Verwaltungsgericht München Urteil, 23. Okt. 2017 - M 22 K 15.50906

bei uns veröffentlicht am23.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Oktober 2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger, ein senegalesischer Staatsangehöriger, stellte am … Juni 2015 einen Asylantrag. Nachdem eine Eurodac-Abfrage zwei Treffer (Katergorie 1 und 2) für Italien ergeben hatte, wandte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Schreiben vom … Juli 2015 an die italienische Dublin Unit mit der Bitte um Wiederaufnahme des Klägers im Vollzug der Dublin III-Verordnung unter Hinweis auf den vom Kläger am … Dezember 2013 in Italien gestellten Asylantrag. Dieses Gesuch blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab,ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf „0 Monate“.

In den Bescheidsgründen wurde ausgeführt, da die italienische Dublin Unit auf das Wiederaufnahmegesuch nicht geantwortet habe, sei davon auszugehen, dass dieses akzeptiert werde. Der in Deutschland gestellte Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Italien aufgrund des dort gestellten Antrags für die Behandlung des Asylbegehrens zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere bestünden in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen.

Wann der Kläger den Bescheid erhalten hat, lässt sich der Behördenakte nicht entnehmen. Am 5. November 2015 erfolgte unter einer früheren, nicht mehr aktuellen Adresse des Antragstellers ein Zustellversuch (Niederlegung bei der Post).

Am 12. November 2015 erhob der Kläger Anfechtungsklage. Er beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 29. Oktober 2015 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das italienische Asylsystem an Mängeln leiden würde, die einer Abschiebung des Klägers nach dorthin entgegenstünden. Des Weiteren wurde zu Gefährdungen vorgetragen, denen sich der Kläger für den Fall einer Rückkehr in den Senegal ausgesetzt sähe.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 ordnete das Gericht in dem weiter vom Kläger angestrengten Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung an (M 22 S 15.50907).

Mit Beschluss vom 20. September 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (ein Durchentscheiden kommt vorliegend nicht in Betracht, vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris) und hat auch in der Sache Erfolg, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Italien für die Prüfung des Antrags des Klägers auf internationalen Schutz nicht zuständig. Unbeschadet der Frage, ob die Zuständigkeit eines weiteren Dublin-Mitgliedsstaates hier im Raum gestanden hat, ist mittlerweile jedenfalls davon auszugehen, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags nach den Vorgaben der Dublin II-VO zuständig geworden ist und der Kläger daher eine sachliche Prüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt verlangen kann. Wegen der danach gebotenen Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung können auch die daran anknüpfenden Folgeregelungen (Abschiebungsanordnung, Befristungsentscheidung) keinen Bestand haben. Der angefochtene Bescheid war also vollumfänglich aufzuheben.

2. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in Asylsachen ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags als unzulässig ist daher vorliegend auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AsylG in der seit dem 6. August 2016 gültigen Fassung (vgl. BGBl. I 2016, 1939, 1946) abzustellen. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag u.a. unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Anwendbarkeit der Dublin II-VO für die Frage der Zuständigkeit folgt hier aus dem Umstand, dass der Kläger seinen maßgeblichen Erstantrag in Italien noch unter Geltung dieser Verordnung gestellt hat (vgl. hierzu Art. 49 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO, wonach diese Verordnung bezüglich der Zuständigkeitsbestimmung erst für Anträge gilt, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden).

3. Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen wäre hier an sich von einer Zuständigkeit Italiens (nach Art. 10 Abs. 1 bzw. Art. 13 Dublin II-VO) auszugehen gewesen. Eine Überstellung des Klägers nach Italien stellt sich nach den Umständen des Falles aber aufgrund der sich aus Art. 4 EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK ergebenden Anforderungen als unzulässig dar.

3.1 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Dublin II-VO (U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vgl. dazu auch U.v. 10.12.2013 - C-394/12, … - NVwZ 2014, 208) hat das Vorliegen systemischer Schwachstellen des Asylsystems im an sich zuständigen Mitgliedsstaat, welche die beachtliche Gefahr einer Verletzung der Rechte aus Art. 4 EU-Grundrechtecharta begründen, zur Folge, dass in diesen Staat nicht abgeschoben werden darf und der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat die Prüfung fortzusetzen hat, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedsstaat als zuständig bestimmt werden kann (siehe hierzu nunmehr Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 Dublin III-VO).

Zum Begriff der systemischen Schwachstellen ist zu bemerken, dass es sich dabei um Defizite des Asyl- und Aufnahmeregimes handelt, die in diesem selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber um tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 und B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677).

Hinsichtlich einer etwaigen Pflicht zur Ermittlung des Vorliegens eines durch systemische Schwachstellen bedingten Überstellungsverbotes durch den die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaat ist zu beachten, dass die Dublin-Verordnungen auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens beruhen. Auf dieser Grundlage gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta, der EMRK und der GFK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris Rn. 80). Diese Vermutung ist allerdings widerleglich. Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist nach dieser Rechtsprechung dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O. u.v. 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014,129).

Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EU-Grundrechtecharta muss dabei durch wesentliche Gründe gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 EU-Grundrechtecharta kommt. Das dabei zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nach herkömmlichen Verständnis (zu Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht, siehe insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 EU-Grundrechtecharta übereinstimmt - z.B. U.v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien - NVwZ 2011, 413; U.v. 4.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel/Schweiz - NVwz 2015, 127 und E.v. 5.2.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande -, juris).

3.2 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zur Prüfung der Zulässigkeit von Dublin-Überstellungen am Maßstab des (neben Art. 4 EU-Grundrechtecharta anwendbaren) Art. 3 EMRK zwar den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens anerkennt und auch den Begriff der systemischen Mängel rezipiert hat, allerdings davon ausgeht, dass für die Beurteilung nicht in der Art eines Ausschlusskriteriums allein darauf abgestellt werden darf, ob Gefährdungen durch relevante systemische Mängel bedingt sind oder nicht, sondern die Bedeutung der Einzelfallprüfung in den Vordergrund stellt. In Rn. 104 des Urteils in der Sache … (v. 4.11.2014 - Nr. 29217/12) wird dazu etwa ausgeführt, die Ursache der Gefahr habe keinerlei Auswirkungen auf das Schutzniveau, welches durch die Konvention garantiert werde oder auf die sich aus der Konvention ergebenden Pflichten des Staates, der die Abschiebung der Person anordnet. Diese (gemeint ist die Gefahrenursache) befreie diesen Staat also nicht davon, eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und die Durchsetzung der Abschiebungsanordnung auszusetzen, falls die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung festgestellt werden sollte.

3.3 Bezüglich der aktuellen Situation in Italien geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Gegebenheiten hinsichtlich der Aufnahmebedingungen und des Asylverfahrens den einschlägigen rechtlichen Anforderungen (siehe hierzu die Vorgaben der Aufnahme- und der Verfahrensrichtlinie, RL 2013/33 EU und RL 2013/32/EU, beide vom 26.06.2013) im Wesentlichen genügen, das Asylsystem also prinzipiell funktionsfähig ist, auch wenn es in verschiedenen Bereichen zum Teil nicht unbeträchtliche Defizite gibt, die unter Umständen als nicht das gesamte System erfassende systemische Mängel zu werten sein könnten (zur praktischen Umsetzung siehe insbesondere aida, Country Report: Italy, vom Dezember 2015 - i.F:. aida - und SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, vom August 2016 - i.F.: SFH; zur Bewertung des italienischen Asylsystems durch die SFH siehe insbes. S. 67 ff.; die deutsche Verwaltungsrechtsprechung verneint ganz überwiegend das Vorliegen systemischer Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien, vgl. hierzu aus neuerer Zeit OVG NRW, U.v. 21.6.2016 - 13 A 1896/14.A - juris - m.w.N.).

3.3.1 Für Dublin-Rückkehrer, soweit diese in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht bestandskräftig entschieden wurde bzw. hinsichtlich dessen eine Fortführung des Verfahrens grundsätzlich in Betracht kommt - wovon beim Verfahren des Klägers auszugehen ist -, ist das Aufnahmeverfahren wie folgt geregelt:

Überstellungen erfolgen an den Flughäfen Rom und Mailand. Wenn für die Behandlung des Asylgesuchs des Betroffenen die Präfektur der Provinz des Flughafens zuständig ist (Varese bzw. Rom) kann das Verfahren vor Ort weitergeführt werden. Wenn eine andere Präfektur zuständig ist, muss der Antragsteller dorthin reisen (von einer mit der Betreuung der Rückkehrenden betrauten NGO kann dazu ein Zugticket organisiert werden, vgl. SFH, S. 26 und 28 f.).

Die zuständige Präfektur veranlasst dann auch die Unterbringung des Asylsuchenden. Problematisch ist die Unterbringungssituation allerdings für Personen, die bei ihrem vorherigen Aufenthalt in Italien die zugewiesene Unterkunft nicht in Anspruch genommen haben oder untergetaucht sind. In diesem Fall - es ist davon auszugehen, dass es sich beim Kläger so verhalten würde - entfällt das Recht auf Unterbringung. Unter Umständen kann aber die Aufnahme in eine Unterkunft auf Antrag hin erneut gestattet werden. Bis dahin hat die Person keinen Zugang zu einer Unterbringung. Wenn die Präfektur die Wiederaufnahme ablehnt, gibt es keine Unterbringungsalternativen, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden (SFH S. 28 f.; aida S. 74 f.; AA, Stellungnahme an das OVG NRW v. 23.02.2016, Antwort zu Frage 2.1; zu den gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Entzug oder die Beschränkung der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile siehe Art. 20 RL 2013/33/EU).

3.3.2 Zu den Rahmenbedingungen für das Aufnahmesystem und der praktischen Umsetzung der Vorgaben (zu Folgendem siehe insbes. SFH S. 12 ff.) ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zahl der Asylgesuche seit 2013 stark angestiegen ist. 2015 wurden etwa ca. 84.000 Asylgesuche gestellt (bei ca. 184.000 Ankünften über das Mittelmehr). 2016 wurden bis Ende Juli bei ca. 94.000 Ankünften ca. 61.000 Asylgesuche formell eingereicht. Das Aufnahmesystem (bestehend aus den sog. CPSA, den Centri governanti die prima accoglienza, den SPRAR-Zentren sowie den temporären Strukturen der CAS) ist innerhalb von vier Jahren von ca. 5.000 auf über 100.000 Plätze gewachsen. Im Februar 2016 betrug die Aufnahmekapazität ca. 105.000 Plätze. Der größte Teil davon sind mit ca. 80.000 Plätzen sog. CAS (die u.a. von Gemeinden und Privatorganisationen betrieben werden; alle sechs Monate finden hierzu Ausschreibungen statt). Untergebracht sind in den Einrichtungen Asylsuchende, die dort bis zum Abschluss des Verfahrens bleiben können, sowie Schutzberechtigte für einen Zeitraum bis zu sechs Monate (vorgesehen hierfür sind eigentlich die SPRAR-Einrichtungen, die aber nicht über genügend freie Plätze verfügen).

Das System ist also darauf ausgerichtet, den aktuellen Bedarf an Aufnahmeplätzen kurzfristig und bedarfsgerecht zu befriedigen, was im Wesentlichen durch eine entsprechende Bewirtschaftung (zeitnahe Ausweitung bzw. auch Beschränkung) der CAS-Plätze erreicht werden soll.

Es liegt auf der Hand, dass ein solches System bei permanent hoher Auslastung anfällig für Störungen ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Umstand in den Blick zu nehmen, dass nach den vorliegenden Informationen in Italien tausende Asylsuchende, Schutzberechtigte und irregulär aufhältige Migranten in besetzten Häusern oder slumartigen Hüttensiedlungen zumeist unter nicht akzeptablen Bedingungen leben (in Rom sollen bis zu ca. 2.900 Menschen hiervon betroffen sein, SFH S. 44) oder obdachlos sind (SFH, S. 44 ff.). Belastbare Feststellungen, die eine einigermaßen konkrete Abschätzung dazu ermöglichen würden, wieviele Menschen sich tatsächlich mit solchen Verhältnissen konfrontiert sehen und wie hoch insoweit der Anteil an Asylsuchenden ist, die Anspruch auf Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung hätten, liegen zwar nicht vor. Es handelt sich aber offenkundig, auch soweit man nur die Gruppe der Asylbewerber in den Fokus nimmt, um kein zu vernachlässigendes Problem. Nach einer von Ärzte ohne Grenzen durchgeführten Erhebung in diversen über Italien verteilten „informellen Siedlungen“ sind ca. 6 Prozent der Bewohner Asylbewerber (SFH, Aufnahmebedingungen, S. 44). Nach den Angaben im Anhang des Berichts von Ärzte ohne Grenzen (Out of Sight, März 2016) mit einer Übersicht zu informellen Siedlungen, S. 31, beläuft sich die Zahl der dort lebenden Asylbewerber auf im Minimum 320 bzw. maximal auf 980. Die Aufenthaltsdauer in den Siedlungen bei Asylsuchenden, die auf einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung warten, soll zwischen eineinhalb und drei Monate betragen (S. 11). Weiter ist hier auf eine im Jahr 2015 durchgeführte Auswertung der Beratungsgespräche bei einer Anlaufstelle für Obdachlose im Mailand hinzuweisen, die ergeben hat, dass von den beratenen Personen 43 Prozent Asylbewerber waren (SFH 42 f.). Auch wenn es im Übrigen an konkreten Erkenntnissen dazu fehlt, aus welchen Gründen die in solchen Umständen lebenden Asylsuchenden nicht in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind - weil ihnen ein Unterbringungsplatz (noch) nicht zur Verfügung gestellt wurde oder aber weil sie aus welchen Gründen auch immer das Angebot nicht annehmen wollten bzw. die zur Verfügung gestellte Unterkunft wieder verlassen haben - so liegt aber doch auf der Hand, dass die Betroffenen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil sicherlich einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung Anspruch nehmen wollten, aufgrund Platzmangels oder wegen sonstiger Umstände (Zurückweisung wegen früheren Verlassens der Unterkunft; Erschwernisse beim Zugang zum Asylverfahren) aber keine Aufnahme gefunden haben und es erscheint auch naheliegend anzunehmen, dass ein entsprechendes reelles Risiko gerade auch für Dublin-Rückkehrer besteht (wenn sie bereits im Verfahren waren u.a. wegen der Gefahr der Verweigerung einer neuerlichen Unterbringung; wenn sie noch keinen Antrag gestellt haben im Hinblick auf die Wartezeiten zum Stellen eines Asylantrags, vgl. SFH S. 18 ff.).

3.4 Das Gericht geht daher davon aus, dass bedingt durch die angeführten Umstände Dublin-Rückkehrer wie der Kläger, die in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben und dort auch untergebracht waren, jedenfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, über einen unter Umständen auch längeren Zeitraum keine neuerliche Unterkunft gestellt zu bekommen, damit weiter von den sonstigen daran anknüpfenden Leistungen ausgeschlossen wären und hierdurch ohne weiteres in eine Lage geraten können, die sich als Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechtecharta darstellen würde. Angemerkt sei dazu, dass nach Art. 19 Abs. 5 Satz 2 RL 2013/33/EU auch bei einer Beschränkung oder einem Entzug von im Rahmen der Aufnahme zu gewährenden Leistungen dafür Sorge zu tragen ist, dass ein „würdiger Lebensstandard“ gewährleistet bleibt.

Ob die beschriebenen Gegebenheiten mit dem daraus folgenden Risiko, während des laufenden Verfahrens unter Umständen in Obdachlosigkeit und extreme soziale Not zu geraten, als (partieller) systemischer Mangel zu qualifizieren wären, wofür hier vieles spricht, kann im Ergebnis dahinstehen (bejahend VG München, U.v. 19.09.2016 - M 24 K 16.50482 - juris; die Mehrzahl der deutschen Verwaltungsgerichte verneint wie bereits erwähnt das Vorliegen systemischer Mängel hinsichtlich des italienischen Aufnahmesystems). Denn auch wenn man insoweit keinen systemischen Mangel konstatieren wollte (was nach der oben zitierten Rechtsprechung einer Berufung des Klägers auf Art. 4 EU-Grundrechtecharta entgegenstünde), wäre aber doch von einer beachtlich wahrscheinlichen Gefahrenlage, die unter Art. 3 EMRK fällt, auszugehen und hinsichtlich der Anwendung dieser Bestimmung kommt es wie oben unter 3.2 dargestellt - das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des EGMR - gerade nicht auf die Gefahrenursache an.

Eine Abschiebung wäre folglich hier allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn das Bundesamt im Vorfeld der Überstellung durch Abstimmung mit den italienischen Behörden Vorkehrungen dafür getroffen hätte, dass der Kläger für den Fall seiner Überstellung ohne nicht vertretbaren zeitlichen Verzug angemessen untergebracht wird (zum Instrument der individuellen verbindlichen Zusicherung zur Herbeiführung der Voraussetzungen für eine Überstellung siehe EGMR, U.v. 4.11.2014 - 29217/12 Tarakhel/Schweiz - NVwZ 2015, 127). Eine entsprechende Zusicherung hat das Bundesamt aber nicht eingeholt und soweit ersichtlich ist Italien auch nicht bereit, individuelle Zusicherungen abzugeben.

4. Kommt eine Abschiebung nach Italien aber nicht in Betracht, war die Beklagte, nachdem auch für die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates nichts ersichtlich ist, gehalten, den Antrag des Klägers in eigener Zuständigkeit zu prüfen (Selbsteintritt nach (Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO bzw. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO). Der angefochtene Bescheid kann daher keinen Bestand haben.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO:

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. Juli 2014 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Inst

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. Juli 2014 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2016, Geschäftszeichen: 6422031-232, wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten, mit dem im Rahmen eines sog. Dublinverfahrens sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.

Der Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste seinen Angaben zufolge am 31. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am 25. Mai 2016 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).

Bei seiner Anhörung im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Durchführung des Asylverfahrens gab der Kläger an, er habe sein Herkunftsland im Januar 2014 verlassen und sei am 31. Dezember 2015 über Niger, Libyen, Italien und Österreich nach Deutschland gereist. Im Dezember 2014 sei er nach Italien eingereist und habe sich dort ein Jahr lang aufgehalten. Er habe in Italien internationalen Schutz beantragt. Dabei seien ihm Fingerabdrücke genommen worden.

Die EURODAC-Abfrage des Bundesamtes ergab am 31. Dezember 2015 einen Treffer für Italien (Bl. 13 der Behördenakte). Das Bundesamt richtete am 11. Februar 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen zur Durchführung des Asylverfahrens an Italien. Eine Reaktion der italienischen Behörden erfolgte nicht.

Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 20. Juni 2016, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 3).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gem. § 27a des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Italien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 3 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich. Gründe, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich, insbesondere lägen im Hinblick auf das italienische Asylsystem keine systemischen Mängel vor. Daher werde der Asylantrag nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Gründe, das für den Fall der Abschiebung bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot auf weniger als 6 Monate zu befristen, wurden nicht vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2016, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juni 2016 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 4 AsylG zuzuerkennen; hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 AsylG zuzuerkennen, weiter hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen und höchst hilfsweise die Fortführung des Verfahrens durch die Beklagte.

Zugleich wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen. Klage und Antrag seien zulässig, insbesondere die Wochenfirst sei gewahrt. Klage und Eilantrag seien auch begründet. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien würden systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit sich bringe. Eine ausführliche Begründung dieser Einschätzung werde dem Gericht bis zum Ablauf der gesetzlichen Klagebegründungsfrist zugehen.

Die Beklagte legte mit Schreiben vom 5. Juli 2016 die Bundesamtsakte vor und beantragte mit Schreiben vom 3. August 2016, den Antrag abzulehnen und

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 27. Juli 2016 wurde im Hauptsacheverfahren (M 24 K 16.50482) der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 27. Juli 2016 (M 24 S 16.50483) wurde die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2016 angeordnet.

Mit Schreiben vom 4. August 2016 machte der Kläger weitere Ausführungen zum Vorliegen von systemischen Mängeln im italienischen Asylverfahren und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Asylantrag des Klägers zulässig und in der Bundesrepublik Deutschland materiell zu behandeln ist, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland asylberechtigt ist, hilfsweise, dass beim Kläger Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG vorliegen.

Mit Schreiben vom 8. August 2016 verzichtete der Kläger auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Beklagte hat durch generelle Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klage- sowie des Eilverfahrens sowie auf die vorgelegte Bundesamtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise zulässig; soweit sie zulässig ist, hat sich auch in der Sache Erfolg.

1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Der Kläger hat mit Erklärung vom 8. August 2016 und die Beklagte mit genereller (auch den vorliegenden Rechtsstreit umfassender) Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Regierung von Oberbayern ist vorliegend zwar gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 (vgl. zur Zulässigkeit sog. Generalbeteiligungserklärungen BVerwG, U.v.27.6.1995 - 9 C 7/95 - juris Rn. 11). In diesen Erklärungen hat der Vertreter des öffentlichen Interesses allerdings darum gebeten, ihm ausschließlich die jeweilige Letzt- bzw. Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

2. Das Verwaltungsgericht ... ist zur Entscheidung über die Klage insbesondere örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit seinen Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern (Landkreis ...) und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO). Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 27. Juli 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

3. Die Klage ist teilweise zulässig.

Die innerhalb der Wochenfrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG erhobene, auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides gerichtete Klage ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32/14 - juris Rn. 13ff, VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 18, OVG NRW U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31) und auch im Übrigen zulässig.

Da das Bundesamt mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet ist, besteht jedoch für ein über die Anfechtung des Bescheides hinausgehendes Verpflichtungsbegehren auf Fortführung des Verfahrens oder auf Feststellung, dass der Asylantrag des Klägers zulässig und in der Bundesrepublik Deutschland materiell zu behandeln ist, kein Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit war die über die Anfechtung hinausgehende Klage als unzulässig abzuweisen.

Gleiches gilt, soweit die Klage zudem auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Asylberechtigung und auf Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 AufenthG gerichtet ist. Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung (Dublin-Verfahren) und der materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nämlich nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrages entscheidet. Vielmehr fordert das Dublin-Regelungswerk, dass im Fall einer vom Gericht für fehlerhaft erachteten Verpflichtung eines anderen Staats das Bundesamt die Möglichkeit erhält, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32/14 - juris Rn. 14). Auch insoweit war die über die bloße Anfechtung des Bescheides hinausgehende Klage abzuweisen.

4. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet, da sich der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Juni 2016 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtswidrig erweist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

4.1. Rechtsgrundlage für den Bescheid sind §§ 29 Abs. 1 Nr. 1a und 34a Abs. 1 AsylG (in der am6. August 2016 in Kraft getretenen Fassung durch das Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I, 1939 ff)).

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG (vormals § 27a AsylG a. F.) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Die für die Bestimmung des nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG zuständigen Staates maßgebliche Dublin-III-VO ist gem. Art. 49 Unterabs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.

Im vorliegenden Fall ist Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ausweislich des EURODAC-Treffers als Staat der ersten Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Eine nach der gem. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO verbindlichen Rangfolge des Zuständigkeitskriterienkatalogs vorrangige Zuständigkeit der Beklagten oder eines anderen Staates ist nicht ersichtlich.

Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen (Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO), da das Bundesamt sein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der gem. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO einschlägigen Frist von zwei Monaten an Italien gerichtet hat. Da Italien innerhalb der Frist von einem Monat keine Antwort erteilte, trat somit die Stattgabefiktion ein (Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO).

4.2. Eine Überstellung an Italien als den nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat erweist sich zur Überzeugung des Gerichts jedoch gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Schwachstellen des italienischen Asylsystems derzeit als unmöglich, solange seitens der italienischen Behörden keine Zusicherung vorliegt, die eine angemessene Unterbringung des Klägers im Falle seiner Rücküberstellung garantiert. Die Beklagte ist daher gehalten, die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) oder ob sie selbst für das Asylverfahren zuständig geworden ist (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO).

Nach Art 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO ist die Überstellung unmöglich, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich bringen. Der Regelung liegt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde, wonach die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich aufgrund des Prinzips gegenseitigen Vertrauens bestehende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GRCh), der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht, nicht unwiderleglich ist, sondern für den Fall, dass dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, widerlegt werden kann (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris Rn. 79 ff). Die Schwachstellen bzw. Mängel des Asylsystems müssen dabei nicht kumulativ Asylverfahren und Aufnahmebedingungen betreffen, sondern können auch alternativ vorliegen (Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a Rn. 47; vgl. auch BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9: „Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen“).

Eine Widerlegung der Vermutung ist allerdings an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die einschlägigen EU-Richtlinien genügen, um die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern (EuGH, a.a.O; BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn.6). Ein hinreichend schwerer Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 4 GRCh (bzw. des inhaltsgleichen Art. 3 EMRK) ist im asylrechtlichen Zusammenhang etwa gegeben bei einer systemischen Nichtbeachtung des Refoulementverbots. Es können aber auch die allgemeinen Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen (BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 24-25; zum im Rahmen von Art. 3 EMRK zu prüfenden Refoulementverbot siehe auch: EGMR, U. v. 21. 1. 2011 − M.S. S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 286 ff und 342 ff; EGMR, U.v. 3.7.2014 - Mohammadi/Österreich, 71932/12 - abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at, Rn. 60 und 71 ff.). Systemische Schwachstellen liegen also insbesondere dann vor, wenn dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, wenn das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder wenn er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer (noch) zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG NRW, U. v. 7. März 2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 126).

„Systemisch“ sind Schwachstellen, die den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft treffen, sondern die sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen. Dies setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris Rn. 9). Für die Annahme systemischer Mängel kann ausreichend sein, dass der Asylbewerber einer Gruppe von Personen angehört, für deren Mitglieder sich die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung systemimmanent regelhaft prognostizieren lässt (BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 24-25).

4.3. Das Gericht geht davon aus, dass auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel wesentliche Gründe dafür sprechen, dass das italienische Asylsystem im Hinblick auf die Unterbringungsbedingungen von Asylbewerbern derzeit an systemischen Schwachstellen i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO leidet.

Ausgangspunkt des Gerichts sind dabei die - unter Rückgriff auf Stellungnahmen des UNHCR auch nach Anhörung der italienischen Regierung selbst getroffenen - empirischen Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (Große Kammer) U.v. 4.11.2014 - 29217/12 - Rn. 106-115, nur teilweise abgedruckt in NVwZ 2015, 127) zur Lage von Flüchtlingen in Italien, insbesondere zur Langsamkeit des Identifikationsverfahrens, zur Kapazität der Aufnahmeeinrichtungen und zu den Unterbringungsbedingungen in den verfügbaren Aufnahmeeinrichtungen, denen sich das Gericht anschließt. Der EGMR (a. a. O., Rn. 110) resümiert in dem von ihm entschiedenen Fall unter anderem, dass es ein flagrantes Missverhältnis gibt zwischen der Zahl der gestellten Asylanträge einerseits und der Zahl der zur Aufnahme zur Verfügung stehenden Plätze andererseits. Er kommt zu dem Ergebnis, dass zwar einerseits (a. a. O. Rn. 114) die jetzige Lage in Italien keinesfalls mit der in Griechenland zur Zeit des EGMR-Urteils vom 21. Januar 2011 (Nr. 30696/09, NVwZ 2011, 413) vergleichbar sei und dass (a. a. O. Rn. 115) Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme in Italien nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land verhindern, dass jedoch andererseits (a. a. O. Rn. 115) ernstliche Zweifel an der jetzigen Kapazität des Systems bestehen, so dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern keine Unterkunft findet oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht wird. Der EGMR betont im weiteren Verlauf seiner Prüfung (Rn. 118), dass für einen (vom EGMR allein geprüften) Verstoß gegen Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zwar einerseits ein Mindestmaß an Schwere erreicht sein müsse, dass aber andererseits Asylbewerber als besonders benachteiligte und verwundbare Bevölkerungsgruppe besonderen Schutz nach der Vorschrift des Art. 3 EMRK benötigen.

Das Gericht folgert aus diesen Aussagen des EGMR zum italienischen Asylsystem, dass dieses derzeit systemische Schwachstellen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO aufweist.

Die in Teilen der Verwaltungsgerichtsbarkeit vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. etwa VG Augsburg B.v. 30.1.2015 - Au 2 S 15.50020 - juris; OVG NRW 20.4.2015 - 14 A 2356/12.A - juris) teilt das Gericht nicht, sondern schließt sich insbesondere folgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Beschluss vom 15. Mai 2015, Az.: 18 L 626/15.A, juris Rn. 30-49 (im Ergebnis ebenso VG Aachen B.v. 3.3.2015 - 9 L 168/15.A - juris Rn. 25-40) an und macht die dort genannten im Internet und in juris abrufbaren Fundstellen auch zum Gegenstand der vorliegenden Entscheidung (der Leitfaden Italien des Bundesamtes ist abrufbar unter: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Asyl/leitfadenitalien.pdf;jsessionid=A1D8F9D0799B2F988BD3495030B8D8F1.1_cid359?_blob=publicationFile ).

„[30] In Anwendung dieser Grundsätze sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei der Unterbringungssituation in Italien systemische Mängel festzustellen. Die Kapazitäten der CARA und des SPRAR-Systems reichen bei weitem nicht aus, um auch nur einen überwiegenden Teil der AsylASt. in Italien aufzunehmen. Hierbei geht das Gericht von folgender Situation aus:

Zuständig für die erste Unterbringung von Asylsuchenden sind die sog. CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo). Die offizielle maximale Aufenthaltsdauer in den CARA beträgt 35 Tage, weil ursprünglich die Vorstellung bestand, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Asylverfahren abgeschlossen sein würde. In der Praxis wird die Aufenthaltsdauer bis zu sechs Monaten verlängert. Die Anzahl der in den CARA zur Verfügung stehenden Plätze beträgt je nach Quelle bis zu knapp über 10.000 Plätzen.

Daneben bestehen die Unterbringungseinrichtungen des sog. SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati). In diesen können sich Asylsuchende, die nicht in CARA wohnen müssen, bis zu einer Entscheidung der Kommission aufhalten. Personen, denen eine Form des internationalen Schutzes gewährt worden ist, dürfen sich noch maximal sechs Monate in den SPRAR-Einrichtungen aufhalten. Aufgrund außergewöhnlicher Umstände kann die Aufenthaltsdauer um bis zu sechs Monate verlängert werden. Bei Vorliegen besonderer Schutzbedürftigkeit ist eine Verlängerung um bis zu 11 Monate möglich. In den SPRAR wurden in 2011 rund 3.000 Plätze angeboten. Bis 2016 sollte die Gesamtzahl an Plätzen auf 16.000 erhöht werden. Indes teilte das italienische Innenministerium bereits im September 2014 mit, das Aufnahmesystem SPRAR verfüge (bereits) über 19.000 Plätze.

Neben diesen staatlichen Einrichtungen gibt es noch einige Kommunen, die eigene Unterbringungsmöglichkeiten vorhalten, wobei diese nicht speziell für Asylsuchende betrieben werden. So soll die Stadt Rom in insgesamt 21 Einrichtungen zwischen 1.300 und 1.400 Plätze vorhalten, Mailand rund 400 Plätze und Turin rund 200 Plätze.

Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 147 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 3. März 2015 - 9 L 168/15.A -, juris Rn. 26 ff.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Leitfaden Italien (Stand: Oktober 2014), Seite 10 ff.

Diesem Angebot standen in Italien für das Jahr 2013 über 25.000 neue Asylantragsteller. und für das Jahr 2014 über 63.000 neue Asylantragsteller. gegenüber.

Siehe die amtlichen Zahlen von eurostat für die Jahre 2013 und 2014, abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&pcode=tps00191&language=en; UNHCR, Asylum Trends 2014, Levels and Trends in Industrialized Countries vom 26. März 2015, Seite 20 (Tabelle 1), abrufbar unter http://www.unhcr.org/551128679.html.

Das Ungleichgewicht zwischen verfügbaren Unterkunftsplätzen und Asylantragstellern hat sich seit Anfang des Jahres 2015 noch deutlich verschärft. In den Monaten Januar und Februar 2015 kamen knapp 7.900 Flüchtlinge nach Italien.

Vgl. die amtlichen Zahlen von eurostat für Januar 2015, abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&pcode=tps00189&language=en;borderlineeurope, Newsletter März 2015, Seite 3, abrufbar unter:

http://www.borderlineeurope.de/sites/default/files/background/Newsletter%20M%C3%A4rz%202015.pdf.

Seither sind die Flüchtlingszahlen erneut stark gestiegen. Nachdem am Osterwochenende mehr als 1.800 Bootsflüchtlinge gerettet wurden,

http://www.focus.de/politik/ausland/seenotimmittelmeeritalienischekuestwenwacherettet-1800-bootsfluechtlinge_id_4592375.html

hat Italiens Küstenwache in der darauffolgenden Woche 10.000 Menschen an Land gebracht.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/europaunddiemittelmeerfluechtlingehilflosa-1028935.html.

Der Bundesinnenminister geht davon aus, dass in Libyen etwa eine Million Flüchtlinge warten.

http://www.tonline.de/nachrichten/panorama/id_73712474/inlibyenwarten-1-millionfluechtlingemerkelkuendigtkurswechselan.html.

Die Notunterkünfte in Italien sind überfüllt. Die Auffanglager stehen vor dem Kollaps.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/europaunddiemittelmeerfluechtlingehilflosa-1028935.html; http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsdramatodindenschwarzenwogen-1.2441804.

Damit stehen auch bei Zugrundelegung der amtlichen Zahlen den neuen Asylantragstellern in Italien - und auch dem Antragsteller als sog. Dublin-Rückkehrer - keine ausreichenden Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung.

Vgl. ebenso VG Aachen, Beschluss vom 3. März 2015 - 9 L 168/15.A -; VG Köln, Beschluss vom 20. Februar 2015 - 20 L 114/15.A -; VG Arnsberg, Urteil vom 12. März 2015 - 13 K 488/14.A -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 7a L 1718/14.A -; VG Minden, Beschluss vom 22. April 2015 - 10 L 136/15.A -.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des OVG NRW vom 24. April 2015 (14 A 2356/12.A, juris). Es nimmt lediglich Bezug auf die obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 2013 und 2014 und setzt sich auch im Übrigen nicht mit den zitierten neuesten Erkenntnissen zu den seit Januar 2015 stark gestiegenen Flüchtlingszahlen, den damit unmittelbar einhergehenden Kapazitätsproblemen der italienischen Aufnahmeeinrichtungen sowie der daraus resultierenden weit verbreiteten Obdachlosigkeit einer hohen Zahl von Asylsuchenden auseinander. Diese Entwicklungen können auch in der durch das OVG NRW zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2015 - naturgemäß - noch keine Berücksichtigung gefunden haben.“

Das Gericht geht davon aus, dass die Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung von Asylsuchenden nach wie vor andauern. Dies ergibt sich insbesondere aus dem aktuellen „Country Report: Italy“ vom Dezember 2015 (herausgegeben von „ecre“ (European Council on Refugees and Exiles) bei „aida“ (Asylum Information Database), abrufbar unter: http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1452169636_aidaitupdateiv-0.pdf). In diesem Bericht wird im Hinblick auf die Unterbringung von Dublin-Rückkehrern ausgeführt, dass diese, wenn sie während ihres Asylverfahrens in Italien noch nicht in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht gewesen seien, in staatlichen Aufnahmezentren (CARA oder SPRAR) untergebracht werden könnten. Wegen des Mangels an verfügbaren Plätzen und der Fragmentierung des Aufnahmesystems sei die Zeitspanne, die erforderlich sei, um eine verfügbare Unterkunft zu erhalten, in den meisten Fällen jedoch zu lang. Obwohl vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten in Höhe von 443 Plätzen für Dublin-Rückkehrer mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds geschaffen worden seien, komme es dennoch vor, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht würden (S. 63/64). Nicht behoben ist weiterhin das Problem der unter Umständen Wochen oder gar Monate dauernden Zeitspanne zwischen Asylantragstellung und formaler Registrierung („verbalizzazione“), während der der Asylsuchende keinen Zugang zu Unterbringungseinrichtungen hat (S. 62). Vor dem Hintergrund eines anhaltenden massiven Flüchtlingsstroms, dem sich Italien ausgesetzt sieht, ist daher insgesamt nicht ersichtlich, dass seit den oben genannten gerichtlichen Entscheidungen eine Verbesserung der Unterbringungssituation eingetreten wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das bereits vom EGMR festgestellte flagrante Missverhältnis zwischen der Zahl der gestellten Asylanträge und der Zahl der zur Aufnahme zur Verfügung stehenden Plätze fortbesteht und daher auch für Dublin-Rückkehrer die beachtliche Gefahr andauert, keine angemessene Unterkunft zu erlangen.

4.4. Das Gericht geht weiter davon aus, dass die im Falle einer Abschiebung von Asylbewerbern nach Italien derzeit indizierten Gefahren ohne eine individuelle Zusicherung Italiens hinsichtlich der Unterbringungsmodalitäten nicht ausgeräumt werden können.

Hinsichtlich der weiteren in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für einen Zuständigkeitsausschluss genannten Voraussetzung, nämlich der Gefahr einer Behandlung i. S. v. Art. 4 GRCh, ist zwar auch die Situation und Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Asylbewerbers zu berücksichtigen. Aus Sicht des Gerichts spricht aber insbesondere der Hinweis des EGMR auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Asylbewerber als Bevölkerungsgruppe (EGMR U.v. 4.11.2014 - 29217/12 - Rn. 118, NVwZ 2015, 127) dafür, im Ausgangspunkt nicht nur besonders schutzwürdige Teilgruppen innerhalb der Gruppe der Asylbewerber, sondern die Gruppe der Asylbewerber insgesamt als derzeit von den beschriebenen Gefahren - und damit einer Gefahrenlage i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO - betroffen anzusehen, wenn keine individuelle Zusicherung vorliegt.

Weil aber die Situation für Asylbewerber in Italien eindeutig besser ist als die in Griechenland (EGMR, a. a. O., Rn. 115; vgl. auch EGMR E. v. 5.2.2015 - 51428/10 - Rn. 35), ist eine Überstellung nach Italien trotz systemischer Mängel nicht pauschal ausgeschlossen; vielmehr kann die indizierte Annahme einer Gefahr ausgeräumt werden, wenn für den jeweiligen Asylbewerber eine individuelle Zusicherung Italiens gegenüber dem Bundesamt hinsichtlich der konkreten Aufnahmemodalitäten erklärt wird.

Ohne individuelle Zusicherung der italienischen Behörden dagegen birgt derzeit die Abschiebung eines Asylbewerbers nach Italien bereits wegen der Zugehörigkeit zur Gruppe der Asylbewerber die erhebliche Gefahr, dass der Asylbewerber in Italien keine Unterkunft findet oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht wird. Ohne individuelle Zusicherung muss in solchen Fällen von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK und damit auch gegen den (mit Art. 3 EMRK inhaltsgleichen) Art. 4 GRCh (i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) ausgegangen werden. Für Letzteres spricht nicht zuletzt, dass es in der genannten EGMR-Entscheidung - wie auch in der bereits zuvor ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2014, Az. 2 BvR 732/14 (juris Rn. 9 ff.) - nicht nur um den Schutz des familiären Zusammenlebens (vgl. Art. 6 Grundgesetz - GG; Art. 7, 9 GRCh) ging, sondern auch um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 3 Abs. 1 GRCh), was bei der Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. Art. 3 EMRK (und damit auch i. S. v. Art. 4 GRCh) vorliegt, zu berücksichtigen ist. Dass Art. 4 GRCh wie Art. 3 EMRK auszulegen ist, ergibt sich dabei nicht nur aus dem vergleichbaren Wortlaut, sondern auch explizit aus Art. 52 Abs. 3 GRCh.

4.5. Zwar werden die inhaltlichen Anforderungen an die in diesem Sinne erforderliche „Zusicherung“ bei einem alleinstehenden jungen Mann geringer sein als bei besonders schutzbedürftigen Teilgruppen, beispielsweise unbegleiteten Minderjährigen oder Familien mit Säuglingen und Kleinkindern (vgl. auch die Differenzierung in Art. 13, 17 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - AufnahmeRL [AufnRL] vom 27.1.2003 bzw. in Art. 17, 21 der Nachfolge-Richtlinie 2013/33/EU vom 26.6.2013 [AufnRL n. F.]; EGMR E.v. 5.2.2015 - 51428/10 - Rn. 34). Das ändert aber nichts daran, dass nach Einschätzung des Gerichts aufgrund der EGMR-Entscheidung vom 4. November 2014 und angesichts der im Beschluss des VG Düsseldorf vom 15. Mai 2015 genannten aktuellen Erkenntnismittel von systemischen Schwachstellen des italienischen Asylsystems im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern insgesamt i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen ist. Unterschiedliche Anforderungen bestehen allein hinsichtlich der Anforderungen an die Ausräumung der im Ausgangspunkt anzunehmenden Gefahr i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO im jeweiligen Einzelfall. Auch soweit konkrete Asylbewerber nicht besonders schutzwürdig sind, erscheint dabei angesichts der genannten systemischen Schwachstellen eine individuelle Rückäußerung Italiens an den um (Wieder-) Aufnahme ersuchenden Dublin-Staat jedenfalls hinsichtlich der Unterbringung des konkreten Asylbewerbers zur Ausräumung einer konkreten Gefahr erforderlich (vgl. EGMR E.v. 5.2.2015 - 51428/10 - Rn. 19, 28, 30, 34, wo eine erst im Zuge des EGMR-Verfahrens erfolgte explizite italienische Stellungnahme (Rn. 19) vom EGMR zu berücksichtigen war (Rn. 30) und sich auf den Ausgang des Verfahrens auswirkte (Rn. 34, 36).

Keine Aussage ist mit diesem Ansatz zu Fällen getroffen, in denen es (anders als vorliegend) um Personen geht, denen in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (vgl. hierzu VG Düsseldorf B.v. 7.1.2015 - 13 L 3131/14.A - juris).

4.6. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer somit derzeit für Überstellungen nach Italien erforderlichen individuellen Garantieerklärung der zuständigen italienischen Behörden für eine konkrete angemessene Unterbringung des Antragstellers nach dessen Rücküberstellung. Unabhängig von der Frage, ob selbst eine explizite (bloße) Stattgabeerklärung Italiens zur Wiederaufnahme i. S. v. Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO nicht ausgereicht hätte, um von einer „Garantieerklärung“ im genannten Sinne ausgehen zu können, ist jedenfalls der vorliegende Fall dadurch geprägt, dass keinerlei Erklärung der italienischen Behörden, mithin ein Fall einer bloß fingierten Stattgabeerklärung i. S. v. Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO vorliegt. Damit ist die Gefahr, im Falle einer Rückführung nach Italien mangels einer den Mindesterfordernissen entsprechenden Unterbringung einer gegen Art. 4 GRCh (i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu werden, für den Antragsteller nicht hinreichend ausgeräumt.

Wegen systemischen Schwachstellen des italienischen Asylverfahrens i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO kommt daher derzeit die Überstellung des Klägers nach Italien nicht in Betracht. Italien scheidet als für die Durchführung des Asylverfahrens zuständiger Mitgliedstaat aus. Der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Juni 2016, der zu Unrecht von einer Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens ausgeht, erweist sich daher insgesamt als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Im Hinblick auf die Anfechtungsklage hat der Kläger obsiegt. Mit der Aufhebung des Bescheides ist die Beklagte kraft Gesetzes verpflichtet, ein Asylverfahren durchzuführen, so dass der Kläger auch das mit der mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässigen Verpflichtungsklage verfolgte Ziel im Ergebnis erreicht.

Da der Kläger darüber hinaus jedoch die Verpflichtung des Bundesamtes auf Feststellung der Asylberechtigung und des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 AufenthG begehrt, die Klage insoweit also einen weiteren Streitgegenstand betrifft, sind das Obsiegen des Klägers und sein Unterliegen mit je ½ zu bewerten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.