Verwaltungsgericht München Urteil, 08. März 2017 - M 7 K 16.1635

published on 08.03.2017 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 08. März 2017 - M 7 K 16.1635
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Gericht

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Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen ein von der Beklagten verhängtes Ordnungsgeld.

Der Kläger und weitere Gemeinderäte der SPD-Fraktion haben die konstituierende Gemeinderatssitzung der Gemeinde P. am 8. Mai 2014 verlassen, nachdem das Wahlergebnis zur Wahl des dritten Bürgermeisters verkündet worden war. Die Sprecherin der SPD-Fraktion hat dazu erklärt, dass sie und ihre Fraktion die Wahl der weiteren Bürgermeister zwar akzeptierten, ihres Erachtens jedoch die hohe Anzahl an Wählerstimmen zugunsten der Sprecherin der SPD-Fraktion als Kandidatin zur ersten Bürgermeisterin bei der Wahl der Bürgermeisterstellvertretung hätte berücksichtigt werden müssen.

Mit Bescheid vom 11. August 2014 wurde gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 75,-- EUR verhängt, wogegen er mit Schreiben vom 10. September 2014 beim Verwaltungsgericht München Klage einreichte (M 7 K 14.4091). Am 4. November 2014 hob die Gemeinde den Bescheid aus formellen Gründen auf. Das Verfahren wurde nach der Abgabe von Erledigungserklärungen durch die Parteien vom Gericht mit Beschluss vom 16. Februar 2015 eingestellt. Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 gab die Gemeinde dem Kläger die Möglichkeit, zur Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Missachtung der Teilnahmepflicht an der Gemeinderatssitzung vom 8. Mai 2014 Stellung zu nehmen, was mit Schreiben vom 26. August 2015 erfolgte. In einer nichtöffentlichen Sitzung am 25. Februar 2016 beschloss der Gemeinderat die Verhängung eines Ordnungsgelds in Höhe von 150,-- EUR gegen den Kläger.

Mit Bescheid vom 8. März 2016 vollzog die Beklagte den Beschluss des Gemeinderats. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Gemeinderatsmitglieder nach Art. 48 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) verpflichtet seien, an den Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen. Gegen Mitglieder, die sich diesen Verpflichtungen ohne genügende Entschuldigung entzögen, könne der Gemeinderat gemäß Art. 48 Abs. 2 GO Ordnungsgeld bis zu 250,-- EUR im Einzelfall verhängen. Das Fernbleiben von Sitzungen des Gemeinderates zum Zweck der politischen Demonstration, insbesondere um dadurch einer Meinung verstärkt Ausdruck zu verleihen, stelle einen unentschuldigten Verstoß gegen die Teilnahmepflicht dar. Die Missachtung der Teilnahmepflicht sei vorliegend auch bewusst erfolgt. Dafür spreche die Argumentation der Sprecherin der SPD-Fraktion, das offensichtlich im Vorfeld besprochene Vorgehen sowie das vorbereitete Papier der Ausschussmitglieder, das zur Berücksichtigung bei den nachfolgenden Tagesordnungspunkten vor dem Verlassen der Sitzung vorgelegt worden sei. Das Ermessen nach Art. 48 Abs. 2 GO habe der Gemeinderat dahingehend ausgeübt, gegen den Kläger ein Ordnungsgeld zu verhängen. Der Gemeinderat hätte anstelle der Verhängung eines Ordnungsgeldes auch eine Rüge erteilen können, was ihm aber nicht als ausreichend erschienen sei. In der konstituierenden Sitzung seien die neu gewählten Gemeinderatsmitglieder vereidigt worden. Der dabei geleistete Schwur beinhalte, den Gesetzen gehorsam zu sein und die Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund sei die bewusste Missachtung der Teilnahmepflicht der Gemeinderatsmitglieder nicht lediglich mit einer Rüge zu ahnden. Angesichts der Tragweite der konstituierenden Sitzung mit einer Vielzahl für die sechsjährige Wahlzeit relevanter Grundsätze wiege der Auszug der SPD-Fraktion nachhaltig. Der unentschuldigte Auszug habe das Ansehen der Gemeinde beschädigt. Die Funktionalität des Gemeinderates habe Vorrang vor den Beschränkungen der Freiheit des Klägers, zumal es andere Wege gebe, die Öffentlichkeit über die seiner Ansicht nach missachtete Demokratie zu informieren. Ein Ordnungsgeld sei das geeignete Mittel, den Kläger zukünftig zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten. Es sei auf 150,-- EUR festgesetzt worden. Dabei sei berücksichtigt worden, dass der Höchstbetrag - nämlich 250,-- EUR - nicht dem pflichtgemäßen Ermessen entsprechen würde, da dieser Betrag zum Beispiel nur bei wiederholtem oder schwerwiegendem Fehlverhalten angemessen sei. Allerdings sei in die Erwägungen auch eingestellt worden, dass es sich um eine konstituierende Sitzung mit großer Tragweite für die gesamte Wahlzeit gehandelt habe. Zu Beginn der Sitzung seien die neu gewählten Gemeinderatsmitglieder vereidigt worden. Die Kenntnis, dass das demonstrative Verlassen einer Sitzung nicht mit den Amtspflichten zu vereinbaren sei, könne in Anbetracht der mehrjährigen Erfahrungen anderer Gemeinderatsmitglieder der SPD-Fraktion, die die Sitzung ebenfalls verlassen hätten, auch für den Kläger angenommen werden. Der knapp eine Stunde nach der Vereidigung des Klägers erfolgte Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1 GO wiege insofern schwer. Die Höhe der in der Vergangenheit verhängten Ordnungsgelder wegen anderen Pflichtverletzungen sei auch entscheidungsrelevant gewesen. Ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,-- EUR werde als angemessen aber auch geeignet angesehen, den Kläger künftig zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten.

Gegen den am 19. März 2016 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 9. April 2016 Klage. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass der Bescheid rechtswidrig sei. Der zunächst am 11. August 2014 gegen ihn erlassene Bescheid mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 75,-- EUR sei vorbehaltlos aufgehoben und das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingestellt worden. Mit dem Verlassen der Gemeinderatssitzung habe er die Flucht in die Öffentlichkeit angetreten, da er mit Entschiedenheit für den Wählerwillen habe eintreten wollen. Ein anderes gleich effektives und verhältnismäßiges Mittel sei in dieser Situation für ihn nicht ersichtlich gewesen. Die erneute Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150,-- EUR sei daher unrechtmäßig. Für das Wiederaufgreifen des Verfahrens habe es keinen Hinweis gegeben. Vom Aufhebungsbescheid bis zur erneuten Beschlussfassung seien fast 16 Monate vergangen. Es sei zweifelhaft, ob ein Ordnungsgeld nach diesem langen Zeitraum noch seinem Zweck gerecht werde könne. Er habe versichert, dass er keine Wiederholung in der Zukunft beabsichtige. Die Beschlussvorlage sei nicht neutral gehalten, sondern setze den Schwerpunkt der Ausführungen einseitig gegen ihn. Ob auf dieser Grundlage neutrale Beschlüsse des Gemeinderates möglich seien, halte er für fraglich. Alle Bescheide seien von der Gemeindebediensteten Frau J* … unterzeichnet worden, dabei sei der Vollzug von Gemeinderatsbeschlüssen Aufgabe des ersten Bürgermeisters. Art. 48 Abs. 2 GO räume der Gemeinde einen Entscheidungsspielraum ein, den sie frei von Ermessensfehlern ausüben müsse. Der Bescheid enthalte aber sachfremde Erwägungen. Die Gemeinde sei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet und müsse das mildeste Mittel wählen. Eine Rüge, Ermahnung oder ein niedrigeres Ordnungsgeld seien möglich. Eine Erhöhung des Ordnungsgeldes von 75,-- EUR auf 150,-- EUR im Vergleich zum ersten Bescheid sei in keiner Weise gerechtfertigt. Der Sachverhalt habe sich im Nachhinein nicht geändert. Die kommunale Unerfahrenheit, die ihm im Bescheid aus 2014 noch zugutegehalten werde, werde nun nicht mehr berücksichtigt. Es liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da Tatsachen, die zu seinen Gunsten sprechen würden, falsch bzw. gar nicht gewichtet und sachfremde Erwägungen berücksichtigt worden seien sowie ein wesentlicher Gesichtspunkt, nämlich seine wirtschaftlichen Verhältnisse, übersehen worden sei.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der Bescheid sowohl formell als auch materiell rechtmäßig sei. Fehler im Rahmen des Geschäftsgangs des dem Bescheid zugrunde liegenden Beschlusses seien nicht ersichtlich. Die alleinige Unterschrift der Geschäftsleiterin auf dem Ordnungsgeldbescheid stehe der Rechtmäßigkeit nicht entgegen. Grundsätzlich obliege der Vollzug der Beschlüsse des Gemeinderats dem ersten Bürgermeister nach Art. 36 Satz 1 GO, allerdings könne er bestimmte Befugnisse auf einen Gemeindebediensteten nach Art. 39 Abs. 2 GO übertragen. Dafür müsse die Befugnis, was hier vorliege, Teil der laufenden Verwaltung sein, wobei der Begriff weiter zu verstehen sei als in Art. 37 Abs. 1 GO. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Der Kläger habe durch sein Verlassen der konstituierenden Gemeinderatssitzung seine Pflichten zur Teilnahme an Sitzungen und Abstimmungen und das Stimmenthaltungsverbot, die die Arbeitsfähigkeit des Gemeinderats schützten, verletzt. Dieses Fernbleiben sei nicht genügend entschuldigt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe entschieden, dass ein Fernbleiben eines Gemeinderatsmitgliedes oder einer Fraktion von den Sitzungen des Gemeinderates zum Zweck der politischen Demonstration gegen die Teilnahmepflicht verstoße und dass solche Motive keine genügende Entschuldigung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 GO darstellten. Das Verlassen der Sitzung durch den Kläger und seine Fraktionskollegen sei aus politischem Protest erfolgt, um eine Verärgerung über die Nichtwahl ihrer Fraktionsvorsitzenden zur stellvertretenden Bürgermeisterin zum Ausdruck zu bringen und den Gemeinderat dazu zu bewegen, die Entscheidung zu revidieren. Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß betätigt. Sowohl die Verhängung als auch die Höhe des Ordnungsgeldes stünden im Ermessen des Gemeinderates. Es sei ein legitimes Ziel, weitere derartige Vorkommnisse und damit eine Blockierung der Arbeitsfähigkeit des Gemeinderates zu vermeiden. Zur Durchsetzung dieses Ziels sei ein Ordnungsgeld auch geeignet. Der Einwand, dass die Verhängung erst 22 Monate nach dem relevanten Pflichtenverstoß erfolgt sei, gehe fehl. Auch nach diesem Zeitraum sei eine Ordnungsgeldfestsetzung geeignet, den Kläger von einem nochmaligen unentschuldigten Fernbleiben abzuhalten. Die Festsetzung sei auch erforderlich. Als milderes Mittel hätte nur eine Rüge ausgesprochen werden können. Eine solche hätte jedoch angesichts der Umstände nicht ausgereicht, um dem Verhalten des Klägers angemessen entgegenzutreten. Bei der Frage der Höhe des Ordnungsgeldes sei auch zu beachten, ob eine Entschuldigung vorliege. Eine solche sei vom Gemeinderat vorgeschlagen, vom Kläger und seinen Fraktionskollegen aber nicht ausgesprochen worden. Daher erscheine ein Ordnungsgeld von 150,-- EUR, das den Rahmen von 250,-- EUR nicht annähernd ausreize, angemessen.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 wiederholte und vertiefte der Kläger sein Vorbringen. Das Verlassen der Sitzung sei nicht angekündigt gewesen und habe auch keine politische Demonstration dargestellt. Er habe lediglich mit Entschiedenheit für den Wählerwillen eintreten wollen. Es sei eine Unterstellung, dass er aus persönlicher Verärgerung gehandelt habe. Die Aussage, dass nur ein Ordnungsgeld angemessen sei, treffe nicht zu. Das Ermessen sei insgesamt fehlerhaft ausgeübt worden. Weder könne sich eine fehlende Entschuldigung zu seinen Lasten auswirken, noch könne das Ordnungsgeld ohne Begründung von 75,-- auf 150,-- EUR verdoppelt werden.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 bestellte sich der Bevollmächtigte für den Kläger und beantragte,

der Klage stattzugeben und den Bescheid der Gemeinde P. für nichtig zu erklären,

hilfsweise den Bescheid aufzuheben.

Dazu trug er vor, dass der Bescheid nichtig sei, da er nicht vom ersten Bürgermeister unterschrieben worden sei. Zwar könne der Bürgermeister nach Art. 39 Abs. 2 GO im Rahmen der Geschäftsverteilung einzelne seiner Befugnisse übertragen. Die Voraussetzungen dafür lägen hier aber nicht vor. Der Bescheid verstoße zudem gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der erste Bescheid vom 16. August 2014 sei aufgehoben worden und das Verwaltungsgericht habe das Verfahren eingestellt. Die erneute Aufnahme verstoße gegen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Demnach sei bei allen staatlichen Maßnahmen mit Sanktionscharakter die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Eingriffsrechts vertieft vorzunehmen und nach der Wiederholung der Sanktion zu fragen. Das gelte über Art. 103 Abs. 3 GG hinaus auch für alle Ordnungsmaßnahmen und behördliche Präventionsmaßnahmen. Zwar liege hier mit dem Ordnungsgeld weder eine kriminelle Strafe noch eine Geldbuße i.S.d. OWiG vor, doch handle es sich um eine Maßnahme mit Sanktionscharakter. Nach rechtskräftiger Einstellung des Verfahrens sei die Wiederaufnahme vorliegend unverhältnismäßig. Hilfsweise werde vorgetragen, dass Verwirkung eingetreten sei.

In der mündlichen Verhandlung am 8. März 2017 nahm der Bevollmächtigte des Klägers die Klage teilweise zurück und beantragte zuletzt,

den Bescheid vom 8. März 2016 insoweit aufzuheben, als darin ein höheres Ordnungsgeld als 75,-- EUR festgesetzt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit eine teilweise Klagerücknahme dahingehend erklärt wurde, den ursprünglichen Antrag auf Nichtigerklärung bzw. hilfsweise Vollaufhebung des Bescheids nicht weiter zu verfolgen. Zu entscheiden war daher nur noch über den zuletzt gestellten Antrag des Klägers, den Bescheid insoweit aufzuheben, als darin ein höheres Ordnungsgeld als 75,-- Euro festgesetzt wird. Zur Begründung der Teilaufhebung stützt sich der Kläger darauf, dass die Gemeinde zunächst nur ein Ordnungsgeld von 75,-- Euro verlangt habe und nunmehr nach Aufhebung des ersten Bescheids wegen formeller Fehler im hier streitgegenständlichen Bescheid ermessensfehlerhaft und ohne Begründung ein doppelt so hohes Ordnungsgeld verhänge.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2016 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der zu Recht von der Geschäftsleiterin unterschriebene Bescheid (vgl. Art. 39 Abs. 2 HS 1 GO) stützt sich auf Art. 48 Abs. 2 GO, wonach der Gemeinderat gegen Mitglieder, die sich den Verpflichtungen zur Teilnahme an den Sitzungen und Abstimmungen ohne genügende Entschuldigung entziehen, Ordnungsgeld bis zu zweihundertfünfzig Euro im Einzelfall verhängen kann. Dabei steht sowohl die Frage, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird als auch die Höhe im Ermessen der Gemeinde (VG Würzburg, U.v. 22.9.2004 - W 2 K 03.864 - juris Rn. 30, 35; Hölzl/Hien/Huber, GO, 54. Aktualisierung, März 2015, Art. 48, Erl. 3.4). Bei Ermessensentscheidungen überprüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Aus der Begründung des Bescheids muss sich ergeben, dass die Gemeinde ihr Ermessen ausgeübt und dabei die Interessen des Betroffenen berücksichtigt und abgewogen hat, ferner von welchen Tatsachen sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe sie angewandt hat (VG München, U.v. 17.3.1999 - M 7 K 97.4937 - juris Rn. 21). Der streitgegenständliche Bescheid wird diesen Anforderungen gerecht. Aus seiner Begründung ergeben sich sowohl der Sachverhalt als auch die Erwägungen der Gemeinde für die Verhängung des Ordnungsgeldes in der konkreten Höhe. Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler enthält der Bescheid nicht.

Der Auszug des Klägers zusammen mit seiner Fraktion aus der konstituierenden Gemeinderatssitzung erfüllt die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach Art. 48 Abs. 2 GO, da dieses Verhalten einen unentschuldigten Verstoß gegen die Verpflichtung zur Sitzungsteilnahme und Abstimmung aus Art. 48 Abs. 1 GO darstellt. Die Fraktion war ausgezogen, um ihr Missfallen über die Wahl des Bürgermeisterstellvertreters zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen es aber rechtliche oder politische Auseinandersetzungen nicht, „aus Protest“ den Sitzungen des Gemeinderats fernzubleiben. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats darf in derartigen Fällen ein Ordnungsgeld verhängt werden (BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 4 ZB 14.1494 - juris Rn. 7 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 25.7.1979 - 6 V 77 - BayVBl 1979, 685 ff.). Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte stattdessen nicht lediglich eine Rüge erteilt hat. Sie hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass dieses Mittel in Erwägung gezogen, jedoch angesichts des Gewichts des vorsätzlichen Verstoßes als nicht ausreichend angesehen worden sei.

Die Beklagte hat auch das ihr in Bezug auf die Höhe des Ordnungsgeldes zustehende Ermessen ordnungsgemäß und zweckentsprechend ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG). Das Ordnungsgeld verfolgt den Zweck, den Gemeinderat zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verpflichtungen aus Art. 48 Abs. 1 GO anzuhalten (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.9.2004 - W 2 K 03.864 - juris Rn. 38). Es ist weder eine kriminelle Strafe noch eine Buße im Sinne des OWiG, sondern eine disziplinäre Maßnahme mit Beugecharakter (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.1975 - BayVBl 1976, 498 ff.; BayVGH, B.v. 6.5.1999 - 4 C 99.1124 - juris Rn. 11; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 28. EL Dezember 2015, Art. 48 Rn. 14). Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses war der Kläger im Amt und der Zweck des Ordnungsmittels somit erreichbar. Die Erwägungen des Gemeinderats bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes - nämlich das durch die Fraktion im Vorfeld abgesprochene Verlassen der Sitzung und das damit einhergehende vorsätzliche Handeln sowie die Tatsache, dass es sich um eine konstituierende Sitzung mit einer grundlegenden Bedeutung für die weitere Amtszeit gehandelt hat, ferner die zeitliche Komponente des Auszugs kurz nach der Vereidigung der neuen Gemeinderatsmitglieder unter Hinweis auf die Amtspflichten und schließlich das Fehlen einer Entschuldigung (vgl. dazu Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Art. 48 Rn. 14) - weisen keine Ermessensfehler auf. Die Beklagte hat bei der Ausübung des Ermessens auch den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) beachtet, der es gebietet, die bisherige Entscheidungspraxis in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen in den Blick zu nehmen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, a.a.O., Art. 48, Erl. 3.4.1.). Dementsprechend hat die Beklagte im Bescheid ausgeführt, dass in der Vergangenheit Ordnungsgelder gegen Gemeinderatsmitglieder wegen der Bekanntgabe von Inhalten aus einer nicht-öffentlichen Sitzung in Höhe von 120,-- EUR und wegen Stimmenthaltung in Höhe von 100,-- DM verhängt worden waren.

Das verhängte Ordnungsgeld in Höhe von 150,-- EUR hält sich in einem mittleren Bereich innerhalb des aus Art. 48 Abs. 2 GO ersichtlichen Rahmens bis 250,-- EUR und ist angesichts der konkreten Umstände des Pflichtenverstoßes insgesamt verhältnismäßig. Nicht zu folgen ist dem klägerischen Einwand, dass die Verdoppelung des verhängten Ordnungsgeldes im Vergleich zum ersten Bescheid, der wegen formeller Fehler, insbesondere einer fehlenden Anhörung, aufgehoben worden war, fehlerhaft sei. Die Bevollmächtigte der Beklagten hat diesbezüglich erklärt, dass bei Erlass des ersten Bescheids im Jahr 2014 zwischen den Gemeinderäten mit und ohne kommunaler Erfahrung differenziert worden sei. Für die unerfahrenen Mitglieder sei ein Ordnungsgeld von 75,-- EUR, für die erfahrenen Mitglieder eines in Höhe von 150,-- EUR festgesetzt worden. Bei der erneuten Abstimmung über das Ordnungsgelds habe man sich im Gemeinderat darauf geeinigt, einen grundsätzlich einheitlichen Betrag von 150,-- EUR festzusetzen. Grund dafür sei gewesen, dass man zunehmend den Eindruck eines einheitlichen und abgesprochenen Vorgehens der SPD-Fraktion beim Verlassen der Gemeinderatssitzung gewonnen habe und damit ein Grund für eine unterschiedliche Höhe des Ordnungsgelds nicht mehr vorhanden gewesen sei. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und weisen keine Ermessensfehler auf. Die Umstände beim Verlassen der Sitzung legen eine vorherige Absprache der Mitglieder der SPD-Fraktion nahe, die einheitlichen Stellungnahmen der Gemeinderatsmitglieder im Rahmen der Anhörung verstärken diesen Eindruck. Der Kläger hat dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass es sich um ein vorher abgesprochenes Vorgehen gehandelt habe, auch nicht widersprochen. Zu Recht hat daher die Beklagte ihr anfängliches Differenzierungskriterium aufgegeben, da es angesichts der konkreten Sachverhaltsumstände nicht als sachgerecht erscheint. Gesichtspunkte, die das festgesetzte Ordnungsgeld dem Kläger gegenüber unbillig erscheinen ließen, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.

Die Klage war daher abzuweisen.

Das Gericht trifft eine einheitliche Kostenentscheidung. Die Kostenfolge ergibt sich für den zurückgenommenen Teil der Klage aus § 155 Abs. 2 VwGO, für die verbleibende Klage aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 20.11.2014 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe
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Annotations

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.