entgegen. Eine Zustimmung der früheren Eigentümerin des klägerischen Grundstücks, des Bundeseisenbahnvermögens, die einem Abwehrrecht der Klägerin gegen das streitgegenständliche Vorhaben entgegen gehalten werden könnte, liegt nicht vor. Dem von der Beklagten und den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag war insoweit auch nicht nachzugehen.
114Den vorliegenden Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens an die Beigeladenen zu 2., 5. und 7. und den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. aus August 2003 lässt sich, auch unter Berücksichtigung der mündlichen Äußerungen, die ein Bediensteter der Bahn nach den Angaben der Beigeladenen zu 2. im April/Mai 2003 vor Ort getätigt haben soll, eine Zustimmung zu dem konkreten Vorhaben, das Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist, schon nicht entnehmen.
115Die - gegebenenfalls auch mündliche - Zustimmung eines Nachbarn zu einem Bauvorhaben ist als Verzicht auf eventuelle öffentlich-rechtliche Nachbarrechte zu werten, wenn sie sich eindeutig auf ein konkretes Bauvorhaben bezieht und die Baugenehmigung für dasselbe Vorhaben erteilt worden ist, dem der Nachbar zugestimmt hat.
116Vgl. OVG NRW, Urteile vom 20. November 2013 - 7 A 2341/11 -, BauR 2014, 252 = juris Rn. 54, vom 2. September 2010 - 10 A 2616/08 -, juris Rn. 32, 47, und vom 20. Februar 2006 - 7 A 1358/04 -, juris Rn. 39, Beschlüsse vom 16. April 2012 - 7 A 1984/10 -, juris Rn. 38, 40, vom 30. März 2004 - 7 B 2430/03 -, juris Rn. 4, vom 28. Juni 2002 - 7 B 1061/02 -, juris Rn. 5, vom 30. August 2000 - 10 B 1145/00 -, BRS 63 Nr. 204 = juris Rn. 3 ff., und vom 20. Januar 2000 - 7 B 2103/99 -, BRS 63 Nr. 186 = juris Rn. 5 f.
117Ein Nachbar ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er einem Vorhaben zustimmt oder nicht. Dementsprechend kann er einerseits sein Einverständnis frei begrenzen, einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, andererseits aber auch relativ pauschal sein Einverständnis mit einer Nachbarbebauung erklären. Die Frage, wie weit sich ein Einverständnis des Nachbarn mit einem Vorhaben bzw. sein Verzicht auf ein etwa gegen dieses Vorhaben gerichtetes Abwehrrecht auf seine nachbarliche Abwehrposition auswirkt, beantwortet sich daher allein nach dem konkreten, gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der von ihm zu dem Nachbarvorhaben abgegebenen Erklärung. Eine Unterschrift unter die das Vorhaben verdeutlichenden Baupläne stellt dabei regelmäßig die schlüssige Erklärung eines umfassenden Verzichts auf nachbarliche Einwendungen gegenüber dem in diesen Bauzeichnungen konkretisierten Vorhaben dar. § 74 Abs. 3 BauO NRW, wonach bei einer Unterzeichnung der Baupläne die Beteiligung der Angrenzer auch im Zusammenhang mit einer Entscheidung über die Zulassung von Abweichungen zu den bauordnungsrechtlichen Anforderungen unterbleibt, legt diesen regelmäßigen Erklärungsgehalt von Unterschriften auf Bauplänen seiner gesetzlichen Regelung zugrunde.
118Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. März 2004 - 7 B 2430/03 -, juris Rn. 8, Beschluss vom 28. Juni 2002 - 7 B 1061/02 -, juris Rn. 7, und vom 30. August 2000 - 10 B 1145/00 -, BRS 63 Nr. 204 = juris Rn. 3 ff., Urteil vom 23. Januar 1995 - 7 A 3705/92 -, S. 12 des amtlichen Umdrucks.
119Gleiches gilt für einen nach Erteilung der Baugenehmigung erklärten Verzicht auf Abwehrrechte gegen ein konkretes Vorhaben. In einen solchen Verzicht kann nicht ohne weiteres hinein gelesen werden, die Erklärung erstrecke sich auch auf (spätere) Nachbarrechtsverletzungen durch ein abweichendes Vorhaben oder durch abweichend genehmigte Teile des ursprünglichen Vorhabens. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn sich das spätere Vorhaben oder dessen teilweise geänderte Bauausführung objektiv als weniger beeinträchtigend herausstellen sollte als dasjenige, mit dem sich der Nachbar einverstanden erklärt hatte. Der Nachbar ist rechtlich grundsätzlich nicht gehindert, eine bestimmte Beeinträchtigung hinzunehmen, ohne auf Abwehrrechte gegen eine objektiv geringere Beeinträchtigung zu verzichten. Es gibt keinen rechtlichen Grundsatz, dass ein Verzicht auf ein Abwehrrecht gegen ein konkretes Bauvorhaben generell auch für alle (nach Ansicht des Bauherrn und der Genehmigungsbehörde) objektiv weniger belastendes Vorhaben gilt.
120Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2004- 7 B 2430/03 -, juris Rn. 11.
121Unter welchen Voraussetzungen die Änderung eines Vorhabens zum Erlöschen einer zuvor für eine bestimmte Bauausführung erklärte nachbarliche Zustimmung führt bzw. hierdurch die Bindungswirkung einer nachbarlichen Zustimmungserklärung entfällt, ist nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Abweichungen in der tatsächlichen Bauausführung, die sich auf nachbarrechtsrelevante Bereiche beziehen, sind, soweit nichts anderes vereinbart, von vornherein von der vorausgehenden Zustimmung des Nachbarn nicht mit abgedeckt; einem insoweit geänderten Vorhaben kommt die Zustimmungserklärung damit insgesamt nicht mehr zugute. Aber auch Änderungen, die sich nicht auf potentiell nachbarrechtsrelevante Bereiche beziehen, können dazu führen, dass eine vorher erklärte Zustimmung das geänderte Vorhaben insgesamt nicht mehr abdeckt, wenn sich nämlich die Änderungen auf Elemente des Bauvorhabens beziehen, die, was ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist, in ihrer bei Abgabe der Zustimmungserklärung den Beteiligten bewussten Gestaltungsform mit Grundlage für diese Zustimmung waren. Ist bei der Zustimmung auf Zeichnungen Bezug genommen worden, so bestimmt sich die Beurteilung im Grundsatz nach den Darstellungen dieser Zeichnungen.
122Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30. August 2000- 10 B 1145/00 -, BRS 63 Nr. 204 = juris Rn. 9 und vom 23. Januar 1995 - 7 A 3705/92 -, S. 12 f. des amtlichen Umdrucks.
123Der in einer Zustimmung zu einem benachbarten Bauvorhaben liegende Verzicht auf öffentlich-rechtliche Abwehransprüche bindet auch den nachfolgenden Eigentümer, wenn das Abwehrrecht - wie hier - aus Normen des öffentlichen Baurechts abgeleitet ist, deren nachbarschützende Wirkung sich auf das Grundstück bezieht.
124Vgl. OVG NRW, Urteile vom 20. November 2013 - 7 A 2341/11 -, BauR 2014, 252 = juris Rn. 57 f., und vom 2. September 2010 - 10 A 2616/08 -, juris Rn 47 ff.
125Ausgehend von diesen Grundsätzen deckt die mit Schreiben vom 1. August 2003 an die Beigeladene zu 2. und die mit Schreiben vom 22. August 2003 an die Beigeladenen zu 5., 7. und den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1. erklärte Zustimmung des Bundeseisenbahnvermögens als damalige Eigentümerin des klägerischen Grundstücks zu „einer Aufschüttung“ auf den Grundstücken der Beigeladenen das Vorhaben, das Gegenstand der streitigen Baugenehmigung ist - die nämlich erstmalige Legalisierung der zu sanierenden Stützmauer mit Anschüttung in der jetzt in Rede stehenden Gestalt – nicht ab. Selbst unter Einbeziehung des Vorbringens der Beigeladenen zu den von einem Bediensteten der Bahn vor Ort getätigten Äußerungen lässt sich die Zustimmungserklärung nicht entsprechend auslegen.
126Die Erklärungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin können bei objektivierter Auslegung schon nicht dahingehend verstanden werden, dass mit ihnen eine Zustimmung zu dem seinerzeit in Rede stehenden Vorhaben - eine Gesamtanlage bestehend aus einer bereits illegal errichteten Stützmauer mit nunmehr beabsichtigter Vervollständigung der Auffüllung (bis zur Mauerkrone) - erklärt werden sollte.
127In dem „Leitschreiben“ an die Beigeladene zu 2. vom 1. August 2003 - die Schreiben vom 22. August 2003 beziehen sich auf dieses und sind im Übrigen inhaltsgleich - wird unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 16. Juni 2003 und auf mit der Beigeladenen zu 2. geführte Telefonate formuliert: „Gegen eine Anschüttung Ihres Grundstücks bestehen von hier keine Bedenken.“ Diese Erklärung bezieht sich, wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend zugrunde gelegt hat, zunächst lediglich auf „eine Anschüttung“. Die Stützmauer wird in der Erklärung nicht erwähnt. Dass auf diese in dem Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 16. Juni 2003 - das nicht vorliegt - Bezug genommen wird, haben die Beigeladenen nicht vorgetragen. In dem stattdessen zu den Akten gereichten Schreiben der Beigeladenen an die Deutsche Bahn AG/Deutsche Bahn Immobilien AG vom 31. Oktober 2002, in dem sie darum bitten, „die Aufschüttung“ auf ihren Grundstücken zu genehmigen, fehlt es ebenfalls an einer Bezugnahme auf die Stützmauer - geschweige denn eine beabsichtigte Legalisierung der ohne Baugenehmigung errichteten Stützmauer. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beigeladene zu 3. erklärt, dass, als das Bundeseisenbahnvermögen im August 2003 sein Einverständnis mit einer Aufschüttung des Geländes gegeben habe, die streitige Mauer noch nicht vollständig hinterfüllt gewesen sei. Seine Frau, die Beigeladene zu 2., habe deshalb bei der zuständigen Behörde nachgefragt, ob mit Blick auf die Hinterfüllung Bedenken bestünden. Seinerzeit sei auch jemand von der Bundesbahn herausgekommen und habe sich die Situation vor Ort angeschaut. Dass in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch über die - bereits illegal errichtete - Stützmauer gesprochen worden wäre, ist damit gleichfalls nicht dargetan. Im Berufungsverfahren haben die Beigeladenen schriftsätzlich ergänzend ausgeführt, die Beigeladene zu 2. habe damals dem Mitarbeiter der Bahn im Ortstermin zur Erläuterung der geplanten Anschüttung tatsächlich eine Bauzeichnung von den ihr damals vorliegenden Plänen des Architekturbüros T1. vorgelegt. Diese Schnittzeichnung, die als Anlage zur Gerichtsakte gereicht wurde, zeigt das Wohnhaus der Beigeladenen zu 2. und 3. (unter anderem) mit einem von den Baugenehmigungsunterlagen abweichenden Anschüttungszustand. Danach sind nicht nur Anschüttungen im straßenseitigen südöstlichen Bereich vorgesehen, sondern weitergehende Anschüttungen im nordwestlichen Bereich, die die Herrichtung einer Terrasse auf der Höhe des Kellergeschosses im rückwärtigen Bereich ermöglichen. Hinter dem Terrassenbereich fällt das Gelände nach dieser Schnittzeichnung in einem Winkel von vielleicht 45 Grad ab. Die Schnittzeichnung stellt den weiteren Verlauf der Anschüttung in Richtung des klägerischen Grundstücks, insbesondere die Stützmauer und eine Anschüttung in diesem Bereich, aber ebenfalls nicht weiter dar. Dass die - illegale - Stützmauer in die Zustimmungserklärung der Bahn einbezogen wurde, ergibt sich auch nicht aus den Äußerungen, die der Bedienstete der Bahn, der nach den Angaben der Beigeladenen zu 2., so wie sie der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung wiedergegeben hat, im April/Mai 2003 vor Ort getätigt haben soll. Die Erklärung, „gegen eine weitere Anschüttung bis zur Mauerkrone habe er keine Bedenken“, bezieht sich wiederum nur auf die Anschüttung, auch wenn die Mauerkrone der Stützmauer als Bezugspunkt hierfür genannt wird.
128Dies zugrundegelegt, ist nicht feststellbar, dass die Verantwortlichen für das Bundeseisenbahnvermögen bei objektivierter Betrachtung der von ihnen getätigten schriftlichen und mündlichen Äußerungen den Willen hatten, eine Zustimmung nicht nur zu einer Anschüttung, sondern auch zu der bereits illegal ohne Rücksicht auf einschlägige Abstandflächenvorgaben errichteten Stützmauer zu erteilen, sie also eine Zustimmung zu der tatsächlich in Rede stehenden Legalisierung einer Gesamtanlage bestehend aus Stützmauer und Anschüttung geben wollten. Die Beigeladenen haben auch ihren eigenen Angaben zufolge zu keinem Zeitpunkt vom Bundeseisenbahnvermögen die Zustimmung auch zu der illegal errichteten Stützmauer erbeten. Andernfalls wäre eine ausdrückliche Einbeziehung der Stützmauer in die Zustimmungserklärung auch mehr als naheliegend gewesen. Dies ist aber gerade nicht erfolgt.
129Unbeschadet des Vorstehenden wäre aber auch dann, wenn die Zustimmungserklärung des Bundeseisenbahnvermögens so auszulegen wäre, dass sie sich auf eine Gesamtanlage bestehend aus - bereits vorhandener, illegal errichteter - Stützmauer mit einer Anschüttung (bis zur Mauerkrone) bezog, weder die bei Abgabe der Zustimmungserklärung geplante Gesamtanlage von dieser abgedeckt, noch umfasste die Zustimmungserklärung das Vorhaben, das jetzt Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist.
130Die Zustimmungserklärung aus August 2003 kann sich allenfalls auf die vorhandene Stützmauer mit einer dahinterliegenden Anschüttung beziehen. Die Stützmauer war jedoch, so wie sie dort stand - und allein in dieser Form konnte sie Gegenstand der Zustimmung des Bundeseisenbahnvermögens werden - von Anfang an nicht geeignet, eine Anschüttung von 30 Grad, die bei Abgabe der Zustimmungserklärung mindestens im Raum stand, abzustützen. Dass die Zustimmung des Bundeseisenbahnvermögens eine nicht standsichere Stützwand-/Anschüttungskonstruktion bei objektiver Auslegung nicht umfassen sollte, ist offensichtlich und wird mit dem Hinweis in den Schreiben von August 2003 darauf, dass dafür Sorge getragen werden möge, dass durch die Aufschüttung eine Gefährdung des Grundstücks ausgeschlossen sei, deutlich. Schon im Ansatz war damit die bei Abgabe der Zustimmungserklärung in Rede stehende Gesamtanlage bestehend aus der damals vorhandenen Stützwand mit Anschüttung von der Zustimmung des Bundeseisenbahnvermögens nicht gedeckt.
131Das Vorhaben, das jetzt Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist, ist von der Zustimmungserklärung gleichfalls unter keinem Blickwinkel umfasst. Zwar ist Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung eine - erstmals standsichere - Gesamtkonstruktion aus Stützmauer und Anschüttung. Um diese Standsicherheit zu gewährleisten, muss jedoch die Stützmauer in einer Art und Weise baulich verändert werden, die sie gegenüber der bestehenden Stützmauer, auf die sich die damalige Zustimmung allein erstrecken konnte, als abweichendes Vorhaben erscheinen lässt. Die bestehende Stützmauer stellt sich - wie im I-L. Gutachten vom 11. Juli 2011 ausgeführt - als „Schwergewichtswand wirkende Winkelstützwand“ dar. Die sanierte Mauer wird eine im Baugrund dauerhaft rückverankerte Stützwand und damit ihrer Konstruktion nach etwas anderes sein. Die hierfür erforderlichen - umfangreichen - baulichen Maßnahmen einschließlich der erforderlichen Eingriffe in den Baugrund im Nahbereich zur Grundstücksgrenze werden in der statischen Berechnung vom 11. Juli 2011 und der Ausführungsplanung vom 8. November 2011 im Einzelnen dargestellt. Die Standsicherheitsfrage stellt sich für die zu sanierende Stützmauer ausgehend von der (ein)geplanten Wiedervervollständigung und Anpassung der Anschüttung neu. Zu einem solchermaßen neukonzipierten Vorhaben aus zu sanierender, auch in ihrer Konstruktion veränderter Stützmauer mit angepasster Anschüttung hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit ihren Erklärungen im Jahr 2003 bei objektivierter Auslegung keine Zustimmung erteilt.
132Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag der Beklagten,
133Beweis zu erheben „zu der Frage, welche Erklärungen von der Seite der Bahn im April/Mai 2003 zu der hier in Rede stehenden Stützmauer sowie zu der Anschüttung auf dem Gelände der Beigeladenen abgegeben worden sind“,
134und dem hieran anknüpfenden Hilfsbeweisantrag der Beigeladenen,
135„den Bediensteten der Bahn als Zeugen zu hören“,
136war nicht nachzukommen. Es handelt sich um einen Beweisermittlungs- bzw. Beweisausforschungsantrag, der eine Pflicht des Gerichts zur Beweiserhebung nicht auslöst.
137Vgl. hierzu nur BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2002 - 7 B 92.01 -, juris Rn. 3, und vom 29. März 1995 - 11 B 21.95 -, juris Rn. 4.
138Weder die Beklagte noch die Beigeladenen haben die - weitergehenden - Aussagen, die ein Mitarbeiter der Bahn im April/Mai 2003 vor Ort zu der Stützmauer und der Anschüttung auf dem Gelände der Beigeladenen getätigt haben und die also unter Beweis gestellt werden sollen, benannt. Soweit den Hilfsbeweisanträgen die unausgesprochene Behauptung zugrundeliegt, ein Mitarbeiter der Bahn habe noch weitergehende Erklärungen zu der Stützmauer und der Anschüttung - welchen konkreten Inhalts auch immer - abgegeben als die, die die Beigeladenen selbst bisher benannt haben, erfolgt diese Behauptung erkennbar „ins Blaue hinein“. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch nach den Angaben der Beigeladenen zu 2., die selbst mit dem Bahnmitarbeiter, der vor Ort gewesen sein soll, gesprochen haben will und die auch im Übrigen mit der Bahn im Zusammenhang mit deren Zustimmungserklärung kommuniziert hat, irgendwelche weitergehenden Erklärungen von der Seite der Bahn nicht - auch mündlich nicht - abgegeben wurden.
1395. Der Abwehranspruch der Klägerin gegen den mit dem streitgegenständlichen Vorhaben verbundenen Abstandflächenverstoß ist schließlich auch nicht verwirkt.
140Im Hinblick auf die formelle Illegalität der baulichen Anlage, die Gegenstand der Genehmigung ist, kommt lediglich die Verwirkung des materiell-rechtlichen Abwehrrechts in Betracht. Für die Verwirkung des materiellen Rechts kommt es darauf an, ob der Berechtigte während eines längeren Zeitraums ein ihm zustehendes Recht nicht geltend macht, obwohl er hierfür Anlass hat, und ob ein solches Verhalten geeignet ist, bei dem Verpflichteten den Eindruck zu erwecken, der Berechtigte werde sein Recht nicht (mehr) ausüben. Die Verwirkung eines Rechtes setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums (sog. Zeitmoment) ferner voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Was die längere Zeit anbetrifft, während der ein Recht nicht ausgeübt worden ist, obwohl dies dem Berechtigten möglich gewesen wäre, lassen sich grundsätzlich keine allgemeingültigen Bemessungskriterien nennen. Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung die Rede sein kann, hängt entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums verstößt insbesondere dann gegen Treu und Glauben, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Der Rechtsgedanke der Verwirkung schützt das in das Verhalten des anderen gesetzte Vertrauen. Wo die letztlich schadensverursachende Maßnahme - die Bauarbeiten - nicht auf einem solchen Vertrauen beruht, sondern unabhängig von einem eventuellen Vertrauen vorgenommen ist, kann insoweit keine Verwirkung eintreten.
141Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 16. April 2002 - 4 B 8.02 -, BRS 65 Nr. 195 = juris Rn. 11, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, BRS 52 Nr 218 = juris Rn. 22 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 B 1090/12 -, BauR 2013, 507 = juris Rn. 8 ff., Urteile vom 4. September 2008 - 7 A 2358/07 -, juris Rn. 58 ff., und vom 24. April 2001 - 10 A 1402/98 -, BRS 64 Nr. 188 = juris Rn. 6 ff.
142Wann eine Verwirkung in diesem Sinne anzunehmen ist, hängt maßgeblich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab; die Verwirkung als Grundlage für einen Rechtsverlust des Nachbarn trotz fortdauernder Rechtswirkung und ggf. beeinträchtigender Wirkung einer baulichen Anlage kann allerdings nur in Ausnahmefällen angenommen werden.
143Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2005- 10 A 3664/03 -, BRS 69 Nr. 178 = juris Rn. 9.
144Grundsätzlich können materielle Abwehrrechte des Nachbarn auch gegenüber ungenehmigten Bauvorhaben verwirkt werden.
145Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1988- 4 B 50.88 - BauR 1988, 332 = juris Rn. 2.
146Ein Eigentümerwechsel ist im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Die jeweiligen Abwehrrechte sind dingliche, d. h. auf die beteiligten Grundstücke bezogen. Ein neuer Eigentümer rückt in die Rechtsstellung des früheren ein. Vertrauenschaffende Handlungen bzw. vertrauenschaffendes Nichtstun des Rechtsvorgängers muss sich der neue Eigentümer entgegen halten lassen.
147Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 29. März 2012- 2 A 2558/10 -, S. 28 des amtlichen Umdrucks; OVG S.-A., Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 L 56/11 -, NVwZ-RR 2012, 752 = juris Rn. 7, m. w. N.
148Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin ihr Abwehrrecht gegen die mit der Baugenehmigung legalisierte bauliche Maßnahme und den hiermit verbundenen Abstandflächenverstoß verwirkt hätte.
149Eine Verwirkung kommt hier schon grundsätzlich nicht in Betracht, weil für den Beginn des Zeitraums, der für eine Verwirkung des materiellen Abwehrrechts der Klägerin gegen den Abstandflächenverstoß in Betracht zu ziehen ist, auf die Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung abzustellen ist.
150Die streitgegenständliche Baugenehmigung bedeutet für die Geltendmachung nachbarlicher Abwehrrechte der Klägerin eine Zäsur. Für die Klägerin stellt sich die Frage des Vorgehens neu, da mit der Baugenehmigung erstmals eine Legalisierung einer bisher ungenehmigten abstandflächenwidrigen baulichen Anlage in neu konzeptionierter Gesamtgestaltung erfolgt.
151Vgl. in diesem Zusammenhang für den Fall der erstmaligen Legalisierung eines ungenehmigten Zimmereibetriebs BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, BRS 52 Nr. 218 = juris Rn. 23; im Anschluss daran für die Legalisierung eines Baustofflagers OVG NRW, Urteil vom 21. März 1995 - 11 A 1089/91 -, BRS 57 Nr. 68 = juris Rn. 39 ff.
152Wie vorstehend bereits ausgeführt weicht die bauliche Anlage, die Gegenstand der Baugenehmigung ist, von vorherigen illegalen Zuständen und überdies vom aktuellen Zustand entscheidend ab. Die Stützmauer wird im Zuge der Sanierung ihrer Grundkonstruktion nach umgestaltet. Hierfür sind bauliche Maßnahmen erforderlich, die unter anderem mit Eingriffen in den Baugrund im Nahbereich zum klägerischen Grundstück erforderlich sind. Grundlage der Sanierung und Bestandteil der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist erstmalig eine von einem Böschungswinkel von 30 Grad ausgehende statische Berechnung. Die Baugenehmigung ermöglicht auch nicht lediglich die Beibehaltung einer bereits bestehenden Anschüttung, sondern - ausgehend vom Genehmigungszeitpunkt und Jetzt-Zustand - eine Vervollständigung und Anpassung der Anschüttung, von der sich nicht feststellen lässt, dass sie im jetzt genehmigten Zustand - und sei es dem Rahmen nach - überhaupt über einen längeren Zeitraum bestanden hat.
153Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
154Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
155Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.
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Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.
- 3
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Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.
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Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.
- 5
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Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.
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Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.
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Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.
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Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.
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1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.
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a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.
- 12
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b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.
- 13
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2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
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3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.
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a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.
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b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.
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c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.
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aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).
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Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.
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bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).
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cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.
- 22
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Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).
- 23
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Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.
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Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.
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Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).
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dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).
- 27
-
4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
-
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
-
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
-
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
- 1
-
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde der Beigeladenen hat keinen Erfolg.
- 2
-
1. Als grundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf:
-
Müssen die für den Nachbarschutz notwendigen Regelungen auch dann einheitlich und abschließend in der Baugenehmigung getroffen werden, wenn sichergestellt ist, dass das Rücksichtnahmegebot in einem nachfolgenden fachaufsichtlichen Genehmigungsverfahren nochmals überprüft wird?
- 3
-
Mit dieser Rüge wendet sich die Beschwerde gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Sicherung von Nachbarrechten bei einem Vorhaben, dessen Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten würde, erfordere, dass Nutzungsmöglichkeiten des Vorhabens unter Umständen durch konkrete Regelungen beschränkt, maßgebliche Immissionsrichtwerte oder Beurteilungspegel als Grenzwerte bereits in der Baugenehmigung festgelegt werden (UA S. 11 Rn. 35). In tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht dazu festgestellt, es sei nicht zweifelhaft, dass die Immissionsrichtwerte zur Nachtzeit bei seltenen Ereignissen mit Bezug zum Vorhaben der Beigeladenen überschritten werden könnten; eine Überschreitung des Immissionsrichtwerts für Mischgebiete von 45 dB(A) nachts (Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm) sei nach der Prognoseberechnung des Umweltamts der Beklagten schon ohne die Berücksichtigung seltener Ereignisse anzunehmen. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von der Beklagten in die angefochtene Baugenehmigung eingefügte einschränkende Regelung Nr. 8.2 habe zur Folge, dass die Beigeladene bei größeren Veranstaltungen, die als seltene Ereignisse bezeichnet würden, die Möglichkeit habe, die Außenbewirtschaftung ohne Beachtung der dem Nachbarschutz durch die Auflagen Nr. 5 bis 8.1 dienenden Beschränkungen erheblich auszuweiten (UA S. 12 Rn. 36).
- 4
-
Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um die aufgeworfene Frage - soweit sie revisionsgerichtlicher Klärung zugänglich ist - zu beantworten. Soweit sie Bundesrecht betrifft, lässt sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres mit dem Berufungsgericht bejahen.
- 5
-
Wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt ist, regelt die (positive) bauaufsichtliche Genehmigung nach dem Bauordnungsrecht der Länder nicht nur, dass ein bestimmtes Bauvorhaben ausgeführt werden darf; neben diesem gestattenden Teil (Baufreigabe) hat die Baugenehmigung vielmehr die umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens einschließlich der ihm zugedachten Nutzung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Inhalt, soweit sie für die baurechtliche Prüfung einschlägig sind (Urteil vom 17. Oktober 1989 - BVerwG 1 C 18.87 - BVerwGE 84, 11 <13 f.>). Des Weiteren ist geklärt, dass wenn die von einer Gaststätte typischerweise zu erwartenden Belästigungen nach der Art des Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO als zumutbar anzusehen sind, dies zugleich bedeutet, dass es sich dabei nicht um schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG handelt (Urteil vom 4. Oktober 1988 - BVerwG 1 C 72.86 - BVerwGE 80, 259 <262>). Soweit die Baugenehmigungsbehörde zuständig ist, entfaltet die feststellende Regelung der Baugenehmigung im gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren Bindungswirkung (Urteil vom 17. Oktober 1989 a.a.O. S. 14).
- 6
-
Zur Frage, welche Behörde die insoweit maßgebliche Entscheidung zu treffen hat, hat das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz aufgestellt, dass diese danach zu bestimmen ist, zu welchem in die originäre Zuständigkeit der beteiligten Behörden fallenden Regelungsgegenstand der stärkere Bezug besteht (Urteile vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 <324>; vom 4. Oktober 1988 a.a.O. S. 262 und vom 27. März 1990 - BVerwG 1 C 47.88 - Buchholz 451.20 § 33i GewO Nr. 9). Danach gilt: Soweit die typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Gaststätte in einer konkreten baulichen Umgebung verbundenen Immissionen zu beurteilen sind, besteht der stärkere Bezug zur Zuständigkeit der Baurechtsbehörde; denn diese typischen Immissionen hängen von Größe, Beschaffenheit und Standort der baulichen Anlage ab, die Gegenstand der Baugenehmigung sind, und nicht vom jeweiligen Gastwirt, dem die Gaststättenerlaubnis - wenn auch in Bezug auf bestimmte Räume - gerade für seine Person erteilt wird (Urteil vom 4. Oktober 1988 a.a.O. S. 262; vgl. auch Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, § 4 Rn. 358; ders. a.a.O. § 5 Rn. 45). Lärmbeeinträchtigungen, die bei so genannten seltenen Ereignissen auftreten, stellen ebenfalls typische mit der Nutzung in der konkreten baulichen Situation verbundene Immissionen dar. Dementsprechend muss bereits die angegriffene Baugenehmigung sicher stellen, dass durch die mit ihr zusätzlich zugelassene Nutzung keine Lärmimmissionen hervorgerufen werden, die nach dem Gebot der Rücksichtnahme unzumutbar wären; sie muss die mit Rücksicht auf schutzwürdige nachbarschaftliche Belange ggf. erforderlichen Beschränkungen selbst klar und im sachlich gebotenen Umfang regeln. Unabhängig davon, dass bei bestimmten Veranstaltungen, die als seltene Ereignisse einzustufen sind, eine gaststättenrechtliche oder sicherheitsrechtliche Genehmigung einzuholen ist, hat - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - die Baugenehmigungsbehörde daher unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall einzuschätzen, in welcher Weise bei der Festsetzung der zulässigen Art und Zahl der seltenen Ereignisse den Belangen der Anwohner unter Berücksichtigung der gebotenen gegenseitigen Rücksichtnahme Rechnung getragen werden muss. Das schließt es nicht aus, dass Einzelheiten der Nutzungsausübung im Einzelfall dem gaststättenrechtlichen Verfahren vorbehalten sein können (Beschlüsse vom 28. November 1991 - BVerwG 1 B 152.91 - Buchholz 451.41 § 4 GastG Nr. 18 und vom 20. Oktober 1988 - BVerwG 4 B 195.88 - BRS 48 Nr. 141). Darauf hebt der Senat auch ab in dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 - juris Rn. 34), wenn er darauf hinweist, dass allein Beeinträchtigungen, die einen unmittelbaren Bezug zu einem Gaststättenbetrieb aufweisen, als Anknüpfungspunkt für gaststättenrechtliche Anordnungen in Betracht kommen. Einen über diese Grundsätze hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
- 7
-
2. Als Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO macht die Beschwerde geltend, das Urteil stelle ein Überraschungsurteil dar, weil das Berufungsgericht die Frage der Teilbarkeit der angefochtenen Baugenehmigung nicht mit den Beteiligten erörtert, insbesondere keine entsprechende Nachfrage an die Beklagte gerichtet habe. Sie wendet sich damit gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, eine Teilaufhebung nur der Nebenbestimmung Nr. 8.2 komme nicht in Betracht, weil das zur Folge hätte, dass die gerichtliche Entscheidung zu einer Baugenehmigung führen würde, die dem Willen der Beklagten nicht entspräche (UA S. 13 Rn. 39). Auch diese Rüge führt nicht zur Zulassung der Revision.
- 8
-
Die richterliche Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.>). Das Berufungsgericht darf deshalb seine Entscheidung nicht auf Tatsachen oder Rechtsgründe stützen, die für einen erstinstanzlich erfolgreichen Beteiligten in Ansehung der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils überraschend sind (Beschluss vom 4. Juli 2007 - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5). Die Hinweispflicht bezieht sich auf die tragenden ("wesentlichen") Erwägungen des Gerichts. Ein Gericht ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr; vgl. nur Beschlüsse vom 26. Juni 1998 - BVerwG 4 B 19.98 - BRS 60 Nr. 187 und vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 310 § 137 Abs. 2 VwGO Nr. 12 - juris Rn. 25). Unzulässig sind nur Überraschungsentscheidungen, bei denen die Entscheidung auf neue Gesichtspunkte gestützt wird, ohne dass die Beteiligten damit rechnen konnten.
- 9
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Es erscheint schon zweifelhaft, ob das Berufungsgericht als verpflichtet angesehen werden könnte, die beigeladene Bauherrin auf die Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit der von einer Nachbarin angefochtenen Baugenehmigung hinzuweisen und zu erörtern, ob - unter Abweisung der Klage im Übrigen - eine Teilaufhebung in Betracht käme. Dass das Berufungsgericht - anders als das Verwaltungsgericht - Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung hatte, dürfte sich der Beigeladenen im Rahmen des in der Sitzungsniederschrift dokumentierten Rechtsgesprächs ohne Weiteres erschlossen haben. Da sich die Klägerin nicht auf eine isolierte Anfechtung der nachträglich eingefügten Nr. 8.2 beschränkt hat und das Berufungsgericht der Klägerin gegenüber auch keine solche Beschränkung nahegelegt hat, musste die Beigeladene damit rechnen, dass das Gericht - wie von der Klägerin beantragt - den rechtswidrigen Verwaltungsakt insgesamt aufheben werde.
- 10
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Unabhängig davon genügt es unter dem Blickwinkel des Beruhenserfordernisses nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass auf entsprechenden Hinweis vorgetragen worden wäre, dass auch ein Bescheid ohne die Nebenbestimmung Nr. 8.2 dem Willen der Beklagten entsprochen hätte, was sich auch daran zeige, dass die Nebenbestimmung in dem ursprünglichen Ausgangsbescheid nicht enthalten gewesen sei. Die Beigeladene beachtet insofern nicht, dass bei der Beurteilung von Verfahrensfehlern vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts auszugehen ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts müssen - wie dargelegt - auch im Hinblick auf so genannte seltene Ereignisse bereits in der Baugenehmigung Regelungen im Hinblick auf Lärmbeeinträchtigungen enthalten sein. Der Umstand, dass die Nebenbestimmung Nr. 8.2 nachträglich eingefügt worden war, beruhte dagegen auf der vom Berufungsgericht verworfenen Auffassung, es genüge, für solche Ereignisse gaststättenrechtliche oder sicherheitsrechtliche Genehmigungen einzuholen. Der Ausgangsbescheid enthielt also nur deswegen keine Einschränkung, weil die Beklagte der - auch vom Verwaltungsgericht vertretenen - Auffassung war, Ereignisse im Sinne der Nr. 7.2 TA Lärm seien nicht Regelungsgegenstand der Baugenehmigung. Vor diesem Hintergrund hätte es der substantiierten Darlegung bedurft, dass die Beklagte einen Betrieb genehmigen wollte, bei dem die Nebenbestimmungen Nr. 5 bis 8.1 - insbesondere die Beschränkung des Betriebs nur tagsüber bis 22.00 Uhr sowie das Verbot von Musikdarbietungen jeglicher Art - uneingeschränkt auch im Fall so genannter seltener Ereignisse gelten sollten. Dass die Beklagte bei Erlass des Bescheids einen solchen Regelungswillen hatte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
- 11
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die im Berufungsverfahren entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Kläger jeweils zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung, die die Beklagte der Beigeladenen für eine Veranstaltungsfläche für einen Zeitraum von Juni bis September 2013 erteilt hat.
3Die Veranstaltungsfläche liegt auf der westlichen Rheinseite auf dem Grundstück Gemarkung L. Flur 1, Flurstück 1105 an der D. -de-H. -Straße in der C. S1. . Sie befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans 8020-2 der Beklagten, bekannt gemacht am 2. Juli 1976, der die Fläche als öffentliche Grünfläche (Parkanlage) festsetzt und ausnahmsweise bauliche Anlagen für Erholung und Sport für zulässig erklärt, sofern sie mit der Gesamtplanung S1. übereinstimmen.
4Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung C1. , Flur 68, Flurstück 116 mit der Anschrift X.---------weg Nr. 9 in C2. C1. , das auf der östlichen Rheinseite, etwa 550 Meter Luftlinie von der Veranstaltungsfläche entfernt liegt. Auf den Antrag der Kläger erteilte die Beklagte im August 2011 eine Baugenehmigung für ein zweigeschossiges Dreifamilienhaus mit Tiefgarage und Staffelgeschoss, das auf der Grundlage dieser Genehmigung und weiterer Nachtragsgenehmigungen errichtet und Anfang August 2013 bezogen wurde.
5Das Grundstück der Kläger liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
6In nordwestlicher und nordöstlicher Richtung befinden sich Bereiche, in denen reine Wohngebiete ausgewiesen sind. Südöstlich grenzt der C. Teil der S1. an. Hier gilt der Bebauungsplan 8021-15, bekannt gemacht am 21. Mai 1993, der für diesen Bereich eine öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung Parkanlage festsetzt. Dort befinden sich ausgedehnte Grünflächen, Radwege und Fußwege, ein Spielplatz sowie Grillplätze, die von der Öffentlichkeit zu Freizeitzwecken genutzt werden; ferner befindet sich dort ein Parkplatz und ein Gärtnereistützpunkt der Beklagten. Etwa 600 m südöstlich des Grundstücks der Kläger verläuft eine Brücke der Bundesautobahn 562 über den Rhein. Östlich des C3. Teils der S1. liegt ein Sondergebiet, in dem ein ausgedehnter Bürokomplex der U. (zuvor U. 1) mit einem Veranstaltungsforum errichtet worden ist.
7Im Dezember 2012 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer temporären Veranstaltungsfläche für den Zeitraum vom 7. Juni bis 22. September 2013. Die geplanten Veranstaltungen sollten unter dem Titel „Kunst!Rasen“ unter anderem Konzerte unter freiem Himmel mit bis zu 10.000 Zuschauern in der genannten Zeitspanne umfassen. Ferner waren vom 16. Juli bis 19. August 2013 die Veranstaltungen „Kunst!Palast“ in einem Veranstaltungszelt Gegenstand des Vorhabens. Schließlich war während des gesamten Zeitraums der „Kunst!Garten“ als Außengastronomie am S. mit bis zu 550 Sitzplätzen Gegenstand des Vorhabens.
8Die Beklagte erteilte der Beigeladenen unter dem 5. Juni 2013 die beantragte Baugenehmigung sowie eine auf den 3. Juni 2013 datierte Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans für eine öffentliche Grünfläche. Gegenstand der Baugenehmigung war u. a. die gutachterliche Prognose der L1. Schalltechnik GmbH vom 30. Mai 2013 sowie eine Betriebsbeschreibung vom 17. Dezember 2012. Die Baugenehmigung enthielt u. a. Nebenbestimmungen zu Maßnahmen zur Schallminderung unter Bezugnahme auf das genannte Gutachten. Die Beklagte legte darin Immissionsrichtwerte gemäß der Freizeitlärmrichtlinie des Landes NRW zugrunde, die auf der Annahme einer Schutzwürdigkeit des Grundstücks der Kläger im Rahmen einer Einstufung als allgemeines – und nicht als reines – Wohngebiet beruhten (u. a. tags in den Ruhezeiten sowie an Sonntagen und Feiertagen 50 dB(A) außerhalb der seltenen Ereignisse im Sinne der Freizeitlärmrichtlinie des Landes NRW); allerdings setzte sie für das Grundstück der Kläger den Höchstwert im Rahmen der im Gutachten näher bezeichneten seltenen Ereignisse nicht nur auf einen um 10 dB(A) höheren Wert, sondern auf 62 dB (A) fest.
9Die Kläger haben am 30. Juli 2013 Klage erhoben, zunächst die Aufhebung der Baugenehmigung begehrt und hierzu vorgetragen:
10Die Bauvorlagen seien zu ihren Lasten unbestimmt. Es bleibe dem Bauherrn überlassen, zu bestimmen, welche Ereignisse seltene Ereignisse im Sinne der Freizeitlärmrichtlinie seien. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass es mehr als zehn seltene Ereignisse gebe. Die Veranstaltungsreihe führe zu unzumutbaren Beeinträchtigungen. Die Beklagte gehe unzutreffend davon aus, dass ihr Grundstück nur den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets habe, das Grundstück liege aber in einem faktischen reinen Wohngebiet. Da im Vorfeld einer Veranstaltung überhaupt nicht absehbar sei, in welcher Intensität Lärm auftreten werde, bestehe für sie keine Ausweichmöglichkeit. Konsequenz der Genehmigung sei folglich, dass ihr Grundstück während der gesamten Sommermonate Schallimmissionen ausgesetzt sei, die die Grenze der Zumutbarkeit deutlich überschritten.
11Die Kläger haben - nach Ablauf des Veranstaltungszeitraums - beantragt,
12festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 5. Juni 2013 zu Errichtung einer temporären Veranstaltungsfläche mit Gastronomie auf dem Grundstück D. -de-H. -Straße (Gemarkung L. , Flur 1, Flurstück 1105) einschließlich des Befreiungsbescheides vom 3. Juni 2013 rechtswidrig gewesen ist und sie in ihren Rechten verletzt hat.
13Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beigeladene hat vorgetragen: Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt. Es sei sichergestellt, dass bei jedem Konzert festgestellt werden könne, ob es sich um ein seltenes Ereignis handelte. Hätten zehn seltene Ereignisse stattgefunden, seien bei den übrigen Veranstaltungen die entsprechend niedrigeren Richtwerte einzuhalten. Die Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Das Grundstück der Kläger liege zwar in einem faktischen reinen Wohngebiet, jedoch grenze der Außenbereich an, was den Schutzanspruch mindere. Wegen der Vorprägung durch den rechtsrheinischen Freizeitpark S1. , durch das Rheinufer mit Radweg und durch den Schiffsverkehr auf dem Rhein müssten die Kläger damit rechnen, dass in ihrer Umgebung Nutzungen stattfinden, die über die in einem reinen Wohngebiet übliche Nutzung hinausgehen. Zu berücksichtigen sei bei der Bewertung des Grundstücks der Kläger auch das linksrheinische Gebiet C2. -H. , das angesichts der vorhandenen Geschäftsgebäude und Bürogebäude insgesamt als Mischgebiet einzuordnen sei.
16Die Beklagte hat sich dem Vortrag der Beigeladenen im Wesentlichen angeschlossen.
17Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Baugenehmigung einschließlich des Befreiungsbescheids rechtswidrig gewesen ist. Es hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Baugenehmigung nebst Befreiung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Kläger durch die von den Veranstaltungen ausgehenden Immissionen unzumutbar beeinträchtigt würden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Baugenehmigung für das Grundstück der Kläger unzutreffend den Immissionsrichtwert eines allgemeinen Wohngebietes nach Nr. 3.1 d) der Freizeitlärmrichtlinie NRW zugrundegelegt habe. Die Baugenehmigung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachte gutachterliche Prognose vom 30. Mai 2013 nicht hinreichend belastbar sei. Die Baugenehmigung verstoße zudem gegen § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, weil sie die Zeitpunkte, an den seltene Ereignisse erlaubt seien, nicht verbindlich regele.
18Die Beklagte hat am 8. November 2013 und die Beigeladene am 16. November 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen übereinstimmend vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht ersichtlich. Das Grundstück der Kläger befinde sich nicht inmitten eines faktischen reinen Wohngebiets, sondern am äußersten Rand des Wohngebiets an der Grenze zum Außenbereich. Für diesen Außenbereich setze der Bebauungsplan 8021-15 eine Parkanlage fest. Dabei handele es sich nicht um eine ruhige Parkanlage im Sinne eines Kurparks, vielmehr seien Nutzungen möglich und würden auch ausgeübt, die im Hinblick auf Lärmimmissionen bei weitem über das hinausgingen, was üblicherweise von der Nutzung der Gärten eines Wohngebiets zu erwarten sei. Zudem sei auch der Verkehrslärm zu berücksichtigen. Es sei deshalb sachgerecht, für das Wohngrundstück der Kläger den verminderten Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets zugrundezulegen. Die Kritik des Verwaltungsgerichts an der von der Beigeladenen vorgelegten gutachterlichen Prognose überzeuge nicht. Schließlich sei auch nicht von einem Bestimmtheitsmangel der Baugenehmigung auszugehen. Eine Regelung der Zeitpunkte der seltenen Ereignisse in der Baugenehmigung sei nicht notwendig gewesen.
19Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
20unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln die Klage abzuweisen.
21Die Kläger beantragen,
22die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
23Zur Begründung nehmen sie im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und tragen vertiefend vor: Auf Vorbelastungen durch Verkehrsgeräusche komme es nicht an. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend das Vorliegen einer Gemengelage und eine daran anknüpfende Verminderung des Schutzanspruchs verneint. Bei dem Komplex C2. -H1. handele es sich lediglich um Bürogebäude, die keine nennenswerten Immissionen verursachten. Soweit in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass der Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB als ein Gebiet angesehen werden könne, das für benachbarte Wohnnutzungen zu einer Minderung des Schutzanspruchs führe, sei eine solche Minderung des Schutzanspruchs des betroffenen Grundstückseigentümers nur dann geboten, wenn es um Immissionen eines im Außenbereich nach § 35 BauGB privilegierten oder sonst begünstigten Vorhabens gehe. Eine solche Konstellation sei hier nicht gegeben. Fehlerhaft sei die Genehmigung auch deshalb, weil für die seltenen Ereignisse mit 62 dB(A) ein unzutreffender Höchstwert festgesetzt worden sei. Es seien Obergrenzen gemäß 3.2a der Freizeitlärmrichtlinie anzuwenden, so dass die Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 10 dB(A) überschritten werden dürften. Die in der Richtlinie genannten darüber hinaus gehenden Höchstwerte gälten lediglich als gesetzliche Einschränkung für seltene Ereignisse, die Gewerbegebiete beträfen, nicht jedoch für reine Wohngebiete.
24Mit Blick auf die Veranstaltungsreihe im Jahr 2014 machen die Kläger im Wesentlichen geltend, es sei nicht berücksichtigt worden, dass 5 weitere seltene Ereignisse anderer Veranstalter stattgefunden hätten, so dass die zulässige Zahl von 14 Veranstaltungen im Sinne der Freizeitlärmrichtlinie überschritten gewesen sei, zudem seien rechtswidrige Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz NRW erteilt worden, darin sei für die seltenen Ereignisse zu Unrecht für ihr Grundstück ein Immissionsrichtwert von 63 dB(A) tags während der Ruhezeiten bzw. an Sonntagen und Feiertagen vorgegeben worden.
25Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 12. Dezember 2014 in Augenschein genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch zu dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren des VG Köln 8 L 1097/13 - sowie der beigezogenen Bebauungspläne und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n de :
27Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen haben keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (dazu I.) und auch in der Sache begründet (dazu II.).
28I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere mangelt es nicht an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse an der Feststellung eines erledigten Veraltungsakts setzt unter dem – hier allein in Betracht kommenden – Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006
30- 4 C 12.04 -, ZLW 2007, 303, = juris, m. w. N.
31Die Voraussetzungen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sind hier wegen einer Wiederholungsgefahr unter Berücksichtigung der Erklärungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nach wie vor erfüllt; die tatsächlichen bzw. rechtlichen Umstände haben sich nicht in wesentlicher Hinsicht geändert.
32Aus den Vorgängen zu den Baugenehmigungen für das Jahr 2014 ergibt sich zwar, dass sich das genehmigte Lärmschutzkonzept geändert hat. Dies betrifft insbesondere den nunmehr zugrundegelegten Immissionsrichtwert von 45 dB(A) statt 50 dB(A) innerhalb der Ruhezeiten am Tag sowie an Sonntagen und Feiertagen, der sich auf das Schutzniveau eines reinen Wohngebiets und nicht mehr lediglich auf das Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets bezieht. Hierzu haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat indes erklärt, dass die Beklagte erwägt, zu dem Immissionsrichtwert aus der Baugenehmigung für 2013 zurückzukehren. Dass sie hinsichtlich der seltenen Ereignisse an dem Genehmigungskonzept des Jahres 2014 festhalten und gesonderte Ausnahmegenehmigungen nach § 10 Abs. 4 LImSchG NRW erteilen möchte, rechtfertigt keine andere Beurteilung; im Hinblick auf den hierzu festgesetzten - nochmals erhöhten - Höchstwert von 63 dB(A) resultiert allein aus dem Austausch der Rechtsgrundlage keine im Hinblick auf das Rechtsschutzbegehren der Kläger wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände.
33Anhaltspunkte dafür, dass die Klage aus anderen Gründen unzulässig sein könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht mit Blick auf die Aspekte, die die Beigeladene im abgeschlossenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als Gründe für ihre Zweifel an der Zulässigkeit der ursprünglichen Anfechtungsklage benannt hatte.
34II. Die Klage ist auch in der Sache begründet.
35Streitgegenstand ist die Frage, ob die Genehmigung einschließlich der Befreiung (nachbar-)rechtswidrig gewesen ist und das Verwaltungsgericht mithin der Fortsetzungsfeststellungsklage zu Recht entsprochen hat. Für einen solchen Feststellungsausspruch reicht es im Hinblick auf die Genehmigung eines einheitlichen Vorhabens - ebenso wie bei der ursprünglichen Nachbaranfechtungsklage - aus, dass die (Nachbar)-Rechtswidrigkeit unter zumindest einem Aspekt zu bejahen ist. Das ist hier im Hinblick auf die Baugenehmigung und die mit ihr verbundene planungsrechtliche Befreiung der Fall: Das Verwaltungsgericht hat zwar zu Unrecht einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz angenommen (dazu 1.), es hat aber im Ergebnis zu Recht einen Verstoß gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot bejaht (dazu 2.).
361. Die angegriffene Baugenehmigung verstieß nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
37Eine Baugenehmigung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Verwaltungsakten (§ 37 VwVfG NRW) genügen. Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen müssen sich eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss der Baugenehmigung selbst gegebenenfalls durch Auslegung entnommen werden können. Dabei müssen die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des Erklärungsinhalts herangezogen werden.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2007 - 10 A 4372/05 -, BRS 71 Nr. 152 = BauR 2008, 81.
39Es kann dahin stehen, ob nach diesen Grundsätzen im Rahmen der Regelungen über Immissionsrichtwerte zum Schutz der Nachbarschaft bei „seltenen Ereignissen“ eine konkrete Festlegung der Tage für die zugelassenen seltenen Ereignisse erfolgen musste.
40Vgl. zur Bestimmtheit bei Regelungen über seltene Ereignisse: OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, BRS 78 Nr. 89 = BauR 2012, 602, Urteil vom 28. Mai 2013
41- 2 A 3010/11 -, BauR 2013, 1817; Hansmann, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band IV, Anmerkung 20 zu Nr. 7 TA Lärm, Stand 1. April 2014; Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar, Rn. 17 zu Nr. 7 TA Lärm.
42Denn eine solche Festlegung ist hier bei zutreffender Auslegung der Genehmigung erfolgt. Die der Baugenehmigung beigefügte Nebenbestimmung Nr. 6 nimmt in Satz 2 auf seltene Ereignisse Bezug. Auch in der Nebenbestimmung Nr. 8 wird dies aufgegriffen und angeordnet, dass „die zehn seltenen Ereignisse“ an den maßgeblichen Immissionspunkten X.---------weg 9 und K. Straße 3 bis 5 messtechnisch nachweisbar zu überwachen seien. Dies korrespondiert mit dem Inhalt des Gutachtens vom 30. Mai 2013, das durch grüne Stempelung zum Gegenstand der Genehmigung gemacht ist, und die zu erwartenden zehn seltene Ereignisse datumsmäßig benennt (S. 10). Diese Bestandteile der Genehmigung sind bei einer Gesamtschau aus der Perspektive eines objektiven Adressaten
43- sei es des Bauherrn, sei es eines Nachbarn - dahin zu verstehen, dass diese aufgeführten zehn seltenen Ereignisse verbindlich festgelegt werden sollten. Die insoweit abweichende Auslegung der Genehmigung durch die Beklagte bindet den Senat ebenso wenig wie das entsprechende Verständnis der Beigeladenen und die damit übereinstimmende Sichtweise der Kläger.
442. Die angefochtene Baugenehmigung verstieß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme, das für die Prüfung der Verletzung von Nachbarrechten hier maßgeblich ist.
45Das zu beurteilende Vorhaben liegt in einem Bereich, der durch den nicht qualifizierten Bebauungsplan 8020-2 überplant und im übrigen als nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gelegen, d. h. als planungsrechtlicher Außenbereich anzusehen ist. Die Beurteilung richtet sich demgemäß nach § 30 Abs. 3 BauGB i. V. m. § 35 BauGB. Soweit für die objektivrechtliche Beurteilung gemäß § 30 Abs. 3 BauGB die Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans S1. aus dem Jahr 1976 maßgeblich sind, kommt diesen keine nachbarschützende Wirkung zu. Im Rahmen der ansonsten maßgeblichen Beurteilung nach § 35 BauGB ergibt sich Nachbarschutz allein aus dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot, das u. a. in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB verankert ist, wonach eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch ein Vorhaben im Außenbereich insbesondere vorliegt, wenn es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168 = BauR 1994, 354.
47Ausgehend von diesem anzulegenden rechtlichen Prüfungsmaßstab, dessen Konkretisierung in Orientierung an die sog. Freizeitlärmrichtlinie erfolgt (dazu a.), ist ein Verstoß gegen Vorgaben dieser Richtlinie festzustellen (dazu b.), der auch nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung als unbeachtlich gewertet werden kann (dazu c.), ob weitere Mängel vorliegen, lässt der Senat offen (dazu d.).
48a. Die Konkretisierung des planungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs des Rücksichtnahmegebots erfolgt hier mit Blick auf den Gegenstand der Baugenehmigung in der Weise, dass sich die Prüfung an der Freizeitlärmrichtlinie NRW orientiert. Denn die TA Lärm ist vorliegend gemäß Nr. 1 Buchst. b) (sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen sowie Freiluft-Gaststätten) nicht unmittelbar anwendbar und die Freizeitlärmrichtlinie stellt im Übrigen in den Ausführungen unter Abschnitt 1. zum Anwendungsbereich klar, dass auch Veranstaltungen der vorliegenden Art (Musikdarbietungen und Rockmusikkonzerte im Freien, Außengastronomie) entsprechend zu beurteilen sind.
49Ein Verstoß gegen das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liegt vor, wenn ein Vorhaben bauaufsichtlich zugelassen wird, von dem Beeinträchtigungen für einen Nachbarn ausgehen, die diesem gegenüber rücksichtslos sind. Maßstab ist, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits in der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke zuzumuten ist.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Januar 2012 - 10 A 2787/09 -.
51Ob einem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten sind, ist grundsätzlich anhand der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998, GMBl. 1998, Seite 503, zu beurteilen.
52Ist die TA Lärm - wie hier - nicht unmittelbar anwendbar und gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen auch kein anderes normatives Regelwerk bindend, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen, gerade von atypischen, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbaren Anlagen, weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Diese Einzelfallwertung richtet sich maßgeblich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, dabei sind wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz ebenso mitbestimmend wie eine etwaige tatsächliche oder rechtliche Vorbelastung. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die einzelnen Schallereignisse, Schallpegel und ihre Eigenart sowie ihr Zusammenwirken. Im Rahmen der solchermaßen vorzunehmenden Gesamtabwägung können technische Regelwerke, die der Erfassung der Geräuschcharakteristik und des daraus folgenden Störgrads der jeweils zur Beurteilung anstehenden Anlage am nächsten kommen, als Orientierungshilfe bzw. grober Anhalt herangezogen werden. Hat der Gesetzgeber diese Regelwerke nicht in seinen Regelungswillen aufgenommen, erzeugen sie für Behörden und Gerichte jedoch keine Bindungswirkung und dürfen nicht schematisch angewandt werden, sondern sind nur ein Parameter unter mehreren innerhalb der Gesamtabwägung.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, BRS 78 Nr. 89 = BauR 2012, 602.
54Orientierungshilfe für die Beurteilung ist in diesem Zusammenhang die Freizeitlärmrichtlinie des Landes NRW gemäß dem Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 23. Oktober 2006 „Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen“ (MBl. NRW 2006, Seite 566) in der Fassung des Runderlasses vom 16. September 2009 (MBl. NRW, Seite 450). Nach diesen Grundsätzen ist hier eine Beurteilung in Orientierung an der Freizeitlärmrichtlinie i. V. m. einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung vorzunehmen.
55b. Die angegriffene Baugenehmigung stand mit den Vorgaben der Freizeitlärmrichtlinie nicht in Einklang; die Beklagte ist zwar von einer zutreffenden Beurteilung der Schutzbedürftigkeit des Grundstücks der Kläger ausgegangen und sie hat danach zutreffende Immissionsrichtwerte für den Normalbetrieb (dazu aa.) angesetzt; der für die sog. seltenen Ereignisse festgesetzte Höchstwert von 62 dB(A) stimmte indes nicht mit der Richtlinie überein (dazu bb.)
56aa. Die Beklagte hat ihrer Entscheidung zutreffend zugrundegelegt, dass die Schutzbedürftigkeit des Grundstücks der Kläger im Sinne der genannten Regelungen dem eines Grundstücks entspricht, das in einem allgemeinen Wohngebiet liegt und dementsprechend von einem Immissionsrichtwert nach Nr. 3.1 d) der Freizeitlärmrichtlinie auszugehen war.
57Nach den vorliegenden Akten ist zunächst mit den Beteiligten anzunehmen, dass sich das Grundstück der Kläger in einem faktischen reinen Wohngebiet befindet, das in dem bislang unbeplanten Viereck der Bebauung entlang des X.---------wegs bis zur F. -C4. -Straße, der S.-----allee und des S1.----------wegs liegt. Dies entspricht dem Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat. Unabhängig davon ergibt sich aber für das Grundstück der Kläger aufgrund seiner besonderen Randlage ein gemindertes immissionsschutzrechtliches Schutzniveau; dies führt indes, wie der Senat mit Blick auf die in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Planungsabsichten der Beklagten für die linksrheinische S1. vorsorglich anmerkt, nicht dazu, dass das Grundstück der Kläger einschließlich der oben beschriebenen unbeplanten Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne des Planungsrechts anzusehen ist.
58Nach der Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung der TA Lärm bemisst sich die Schutzwürdigkeit nach einem Zwischenwert, wenn ein Grundstück am Rande eines Gebiets liegt, dass an ein Gebiet mit einer in wesentlicher Hinsicht anderen Schutzwürdigkeit grenzt.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2008 - 4 B 58.08 -, juris; Beschluss vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris.
60Der Anwendungsbereich der insoweit angesprochenen Regelungen zur Gemengelage gemäß Nr. 6.7 TA Lärm kann auch eröffnet sein, wenn Wohngebiete an den Außenbereich grenzen.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078;
62Urteil vom 18. November 2002
63- 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182 = BauR 2003, 517; Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar, Rn. 58a zu Nr. 6 TA Lärm, jeweils m. w. N.
64Diese Grundsätze sind auch für die Freizeitlärmrichtlinie von Belang, die insoweit keine ausdrücklichen Regelungen enthält, aber eingangs ihrer Nr. 3 grundsätzlich eine Bewertung nach der TA Lärm vorsieht.
65Hier grenzt das Grundstück der Kläger an den Außenbereich. Die südlich des Grundstücks gelegene Parklandschaft der C3. S1. zwischen Rheinufer, dem Bereich unter der Autobahnbrücke und dem Landgrabenweg ist mit dem Bebauungsplan 8021-15 aus dem Jahr 1993 nicht qualifiziert im Sinne von
66§ 30 Abs. 1 BauGB überplant und nach den vorliegenden Karten und Plänen sowie dem den Senatsmitgliedern vermittelten Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, auch nicht Teil eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 BauGB; die Fläche ist deshalb planungsrechtlich als Außenbereich zu werten.
67Bei der Bildung eines Zwischenwerts zwischen bestehenden Baugebieten ist methodisch so vorzugehen, dass die Immissionsrichtwerte zu ermitteln sind, die für die benachbarten Gebiete bei jeweils isolierter Betrachtung maßgeblich sind und daraus unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein Mittelwert
68zu bilden ist.
69Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris und vom 6. November 2008 - 4 B 58.08 -, juris, jeweils m. w. N.
70Ausgehend von diesen Grundlagen ist die Annahme einer Schutzwürdigkeit im Sinne eines allgemeinen Wohngebiets mit einem entsprechenden Immissionsrichtwert von 50 dB(A) während der Ruhezeiten am Tag und entsprechenden daran anknüpfenden Werten, die dem Lärmschutzkonzept der Beklagten zu Grunde liegt, nicht zu beanstanden. Dies ergibt eine Mittelung aus dem Wert für reine Wohngebiete von 45 dB(A) und dem Wert für das angrenzende Gebiet des Rheinauenparks von 55 dB(A).
71Für den benachbarten Bereich der südlich angrenzenden S1. wäre bei isolierter Betrachtung ein entsprechender Wert von 55 dB(A) tags während der Ruhezeiten maßgeblich (Nr. 3.1 Buchstabe c) der Freizeitlärmrichtlinie), der auch einem Wert für Dorfgebiete entspräche.
72Angesichts einer Außenbereichslage eines Wohngrundstücks kann ein Kläger nicht die Schutzmaßstäbe eines allgemeinen oder reinen Wohngebiets in Anspruch nehmen. Der Außenbereich ist kein Baugebiet - auch für die im Außenbereich privilegierten baulichen Nutzungen nicht -, sondern soll tendenziell von Bebauung freigehalten werden. Das schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall dort, sei es aufgrund privilegierter Nutzung, sei es ohne Privilegierung bei fehlender Beeinträchtigung öffentlicher Belange auch gewohnt werden darf, so dass Wohnnutzungen im Außenbereich nicht schutzlos sein dürfen. Die dort zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzungen müssen jedoch damit rechnen, dass sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft privilegierte Nutzungen ansiedeln, zu denen sowohl landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche als auch gewerbliche Nutzungen z. B. gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zählen können. Angesichts dessen kann ein Bewohner des Außenbereichs nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischte nutzbare Bereiche einschlägig sind, mithin Werte für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. November 2002
74- 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182= BauR 2003, 517
75In Anwendung dieser Grundsätze ist für den südlich des Grundstücks der Kläger gelegenen Bereich der S1. ein entsprechender Wert maßgeblich. Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass wegen des Parkcharakters dort nicht mit außenbereichstypischen lärmintensiven Nutzungen gerechnet werden müsse, wie die Kläger in Anknüpfung an die Erwägungen des Verwaltungsgerichts geltend machen. Gerade mit Blick auf die planerische Festsetzung einer öffentlichen Parkanlage ist tagsüber typischerweise mit Lärmeinwirkungen durch Freizeitnutzungen zu rechnen. Hierzu haben die Beklagte und die Beigeladene detailliert und überzeugend aufgezeigt, dass wegen der planungsrechtlich abgesicherten besonderen Nutzungsstruktur des Parks als Fläche für Freizeitnutzungen auch aufgrund der entsprechenden tatsächlichen Gestaltungen mit lärmintensiven Nutzungen gerechnet werden muss. Dem entsprach der Eindruck von der Anlage, den der Berichterstatter gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat. Er hat einen Park vorgefunden, der mit den vorhandenen weitläufigen betretbaren Rasenflächen und verschiedenen Einrichtungen, wie etwa Grillstellen und einem überdachten Grillplatz in der Nähe des Grundstücks der Kläger, geeignet ist, insbesondere auch in den wärmeren Monaten des Jahres Besucher anzuziehen, deren verhaltensbedingte Immissionen typischerweise erheblich über das Geräuschniveau eines reinen Wohngebiets hinausgehen. Dies entspricht nach dem Vortrag der Beklagten und der bei der Ortsbesichtigung vorgefundenen Beschilderung des Bereichs auch der Intention der Beklagten. Dabei ist es unerheblich, ob diese Geräusche das Niveau der Schallimmissionen erreichen, die von den Veranstaltungen der Beigeladenen ausging, was die Kläger in der mündlichen Verhandlung in Frage stellen konnten. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang allein, dass dadurch die Schutzwürdigkeit ihres Wohngrundstücks gegenüber dem Niveau anderer Grundstücke in einem reinen Wohngebiet gemindert wird.
76Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Zwischenwertbildung in Bezug auf Vorhaben im Außenbereich nicht nur dann möglich, wenn es um Immissionen solcher Vorhaben geht, die im Außenbereich privilegiert zulässig sind. Insbesondere folgt dies nicht aus der von ihnen herangezogenen Rechtsprechung. Von den oben zugrundegelegten Rechtssätzen geht auch das Verwaltungsgericht Arnsberg aus, auf dessen Rechtsprechung sich die Kläger für ihre Auffassung berufen.
77Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 7 K 218/11 -, juris.
78Diese Rechtssätze besagen aber nichts dazu, wie ein Zwischenwert zu bilden ist, wenn ein in einem Wohngebiet am Rande des Außenbereichs gelegenes Grundstück zu beurteilen ist.
79Aus den vorstehenden Gründen kann dahingestellt bleiben, ob entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für die Anwendung der Freizeitlärmrichtlinie eine Verminderung der Schutzwürdigkeit eines Wohngrundstücks auch wegen einer bestehenden Vorbelastung durch Verkehrslärm vorzunehmen ist, wie die Beklagte und die Beigeladene in der Berufungsbegründung vorgetragen haben,
80vgl. in diesem Sinne ohne nähere Begründung etwa OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 28. Januar 2010 - OVG 10 S 31.09 -, juris,
81oder ob eine solche Vorbelastung aus Rechtsgründen außer Betracht bleiben muss, wie die Kläger unter Bezugnahme auf die Systematik der TA Lärm dargelegen. Hiervon ausgehend sind die Festsetzungen der Immissionswerte für normale Ereignisse zutreffend erfolgt. Sie belaufen sich nach dem in Bezug genommenen Gutachten auf 50 dB(A) während der Ruhezeiten am Tag und während der Sonntage und Feiertage (vgl. Abschnitt 4.1 und 4.2 und Nebenbestimmung Nr. 6 zur Genehmigung).
82bb. Die Festsetzung eines Höchstwerts von 62 dB(A) bei den seltenen Ereignissen während der Ruhezeiten am Tag und an Sonntagen und Feiertagen, die den Immissionsrichtwert für „normale“ Ereignisse nach Nr. 3.1 der Freizeitlärmrichtlinie nicht nur auf einen um 10 dB(A), sondern um 12 dB(A) höheren Wert anhebt, steht nicht mit der Richtlinie in Einklang.
83Nach der Regelung in Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie gelten besondere Regelungen für Immissionsrichtwerte bei seltenen Ereignissen. Verursacht eine Anlage trotz Einhaltung des Standes der Lärmminderungstechnik nur in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 3.1 Buchst. b bis f, soll u.a. erreicht werden, dass die Geräuschimmissionen außerhalb von Gebäuden die Immissionsrichtwerte nach Nr. 3.1 b) bis f) um nicht mehr als 10 dB(A), keinesfalls aber die folgenden Höchstwerte überschreiten: Tags außerhalb der Ruhezeiten 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeiten 65 dB(A), nachts 55 dB(A) Buchstabe a).
84Es handelte sich zwar bei den in Rede stehenden Veranstaltungen, die mit der Baugenehmigung als seltene Ereignisse bestimmt waren, um seltene Ereignisse im Rechtssinne. Seltene Ereignisse im Sinne der Nr. 3.2 der Freizeitlärmrichtlinie NRW sind solche, die als Besonderheiten beim Betrieb der Anlage gelten können, die mit dem bestimmungsgemäßen Anlagenbetrieb zusammen hängen, als solche vorhersehbar und von einer gewissen Dauer sind und die zu einem lärmverursachenden Betrieb führen.
85Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, BRS 78 Nr. 89 = BauR 2012, 602.
86Eine Zulassung zusätzlicher Schallimmissionen über den Wert von 60 dB(A) hinaus ist für den in Rede stehenden Zeitraum nach dieser Systematik der Richtlinie entgegen der Meinung der Kläger auch nicht von vornherein zwingend ausgeschlossen. Für die Festsetzung eines höheren Immissionsrichtwerts - hier von von 62 dB(A) in Ruhezeiten am Tag und an Sonntagen und Feiertagen - hätte es aber nach der Systematik der Freizeitlärmrichtlinie atypischer Umstände, d.h. eines besonderen Grundes bedurft, der eine höhere Geräuschbelastung ausnahmsweise als zumutbar hätte erscheinen lassen können; ein solcher Grund lag hier nicht vor.
87Nach der Richtlinie darf bei seltenen Ereignissen der Immissionsrichtwert nach Nr. 3.1 für normale Ereignisse - hier aus den vorstehenden Gründen für die genannten Zeiträume 50 dB(A) - grundsätzlich nur um 10 dB(A) überschritten werden. Dies ergibt sich aus der zitierten Regelung, die den Ausdruck „soll erreicht werden“ verwendet und damit die geläufige juristische Differenzierung zwischen „Kann-Regelungen“, „Muss-Regelungen“ und „Soll-Regelungen“ in Bezug nimmt. Soll-Vorschriften sind im Regelfall für die Behörde rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das „Soll“ ein „Muss“; nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
88Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275, m. w. N.
89Der danach erforderliche besondere Grund, der die Überschreitung des Immissionsrichtwerts um mehr als 10 dB(A) hätte zumutbar erscheinen lassen können, lag hier aber nicht vor.
90Die von der Beklagten herausgestellte besondere kulturelle Bedeutung der Veranstaltungen stellt der Senat nicht in Abrede. Daraus ergibt indes kein besonderer Grund, der die Zulassung der in Rede stehenden Überschreitung als ausnahmsweise für die maßgebliche Nachbarschaft zumutbar hätte erscheinen lassen können. Dagegen spricht neben dem fehlenden örtlichen Bezug der als seltene Ereignisse zugelassenen Konzerte im Rahmen der Veranstaltung auch die volle Ausschöpfung der Höchstzahl von zehn seltenen Ereignissen. Ohne dass es darauf mithin entscheidungstragend ankäme, merkt der Senat in diesem Zusammenhang an, dass sich auch die Erforderlichkeit der Zulassung einer Überschreitung nicht erschließt; aus den vorliegenden Messberichten Nr. 11 03 029/29 bzw. Nr. 11 03 029/30 der L1. Schalltechnik GmbH vom 12. bzw. 17. September 2013, deren Belastbarkeit weder die Beigeladene, die sie selbst vorgelegt hat, noch die Beklagte bezweifelt hat, ergibt sich nämlich, dass bei sämtlichen genehmigten „seltenen Ereignissen“ auf dem Grundstück der Kläger - bei kontinuierlichen Lärmüberwachungen am Immissionsort und Übertragung der Pegelwerte per Funk vom Immissionsort zur Tontechnik - Beurteilungspegel von 60 dB(A) eingehalten werden konnten.
91Aus der Möglichkeit von Ausnahmen nach Nr. 3.4 der Freizeitlärmrichtlinie ergibt sich keine andere Beurteilung. Diese betrifft ohnehin nur die - hier im Jahr 2013 nicht erfolgte - Anwendung der §§ 9, 10 Abs. 4 LImschG NRW und dürfte im Übrigen vorliegend schon deshalb nicht eröffnet sein, weil diese typischerweise auf Volksfeste und Veranstaltungen ähnlichen Charakters zugeschnitten sind, dem es der Veranstaltungsreihe der Beigeladenen offensichtlich fehlte.
92Vgl. zu Erwägungen zur Zumutbarkeit von Geräuschbelastungen bei „sehr seltenen“ z. B. einmal jährlich stattfindenden Ereignissen mit kommunaler Bedeutung: BGH, Urteil vom 26. September 2003 - V ZR 41.03 -, BRS 66 Nr. 175 = BauR 2004, 300.
93c. Eine Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls führt zu keiner anderen Beurteilung; weiterführende, bislang nicht erörterte Aspekte, die eine für die Beklagte bzw. die Beigeladene günstigere Beurteilung bewirken, sind weder nachvollziehbar aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
94d. Ob weitere nachbarrechtsrelevante Fehler vorlagen, lässt der Senat offen. Mit Blick auf die dem Lärmschutzkonzept zugrundeliegende Prognose ist indes - wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert - darauf hinzuweisen, dass die die „normalen“ Ereignisse betreffende Prognose hinsichtlich der Berücksichtigung von Zuschlägen für Impulshaltigkeit und Informationshaltigkeit über die nachgereichten Stellungnahmen vom 29. August und 28. November 2013 hinaus - weiterer Erläuterung bedurft hätte. In den Schreiben der L1. Schalltechnik GmbH wird zur Erläuterung der Prognose (anders als für die Überwachungsmessung) für beide Aspekte einheitlich - unter Bezugnahme auf Erfahrungswerte - ein Zuschlag von 3 dB(A) „in Summe“ angesetzt, ohne dass erläutert würde, wie sich dieser aus beiden Komponenten zusammensetzt. Für eine solche pauschalierende Betrachtung geben die Regelungen zu A.2.5.2 bzw. A.2.5.3 des Anhangs der TA Lärm nichts her. Sie erlauben lediglich, jeweils gesondert für den Aspekt der Impulshaltigkeit bzw. Informationshaltigkeit von 3 bzw. 6 dB(A) abweichende Zuschläge zu vergeben.
95Vgl. hierzu Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar, Rn. 25 f. zu Anhang Nr. 2.5.
96Offen bleiben kann danach auch, ob die Belastbarkeit der Prognose ungeachtet dessen deshalb nicht durchgreifend in Frage steht, weil die durchgeführten Überwachungsmessungen bestätigt haben, dass es für die „normalen“ Ereignisse nur zu einzelnen Überschreitungen der festgesetzten Immissionsrichtwerte gekommen ist.
97Vgl. zu der Erwägung, rechnerische Bewertungen der Schallimmissionsprognose würden durch über Messungen gewonnene - und damit hinsichtlich der tatsächlichen Lärmeinwirkungen grundsätzlich präzisere, weil realitätsnähere - Erkenntnisse zur genehmigungsbedingten Lärmbelastung überholt: OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, BauR 2013, 1817.
98Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO.
99Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
100Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Tenor
I.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kläger haben gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger, Eigentümer des Grundstücks …str. 12, 14 und 14 a, Fl.Nr. …, wenden sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Vorbescheid für die südlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Grundstücke …str. 39 und 41, Fl.Nrn. … und …
Am
Frage 1 b des Vorbescheidsantrags vom
Wird der für die Neubebauung (Rückgebäude Variante 2 mit Kita) vorgesehenen Art der baulichen Nutzung (Kita mit 74 Plätzen, 1. OG - 2. OG Wohnen) planungsrechtlich zugestimmt?
Frage 6 lautete:
Wird den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Abstandsflächen der Neubebauung - entsprechend den in den Antragsunterlagen dargestellten Wandhöhen und Abständen - zugestimmt, und wird für die reduzierten Abstandsflächen zwischen den bestehenden Vordergebäuden und dem Neubau des Rückgebäudes die Erteilung einer Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften über Abstandsflächen in Aussicht gestellt?
Die übrigen Fragen des Fragenkatalogs bezogen sich im Wesentlichen auf das Maß der baulichen Nutzung des Vorhabens (Frage 2 a, 2 b, 3, 4), der Errichtung einer Tiefgarage im rückwärtigen Grundstücksbereich (Frage 5) und auf Anbauten an das Vordergebäude (Frage 7 und 8).
Unter dem
Die Frage 6 wurde entsprechend der Antwort zu Frage 4 - im Vorbescheid irrtümlich als Frage 5 bezeichnet, wurde aber in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni insoweit richtig gestellt - beurteilt.
In der Antwort zu Frage 4 wurden die Gebäudeabmessungen hinsichtlich der Längen- und Breitenausdehnung planungsrechtlich für zulässig erachtet. Hinsichtlich der Höhenentwicklung wurde darauf hingewiesen, dass ein Terrassengeschoss nur als solches angesehen werden könne, wenn es um mindestens seine eigene Wandhöhe vom darunterliegenden Geschoss zurückversetzt sei. Dachaufbauten müssten in der Dachfläche liegen, d. h. sie seien von allen Dachrändern zurückgesetzt anzuordnen. Sonst sei deren Höhe als Wandhöhe zu betrachten. Eine Wandhöhe von 7 m bzw. 9 m, wie dargestellt, sei planungsrechtlich unzulässig.
Weiterhin findet sich zu Frage 6 die Feststellung, dass für ein Gebäude mit entsprechend reduzierter Wandhöhe (6 m) eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 3 BayBO wegen Überdeckung der Abstandsflächen auf eigenem Grund (zwischen Vorder- und Rückgebäude) in Aussicht gestellt werde. Dies sei deshalb möglich, da das Vordergebäude keine zusätzliche Verschattung erfahre und bei der Grundrissanordnung des Rückgebäudes darauf geachtet worden sei, dass die Aufenthaltsräume trotz der Abweichung ausreichende Belichtungs- und Belüftungsmöglichkeiten bekämen.
Der Vorbescheid vom
Mit einem am 13. November 2015 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 9. November 2015 erhob der Bevollmächtigte der Kläger Klage und beantragte,
den Bauvorbescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts und des Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme verstoße. Entgegen der Ausführung im Vorbescheid befänden sich in der Umgebung keine dreigeschossigen Gebäude, weshalb das dreigeschossige Vorhaben nicht zulässig sei.
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich der Fragen 2 a, 2 b, 4 und 6 aufgrund der negativen Beantwortung bereits unzulässig sei. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da sich aus der positiven Beantwortung keine Nachbarrechtsverletzung, insbesondere keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ergebe.
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
Das Gericht hat am
In der anschließenden mündlichen Verhandlung nahm der Bevollmächtigte der Kläger die Klage hinsichtlich der Fragen 1 a, 2 a, 2 b, 3, 4, 5, 7 und 8 zurück. Hinsichtlich der positiven Beantwortung zur Frage 1 b und Frage 6 beantragte er, den Vorbescheid aufzuheben. Die Vertreterin der Beklagten und der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragten insoweit Klageabweisung.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Soweit die Klagepartei die Klage in der mündlichen Verhandlung - mit Zustimmung der Beklagten - zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da die Kläger durch die Beantwortung der Fragen 1 b und 6 nicht in ihren Rechten verletzt sind, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Durch die teilweise Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung ist für diesen Teil des Verfahrens ispo iure die Rechtshängigkeit beendet worden, so dass das Verfahren insoweit gemäß § 92 Abs. 3 VwGO deklaratorisch einzustellen war. Da die Klage nur teilweise zurückgenommen wurde, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die - auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende - Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht zurückgenommenen Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 - 4 B 75/98, NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 2).
II.
Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrages auf Antrag des Bauherren zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherren gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest. Er entfaltet insoweit während seiner Geltungsdauer - in der Regel 3 Jahre (Art. 71 Satz 2 BayBO) - Bindungswirkung für das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren.
Gegenstand eines Vorbescheides können nach Art. 71 Satz 1 BayBO nur einzelne Fragen (auch eine Mehrzahl von Fragen) eines Bauvorhabens sein. Nach dem Sinn und Zweck des Vorbescheides, bindende Wirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren zu erzeugen, sind einzelne Fragen solche, über die in der Baugenehmigung zu entscheiden ist. Die Fragen müssen danach zum einen einer gesonderten Beurteilung zugänglich sein und zum anderen ist zu fordern, dass diese sich auf ein konkretes (baugenehmigungspflichtiges) Vorhaben beziehen (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2008 - 15 B 06.3463 - NVwZ-RR 2008, 391 m. w. N.; Decker in: Simon/Busse, BayBO 2008, Art. 71 Rn. 71 ff.).
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung und/oder einen Vorbescheid nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung/der Vorbescheid rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Bau-genehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20, 22). Für den Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs genügt es daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung/der Vorbescheid drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden.
III.
1. Die positive Beantwortung der Frage 1 b verletzt weder den als nachbarschützendes Recht der Kläger in Betracht kommenden Gebietserhaltungsanspruch noch das Gebot der Rücksichtnahme.
1.1 Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet liegt und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).
Zugunsten der Kläger kann unterstellt werden, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Art nach vorliegend gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 BauNVO richtet, da die maßgebliche Umgebung - mit Ausnahme von Teilbereichen der …str. 31 a - ausschließlich aus Wohnnutzung besteht.
Als „nähere Umgebung“ ist dabei der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (BVerwG, U.v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - juris Rn. 33;
Die maßgebliche nähere Umgebung besteht hier aus der Bebauung der östlichen Hälfte des Quartiers …straße/…-Platz/…straße und …straße.
In diesem trotz der gewerblichen Teilnutzung der …str. 31 a wohl faktischen reinen Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO ist eine Kindertagesstätte als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig, soweit sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebietes dient und darüber hinaus gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB sowie § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.
1.2 Damit hat ein nachbarlicher Abwehranspruch in Bezug auf beide Alternativen im Hinblick auf die Wahrung der Gebietsart keinen Erfolg, da dieser im Ergebnis darauf gerichtet ist, Vorhaben zu verhindern, die weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151 - juris Rn. 13).
Selbst wenn die Beklagte in ihrer Antwort zu Frage 1 b von einem Allgemeinen Wohngebiet ausgegangen ist und deshalb für eine nicht gebietsversorgende Kindertagesstätte die erforderliche Ausnahmeerteilung nicht ausdrücklich in Aussicht gestellt hat, würde dies, sofern die Voraussetzungen für die Zulassung der Ausnahme vorliegen, keine Nachbarrechte verletzen (vgl. BayVGH B. v. 30.4.2008 - 15 ZB 07.2914 - juris Rn. 10), was sich aus dem Umfang des materiellen Anspruchs des Nachbarn auf Wahrung der Gebietsart ergibt, der darauf gerichtet ist, Vorhaben zu verhindern, die weder regelmäßig noch ausnahmsweise in einem Bau-gebiet zulässig sind.
1.3 Weiter ist davon auszugehen, dass die Kindertagesstätte mit insgesamt 74 Plätzen auch das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit des Vorhabens im Hinblick auf die Art der Nutzung wahrt (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 NVwZ 2008, 786 - juris Rn. 5 f.). Nach der für die Beurteilung dieser Frage notwendigen baugebietsbezogen typisierenden Betrachtungsweise ist das Bauvorhaben in einem faktischen reinen Wohngebiet noch gebietsverträglich. Damit steht das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit des Vorhabens, auf das sich ein Nachbar im Rahmen des Anspruchs auf Gebietsbewahrung berufen kann, nicht entgegen (vgl. hierzu VG München, U.v. 7.12.2009 - M 8 K 09.4469 - juris Rn. 55 ff., zu einer viergruppigen Kinderkrippe im faktischen reinen Wohngebiet und
Auch bei dem vorliegenden faktischen reinen Wohngebiet lässt sich keine Gebietsunverträglichkeit des streitgegenständlichen Vorhabens feststellen. Reine Wohngebiete dienen primär dem Wohnen, § 3 Abs. 1 BauNVO. Als atypisch und störend sind damit Nutzungen anzusehen, die nach ihren Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundenen Immissionen nach Art, Dauer und Intensität, mit der durch die überwiegende und vorrangige Wohnnutzung bestimmten Prägung eines solchen Gebiets nicht in Einklang zu bringen sind.
Kindertagesstätten sind aber auch in einem reinen Wohngebiet grundsätzlich als gebietsverträgliche, das Wohnen ergänzende Nutzung zu werten (VG München, U.v. 7.12.2009 - M 8 K 09.4469 - juris Rn. 59;
Für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit ist es auch nicht relevant, ob und ggf. in welchem Umfang im betroffenen Stadtteil ein Bedarf an Krippenplätzen besteht. (VG München, U.v. 7.12.2009 - M 8 K 09.4469 - juris Rn. 59;
1.4 Zweifel an der Gebietsverträglichkeit einer Kindertagesstätte in einem reinen Wohngebiet könnten sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise allenfalls dann ergeben, wenn diese wegen ihrer Größe und der damit verbundenen Nutzungsintensität ein atypisches Störpotential aufweisen würde.
Eine derartige Fallgestaltung ist vorliegend aber nicht gegeben; vielmehr ist davon auszugehen, dass die typischerweise mit dem Betrieb einer Kindertagesstätte mit insgesamt 74 Plätzen verbundenen Auswirkungen - namentlich im Hinblick auf den Kinderlärm und den Zu- und Abfahrtsverkehr - nicht derart gravierend sind, dass sie nicht mehr als wohngebietsverträglich angesehen werden könnten (vgl. insoweit: VG München, U.v. 11.3.2013 - M 8 K 12.794 - juris; Kindertagesstätte mit 98 Kindern im Reinen Wohngebiet).
Im Hinblick auf den Kinderlärm ist zunächst schon auf die Wertung des Verordnungsgebers in der Baunutzungsverordnung hinzuweisen. Selbst in einem reinen Wohngebiet ist den Regelungen in § 3 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu entnehmen, dass den Bewohnern der von Kindertageseinrichtungen ausgehende Lärm als typische Begleiterscheinung kindlichen Verhaltens in einem höheren Maße zuzumuten ist, als er generell in Wohngebieten zulässig wäre. Der Verordnungsgeber hat in Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips und auch aus besonderen sachlichen Gründen, die auch mit Art. 3 GG vereinbar sind, die sozialen Belange in der räumlichen Planung dadurch besonders berücksichtigt, dass auch in den reinen Wohngebieten Standorte für Anlagen für soziale Zwecke zugelassen werden können (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 106. EL 2012, § 3 BauNVO Rn. 79 m. w. N.). Das gilt umso mehr für soziale Gemeinbedarfsanlagen, für die in den jeweiligen Baugebieten ein unmittelbares Bedürfnis besteht. So gehören etwa Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung (VGH BW, B.v. 3.3.2008 - 8 S 2165/07 BauR 2008, 279 - juris Rn. 7; BVerwG, U.v. 12.12.1991 - 4 C 5/88 NJW 1992, 1779 - juris Rn. 19). Nichts anderes gilt für Anlagen der Kinderbetreuung (OVG Lüneburg, B.v. 3.1.2011 - 1 ME 146/10 BauR 2011, 787 - juris Rn. 16; OVG Saarland, U.v. 11.9.2008 - 2 C 186/08 ZfBR 2009, 366 - juris Rn. 44; BayVGH, B.v. 30.11.2009 - 2 CS 09.1979 - juris Rn. 31; VG München, U.v. 26.7.2011 - M 1 K 11.2366 - juris Rn. 23). Da die Zulassung von Kindergärten, Kinderhorten und Kindertagesstätten als Anlagen für sozialen Zwecke jedenfalls nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht unter dem Vorbehalt der Gebietsversorgung steht, dürfen solche Einrichtungen auch andere Baugebiete versorgen.
1.4.1 Von Bedeutung für die Gebietsverträglichkeit ist in diesem Zusammenhang mittlerweile auch der am
Vor diesem rechtlichen Hintergrund bestehen an der grundsätzlichen Gebietsverträglichkeit des Vorhabens auch in einem faktischen Reinen Wohngebiet keine Zweifel.
Im Hinblick auf die weiteren Auswirkungen des Betriebs, insbesondere das zu erwartende zusätzliche Verkehrsaufkommen zum Bringen und Abholen der Kinder, ist realistischer Weise von einer Quote von etwa 50% auszugehen (vgl. BayVGH, B. v. 7.11.2011 - 2 CS 11.2149 - juris Rn. 6), so dass etwa mit 37 zusätzlichen Fahrzeugbewegungen zu rechnen ist. Im Hinblick auf die zeitliche Verteilung des zusätzlichen Verkehrsaufkommens - in der Regel werktags zwischen 7.30 - 9.00 Uhr sowie zwischen 15.00 - 17.00 Uhr, kein Betrieb an Wochenenden und Feiertagen - und den daher der Sache nach noch zumutbaren Auswirkungen auf die Wohnruhe, handelt es sich grundsätzlich um hinnehmbare, den Gebietscharakter nicht wesentlich beeinträchtigende zusätzliche Belastungen.
Dies gilt umso mehr, als der Zu- und Abfahrtsverkehr von der …straße aus abgewickelt werden wird, wodurch die Kläger hiervon in keiner Weise betroffen sind.
1.5 Auch der Anspruch der Kläger auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme ist vorliegend nicht verletzt.
Ein Vorhaben, dessen Zulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt, das nach den dort in Bezug genommenen Vorschriften der Baunutzungsverordnung allgemein oder ausnahmsweise zulässig wäre und auch die weiteren Einfügenskriterien des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfüllt, kann im Einzelfall gleichwohl unzulässig sein, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf sonstige, d. h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75
Das Gebot der Rücksichtnahme zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 NVwZ-RR 1997, 516 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an. Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75
Vorliegend kommt für die Anwendung des Rücksichtnahmegebots § 15 Abs. 1 BauNVO zur Anwendung, der eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist und insoweit die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzt. Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der BauNVO entspricht (BVerwG, B.v. 16.12.2008 - 4 B 68/08, ZfBR 2009, 376 - juris Rn. 4). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 - 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind. Als entsprechende Störungen oder Belästigungen kommen die mit dem streitgegenständlichen Vorhaben verbundenen Immissionen - insbesondere der durch die bestimmungsgemäße Nutzung der Kindertagesstätte verursachte Lärm sowie der durch den An- und Abfahrtsverkehr verursachte Lärm - in Betracht.
1.5.1 Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Belästigungen kann grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen und Maßstäbe des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29). Was an Umwelteinwirkungen zumutbar ist, bestimmt sich auf Grundlage der Begriffsbestimmungen und materiell-rechtlichen Maßstäbe des BImSchG, da es die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein festlegt (BVerwG
Normkonkretisierende, baugebietsbezogene Richtwerte für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm enthält grundsätzlich die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (TA Lärm v. 26.8.1998, GMBl. 1998 S. 503). Allerdings können die Orientierungswerte der TA Lärm zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil für die streitgegenständliche Kindertagesstätte als Anlage für soziale Zwecke schon der Anwendungsbereich der TA Lärm nach ihrer Nr. 1 Abs. 2 lit. h nicht eröffnet ist. Gegen eine entsprechende Heranziehung dieses Regelwerks zur Beurteilung von Kinderlärm sprachen schon bisher seine Entstehungsgeschichte, das die TA Lärm beherrschende Abstands- bzw. Trennungsgebot sowie ihre Konzentrierung auf technischen Anlagenlärm (vgl. Thüringer OVG, B.v. 13.4.2011 - 1 EO 560/10 - juris Rn. 36 m. w. N.).
Hinzu kommt, dass seit dem
Bei der streitgegenständlichen Kindertagesstätte handelt es sich um eine Kindertageseinrichtung im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG, da hierunter Einrichtungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) zu verstehen sind, d. h. Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden (BT-Drs. 17/4836 S. 6). In diesem Zusammenhang ist Kind, wer gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII noch nicht 14 Jahre alt ist. Demgemäß stellt der zu erwartende Kinderlärm im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung dar und ist von den hiervon betroffenen Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen. Insoweit stellt die Regelung eine Privilegierung des Kinderlärms gegenüber anderen Lärmquellen dar. Eine äußerste, auch für den Bundesgesetzgeber aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachtende Grenze für die Zumutbarkeit ist insoweit ein gesundheitsschädliches Lärmniveau, das für die hier relevante Tagzeit bei einem Beurteilungspegel von mindestens 70 dB(A) liegt (vgl. BVerwG, B.v. 19.4.2011 - 4 BN 4/11 - juris Rn. 18; VG München, U.v. 26.7.2011 - M 1 K 11.2366 - juris Rn. 26). Von einer derart hohen Belastung, die einen Beurteilungspegel von mindestens 70 dB(A) als mittlere Geräuschbelastung während der 16-stündigen Tagzeit voraussetzen würde, kann bei einer Kindertageseinrichtung mit 74 Kindern nicht ausgegangen werden.
1.5.2 Ein vom Regelfall abweichender Sonderfall, der im Einzelfall die Annahme eines erheblichen Nachteils oder erheblicher Belästigungen ermöglicht, liegt nach der Intention des Gesetzgebers nur vor, wenn besondere Umstände gegeben sind, z. B. die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser oder Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebieten in die vorhandene Bebauung nicht einfügen (BT-Drs. 17/4836 S. 7). Anhaltspunkte dafür, dass hier ein vom Regelfall abweichender Sonderfall vorliegt, sind auch im Hinblick auf die Anzahl von 74 Kindern nicht gegeben. Diese Anzahl liegt nach den Erfahrungen des Gerichts noch im mittleren Größenbereich von üblichen Kindertagesstätten, auch wenn das Vorhaben keine kleine soziale Einrichtung darstellt. Jedoch ist bei der Betrachtung der Anzahl der Kinder zu beachten, dass bei einer Kindertagesstätte ein gewisser Anteil - auch wenn er hier noch nicht festgelegt ist - auf Krippenkinder im Alter von 0 - 3 Jahren entfällt, die insbesondere bei der Nutzung des Außenbereichs aufgrund ihres Alters und ihrer sich erst entwickelnden Mobilität in der Regel noch keine lärmintensiven Spiele spielen. Von daher ist eine Lärmentwicklung bei der Nutzung des Außenbereichs nicht durch alle 74 Kinder zu erwarten.
1.5.3 Fraglich ist aber, ob die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG auch den durch die Kinderkrippe bedingten Zu- und Abgangsverkehr und die hierdurch bedingten Immissionen umfasst. Hierfür würde sprechen, dass es sich bei der Regelung in § 22 Abs. 1a BImSchG um eine Regelung von anlagenbezogenem Lärm auf der Grundlage des Kompetenztitels in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG handelt, da seit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 den Ländern für Regelungen zum Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht (BT-Drs. 17/4836 S. 5). Zu den typischen Auswirkungen von Kindertageseinrichtungen als Anlagen gehört aber auch und gerade der hierdurch hervorgerufene Lärm des Zu- und Abfahrtsverkehrs. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut des § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG, wonach Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen durch Kinder hervorgerufen werden, von der Privilegierung erfasst werden. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass hierzu alle Geräuscheinwirkungen durch kindliche Laute (Sprechen, Singen, Lachen, Weinen, Rufen, Schreien und Kreischen) und durch körperliche Aktivitäten (Spielen, Laufen, Springen und Tanzen) gehören, selbst wenn vielfach die eigentliche Geräuschquelle in kindgerechten Spielzeugen, Spielbällen und Spielgeräten sowie Musikinstrumenten liegt (BT-Drs. 17/4836 S. 6). Von der Privilegierung umfasst werden nach dem Willen des Gesetzgebers auch Geräuscheinwirkungen durch Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern, da diese Laute unmittelbar durch die Kinder und ihre Betreuung bedingt sind. Im Übrigen soll jedoch das allgemeine Immissionsschutzrecht anwendbar bleiben, so dass etwa die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den allgemeinen Anforderungen zu entsprechen hat (BT-Drs. 17/4836 S. 6).
Im Ergebnis kann aber offen bleiben, ob der durch die Kindertagesstätte verursachte Zu- und Abfahrtsverkehr von den Privilegierungsvorschriften umfasst wird, da sich dessen Auswirkungen auch ohne die Heranziehung des § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG bzw. des Art. 2 BayKJG gegenüber den Klägern keinesfalls als unzumutbar oder rücksichtslos darstellen.
Der prognostisch auszusetzende Zu- und Abfahrtsverkehr mit im ungünstigsten Fall 148 zusätzlichen Fahrzeugbewegungen kann nur über die …straße abgewickelt werden, so dass die Kläger hiervon nicht betroffen sind. Aufgrund der zu erstellenden Tiefgaragenplätze werden die Kläger auch nicht durch Fahrzeugbewegungen auf dem streitgegenständlichen Grundstück belastet.
Es ist somit nicht ersichtlich, dass die im Antwort auf Frage 1 b positiv beurteilte Kindertagesstätte die gebotene Rücksichtnahme auf das Grundstück der Kläger vermissen lässt.
2. Die Beantwortung der Frage 6 verletzt keine nachbarschützenden Rechte der Kläger, die im Prüfprogramm des Vorbescheids enthalten sind. Das Prüfprogramm im Vorbescheid bzw. die insoweit zulässige Fragestellung korrespondiert mit dem im Baugenehmigungsverfahren. Gemäß Art. 59 Abs. 1 BayBO beinhaltet dieses gemäß Nr. 1 die planungsrechtliche Zulässigkeit gemäß §§ 29 bis 38 BauGB und die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO, sowie (Nr. 2) beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2006 - 25 C 06.1182 - juris;
2.1 Eine Zustimmung zu den in den Antragsunterlagen dargestellten Wandhöhen und Abständen wurde im Übrigen nicht gegeben, da insoweit auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen wurde; die irrtümliche Falschbezeichnung „Frage 5“ wurde ausdrücklich zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung richtig gestellt. In Antwort zu Frage 5 werden die Wandhöhen des Vorhabens - soweit sie 7 m und 9 m erreichen - ausdrücklich als planungsrechtlich unzulässig beurteilt, weshalb diese - aufgrund des Verweises - auch hinsichtlich der Abstandsflächen keine Zustimmung erfahren können. Dies gilt auch für den östlichen Teil der nördlichen Außenwand, soweit er 9 m hoch und 1,50 m von der darunterliegenden Außenwand des Erdgeschosses zurückgesetzt ist. Zwar wurde in der Antwort zu Frage 6 die Wandhöhe von 3 m im westlichen Teil der nördlichen Außenwand und von 6 m in deren östlichen Teil nicht ausdrücklich negativ beurteilt. Allerdings kann der Vorbescheid auch insoweit keine Bindungswirkung entfalten, da hier nur eine Beurteilung des Gesamtvorhabens erfolgen kann. Die negative Beurteilung bestimmter Parameter (z. B. Wandhöhe, Firsthöhe und Grundfläche) in Teilbereichen kann nicht e contrario zu einer Bindungswirkung der nicht oder nicht negativ beurteilten Parameter führen, da eine Teilbarkeit des Vorhabens insoweit ersichtlich nicht gegeben ist.
Da aufgrund der negativen Beurteilung der Höhenentwicklung in Teilbereichen des Vorhabens dieses nicht verwirklicht werden kann, können die Kläger im Hinblick auf eine etwaige Nichteinhaltung von Abstandsflächen durch dieses Vorhabens nicht in ihren Rechten verletzt sein.
2.2 Abgesehen davon wurden hinsichtlich der, den Klägern gegenüberliegenden nördlichen Außenwand keine Abweichungen in Aussicht gestellt. Damit konnte auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abstandsflächen dieser nördlichen Außenwand zur Grundstücksgrenze mit den Klägern keine bindende Aussage getroffen werden, da diese Abstandsflächen insoweit nicht im Prüfprogramm sind (BayVGH, U.v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 10). Da die in Aussicht gestellte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben an der Südseite in keinem Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der Nordseite steht, beschränkt sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt des Vorbescheids ausschließlich auf diese südliche Außenwand (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2015 - a. a. O. Rn. 9 und 10).
Eine Bindungswirkung des streitgegenständlichen Vorbescheids hinsichtlich der Abstände der vom Vorhaben intendierten Wandhöhen ist daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben, weshalb insoweit auch eine Rechtsverletzung der Kläger ausgeschlossen ist.
III.
Die Klage war daher mit Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, den Klägern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird vor der Teilrücknahme auf EUR 10.000,-- und danach auf EUR 5.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.