Verwaltungsgericht München Urteil, 19. Jan. 2017 - M 12 K 16.2555

bei uns veröffentlicht am19.01.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung.

Der am … … … in … geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wuchs als Sohn türkischer Eltern mit einem jüngeren Bruder im Bundesgebiet auf. Am … Juni 1997 wurde ihm eine bis 13. Juni 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die seit dem 16. Januar 2007 den Status einer Niederlassungserlaubnis hat. Die Eltern des Klägers lebten schon vor der Geburt des Klägers in Deutschland. Sein Vater ist seit 24 Jahren im …bereich - er betreibt einen …stand - tätig. Der Kläger besuchte nach der Grundschule die Hauptschule, die er bereits nach der 7. Klasse verließ. Die dritte und fünfte Klasse musste der Kläger wiederholen. Während der Schulzeit verursachte der Kläger häufig disziplinarische Probleme durch Raufen und Schule schwänzen. Den einfachen Hauptschulabschluss machte er in der Untersuchungshaft im Jahr 2015. Ein Berufsvorbereitungsjahr beendete der Kläger nach drei Monaten. In der Folgezeit jobbte er häufig im Betrieb seines Vaters, zwischendurch auch bei anderen Arbeitgebern. Im Oktober 2013 begann er eine Lehre als Einzelhandelskaufmann, die er nach einem halben Jahr abbrach. Er lebte im Wesentlichen von Zuwendungen seines Vaters, der ihm auf Anforderung ein Taschengeld zahlte und auch für die Kosten seines Autos aufkam.

Wegen seiner strafrechtlichen Verurteilungen war der Kläger ab dem 9. August 2014 in Haft.

Wie dem Urteil des Landgerichts … … vom … April 2015 zu entnehmen ist, hat der Kläger resultierend aus alten Gerichtskosten Schulden in Höhe von 3.000,-- bis 4.000,-- Euro. Im Alter von 13 Jahren konsumierte er erstmals Marihuana, im Alter von 15 bzw. 16 Jahren täglich. Im Alter von 17 bzw. 18 Jahren beendete er den Konsum von Marihuana und konsumierte stattdessen Amphetamine, ab 18 Jahren zusätzlich unregelmäßig Extasy. Mit 18 Jahren begann er, Kokain zu sich zu nehmen, das er seit dem Alter von 20 Jahren bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 2014 regelmäßig zwei bis drei Mal unter der Woche sowie am Wochenende konsumierte. Ab dem Alter von 12 bzw. 13 Jahren trank er zudem Alkohol, so dass er ab dem Alter von 15 Jahren regelmäßig am Wochenende betrunken war. Zwischen 18 und 20 Jahren konsumierte er auch alleine Alkohol und nahm gelegentlich bereits morgens einen kleinen Schnaps zu sich. Ab dem Alter von 21 Jahren konsumierte der Kläger tagsüber Schnaps, abends Wein und Bier. Nach der Inhaftierung litt der Kläger unter Entzugserscheinungen, weswegen er bereits in der Untersuchungshaft die Suchtberatungsangebote der JVA, die Treffen der Anonymen Alkoholiker und die Rückfallprophylaxe der … wahrnahm.

Am … März 2015 heiratete der Kläger in der Untersuchungshaft eine Deutsche. Der Kläger hat keine Kinder.

Der Kläger ist strafrechtlich - abgesehen von mehreren Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Anschuldigungen, die nicht zu einer Anklage geführt haben - mehrfach wie folgt in Erscheinung getreten: Mit Urteil des Amtsgerichts … vom … April 2012 wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Hintergrund war, dass der Kläger und sein Mittäter am … August 2011 gegen 1.00 Uhr nachts mit einem Pkw in … unterwegs waren und auf dem Bahnhofsvor Platz auf eine Gruppe von Personen trafen, die auf ein Taxi wartete. Ohne rechtfertigenden Grund oder entschuldigenden Anlass sprang der Kläger aus dem Pkw und schlug gezielt mit der Faust in das Gesicht eines Geschädigten, der deswegen zu Boden fiel, ohnmächtig wurde und Schmerzen sowie eine Gehirnerschütterung erlitt. Dabei wurde auch das Handy des Geschädigten beschädigt. Zu Gunsten des Klägers wurde sein straffreies Vorleben und der Umstand gewürdigt, dass der Geschädigte keine nachhaltigen Verletzungsfolgen erlitten hat. Zu seinen Lasten wurden die konkreten Tatumstände gewertet, wonach der Kläger auf ein arg- und alkoholbedingt wehrloses Opfer aus nichtigem Anlass einschlug, und dass der Geschädigte erheblich verletzt war.

Mit Urteil des Amtsgerichts … vom *. Juli 2013 wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger mit zwei weiteren Mittätern in der Nacht auf den *. Juni 2012 in einer … Filiale in … eine Gruppe jugendlicher Gäste zunächst anpöbelte und provozierte und ihnen nach Verlassen des Lokals auflauerte, um sie dann mit Schlägen und Tritten zu traktieren, wobei der Kläger einem der Geschädigten zwei Mal mit der Faust so auf den Mund schlug, dass dem Geschädigten ein Schneidezahn aus dem Kiefer gebrochen wurde. Die Vollzugsstrafe wurde am 29. April 2014 zur Bewährung ausgesetzt, nachdem der Kläger begonnen hat, sich mit der Problematik seines Alkoholkonsums auseinanderzusetzten und mit zwei Geschädigten Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarungen mit erheblichen finanziellen Verpflichtungen abgeschlossen hat.

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 8. Juli 2014 erstmals ausländerrechtlich verwarnt.

Das Landgericht … … hat den Kläger durch Urteil vom … April 2015, rechtskräftig seit dem 1. Juli 2015, wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Unterbringung des Klägers in eine Entziehungsanstalt angeordnet. Der Verurteilung lag das Verhalten des Klägers auf dem … Volksfest am *. August 2014 zugrunde. Der Kläger konsumierte an diesem Tag bereits nachmittags eine nicht unerhebliche Menge Alkohol sowie 1,5 - 2 g Gramm Kokain. Zusammen mit weiteren Freunden ging er um circa 20.00 Uhr zum … Volksfest. Auf der Freischankfläche des Festzeltes kam es zunächst zu einer weitgehend verbalen Auseinandersetzung mit einem fernen Bekannten des Klägers. Nachdem diese Auseinandersetzung bereits ca. eine halbe Stunde zurücklag, beorderte der Geschädigte den Kläger in dominanter Weise zu sich, um die vorangegangene Angelegenheit zu klären. Es entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen dem Kläger und dem Geschädigten, in dessen Verlauf der Kläger sich vom Geschädigten verbal angegriffen und von der Gruppe um den Geschädigten bedroht fühlte. Der Kläger beschloss daher spontan, gegenüber dem Geschädigten tätlich zu werden, um die für ihn bedrohliche Situation in seinem Sinne zu beenden und schlug mit einem gläsernen Maßkrug von oben gegen den Kopf des Geschädigten. Das Geschehen verlagerte sich daraufhin an einen Nebentisch, wo der Kläger schließlich einen weiteren Maßkrug zu fassen bekam, mit dem er dem Geschädigten mindestens zwei weitere Schläge von oben gegen den Kopf versetzte. Der Kläger floh nach der Tat und tauschte auf der Flucht sein Hemd mit seinem Begleiter, um seine Identifikation zu erschweren. Der Geschädigte erlitt durch die Schläge Riss- und Quetschwunden sowie eine Gehirnerschütterung. Es kam weder zu einer Bewusstlosigkeit noch zu Frakturen. Der Kläger war bei der Tat mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,14 Promille bis maximal 1,46 Promille alkoholisch enthemmt, war jedoch nicht wesentlich in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt.

Zu Gunsten des Klägers berücksichtigte das Landgericht, dass der Kläger den Tatvorwurf weitgehend eingeräumt hat, die Tatausführung (wenn auch nicht freiwillig) von sich aus beendet hat, die Verletzungen des Geschädigten nicht konkret lebensgefährlich waren und hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts lediglich bedingter Vorsatz vorlag. Die alkoholbedingte Enthemmung wurde nicht zu Gunsten des Klägers gewertet, da diesem aufgrund seiner früheren Straftaten bewusst gewesen sei, dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggressionstaten neige. Zu Lasten des Klägers wurde neben den nicht unerheblichen Verletzungen des Geschädigten gewertet, dass er bereits mehrfach einschlägig wegen Körperverletzungsdelikten vorbestraft war, zum Tatzeitpunkt zweifach wegen einschlägiger Delikte unter Bewährung stand, die Rückfallgeschwindigkeit hoch war (nachdem diese Tat nur wenige Wochen nach der letzten Verurteilung des Klägers mit nochmaliger Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung erfolgte), der Kläger mit erheblicher krimineller Energie handelte, in dem er bei seiner Tat zwei Tatbestände sowie zwei Varianten des § 224 Abs. 1 StGB verwirklichte und auf der Flucht auch noch gegen die ihn verfolgenden Zeugen gewalttätig wurde. Das Gericht milderte den Strafrahmen gemäß § 46a Nr.1 StGB, da der Kläger noch während des Ermittlungsverfahrens mit dem Geschädigten eine Vereinbarung im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs getroffen hat, worin er sein Fehlverhalten bedauerte, seine Schadensersatzpflicht anerkannte und sich zur Abgeltung der Schmerzensgeldansprüche zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 3000,-- € verpflichtete. Die vereinbarte Zahlung leistete er vor der Hauptverhandlung.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland an.

Mit Schreiben vom *. November 2015 teilten die damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Wesentlichen mit, dass die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden sei, da ein Hang bestehe, alkoholische Getränke im Übermaß zu konsumieren. Der Kläger habe während der Untersuchungshaft bereits die Grundlage dafür erarbeitet, dass die bei ihm vorgesehene und gewünschte Behandlung zum Erfolg führen werde. So habe der Kläger seit Anfang Oktober 2014 in der JVA … am sog. sozialtherapeutisch orientierten Wohngruppenvollzug teilgenommen. Im September 2014 habe der Kläger Kontakt zur „externen Suchtberatung“ in der JVA aufgenommen und insgesamt 13 Beratungsgespräche durchgeführt. Seit Oktober 2014 habe der Kläger an der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker in der JVA … teilgenommen. Vom 13. Januar bis zum

4. März 2015 habe der Kläger am Rückfallprophylaxe-Training der … Drogenberatung in der JVA … erfolgreich teilgenommen. Vom 11. September 2014 bis zum 9. Januar 2015 habe er den Kurs zum Erwerb des erfolgreichen Abschlusses der Mittelschule in der JVA … besucht. Seit 16. Juni 2015 befinde er sich in der JVA … Nachdem aufgrund der letzten Verurteilung noch zwei frühere Bewährungsstrafen widerrufen worden seien, könne er erst ab dem 2. November 2016 die Unterbringung gemäß § 64 StGB beginnen. Die Unterbringung in der Entzugsanstalt werde höchstens zwei Jahre dauern und der Kläger sei fest dazu entschlossen, diese erfolgreich zu absolvieren. Das Landgericht … … habe die Alkoholproblematik beim Kläger gesehen und ihn durch die Anordnung der Unterbringung die Chance gegeben habe, bereits nach Vollstreckung von einem Jahr Freiheitsstrafe mit anschließender erfolgreicher Unterbringung seine Entlassung zu erreichen. Der Kläger sei in … geboren, sei dort in die Hauptschule gegangen und habe seinen Abschluss gemacht. Er arbeite bereits seit vielen Jahren im elterlichen Betrieb. Die Eltern seien seit 24 Jahren in Deutschland im …bereich selbstständig tätig. Der Vater des Klägers habe diesem nach seiner Haftentlassung eine Festanstellung in Vollzeit als … angeboten. Geplant sei, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt den elterlichen Betrieb übernehme. Der Kläger habe keinerlei Wurzeln in der Türkei. Niemand aus dem engeren oder weiteren Familienkreis lebe in der Türkei. Er sei ausschließlich mit der deutschen Kultur aufgewachsen und kenne die türkische Kultur nur von wenigen Urlauben. Am … März 2015 habe er seine langjährige Freundin, eine deutsche Staatsangehörige, geheiratet. Die Ehefrau besuche den Kläger regelmäßig in der Haft und kümmere sich um sämtliche familiären Angelegenheiten, die der Kläger aufgrund seiner Inhaftierung nicht erledigen könne. Nach der Entlassung des Klägers plane das Ehepaar die Familiengründung. Der Lebensmittelpunkt des Klägers liege somit familiär, aber auch arbeitstechnisch und vom sozialen Umfeld her ausschließlich in Deutschland. Im vorliegenden Fall würden daher erhebliche Gründe einer Ausweisung entgegenstehen.

Aus dem Führungsbericht der JVA … vom … Januar 2016 ergibt sich, dass der Kläger seit dem 4. August 2015 dort in der Wäscherei zur Arbeit eingeteilt ist. Er wird von den mit ihm befassten Bediensteten als natürlich, sicher, ungezwungen und lebhaft charakterisiert und gilt als verträglich, friedlich und gesprächig. Im Auftreten zeige er auf der Station und in der Werkhalle ein freundliches, höflich respektvolles Verhalten. Die im Haftraum sowie am Arbeitsplatz herrschende Ordnung, Kleider- und Körperhygiene halte er ein. Gegenüber den Bediensteten wirke er freundlich, natürlich, höflich und gut ansprechbar. Sein Verhalten gegenüber Mitgefangenen werde als verträglich, gesellig, kameradschaftlich und hilfsbereit erlebt. Seine Arbeitsleistung sei gut, er werde als selbstständig und arbeitswillig beschrieben. Er spreche offen über seine Straftat und erkenne die Strafe als gerecht an. Er bereue die Tat. Besuch habe er in der JVA bisher von der Ehegattin, den Eltern, den Geschwistern und den Schwiegereltern erhalten. Zudem nehme er am hiesigen Eheseminar teil. Der Kläger habe erfolgreich am Rückfallprophylaxe-Training der JVA … teilgenommen und dort des Weiteren bereits im September 2014 Kontakt zur externen Suchtberatung aufgenommen. In der JVA … habe er ebenfalls regelmäßigen Kontakt zur Suchtberatung, um eine Therapie vorzubereiten.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Mai 2016 hat der Beklagte den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1 des Bescheids) und die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 2 des Bescheids). Die Abschiebung aus der Haft heraus wurde angekündigt (Nr. 3 des Bescheids). Für den Fall, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich sein sollte, wurde dem Kläger eine Ausreisefrist von einer Woche ab Vollziehbarkeit der Entscheidung gesetzt und für den Fall der nichtfristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist (Nr. 4 des Bescheids).

In der ausführlichen Begründung des Bescheids führt der Beklagte im Wesentlichen aus, das vom Kläger begangene Verbrechen des versuchten Totschlags stelle im Hinblick auf das verhängte Strafmaß in Höhe von sechs Jahren Freiheitsstrafe einen besonders schweren Verstoß gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland dar. Gemäß § 53 Abs. 2 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiege daher das Ausweisungsinteresse besonders schwer. Obwohl dem Kläger ein Bewährungshelfer bestellt und zusätzlich eine ausländerrechtliche Verwarnung erlassen worden sei, habe dies den Kläger anscheinend nicht davon abgehalten, die zur Ausweisung führende schwerwiegende Straftat zu begehen. Auch in der Vergangenheit habe der Kläger bereits immer wieder Anzeichen für gewaltbereites Handeln gezeigt, aufgrund dessen gegen ihn bereits zwei Urteile auf Bewährung ergangen seien. Das Bleibeinteresse wiege zwar ebenfalls besonders schwer, da der Kläger seit dem 16. Januar 2007 eine Niederlassungserlaubnis besitze. Auch sei der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Mit dieser habe er jedoch nie in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt, weshalb diesem Bleibeinteresse nicht ein so hohes Maß beigemessen werden könne. Im Rahmen der in den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geleiteten Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet würden folgende Überlegungen angestellt: Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen hänge davon ab, welcher Art die zu erwartenden Schäden seien und welches Ausmaß sie hätten. Je größer und folgenschwerer die zu erwartenden Schäden seien, umso geringer müsse die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts sein. Zu diesen Fallgruppen gehörten insbesondere Gewalttaten, also auch Straftaten wie versuchter Totschlag.

Auch durch die begonnenen Therapien könne eine Wiederholungsgefahr nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, da diese vom Kläger gerade erst begonnen worden seien. Weiter sei es nicht ungewöhnlich, wenn sich inhaftierte Straftäter während der Haft ordnungsgemäß verhielten. Naturgemäß seien die Möglichkeiten zur Begehung weiterer Straftaten in der JVA sehr begrenzt. Aus dem Normalverhalten in einer JVA könne nicht geschlossen werden, dass sich der Inhaftierte auch nach seiner Entlassung in der Freiheit weiter ordnungsgemäß verhalte, wie die hohe Rückfallquote auch bei Straftätern mit starkem Alkoholkonsum und Drogenmissbrauch zeige. Solange er die Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens nicht auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht habe, könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr keine Rede sein.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass das Verhalten des Klägers eine erhebliche kriminelle Energie von einem Ausmaß zeige, das im Rahmen der Zukunftsprognose eine konkrete Wiederholungsgefahr begründe. Die konkrete Gefährdung höchster Rechtsgüter durch seine Person begründe einen besonders schwerwiegenden Ausweisungsgrund, so dass es sachgerecht sei, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen zu verfügen, da nur auf diese Weise weitere schwerwiegende Verbrechen, die Grundinteressen der Gesellschaft in Form der körperlichen Unversehrtheit berühren würden, effektiv verhindert und unterbunden werden könnten. Der Kläger sei nicht als faktischer Inländer zu behandeln, da besondere integrative Bindungen nicht bestünden. Zwar bestünden familiäre Bindungen zur Bundesrepublik Deutschland, jedoch könnten diese ihm nicht sonderlich wichtig sein, da er aufgrund seiner Straftaten den Verlust der Bindung zu seiner Familie billigend in Kauf genommen habe. Er habe es als junger arbeitsfähiger Ausländer nicht geschafft, seinen Lebensunterhalt durch längerfristige Erwerbstätigkeit zu sichern. Die Bescheinigung des Vaters des Klägers, die eine Feststellung in Vollzeit nach der Haftentlassung in Aussicht stelle, sei erst zu einem Zeitpunkt gekommen, als sich der Kläger bereits mehrere Monate in Haft befunden habe. Der Kläger habe im … 2015 bereits das 25. Lebensjahr vollendet. Somit sei er nicht mehr auf die familiäre Lebenshilfe angewiesen, zumal ihn seine im Bundesgebiet lebende Familie auch bisher nicht zu einem straffreien Leben habe anleiten können. Eine Verwurzelung in der Gesellschaft der Bundesrepublik unter Achtung und Berücksichtigung der Rechtsnormen sei beim Kläger nicht zu erkennen. Weiterhin spreche seine mehrfache erhebliche Straffälligkeit massiv gegen eine gelungene Integration im Bundesgebiet. Dem Kläger und seiner Familie sei im Hinblick auf die Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr zumutbar, entweder eine räumliche Trennung in Kauf zu nehmen bzw. eine gemeinsame Rückkehr in Erwägung zu ziehen. Zusammenfassend überwögen die Gesichtspunkte, die gegen die Annahme als faktischer Inländer sprächen die für die Betrachtung als faktischer Inländer stehenden Merkmale.

Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 GG sei gerechtfertigt, da die Ehe erst seit ca. einem Jahr bestehe und erst in der Haft in dem Bewusstsein geschlossen worden sei, dass aufgrund der Verurteilung des Klägers eine Ausweisung folgen könne. Im Rahmen der vorzunehmenden Güterabwägung müsse demgegenüber das persönliche Interesse an der Fortführung der ehelichen Gemeinschaft in Deutschland zurücktreten. Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (ENA) stehe der Entscheidung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisung sei zulässig, weil ein besonders schwerwiegender Grund regelmäßig bereits dann vorliege, wenn - wie vorliegend - die weitere Anwesenheit des Ausländers trotz des besonderen Status nach Art. 3 Abs. 3 ENA nicht länger hingenommen werden könne. Zu Gunsten des Klägers werde davon ausgegangen, dass er sich über seine Mutter auf Art. 7, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen könne. Die Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 lägen jedoch vor. Wie sich aus dem bisherigen strafrechtlichen und sozialen Werdegang des Klägers ergebe, handele es sich beim Kläger offenbar um einen Ausländer, dessen Sozialisation vollkommen gescheitert sei. Der Kläger sei innerhalb kürzester Zeit jeweils zu Freiheitsstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden und habe seit seiner ersten Tat jede weitere schwere Straftat in offener Bewährung begangen. Strafrechtliche Sanktionen, verhängte Bewährungsstrafen und erhebliche Geldforderungen durch Gerichtskosten und Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarungen hätten den Kläger nicht von der Begehung weiterer schwer Straftaten abhalten können. Da er es nicht einmal während seiner beiden offenen Bewährungszeiten und unter Kontrolle eines Bewährungshelfers geschafft habe, sich straffrei zu führen, bestünden begründete Zweifel, dass er es außerhalb dieser Regeln und Kontrolle schaffen werde. Seine letzte Tat habe er gerade einmal einen Monat nach Zustellung der ausländerrechtlichen Belehrung begangen.

Der Beklagte gehe aufgrund der Gesamtpersönlichkeit des Klägers, der unzweifelhaft vorliegenden charakterlichen Mängel, seiner defizitären Persönlichkeitsstruktur und seiner mehrfach unter Beweis gestellten hohen Aggressivität mit Neigung zu potentiell lebensbedrohlichen Handlungen davon aus, dass von ihm ungeachtet des Strafvollzugs auch künftig weitere schwere Straftaten zu erwarten seien. Im Hinblick auf die Schwere der zu erwartenden Rechtsgutverletzungen sei deshalb seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen zulässig und erforderlich. Die Abwägung der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts mit den persönlichen Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib ergebe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, dass das öffentliche Interesse überwiege. Unter dem zugrunde gelegten Ausweisungszweck aufgrund der vom Kläger begangenen Straftaten und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit werde eine Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung auf sieben Jahre als angemessen erachtet.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom *. Juni 2016, bei Gericht am 7. Juni 2016 eingegangen, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2016 aufzuheben.

Zur Begründung ließ der Kläger mit Schriftsatz vom *. September 2016 im Wesentlichen ausführen, die Ausweisung türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 hätten, sei allein nach Maßgabe des Art. 14 ARB 1/80 und nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig. Sie könnten nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesse unerlässlich sei. Unbestritten sei die dritte Tat eine schwere Tat gewesen. Der Beklagte habe sich jedoch bei der Frage der Wiederholungsgefahr ausschließlich auf die Schwere dieser Tat berufen, die heutige Situation zu wenig oder nicht richtig für den Kläger bewertet. Der Kläger habe in der JVA nicht nur normales Verhalten gezeigt, sondern zweifelsfrei auch Maßnahmen getroffen, die ihm unabhängig davon, ob er Ausländer sei oder nicht, bei seiner Entlassung erheblich helfen. Er habe einen Schulabschluss nachgeholt, an einem sozialtherapeutisch orientieren Wohngruppenkurs mitgemacht, Beratungsgespräche mit der externen Suchtberatung in der JVA … durchgeführt, an der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker und an einer Rückfallprophylaxe der … Drogenberatung mit Erfolg teilgenommen. Es werde bestritten, dass diese Maßnahmen nur aus ausländerrechtlichen Gründen erfolgt seien, sondern sie hätten dazu gedient, dass der Kläger sein Suchtproblem und die damit verbundene Aggressivität in den Griff bekomme und auch in Zukunft straffrei bleiben könne. Eine Ausweisung sei unzulässig, wenn das Gewicht der für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interessen allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften liege. Vielmehr seien die persönlichen Belange des Ausländers sowie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung in ihrer Gesamtheit zu betrachten und entsprechend konkret zu gewichten und abzuwägen. Die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland geboren und außer kurzfristigen Besuchen nie in der Türkei gewesen sei, sei falsch gewertet worden. Auch wenn der Kläger straffällig geworden sei, betrachte er Deutschland als sein Heimatland und … als seine Heimatstadt. Der Kläger sei in der Türkei nicht beim Militär gewesen und auch seine Sprachkenntnisse entsprächen nicht türkischem Standard. Die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Türkei kenne er lediglich aus dem Fernsehen. Eine Abschiebung in die Türkei und ein Leben dort wäre für ihn eine außerordentliche Härte. Sämtliche Verwandte des Klägers lebten in Deutschland. Auch für die Ehefrau des Klägers wäre die Ausweisung eine besondere Härte. Durch die gegenwärtige Situation habe die Ehefrau bereits erhebliche psychische Störungen und sei in therapeutischer Behandlung. Der Kläger habe alle Straftaten unter Einfluss von Alkohol begangen, weshalb die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet worden sei. Dies sei vom Beklagten überhaupt nicht berücksichtigt worden.

Mit Schriftsatz vom 4. November 2016 hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Frage der Wiederholungsgefahr nicht allein auf die Schwere der letzten Tat gestützt worden sei. Im Bescheid seien eingehend der zeitliche Ablauf und die Umstände der begangenen Straftaten aufgeführt. Ebenfalls sei gesehen worden, dass die jeweiligen Taten stets eine Steigerung zur vorangegangenen Tat darstellte und jede Tat in offener Bewährung der vorangegangenen Tat begangen worden sei. Diese Tatsache und der Umstand, dass es sich bei jeder Tat um gefährliche Körperverletzungen in chronologisch gesehen gesteigerter Aggressivität und Intensität handele, zwinge nahezu zu der Erkenntnis, dass der Kläger auch weiterhin derartige massive Straftaten begehen werde. Die in der Vergangenheit auffälligen Sanktionen hätten ihn nicht gehindert, innerhalb kürzester Zeit weitere Straftaten im Bereich der gefährlichen Körperverletzung zu begehen. Er habe sogar die Intensität und Brutalität seiner Taten gesteigert. Ausgehend von der Steigerung der letzten drei Taten, der Schwere der letzten Tat und der Wiederholungsgeschwindigkeit in der Gesamtschau sei an den Grad der zu erwartenden Wiederholungswahrscheinlichkeit ein geringer Maßstab anzusetzen. Selbst sein Verhalten in der JVA könne diesen Grad an Wiederholungswahrscheinlichkeit nicht in dem Maße minimieren, als dass die hinreichende Gefahr einer Wiederholung derart gering ausfiele, dass der Kläger keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Das ordnungsgemäße Verhalten des Klägers in der JVA habe sicherlich nicht einzig das Abwenden der drohenden Abschiebung zur Motivation. Jedoch seien die Möglichkeiten zur Begehung weiterer Straftaten in der JVA naturgemäß sehr begrenzt. Daher könne an ein normales Verhalten in einer JVA nicht der gleiche Maßstab angesetzt werden wie an ein normales Verhalten außerhalb einer Einrichtung mit vollständiger Überwachung und Kontrolle. Allein die Tatsache, dass der Kläger offen über seine Straftaten spreche und angebe, diese zu bereuen, lasse keinerlei Schluss zu, dass der Kläger nach Haftentlassung keine weiteren Straftaten mehr begehen könne. Bei seiner Verurteilung vom *. Juli 2013 wegen gefährlicher Körperverletzung habe der Kläger die Tat eingeräumt und sogar eine Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarung abgeschlossen, die mit erheblichen finanziellen Verpflichtungen verbunden gewesen sei. Sogar ein derartiges Bekenntnis der Reue und Zeichen des Schuldeingeständnisses habe in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass der Kläger keine weiteren Straftaten im Bundesgebiet begehe. Vielmehr habe sich die Wiederholungsgeschwindigkeit mehr als verdoppelt. Zwischen der ersten und der zweiten Tat habe ein Zeitraum von knapp zehn Monaten gelegen. Die Freiheitsstrafe wegen der zweiten Tat sei erst mit Urteil der Jugendkammer des Landgerichts … … vom … April 2014 zur Bewährung ausgesetzt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei es dem Kläger überhaupt möglich gewesen, erneut strafbare Handlungen zu begehen. Die Tatsache, dass der Kläger unter Alkoholeinfluss die ausschlaggebende Tat verübt habe, könne allenfalls erschwerend gegen den Kläger ausgelegt werden. Die Alkoholisierung habe nicht zu einer adäquaten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt. Aufgrund seiner früheren Straftaten habe der Kläger gewusst, dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggressionstaten neige. Insoweit könne eine alkoholbedingte Enthemmung keinen zugunsten des Klägers führenden Beurteilungsaspekt darstellen. Auch die Tatsache, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen sei, sei hinreichend gewürdigt worden. Selbstverständlich werde er in der Türkei Zeit benötigen, sich zurechtzufinden. Jedoch handele es sich hierbei nicht um unüberwindbare Schwierigkeiten. Der Kläger sei ein junger gesunder arbeitsfähiger Erwachsener, der der türkischen Sprache in Wort und Schrift mächtig sei. Es sei dem Kläger zumutbar, seine ohnehin guten türkischen Kenntnisse in der Türkei zu verbessern und sich mit den türkischen Gesellschaftsverhältnissen auseinanderzusetzen. Durch seinen Mittelschulabschluss werde er in der Türkei bessere Chancen haben, eine Arbeitsstelle zu finden. Eine außerordentliche Härte werde vom Beklagten nicht gesehen. Die gesundheitliche Situation seiner Ehefrau habe der Kläger allein durch sein Verhalten und der dadurch entstandenen strafrechtlichen und ausländerrechtlichen Konsequenzen herbeigeführt. Nach der Haftentlassung und Ausreise des Klägers in die Türkei würden sich die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mittels Brief, Internet, Telefon sowie auch persönlich wesentlich verbessern, da der Kläger nicht mehr der hohen Kontrolle der Strafvollzugsbehörden unterliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2016. Die Klage ist in erster Linie auf Aufhebung des Bescheids gerichtet (Anfechtungsklage). Sie beinhaltet zudem in Hinblick auf die in Ziffer 2 des Bescheids enthaltene Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung (§ 11 Aufenthaltsgesetz - AufenthG-) als „Minus“ hilfsweise auch einen Verpflichtungsantrag auf Verkürzung der Befristung für den Fall, dass die Ausweisung Bestand hat (BVerwG, U.v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 34).

2. Maßgeblicher Zeitpunkt zur rechtlichen Überprüfung der Ausweisung sowie der weiteren durch den Beklagten getroffenen Entscheidungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. nur BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 12). Dabei beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nach dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das durch Art. 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) geändert worden ist. Hiernach ist die Entscheidung über eine Ausweisung stets eine gerichtlich voll überprüfbare Rechtsentscheidung (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49; BR-Drs. 612/14, S. 56; VG Ansbach, U.v. 28.1.2016 - AN 5 K 15.00416 - juris Rn. 42).

3. Die Anfechtungsklage gegen die in Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Mai 2016 verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsgrundlage der Ausweisung sind § 53 Abs. 1 bis 3 AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der BRD gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Zugunsten des Klägers geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass der Kläger ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nummer 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB1/80) erworben hat. Damit sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, da gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG der Kläger nur ausgewiesen werden darf, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung des Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U.v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell - juris Rn. 80; BayVGH‚ U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein mussten (vgl. auch BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris 13).

In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28; B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 14; B.v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - juris Rn. 11 jeweils m.w.N.).

Grundlage für die Ausweisung ist daher § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 AufenthG, mit der Folge, dass der Kläger nur ausgewiesen werden darf, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (a) und die Abwägung der widerstreitenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen ergibt, dass die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (b). Da der Ausweisungsschutz aus Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen (ENA) nicht weiter reicht als der aus ARB 1/80, ergibt sich aus dieser Norm kein anderer Maßstab für die rechtliche Überprüfung der Ausweisung des Klägers (vgl. BVerwG, U.v. 2.9.2009 - 1 C 2/09 - juris Rn. 15).

Bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ist zu berücksichtigen, dass § 53 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz wegen der Bezugnahme auf das „persönliche Verhalten“ eine Ausweisung nur aus spezialpräventiven Gründen erlaubt, d.h. die Ausweisung muss dem Zweck dienen, einer vom Auszuweisenden ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für ein Grundinteresse zu begegnen.

a) Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass der Kläger erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Es besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st.Rspr; vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B.v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 31).

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist die Kammer zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts durch die durchweg positive Führung und Entwicklung des Klägers während seiner Zeit in der JVA.

In vorliegendem Fall sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts wegen des hohen Gewichts der bedrohten Schutzgüter nicht hoch anzusetzen. Anlass für die Ausweisung des Klägers ist seine Verurteilung durch das Landgericht … … vom … April 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handelt es sich um besonders schwere Straftaten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblichem Maße beeinträchtigen. Totschlag ist ein Kapitaldelikt, das das Leben als höchstes Schutzgut betrifft und damit die Grundinteressen der Gesellschaft berührt. Zudem ließ sich beim Kläger eine hohe Intensität der Tathandlung feststellen.

Die festgestellte schwerwiegende Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beruhte auf dem persönlichen Verhalten des Klägers. Auch wenn der Kläger bei der Durchführung der Tat alkoholbedingt enthemmt war, wodurch seine Einsicht- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt war, kann dies hier nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Der Kläger wusste, dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggressionstaten neigt. Das Landgericht … … ordnete gerade wegen des Hanges des Klägers zu übermäßigen Alkoholkonsum und der damit einhergehenden Gefahr weiterer Straftaten die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB an.

Bei der Prognose der Wiederholungsgefahr ist von Bedeutung, dass der Kläger seit dem Jahr 2012 wiederholt straffällig geworden ist und bei seinen Straftaten stets ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat, die er von Tat zu Tat noch steigerte. In allen drei Urteilen wurde der Kläger unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und zuletzt zusätzlich noch wegen versuchten Totschlags verurteilt. Dabei waren die vom Kläger ausgeübten Gewaltdelikte durchgängig keine klassischen Beziehungstaten, sondern ausnahmslos gegen ihm fremde bzw. nur entfernt bekannte Geschädigte gerichtet. So schlug er am … August 2011 ohne rechtfertigenden Grund und ohne entschuldigenden Anlass gezielt mit der Faust in das Gesicht eines Geschädigten, der nichts ahnend auf ein Taxi wartete. Am *. Juni 2012 provozierte er eine Gruppe Jugendlicher in einer Gaststätte und schlug einem Geschädigten beim Verlassen des Lokals zweimal mit der Faust auf den Mund, wodurch dieser einen Schneidezahn verlor. Auch bei der Tat, die seiner letzten Verurteilung zugrunde lag, hat der Kläger dem Geschädigten mehrmals einen Maßkrug von oben auf den Kopf geschlagen, weil er sich von diesem verbal provoziert fühlte. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft.

Für die Bejahung der Wiederholungsgefahr spricht, dass der Kläger in sehr kurzen zeitlichen Abständen straffällig geworden ist. Besonders negativ für die zutreffende Prognoseentscheidung wirkt sich dabei aus, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt der letzten Tat zweifach wegen einschlägiger Delikte unter Bewährung stand. Die Straftat, die der Beklagte zum Anlass der Ausweisung genommen hat, beging der Kläger nur vier Monate nachdem die Jugendkammer des Landgerichts … … die gegen ihn verhängte Vollzugstrafe aus dem Urteil des Amtsgericht … am *. Juli 2013 zur Bewährung ausgesetzt hatte. Daraus wird ersichtlich, dass die Verurteilungen des Klägers bislang keine nachhaltigen Wirkungen in Bezug auf seine Delinquenz hatten. Selbst die Androhung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen führten beim Kläger nicht zu einer Änderung seines Verhaltens. So beging der Kläger die zuletzt abgeurteilte Körperverletzung nur circa einen Monat nach seiner letzten ausländerrechtlichen Verwarnung seitens des Beklagten. Auch der Umstand, dass der Kläger in dem der Ausweisung zugrundeliegenden Strafverfahren geständig war, sich bei dem Geschädigten schriftlich und mündlich entschuldigt hat und eine Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarung geschlossen hat, überzeugt die Kammer nicht von einer dahingehenden Änderung der Persönlichkeit des Klägers durch die Haft, dass eine Rückfallgefahr nicht mehr besteht. Denn der Kläger schloss bereits im vorhergehenden Strafverfahren vor dem Amtsgericht … mit zwei Geschädigten eine Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarung mit erheblichen finanziellen Verpflichtungen und begann sogar ausweislich des Urteils der Jugendkammer vom … April 2014 im April 2014 schon damals, sich mit der Problematik seines Alkoholkonsums auseinanderzusetzen. Den versuchten Totschlag beging der Kläger im August 2014 aber wiederum, wie auch sämtlich andere Taten, unter starkem Alkoholeinfluss. Eine Läuterung bzw. eine Änderung des Verhaltens des Klägers konnte demnach durch seine Verurteilung im Juli 2013 nicht festgestellt werden, obgleich er bereits damals - wie auch hier nach der Verurteilung durch das Landgericht … … - seine Tat gestanden hat, sich entschuldigt hat, sich seines Alkoholproblems angenommen hat und durch den Abschluss eines Täter-Opfer-Ausgleichs eine hohe finanzielle Belastung eingegangen ist. Solange daher der Kläger nicht beweist, dass er in Freiheit - also außerhalb der Haft - zu einem straffreien sowie drogen- und alkoholfreiem Leben fähig ist, muss aufgrund der oben ausgeführten Vorgeschichte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger gerade die längste Haftstrafe seines bisherigen Lebens verbüßt und dabei bislang seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt hat. Ausweislich des Führungsberichts der Justizvollzugsanstalt … vom … Januar 2016, der so auch bis zu seiner Verlegung am *. November 2016 gilt, gibt der Kläger in der Haft zu keinen Beanstandungen Anlass. Er komme mit den Mitgefangenen und Bediensteten gut aus, sei höflich und respektvoll. Er anerkenne seine Strafe als gerecht und bereue seine Tat. In der Haft nahm er an verschiedensten Maßnahmen zur Bekämpfung seiner Alkohol- bzw. Drogensucht teil. So hat er erfolgreich am zweimonatigen Rückfallprophylaxetraining der …-Drogenberatung teilgenommen, hat im September 2014 Kontakt zur „Externen Suchtberatung“ aufgenommen und dort auch an Gruppenangeboten teilgenommen. Auch in der ärztlichen Stellungnahme der Entziehungsanstalt wird dem Kläger eine gute Führung bescheinigt. Er nehme motiviert und aktiv an den suchttherapeutischen Gruppen- und Einzelgesprächen teil. Trotz dieser positiven Einschätzung der JVA genügt dies nicht, um im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durchgreifenden Anhaltspunkte für eine grundlegende persönliche Wandlung des Klägers im Sinne einer Abkehr von seiner kriminellen Vergangenheit bejahen zu können. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH‚ B.v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - juris; B.v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B.v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen nicht ausgegangen werden. Bislang hat der Kläger weder eine Therapie erfolgreich abgeschlossen, noch konnte und musste er sich außerhalb des Maßregelvollzugs bewähren. Trotz des guten Verlaufs der Therapie kann daher derzeit nicht von einem Entfallen der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Dies gilt insbesondere deshalb‚ weil der Kläger bereits ab dem Alter von 12 Jahren begonnen hat, Alkohol zu konsumieren, im Alter von 15 Jahren regelmäßig an den Wochenende betrunken war und spätestens mit 21 Jahren tagsüber Schnaps und abends Wein und Bier konsumiert hat. Auch hat er ab dem Alter von 13 Jahren verschiedene illegale Betäubungsmittel konsumiert - anfangs Marihuana, dann Amphetamine und Extasy und schließlich Kokain. Die abgeurteilten Straftaten verübte der Kläger zumeist unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Auch wenn daher der Kläger nun therapiewillig und -einsichtig ist, muss er insbesondere wegen der schon im Kindesalter begonnenen Abhängigkeit von Alkohol und Drogen erst den Beweis antreten, dass er tatsächlich auch außerhalb des überwachten Haftrahmens ein alkohol- und drogenfreies Leben führen kann.

Entscheidend hierfür wird auch sein, ob der Kläger auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12- juris Rn. 19 f.; BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 34). Ob dem Kläger nach der Haft eine Integration gelingen wird, kann derzeit nicht abgesehen werden. Der Kläger hat zwar den einfachen Hauptschulabschluss in der Justizvollzugsanstalt gemacht. Er hat jedoch keine abgeschlossene Ausbildung und kann auch nicht in ein bestehendes Arbeitsverhältnis zurück. Das Angebot seines Vaters, ihn Vollzeit zu beschäftigen, überzeugt insofern nicht, als der Kläger diese Möglichkeit auch bislang nicht wahrgenommen hat. Vielmehr wird der Kläger nach der Haft wieder in sein altes Umfeld zurückkommen, in dem er wiederholt straffällig geworden ist, sodass es zweifelhaft erscheint, ob er es ohne abgeschlossene Ausbildung schafft, sich ein straffreies Leben aufzubauen. Schließlich erhöht auch der Bestand obgleich nicht allzu hoher Schulden die Wiederholungsgefahr, zumal der Kläger in seiner bisherigen Biografie noch keine Zeiten einer längeren durchgehenden Erwerbstätigkeit aufweist, sodass er seine Schulden auch nicht ohne weiteres aus eigener Erwerbstätigkeit tilgen kann. Seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung, der lange Gefängnisaufenthalt und die therapeutischen Maßnahmen dort hätten ihn zu einem anderen Menschen gemacht und er werde diese zum Anlass nehmen, sein Leben neu zu gestalten, kann daher von der Kammer nur als eine bloße Absichtserklärung gewertet werden, die angesichts der der Verurteilung zugrunde liegenden Schwere der Taten, der sich steigernden Rückfallfrequenz des Klägers und dessen Suchtproblematik nicht geeignet ist, die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit in Zweifel zu ziehen.

b) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des bereits unter a) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

aa) Beim Kläger ist ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlichen Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Das Landgericht … … hat den Kläger mit Urteil vom … April 2015 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zu Gunsten des Klägers ist vorliegend ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben, da der Kläger seit dem 16. Januar 2007 eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Sind darüber hinaus noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllt, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar (BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 -juris Rn. 40).

bb) Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet, als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind nach den Umständen des Einzelfalls sämtliche maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Dabei sind vorliegend die von Art. 6 GG und von Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Zugunsten des Klägers ist hier vor allem einzustellen, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Er hat in Deutschland seine wesentliche Prägung und Entwicklung erfahren, besitzt seit gut zehn Jahren ein Daueraufenthaltsrecht und muss daher wohl als faktischer Inländer angesehen werden. Neben seiner in … wohnenden Familie spricht für sein Interesse an einem weiteren Verbleib in Deutschland seine in der Haft geschlossene Ehe mit einer Deutschen.

Dennoch fällt die Abwägungsentscheidung zwischen dem Bleibeinteresse des Klägers und dem öffentlichen Ausweisungsinteresse zu seinen Ungunsten aus. So ist dem inzwischen 26-jährigen Kläger bislang eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet nicht gelungen ist. Weder weist er eine abgeschlossene Berufsbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer Tätigkeit nachgegangen, obwohl er bei seinem Vater hätte arbeiten können. Seinen Schulabschluss hat er erst im Jahr 2015 gemacht und auch dies nur im überwachten Umfeld der Justizvollzugsanstalt. Eine Integration in die hiesige Gesellschaft unter Achtung und Berücksichtigung von deren Werte und Normen gelang dem Kläger bislang nicht. Bereits in Schule wurden gegen ihn Disziplinarmaßnahmen verhängt, als Teenager begann er den Drogen- und Alkoholkonsum und im Jahr 2012 erging das erste Strafurteil gegen ihn.

Die Ausweisung ist auch unter Berücksichtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten persönlichen und sonstiger Bindungen des Klägers im Bundesgebiet verhältnismäßig.

Der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG entspricht der Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris Rn. 11 m.w.N.). Ebenso ist nach Art. 8 EMRK bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 54273/00 - InfAuslR 2001, 476/478). Das von diesen Bestimmungen u.a. geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen - angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen - bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 - juris Rn. 21; BVerfG, B.v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - juris Rn. 33).

Zwar ist der Schutzbereich des Art. 6 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgrund der langjährigen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet eröffnet, der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff ist aber verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Danach darf eine Behörde in die Ausübung des in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechts eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten notwendig ist. Nach der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 2.8.2001 - 54273/00, Boultif; U.v. 5.7.2005 - 46410/99) sind im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung u.a. folgende Kriterien zu beachten: die Art und Schwere der Straftaten; das Alter des Ausländers bei der Begehung der Straftat; die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet; die familiäre Situation des Klägers, und Dauer der Ehe; andere Faktoren, die die Wirksamkeit des Familienlebens eines Paares ausdrücken; ob der Gatte zu dem Zeitpunkt um die Straftat wusste, als eine familiäre Beziehungen aufgenommen wurde; ob Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind; die Festigkeit der sozialen, Kulturellen und familiären Bande mit dem Gastland und mit dem Heimatland und schließlich, ob der Kläger bereits als Kind, jugendlichen Alter oder erst als Erwachsener in das Bundesgebiet gekommen ist oder gar hier geboren wurde. Dabei gewährleistet nach der Rechtsprechung des EGMR Art. 8 EMRK selbst einen im Gastland geborenen Ausländer jedoch kein absolutes Recht auf Nichtausweisung (EGMR, U.v. 18.10.2006 - 46410/99). Der langjährige Aufenthalt und die Intensität der Verwurzelung im Gastland ist jedoch angemessen zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig. Den Bindungen zur Herkunftsfamilie des Klägers - zu seinen Eltern und seinem Bruder - ist in der Abwägung nur ein geringes Gewicht beizumessen, da der Kläger volljährig und daher nicht mehr in besonderem Maße auf die Unterstützung und Hilfe seiner Eltern angewiesen ist.

Auch der Ehe des Klägers kann bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen kein entscheidendes Gewicht zukommen. Die Eheschließung mit seiner Freundin erfolgte in der Untersuchungshaft und damit erst nach der die Ausweisung veranlassenden Tat in Kenntnis derselben. Sie ist daher auch in Kenntnis der unsicheren Aufenthaltsperspektive geschlossen worden, zumal der Kläger nur kurz vor der Tatbegehung von dem Beklagten ausländerrechtlich verwarnt worden ist. Bei dem Gewicht, das der ehelichen Bindung in der Abwägungsentscheidung beizumessen ist, ist weiter zu berücksichtigen, dass aus der Ehe bislang keine Kinder hervorgegangen sind und die Eheleute noch nie zusammengelebt haben. Das Gericht verkennt nicht, dass die Ausweisung des Klägers die deutsche Ehefrau besonders hart trifft. Wie sich aus den Besuchslisten der JVA ergibt, hat diese den Kläger regelmäßig und oft besucht, so dass das Gericht von einer stabilen Beziehung ausgeht. Dennoch konnte die Ehe noch nicht den Beweis dafür antreten, dass sie auch den zum Teil schwierigen Anforderungen gewachsen ist, die unweigerlich eintreten werden, wenn der Kläger außerhalb der Haft eine neue Existenz ohne Drogen- und Alkoholkonsum aufbauen muss. Angesichts der Schwere und Art der vom Kläger begangenen Straftaten, der oben dargelegten Wiederholungsgefahr und dem „Vorleben“ des Klägers kann daher dem Schutz der Ehe in der Abwägungsentscheidung nur ein geringes Gewicht beigemessen werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Strafurteil, das der Beklagte zum Anlass für die Ausweisung genommen hat, die letzte der strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers war. Der Kläger wurde bereits erstmals im Jahr 2012 vom Amtsgericht … wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitstrafe von acht Monaten verurteilt. Nur ca. ein Jahr später erfolgte eine zweite Verurteilung ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung. Während der noch laufenden Bewährungszeit machte sich der Kläger schließlich der Taten schuldig, die der letzten Verurteilung zugrunde liegen. Die Delikte weisen im Hinblick auf die Schwere der Verfehlungen eine steigende Tendenz auf, waren auch immer gegen die körperliche Unversehrtheit gerichtet und sind in immer kürzeren Abständen verübt worden, unbeeindruckt von den drohenden Konsequenzen. Weder die Bewährungszeit, noch die Unterstellung unter einen Bewährungshelfer, noch die am 8. Juni 2014 von dem Beklagten ausgesprochene Belehrung über ausländerrechtliche Folgen bei weiteren Verfehlungen und insbesondere auch nicht die Bindungen zu seinen Eltern oder seiner damaligen Freundin bzw. Verlobten und jetzigen Ehefrau konnten ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten.

Dem Kläger ist auch trotz seiner Sozialisierung in Deutschland zuzumuten, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er auch mächtig ist, zu übersiedeln. Dort wird der 26 Jahre junge gesunde Kläger trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativieren sich auch die fehlenden wirtschaftlichen Beziehungen in der Türkei. Dass sämtliche Verwandte des Klägers in Deutschland leben und er auch keine Verwandte und Freunde hat, die den Kläger bei seiner Rückkehr unterstützen können, erschwert zwar die Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der nach § 53 Abs. 1, 2 AufenthG zu treffenden Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist. Angesichts der Schwere und Art der begangenen Straftaten sowie der bestehenden Wiederholungsgefahr überwiegt das öffentliche Ausreiseinteresse. Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, zu dessen Wahrung die Ausreise des Klägers notwendig und erforderlich ist. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck, nämlich die Verhinderung weiterer schwerwiegender Straftaten, vorliegend nicht erreicht werden.

4. Die in der Klage gegen die Ausweisungsverfügung regelmäßig als „Minus“ enthaltene Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 AufenthG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 10. Mai 2016 enthaltene Befristung der Ausweisung auf sieben Jahre ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Für einen Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, gilt nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Dauer von Amts wegen nach Ermessen zu befristen ist (§ 11 Abs. 2 und 3 AufenthG). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Die für die Bestimmung der Länge der Sperrfrist maßgeblichen Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, und der anschließenden Relativierung anhand höherrangiger Rechtsnormen, und damit die Ausrichtung am Zweck der Ermächtigung und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG), überprüft das Gericht vollständig (§ 114 Satz 1 VwGO). Doch verbleibt der Behörde mit dem vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessen ein - wenn auch geringer - Spielraum bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, die sich an den verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Wertentscheidungen messen lassen muss (BayVGH, B.v. 12.7.2016 - 10 B 14.1854 - juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 28.5.2016 - 10 B 15.1854 - juris, Rn. 49).

Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Rahmen. Danach darf die Frist fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.

Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, wie lange also die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12- juris Rn. 32; U.v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - InfAuslR 2013, 141 Rn. 13 ff.; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - NVwZ-RR 2013, 778 Rn. 32 f.) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - Rn. 50).

Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Frist von sieben Jahren nicht zu beanstanden. Der Beklagte berücksichtigte einerseits, dass der Kläger sich seit seiner Geburt im Bundesgebiet befindet und bis zur Bekanntgabe seiner Ausweisung im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war. Gleichzeitig stellte der Beklagte zutreffend auf die gefährdeten Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Wiederholungsgefahr andererseits ab. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist es nicht - auch gemessen an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben des Art. 8 EMRK - zu beanstanden, wenn der Beklagte im Rahmen seines Ermessens einen Zeitrahmen von sieben Jahren für erforderlich hält, um dem hohen Gefahrenpotential des Klägers Rechnung tragen zu können.

5. Die Abschiebung aus der Haft heraus (Nr. 3 des Bescheids) beruht auf § 58 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

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(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

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(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

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Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.

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(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 5 K 15.00416

Im Namen des Volkes

Urteil

28. Januar 2016

5. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 0600

Hauptpunkte: Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F., besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, hier: Verurteilung wegen unerlaubten, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; besonders schwerwiegende Bleibeinteressen, hier: Niederlassungserlaubnis, ausgeübtes Personensorgerecht für minderjährigen Deutschen, faktischer Inländer

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

..., Einwohneramt EP/2

vertreten durch den Oberbürgermeister ...

- Beklagte -

beteiligt: Regierung ..., als Vertretung des öffentlichen Interesses (Z 2)

wegen Ausländerrechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 5. Kammer, durch ... und durch die ehrenamtliche Richterin ... den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Januar 2016 am 28. Januar 2016 folgendes

Urteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der am ... 1988 in ... geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Am 28. Juni 2004 erhielt der Kläger von der Beklagten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt.

Der Kläger wuchs bei seiner Mutter und einem Stiefvater auf, er hat einen älteren Bruder sowie drei Halbgeschwister, die sämtlich in Deutschland leben.

Der Kläger besuchte die Hauptschule, verließ diese jedoch im Jahr 2002 nach der achten Klasse ohne Abschluss. Den qualifizierenden Hauptschulabschluss holte der Kläger im folgenden Schuljahr 2002/2003 auf der Berufsschule nach. Nach einem Förderlehrgang beim Christlichen Jugenddorf und einem einjährigen Praktikum bei ... in den Jahren 2004/2005 begann der Kläger bei ... im September 2005 eine Ausbildung als Verkäufer, brach diese jedoch im November 2005 ab, weil ihm die Ausbildung nicht gefiel. Anschließend war er arbeitslos bzw. arbeitete für neun Monate bei einer Zeitarbeitsfirma. Im März 2006 zog der Kläger mit seiner Freundin, Frau ..., einer deutschen Staatsangehörigen, zusammen in eine Wohnung. Am ... 2007 wurde der gemeinsame Sohn ... geboren, der deutscher Staatsangehöriger ist. Die Familie lebte von Arbeitslosengeld II, Erziehungs- und Kindergeld. Ab Februar 2008 begann der Kläger im SOS-Berufsausbildungszentrum nach einem vorgeschalteten Praktikum eine Ausbildung als Bauten- und Objektbeschichter, die er ebenfalls nicht abschloss. Im Zeitraum von Januar bis April 2009 arbeitete der Kläger befristet als Wäschereihelfer in einem Krankenhaus. In den Jahren 2010 bis 2012 ließ sich der Kläger als Maler und Lackierer ausbilden, wobei es wegen drogenbedingter Unzuverlässigkeit Schwierigkeiten gab. Im Jahr 2012 arbeitete der Kläger sporadisch und wurde während der Probezeit gekündigt. Daraufhin bezog der Kläger Sozialleistungen.

Der Kläger hat Schulden in Höhe von 12.000,00 EUR, die daher rühren, dass er Sachen bestellte, die er nicht bezahlen konnte. 3.000,00 EUR Schulden hat der Kläger wegen offener Stromrechnungen.

Seit seinem 16. Lebensjahr konsumierte der Kläger Drogen. Zuletzt konsumierte er vor allem Amphetamin und Metamphetamin, wobei der Anteil an Metamphetamin höher war. Er konsumierte davon etwa 0,6 bis 0,7 g pro Tag. Cannabis konsumierte er etwa 3 bis 4 g pro Tag. Ab und zu nahm er auch Kokain. Dieses rauchte er zuletzt, da die Schleimhäute der Nase angegriffen waren. Ein Versuch, mit dem Drogenkonsum aufzuhören, scheiterte, weil er gleichzeitig mit allem aufhören wollte.

Aus der Ausländerakte des Klägers ergeben sich folgende strafrechtliche Auffälligkeiten:

1. Amtsgericht ..., Beschluss vom 14. Februar 2005: Einstellung eines Verfahrens wegen Sachbeschädigung und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung nach § 47 JGG nach Erbringung von Arbeitsleistungen;

2. Amtsgericht ..., Urteil vom 16. August 2006: Freizeitarrest wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit versuchter Überlassung von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch;

3. Amtsgericht ..., Urteil vom 9. Januar 2008: vier Tage Kurzarrest und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen;

4. Amtsgericht ..., Urteil vom 5. März 2008: unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts ... vom 9. Januar 2008 zwei Freizeitarreste und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit wegen Leistungserschleichung in zwei Fällen;

5. Amtsgericht ..., Urteil vom 1. April 2009: eine Woche Dauerarrest wegen Körperverletzung;

6. Landgericht ..., Urteil vom 3. Juli 2014: sechs Jahre Freiheitsstrafe und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Der unter Nr. 6 genannten Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger nach den Feststellungen des Landgerichts den Kontakt zwischen einem weiteren Angeklagten, der bereits länger mit einer Vertrauensperson der Polizei in Kontakt gestanden hatte, und weiteren Angeklagten, die als Lieferanten von Amphetamin in Betracht kamen, herstellte. Nachdem eine Lieferung von fünf Kilo Amphetamin zu einem Preis von 30.000,00 EUR nicht zustande gekommen war, bestellte die Vertrauensperson der Polizei bei den Lieferanten acht Kilo Amphetamin zu 48.000,00 EUR. Dieses Geschäft wurde am 18. September 2013 durchgeführt. Das Amphetamin entsprach einer Wirkstoffmenge von 1.848,54 g. Nach der Übergabe des Betäubungsmittels an den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten, der als Abnehmer aufgetreten war, wurden sämtliche Angeklagten, so auch der hiesige Kläger, festgenommen.

Der Kläger befand sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 18. September 2013 aufgrund des Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts ... vom 19. September 2013 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt.... Vom 10. Juli 2014 bis zum 16. März 2015 verbüßte der Kläger einen Teil seiner Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt ... in ..., von wo er zum Maßregelvollzug in das Bezirkskrankenhaus ... verlegt wurde. Dort wurde er am 20. März 2013 aufgenommen.

Am ... 2013 wurde der zweite Sohn des Klägers, ..., der deutscher Staatsangehöriger ist, geboren. Der Kläger hat für seinen Sohn ..., ebenso wie für seinen ersten Sohn ..., jeweils mit der Kindsmutter gemeinsam das Sorgerecht inne.

Die oben unter Nr. 6 aufgelistete Verurteilung des Klägers nahm die Beklagte am 21. Oktober 2014 zum Anlass, den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren anzuhören.

Einem Führungsbericht der JVA ... vom 21. November 2014 zufolge trat der Kläger während seines Aufenthalts in der JVA ... in zwei Fällen disziplinarisch in Erscheinung. Ein Brief seiner Lebenspartnerin sei am 27. Februar 2013 positiv auf Spice getestet worden. Der Kläger habe jedoch nicht überführt werden können. Am 17. Juni 2014 sei er mit einer einmonatigen Einkaufssperre wegen Rauchens im Nichtraucherwarteraum belegt worden. Die Führung werde von den betreuenden Bediensteten unterschiedlich beurteilt.

Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen bei der Beklagten und führte nach gewährter Fristverlängerung aus, der Kläger sei in Deutschland geboren, habe zwei deutsche Kinder und sei als angelernter Maler und Lackierer in die deutsche Gesellschaft integriert. Er spreche kein Serbisch. Alle seine Verwandten seien in Deutschland. Der Kläger sei mit einer deutschen Staatsangehörigen, der Mutter seines ersten Kindes, zusammen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Januar 2014 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten weiter aus, der Kläger habe für seine beiden Kinder jeweils das gemeinsame Sorgerecht. Die Kinder würden im Falle einer Ausweisung und Abschiebung ein sorgeberechtigtes Elternteil verlieren. Die Mutter des Klägers und seine Geschwister befänden sich in Deutschland, er habe in Serbien niemanden. Der Kläger sei in Deutschland geboren und sozialisiert, er sei hier hervorragend integriert. Die Vorstrafen des Klägers seien, außer der letzten, kein Indiz für die Gefährlichkeit des Klägers. Er sei betäubungsmittelabhängig. Bei der der letzten Verurteilung zugrunde liegenden Tat sei sein Tatbeitrag nicht so gewichtig. Zudem habe der Kläger ein Geständnis abgelegt. Hinsichtlich seiner Betäubungsmittelabhängigkeit sei er therapiewillig und -fähig. Die Ausweisung und Abschiebung wäre mit der Vernichtung der sozialen Existenz des Klägers gleichzusetzen und daher ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK. Die Kinder des Klägers hätten ein Recht, mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Jedenfalls die Dauer der Ausweisung sei völlig unangemessen.

Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 wies die Beklagte den Kläger unter I. aus der Bundesrepublik Deutschland aus, befristete unter II. die Wirkungen der Ausweisung und einer eventuellen Abschiebung auf die Dauer von sieben Jahren ab Ausreise/Abschiebung, ordnete unter III. die Abschiebung unmittelbar aus der Haft heraus, insbesondere nach Serbien an, forderte ihn unter IV. für den Fall, dass die Abschiebung während der Haft nicht möglich ist und er aus der JVA entlassen wird, auf, das Bundesgebiet binnen einer Woche nach Haftentlassung bzw. binnen einer Woche nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu verlassen und drohte ihm andernfalls die Abschiebung, insbesondere nach Serbien an und erhob unter V. für die Entscheidung unter II. eine Gebühr in Höhe von 30,00 EUR.

Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus, der Kläger habe die Ausweisungstatbestände des § 53 Nr. 1 und 2 (jeweils i. d. F. v. 31.12.2015) verwirklicht, so dass er grundsätzlich auszuweisen sei. Dem Kläger komme jedoch der besondere Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (i. d. F. v. 31.12.2015) zugute. Er könne daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Diese lägen im Fall des Klägers jedoch vor. Dem Kläger werde zugute gehalten, er sei faktischer Inländer, er werde jedoch aus general- bzw. spezialpräventiven Gründen ausgewiesen. Es bestehe eine Wiederholungsgefahr der erneuten Straffälligkeit des Klägers. Er sei bereits einschlägig vorbestraft. Beim Kläger bestehe eine Drogenproblematik. Er führe zwar eine Therapie durch, die aber im geschützten Raum der Maßregelunterbringung stattfinde. Ordnungsrechtlich sei weiterhin von einer Gefahr auszugehen. Die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der in § 55 Abs. 3 AufenthG (i. d. F. v. 31.12.2015) aufgelisteten Belange ergebe hier ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses. In der Justizvollzugsanstalt ... habe er nur Besuch von seiner Mutter erhalten, eine schützenswerte Beziehung zu seinem Sohn Leon, der erst am 25. April 2013 geboren wurde, bestehe nicht. Die Ausweisung sei auch nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG verhältnismäßig, weil von einer besonderen Schwere des hier gegebenen Drogendelikts auszugehen sei. Die nach dem Gewicht des Ausweisungsgrunds und dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck zu bestimmende Länge der Frist wäre im Fall des Klägers grundsätzlich auf zehn Jahre festzusetzen. Angesichts seiner persönlichen Bindungen im Bundesgebiet und des Umstandes, dass der Kläger als faktischer Inländer anzusehen sei, reduziere sie diese Frist auf sieben Jahre.

Mit per Telefax am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. März 2015 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 16. März 2015 erwiderte die Beklagte und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte auf die Ausführungen im Rahmen der angefochtenen Ausweisungsverfügung.

Mit Schriftsatz vom 30. März 2015 beteiligte sich die Regierung von ... als Vertretung des öffentlichen Interesses am Verfahren und trat der Ansicht der Beklagten bei. Der Kläger habe die Ausweisungstatbestände des § 53 Nr. 1 und Nr. 2 (jeweils i. d. F. v. 31.12.2015) verwirklicht, genieße jedoch besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (i. d. F. v. 31.12.2015). Im Fall des Klägers als faktischem Inländer sei eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles geboten. Eine Ausweisung des Klägers sei nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zu spezialpräventiven Zwecken möglich. Dies sei bei den hier vorliegenden Betäubungsmitteltaten gegeben. Die Prognoseentscheidung der Beklagten, dass vom Kläger auch in Zukunft die Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten ausgehe, sei zutreffend. Von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr könne nicht ausgegangen werden, solange eine Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und deren Erfolg wie die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Straf- bzw. Therapieende nicht glaubhaft gemacht sei. Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und den öffentlichen Interessen, eine Gefährdung höchster Rechtsgüter abzuwehren, sei verhältnismäßig. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in den Schutzbereich der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sei nicht gegeben. Ausschlaggebend sei hier die Schwere der vom Kläger begangenen Taten. Auch sei der Kläger bereits seit 18. September 2013 in Haft. Der Kontakt zu seinen Kindern sei seitdem auf Briefe und Telefonate beschränkt.

Mit Schriftsatz vom 27. April 2015 begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage und führte insbesondere aus, der Kläger sei in Deutschland geboren, lebe seit fast 27 Jahren hier und habe seine gesamte Ausbildung in Deutschland erhalten. Er habe zwei minderjährige Söhne, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit hätten und für die er jeweils das gemeinsame Sorgerecht innehabe. Der Kläger sei mit der Mutter des ersten Sohnes, Frau ..., die ebenfalls deutsche Staatsangehörige sei, bereits vor der Haft sieben Jahre zusammen gewesen. Es bestehe weiterhin die Absicht einer zukünftigen Eheschließung. Die Mutter und die Geschwister bzw. Halbgeschwister lebten alle in Deutschland. Ob sich in Serbien noch Verwandte aufhielten, sei nicht bekannt. Alle dem Kläger bekannten Verwandten lebten entweder in Deutschland oder in Österreich. Der Kläger spreche die serbische Sprache nicht und könne die in Serbien verwendete kyrillische Schrift weder lesen noch schreiben. Ein Ausnahmefall von der Regelausweisung liege bereits dann vor, wenn höherrangiges Recht oder Vorschriften der EMRK eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles gebieten. Dies sei im Fall des Klägers der Fall. Nach Art. 6 GG müssten die für die Ausweisung eines in Deutschland geborenen Ausländers sprechenden Gründe überragendes Gewicht haben. Nach der Rechtsprechung des EGMR seien Natur und Schwere der Straftat des Ausländers, die Dauer seines Aufenthalts, die Stabilität der sozialen kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Zielstaat in Betracht zu ziehen. Von Relevanz sei weiter der Zeitraum, der seit Begehung der Straftat vergangen sei und das Verhalten des betroffenen Ausländers in dieser Zeit. Weiter sei zugunsten des betroffenen Ausländers zu berücksichtigen, wenn dieser, wie der Kläger, im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts sei. Der Kläger habe auch während der Inhaftierung weiterhin engen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Er sei während der Haft in Würzburg mindestens siebenmal von Frau ... besucht worden, wobei der gemeinsame Sohn sie zweimal begleitete. Während der weiteren Haftzeit in Bayreuth hätten weitere Besuche stattgefunden. Auch nach der Verhängung einer Besuchssperre gegen Frau ... habe weiterhin regelmäßiger brieflicher und telefonischer Kontakt bestanden. Auch von seiner Mutter sei der Kläger regelmäßig besucht worden. Nach Abschluss der im Strafurteil vom 3. Juli 2014 angeordneten Drogentherapie und der Entlassung aus der Entziehungsanstalt werde der Kläger umgehend eine Anstellung bei seinem Stiefvater erhalten können. Zu Serbien habe der Kläger außer seinem Pass keine Beziehungen. Nach fast 27 Jahren ausschließlichen Aufenthalts in Deutschland wäre es ihm völlig unmöglich dort beruflich Fuß zu fassen. Dies gelte umso mehr, da der Kläger als Moslem Angehöriger einer diskriminierten Minderheit wäre. Die Ausweisung sei nicht notwendig im Sinne von Art. 8 EMRK. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EGMR führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, eine solche Notwendigkeit lasse sich nicht aus der Natur und Schwere der Straftaten des Klägers ableiten. Auch die Höhe der gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafe stehe der Annahme eines Verstoßes gegen Art. 8 EMRK nicht grundsätzlich entgegen. Die Ausweisung könne auch nicht mit einer beim Kläger anzunehmenden Wiederholungsgefahr gerechtfertigt werden. Der Kläger sei durch die Haft beeindruckt und geläutert. Er konsumiere seit Beginn der Inhaftierung keine Drogen mehr. Aus der zum Zeitpunkt des Strafurteils festgestellten Betäubungsmittelabhängigkeit des Klägers lasse sich nicht per se eine Wiederholungsgefahr ableiten. Vielmehr begründe diese Betäubungsmittelabhängigkeit gerade die Möglichkeit einer erfolgreichen Therapie des Klägers. Nachdem es sich beim Kläger um einen faktischen Inländer handele, könne eine Ausweisung wohl erst dann erfolgen, wenn tatsächlich keine Aussichten auf eine grundlegende Resozialisierung des Klägers mehr bestünden und er voraussichtlich auch in Zukunft eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Entgegen den Ausführungen der Beklagten im angegriffenen Bescheid sei es völlig unzutreffend, dass dem Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Drogentherapie und Haftentlassung eine wirtschaftliche Perspektive fehle. Die von der Beklagten vorgenommene generalpräventive Begründung der Ausweisung des Klägers müsse ausscheiden. Jedenfalls sei die von der Beklagten verfügte Ausweisung des Klägers sowohl im Hinblick auf die vorgetragenen spezialpräventiven als auch im Hinblick auf generalpräventive Gesichtspunkte unverhältnismäßig. Der Bescheid der Beklagten sei jedenfalls insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung und einer eventuellen Abschiebung des Klägers auf sieben Jahre ab Ausreise/Abschiebung befristet habe. Nachdem beim Kläger keine wesentliche Wiederholungsgefahr mehr vorliege, sei für eine präventive Begründung einer weiteren Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet für einen Zeitraum von sieben Jahren nichts ersichtlich. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung sei die Höchstfrist von fünf Jahren vorliegend auch trotz der den Anlass der Ausweisung bildenden strafrechtlichen Verurteilung des Klägers und selbst bei Annahme einer weiterhin von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Als Abweichung von der gesetzlichen Regel bedürfe eine über fünf Jahre hinausgehende Befristung einer gesonderten Begründung. Eine weiterhin bestehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit als Voraussetzung für ein Überschreiten des Befristungszeitraums von fünf Jahren liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2016 legte die Beklagte einen Therapiebericht des Bezirkskrankenhauses ... sowie die Besucherliste der Justizvollzugsanstalt ..., aus der sich insbesondere vier Besuche der Mutter des Klägers, davon zwei zusammen mit seinem Sohn Malik, sowie ein weiterer Besuch dieses Sohnes in Begleitung eines Bekannten ergeben, und eine Mitteilung der Justizvollzugsanstalt ... über ein negatives Drogenscreening vor. Nach der Zusammenfassung des Therapieberichts des Bezirksklinikums ... vom 11. Januar 2016 sei festzustellen, dass der Kläger bei Krankheits- und Behandlungseinsicht von den therapeutischen Angeboten bisher habe profitieren können. Er habe Fortschritte hinsichtlich Reflexionsfähigkeit, aktivem Engagement gezeigt und habe einen authentischen Eindruck vermittelt. Mit der Therapie im Maßregelvollzug habe er sich gut identifizieren können.

Mit weiterem Schriftsatz vom 25. Januar 2016 legte die Beklagte die Besuchslisten für den Kläger während seiner Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt ... vor, aus der sich insbesondere drei Besuche der Mutter und fünf der Lebenspartnerin des Klägers ergeben sowie ein Besuch seines Sohnes ....

Mit weiterem Schriftsatz vom 25. Januar 2016 legte die Beklagte ein Schreiben der Justizvollzugsanstalt ... vom 22. Januar 2016 vor, aus dem sich ergibt, dass in der Justizvollzugsanstalt ... insgesamt vier Drogentests betreffend den Kläger durchgeführt worden seien, wovon der erste Test am 19. September 2013 positiv auf AMP, MTD und THC gewesen sei, die weiteren Kontrollen negativ.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 28. Januar 2013 führte der Kläger aus, er habe mit seinem ersten Sohn eine sehr enge Beziehung und habe mit ihm und der Kindsmutter vor seiner Inhaftierung in einem Haushalt zusammengelebt. Das Kind habe ihn auch in der Justizvollzugsanstalt einige Male besucht. Im nunmehrigen Maßregelvollzug im Bezirkskrankenhaus komme der Sohn in der Regel einmal pro Woche. Sein zweiter Sohn habe ihn in der Justizvollzugsanstalt einmal besucht. Es seien viele Briefe gewechselt und viele Telefonate geführt worden. Im Juli 2014 sei der Kontakt abgebrochen. Der Kläger habe versucht, über das Jugendamt ... die neue Anschrift seines Sohnes bzw. der Kindsmutter zu erfahren. Er vermute, dass das Kind mit seiner Mutter zwischenzeitlich in Berlin lebe. Zum Therapiestand führte der Kläger aus, er habe gelernt, mit der Suchtkrankheit umzugehen. Er sei seit zwei Jahren clean und habe dementsprechend Vollzugslockerungen zugesprochen bekommen. Seine Lebensgefährtin beabsichtige, in die Türkei auszureisen und den gemeinsamen Sohn ... bei ihm zu lassen. Die informatorisch befragte Lebensgefährtin des Klägers führte aus, der Kläger habe eine sehr enge und gute Beziehung zu dem Sohn .... Sie wolle demnächst in die Türkei ausreisen, weil sie dort ein gutes Arbeitsangebot habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers übergab im Original eine aktualisierte Bestätigung über ein Arbeitsangebot an den Kläger vom 27. Januar 2016. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führte aus, in der Haft seien mindestens fünf Drogentests gemacht worden, wovon nur der allererste positiv gewesen sei. Eine Regelausweisung gebe es nicht mehr, es sei eine umfassende Abwägung vorzunehmen. Zur Wiederholungsgefahr führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, es habe sich um eine mittlere Droge gehandelt, der Strafrahmen reiche bis 15 Jahre. Zudem sei die Tat vollständig von der Polizei überwacht gewesen. Dieser befinde sich nun erstmals in Haft, so dass durchaus verantwortet werden könne, den Kläger bei seinem Sohn in Deutschland zu belassen. Der Beklagtenvertreter führte aus, zwar sei im geschützten Rahmen des Maßregelvollzugs ein guter Therapiefortschritt zu erkennen, es könne aber nicht verantwortet werden, das Therapieende abzuwarten. Die Vertreterin des öffentlichen Interesses führte aus, das Ausweisungsinteresse überwiege das Bleibeinteresse des Klägers.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 aufzuheben.

Jedenfalls die Sperrfrist von sieben Jahren erscheine unverhältnismäßig und müsse verkürzt werden.

Der Vertreter der Beklagten beantragte,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger erhielt das letzte Wort und führte aus, er spreche kein serbisch und habe in Serbien keinerlei Angehörige. Er fühle sich als Deutscher. Soweit gesagt werde, die Therapie finde in einem gesicherten Rahmen statt, so stimme dies nicht. Auch dort seien Drogen im Umlauf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden- und Gerichtsakte sowie auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Beklagte hat den Kläger zu Recht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die zur Durchsetzung der sich daraus ergebenden Ausreisepflicht erforderlichen Annex-Entscheidungen getroffen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre ab Ausreise/Abschiebung ist nicht zu beanstanden.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der zur Durchsetzung der sich aus dieser ergebenden Ausreisepflicht getroffenen Annexentscheidungen sowie der Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, U. v. 30.7.2013 - 1 C 9/12 - juris Rn. 8; U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 12). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften (BGBl I S. 2557), die insbesondere die Neufassung des Ausweisungsrechts durch Art. 1 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (BGBl. I S. 1386) mit Wirkung zum 1. Januar 2016 enthalten, zugrunde zu legen. Danach ist die Entscheidung über eine Ausweisung stets eine - gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare - Rechtsentscheidung (BR-Drs. 642/14, S. 56). Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsentscheidung ist nunmehr einheitlich für alle denkbaren Ausweisungsanlässe, dass die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (vgl. § 54 AufenthG n. F.) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (vgl. § 55 AufenthG n. F.) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Die durch die Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 2015 unter I. verfügte Ausweisung des Klägers, die die Beklagte noch auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung der §§ 53 ff. AufenthG a. F. gestützt hat, beurteilt sich daher nach den §§ 53 - 55 AufenthG in der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung.

Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Nach dieser seit 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage handelt es sich bei der Ausweisungsentscheidung in keinem Fall mehr um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BR-Drs. 642/14, S. 56). Dabei ist zunächst von den in den §§ 54 und 55 AufenthG typisierten, aber nicht abschließend angeführten besonders schwerwiegenden und schwerwiegenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen auszugehen. Hat ein nach diesen Vorschriften vertyptes Interesse nach der gesetzgeberischen Wertung stärkeres Gewicht als die gegenläufigen Belange, müssen besondere Umstände vorliegen, die eine abweichende Abwägung rechtfertigen können (VG Oldenburg, U. v. 11.1.2016 - 11 A 892/15 - juris Rn. 23).

Im Fall des Klägers besteht zum einen ein besonders schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Der Kläger ist mit Urteil des Landgerichts ... vom 3. Juli 2014 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verurteilt worden. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht bereits, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheit oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist.

Zum anderen besteht im Fall des Klägers ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AufenthG. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt für ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse voraus, dass der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dies ist beim Kläger, der sich seit seiner Geburt am ...1988 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und seit dem 28. Juni 2004 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (seit 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgeltend) ist, der Fall. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG setzt für ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse voraus, dass der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, oder sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt. Erforderlich für diese Begünstigung des Inhabers eines Personensorge- bzw. Umgangsrechts ist, dass eine tatsächlich gelebte Nähebeziehung zum deutschen Minderjährigen, d. h. ein tatsächliches Kümmern, gegeben ist (BR-Drs. 642/14, S. 60). Dies ist beim Kläger, der hinsichtlich seines am 28. Februar 2007 geborenen Sohnes ... sein Personensorgerecht ausübt, ebenfalls der Fall. Die mündliche Verhandlung hat hier gezeigt, dass entgegen der von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 19. Februar 2015 vertretenen Auffassung von einer gelebten Vater-Kind-Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn ... auszugehen ist, auch wenn diese Beziehung infolge der Drogenabhängigkeit des Klägers zeitweise als problematisch angesehen werden musste. Wie sich aus den vorgelegten Besuchslisten der Justizvollzugsanstalten ... und ... ergibt, fanden auch während der Haftzeit des Klägers mehrere Besuche durch seinen Sohn ... statt; in der mündlichen Verhandlung führten sowohl der Kläger selbst als auch die informatorisch befragte Mutter des Sohnes des Klägers ... und Lebensgefährtin des Klägers glaubhaft aus, dass zwischen dem Kläger und seinem Sohn ..., die vor der Inhaftierung des Klägers in einem Haushalt zusammenlebten, ein enges Verhältnis besteht, so dass die Kammer von einer durch Art. 6 GG geschützten Vater-Sohn-Beziehung und somit von einem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ausgeht. Nicht zugunsten des Klägers kann sich auswirken, dass er auch hinsichtlich seines Sohnes ..., der ebenfalls deutscher Staatsangehöriger ist, das Sorgerecht innehat. Denn zu seinem Sohn ... besteht keine schützenswerte Vater-Sohn-Beziehung. Wie der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung ausführte, besteht zu seinem Sohn ... seit Juli 2014 kein Kontakt mehr. Zwar ist der Kläger seinen Ausführungen nach bestrebt, den Kontakt wieder herzustellen. Jedoch setzt der Schutz, den Art. 6 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich bieten, eine tatsächlich gelebte Beziehung voraus. Der formale Bestand eines Sorgerechts oder auch nur die Absicht eines Elternteils, mit einem Kind, das beim anderen Elternteil lebt, in Kontakt zu treten, reichen hierfür nicht aus. Kein Bleibeinteresse im Sinne des § 55 AufenthG ergibt sich ferner aus der Beziehung des Klägers zu seiner Lebensgefährtin, auch wenn diese bereits seit längerem geführt wird. Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind nicht verheiratet. Zwar trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, eine Eheschließung sei weiterhin beabsichtigt, eine konkrete Planung hierfür ist - zumal der Kläger und seine Lebensgefährtin nun angeben, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft in die Türkei auszureisen wolle - nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist beim Kläger weiter, dass er, wovon auch die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Februar 2015 ausgeht, als im Bundesgebiet geborener Ausländer als so genannter „faktischer Inländer“ angesehen werden kann, so dass er sich auch auf einen besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG berufen kann (vgl. BR-Drs. 642/14, S. 60).

In der nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellenden Gesamtabwägung unter besonderer Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweist sich die Ausweisung des Klägers trotz seiner schwerwiegenden Bleibeinteressen als rechtmäßig.

Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls, wie sie § 53 Abs. 1 AufenthG erfordert, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner zu berücksichtigen. Diese Kriterien, die sich nach der Gesetzesbegründung an den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte herangezogenen Kriterien orientieren, sind nicht abschließend und können sich sowohl zugunsten als auch zulasten des Ausländers auswirken (BR-Drs. 642/14, S. 56). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zieht bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausweisungsmaßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, folgende maßgebliche Kriterien heran: Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; die Dauer seines Aufenthalts in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll; die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Ausländers in dieser Zeit; die Staatsangehörigkeiten der verschiedenen Betroffenen; die familiäre Situation des Ausländers, wie z. B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die erkennen lassen, wie intakt das Familienleben eines Paares ist; ob der Ehepartner von der Straftat wusste, als er eine familiäre Beziehung einging; ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter und das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Ehepartner in dem Land, in das der Ausländer ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen wird; die Belange und das Wohl der Kinder, insbesondere das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Kinder des Ausländers in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen werden; die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland (EGMR, E. v. 22.1.2013 - 66837/11 - juris Rn. 29, m. w. N.).

Die von § 53 Abs. 1 AufenthG als Tatbestandsvoraussetzung geforderte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet ist gegeben. Die hier erforderliche Prognose, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der Schutzgüter eintreten wird (vgl. BR-Drs. 642/14, S. 55), mithin ob vom Kläger die Gefahr weiterer Beeinträchtigungen der polizeirechtlichen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere in der Form weiterer Straftaten, ausgeht, ergibt im Fall des Klägers nach Überzeugung der Kammer eine Wiederholungsgefahr.

Dabei gilt, dass diese Prognose, wie jede sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose, nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 - juris Rn. 16). Beim Kläger besteht nach Auffassung der Kammer eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung weiterer Betäubungsmittelstraftaten. Diese ergibt sich aus der Straftat, deren Aburteilung den Anlass für die Ausweisung des Klägers gegeben hat, in Verbindung mit der beim Kläger entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten weiterhin bestehenden Drogenproblematik.

Der Kläger ist wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts ... stellte der Kläger dabei den Kontakt zwischen den Lieferanten des Betäubungsmittels, hier Amphetamine, und dem Mitangeklagten, der die Lieferung des Betäubungsmittels einer Vertrauensperson der Polizei versprochen hatte, her. Zudem stellte der Kläger seine Wohnung für die Herstellung des zu liefernden Betäubungsmittels zur Verfügung. Dafür sollte der Kläger einen Anteil an der Preisdifferenz, die sich aus dem Kaufpreis und einem Weiterverkaufspreis ergeben sollte, erhalten. Die Strafkammer des Landgerichts ... qualifizierte den Tatbeitrag des Klägers an dem Geschäft als mittäterschaftlich. Zugunsten des Klägers wertete die Strafkammer, dass es sich um ein polizeilich überwachtes Geschäft gehandelt hat. Zulasten des Klägers wirkte sich aus, dass es sich mit Amphetamin um eine Droge im mittleren Gefährlichkeitsbereich handelte, dass es sich um eine erhebliche Menge handelte sowie dass er bereits auch einschlägig vorbestraft war. Zu seinen Gunsten wertete die Strafkammer jedoch, dass er betäubungsmittelabhängig ist, sowie dass sein Tatbeitrag im Vergleich nicht so gewichtig war wie der anderer Mitangeklagter. Im Ergebnis verurteilte die Strafkammer den Kläger - auch unter Berücksichtigung der von seinem Prozessbevollmächtigten im hiesigen Verfahren erneut vorgebrachten zu seinen Gunsten sprechenden Umstände - zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, mithin zum dreifachen der für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Strafe. Diese Tat indiziert grundsätzlich die Gefahr einer erneuten Betäubungsmittelstraftat durch den Kläger.

Dabei sind an die Eintrittswahrscheinlichkeit angesichts der Gefährlichkeit geringe Anforderungen zu stellen. Die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein (BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - juris Rn. 12). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein „großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit“ (vgl. EuGH, U. v. 23.11.2010 - C-145/09 - Rn. 47). Der illegale Drogenhandel zählt zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. U. v. 3.11.2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rn. 58 und U. v. 12.1.2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - Rn. 40).

Der Kläger ist zwar erstmals wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden, jedoch wurde er bereits zuvor wiederholt wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und in einem Fall wegen der versuchten Überlassung von Betäubungsmitteln bestraft. Weder diese einschlägigen noch die übrigen Strafen haben den Kläger davon abhalten können, eine schwere Betäubungsmittelstraftat zu begehen. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Kläger auch in Zukunft Straftaten, insbesondere Betäubungsmittelstraftaten begehen wird.

Beim Kläger liegt zudem auch weiterhin eine jedenfalls noch nicht gelöste Drogenproblematik vor. Auch wenn der Kläger nunmehr im Rahmen des Maßregelvollzugs eine Drogentherapie durchführt und dabei ausweislich der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses ... vom 11. Januar 2016 Fortschritte gemacht hat, kann noch nicht von einer abgeschlossenen Drogentherapie ausgegangen werden. Zwar konsumiert der Kläger ausweislich der in den Justizvollzugsanstalten ... und ... seit seiner Inhaftierung durchgeführten Drogentests - abgesehen von dem bei der Aufnahme in ... durchgeführten ersten Drogentest - keine Drogen mehr. Die Therapie ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Angesichts der erheblichen Rückfallquoten während einer andauernden Drogentherapie und auch noch in der ersten Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie kann allein aus der begonnenen und bislang erfolgreich verlaufenden Therapie noch nicht auf ein künftiges straffreies Leben geschlossen werden. Solange ein wegen schwerwiegender Drogenkriminalität Verurteilter, selbst drogensüchtiger Betroffener die Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens nicht auch nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht hat, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer anschließt, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr keine Rede sein (BayVGH, B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - juris Rn. 7; B. v. 13.5.2015 - 10 C 14.2795 - juris Rn. 4; B. v. 21.2.2014 - 10 ZB 13.1861 - juris Rn. 6). Selbst eine erfolgreich abgeschlossene Drogentherapie schließt eine Rückfall- und Wiederholungsgefahr nicht per se aus (BayVGH, B. v. 24.5.2012 - 10 ZB 11.2198 - juris Rn. 13). Auch wenn dem Kläger zuzugeben ist, dass wohl auch im Maßregelvollzug Drogen im Umlauf sind, so kann aus einer gewissen Zeit des überwachten Maßregelvollzugs nicht auf ein künftig drogen- und straffreies Leben geschlossen werden. Denn im Maßregelvollzug herrscht ein erheblicher Wohlverhaltensdruck, der im Fall des Klägers durch das schwebende ausländerrechtliche Verfahren noch verstärkt wird, der nach einer Entlassung nicht mehr in gleicher Weise bestehen würde.

Gegen die Annahme der Wiederholungsgefahr spricht entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten ferner nicht, dass sich der Kläger erstmals in Haft befunden hat. Denn der Kläger hatte durch die gegen ihn bereits zuvor verhängten Freizeitarreste, Kurzarreste und Dauerarreste bereits Erfahrungen mit dem Strafvollzug durch Freiheitsentziehung sammeln können, die ihn nicht von der Begehung weiterer Straftaten haben abhalten können. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die nun verhängte Haftstrafe zu diesem Ergebnis hätte führen sollen, zumal der Kläger während der Haft disziplinarisch behandelt werden musste. Es zeigt sich vielmehr, dass der Kläger nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die Rechtsordnung zu respektieren.

Ausgehend von der beim Kläger nach Überzeugung der Kammer bestehenden Wiederholungsgefahr erneuter Straftaten wiegt das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Kläger, das sich insbesondere aus der Art und der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftat ergibt, auch unter Berücksichtigung der Art. 6 GG und 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schwerer als seine Bleibeinteressen. Sein Bleibeinteresse, das sich daraus ergibt, dass er sein Personensorgerecht für seinen minderjährigen Sohn ... ausübt, der deutscher Staatsangehöriger ist, stellt zwar einen durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten gewichtigen familiären Belang dar, der bei der einzelfallbezogenen Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers zu berücksichtigen ist, setzt sich jedoch nicht stets durch (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B. v. 16.7.2015 - 10 ZB 15.463 - juris Rn. 11; B. v. 14.4.2015 - 10 ZB 14.2534 - juris Rn. 9 m. w. N.). Stellt auch die Ausweisung des Klägers im Angesicht seiner familiären Bindungen an seinen Sohn ... einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Rechte sowohl des Klägers selbst als auch seines Sohnes... dar, ist letztlich dem Ausweisungsinteresse im Hinblick auf die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftat und auf die konkrete Gefahr der Begehung erneuter schwerer Drogendelikte, das letztlich auf die Bekämpfung der Drogenkriminalität sowie auf den Schutz von Leben und Gesundheit als Grundinteresse der Gesellschaft zielt, der Vorrang einzuräumen. Dies ergibt sich zum einen aus der grundsätzlichen, sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebenden Schutzpflicht des Staates, die Bevölkerung vor den gesundheitlichen Gefahren des illegalen Betäubungsmittelhandels zu schützen, sowie aus dem Umstand, dass den Kläger die Beziehung zu seinem Sohn... und seine Verantwortung diesem gegenüber auch bislang nicht davon haben abhalten können, eine schwere Betäubungsmittelstraftat zu begehen und es der Kläger auch jedenfalls vor seiner Inhaftierung nicht vermochte, seine Betäubungsmittelabhängigkeit wirksam zu bekämpfen. Zwar hat der Kläger einen gewissen Willen hierzu demonstriert, indem er bereits einen Versuch unternommen hat, ohne Hilfe den Konsum von Betäubungsmitteln einzustellen. Dieser Versuch war jedoch, wie der Kläger selbst einräumt, nicht erfolgreich. Einen weiteren Versuch, der durch professionelle Hilfe unterstützt worden wäre, hat der Kläger von sich aus nicht unternommen. Weder seine Verantwortung für seinen Sohn noch bereits zuvor gegen den Kläger verhängte Strafen, auch wenn diese nicht besonders schwer waren, haben ihn davon abhalten können, erneut und dieses Mal massiv straffällig zu werden.

Es wird durchaus gesehen, dass der Kläger sich seit seiner Geburt in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, hier eine Niederlassungserlaubnis hatte und zu dem Staat, dessen Staatsangehöriger er ist, Serbien, nur geringe Bindungen hat. Gesehen wird auch, dass der Kläger seine sozialen Bindungen, insbesondere zu seinem Sohn, seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin, ganz überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland hat. Demgegenüber ist entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht auszugehen. Der Kläger hat zwar einen qualifizierenden Hauptschulabschluss erzielt, eine berufliche Ausbildung konnte er jedoch trotz mehrerer Versuche nicht abschließen. Der Kläger hat zwar immer wieder gearbeitet. Keine seiner bisherigen Anstellungen war jedoch von Dauer. Dabei wird auch berücksichtigt, dass der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung eine aktualisierte Bestätigung seines Schwiegervaters, nach der er bei diesem nach seiner Entlassung werde arbeiten können, vorgelegt hat. Der Beklagten ist jedoch zuzugeben, dass in Anbetracht der bisherigen Beschäftigungszeiten, die jeweils nur von überschaubarer Dauer waren und sich regelmäßig mit Zeiten des Bezugs von Sozialleistungen abwechselten, nicht davon auszugehen, dass der Kläger eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive hat, zumal der Kläger hoch verschuldet ist. Wesentlich ist dabei, dass der Kläger die bei ihm bestehende Drogenproblematik nach wie vor nicht in hinreichendem Maß überwunden hat. Soweit der Kläger geltend macht, er könne weder die serbische Sprache noch die in Serbien gebräuchliche kyrillische Schrift, so ist dem Kläger zuzumuten, diese zu erlernen.

Schließlich spricht auch nicht gegen die Ausweisung des Klägers, dass seine Lebensgefährtin angibt, sie plane demnächst in die Türkei auszureisen, weil sie dort ein gutes Arbeitsangebot habe. Auch wenn der Kläger und seine Lebensgefährtin angeben, es sei beabsichtigt, dass der gemeinsame Sohn ... beim Kläger in Deutschland bleiben solle, so vermag dies bereits nicht zu erklären, wo sich der Sohn bis zur Entlassung des Klägers aufhalten soll. Zudem stellt es eine freiwillige Entscheidung der Lebensgefährtin des Klägers dar, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, wobei keine Gründe ersichtlich sind, die verhinderten, dass sie mit ihrem Sohn zusammen ausreist, so dass es insoweit bereits an einem staatlichen Eingriff in grund- oder menschenrechtlich geschützte Positionen mangelt.

Nach all dem überwiegt hinsichtlich des Klägers insbesondere wegen der Art und der Schwere der Straftat, derentwegen der Kläger ausgewiesen worden ist, das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK seine ebenfalls besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AufenthG.

Ist somit die Ausweisung rechtlich nicht zu beanstanden, so sind auch die ausländerrechtlichen Annex-Entscheidungen unter III. und IV. des angefochtenen Bescheides, die Abschiebungsanordnung unmittelbar aus der Haft heraus bzw. die Abschiebungsandrohung und die dem Kläger zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist, nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 58 und 59 AufenthG. Die dem Kläger vorsorglich gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise von einer Woche nach seiner Haftentlassung ist noch angemessen und ausreichend zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und einer eventuellen Abschiebung auf sieben Jahre ab Ausreise/Abschiebung unter II. des angefochtenen Bescheids. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Die Frist darf dabei nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Betroffene aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist, soll aber auch in diesen Fällen nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich dabei an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen und gegebenenfalls relativieren lassen (BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Die hier durch die Beklagte erfolgte Befristung erfolgte zunächst nach der bis einschließlich 31. Juli 2015 geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als eine vom Gericht uneingeschränkt überprüfbare Rechtsentscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 31 ff.; U. v. 10.7.2012 - 1 C 19/11 - juris Rn. 34). Seit 1. August 2015 gilt § 11 AufenthG in neuer Fassung. Nunmehr wird über die Länge der Frist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG n. F. nach Ermessen entschieden. Im vorliegenden Fall kann letztlich dahinstehen, ob der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung die alte oder die neue Rechtslage zugrunde zu legen ist (eine einschlägige Übergangsbestimmung ist nicht ersichtlich), denn bei den von der Beklagten im angefochtenen Bescheid angestellten Erwägungen, die das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck einerseits und die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen in Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG sowie die Vorgaben aus Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK andererseits gegeneinander abgewogen hat, stellen in der Sache eine - nicht zu beanstandende - Ermessensabwägung dar, auch wenn sie ursprünglich nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wurde. Die Beklagte hat nach dem Gewicht des Ausweisungsgrundes und dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck die Länge der Frist in einem ersten Schritt auf zehn Jahre festgesetzt, dann jedoch angesichts seiner persönlichen Bindungen im Bundesgebiet auf sieben Jahre reduziert. Im Rahmen einer nach § 114 Satz 1 VwGO nur beschränkten gerichtlichen Überprüfung ist dies angesichts der oben geschilderten Wiederholungsgefahr und unter Beachtung der geschützten Belange des Klägers nicht zu beanstanden.

Nicht zu beanstanden ist auch die Erhebung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 30,00 EUR für die Befristungsentscheidung unter V. des angegriffenen Bescheids, die sich auf § 69 AufenthG i. V. m. § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV stützt.

Somit war nach all dem die Klage vollumfänglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift:

Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift:

Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach:

Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt

(§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre zu befristen (Zi. I. Satz 1 u. 2 des Urteils).

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten seines Zulassungsverfahrens.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 wird der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5000 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) verfolgt der Kläger seine in erster Instanz mit dem Hauptbegehren erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. September 2014 weiter, mit dem er unter Anordnung seiner Abschiebung aus der Haft bzw. Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (Nr. 1 und 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf fünf Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 Satz 1); die Befristung wurde unter dem Vorbehalt des mit mehreren Maßgaben verbundenen Nachweises dauernder Drogenfreiheit verfügt (Nr. 3 Satz 2).

Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen (I.), soweit mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 die Nummer 3. des Bescheids aufgehoben und die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren ab Ausreise auf eineinhalb Jahre herabgesetzt und darüber hinaus die getroffenen Nebenbestimmungen aufgehoben hat.

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach als Orientierung für die Fristlänge die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (in der bis 31.7.2015 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es danach einer prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5; B. v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Zudem ist nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen, zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des § 11 AufenthG über die Länge der Frist nunmehr nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; a.A. VGH BW, U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 im Hinblick auf die systemkonform nur im Rahmen einer gebundenen Entscheidung sicherzustellende Verhältnismäßigkeit der Befristung - Revision zugelassen), während noch im angefochtenen Urteil von einer in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Dauer der Befristung ausgegangen wurde (UA, S. 12, Rn. 33). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf eineinhalb Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte. Ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit (auch) der Bedingung ergeben sich außerdem aus der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 11 AufenthG um Absatz 2 Satz 5, der ausdrücklich die Beifügung einer Bedingung (i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) zur Befristung ermöglicht und hierfür beispielhaft eine „nachweisliche Straf- oder Drogenfreiheit“ benennt.

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Aufhebung der Bedingung wegen der von der Beklagten geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils vom im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofsvom 21. November 2013 (19 C 13.1206) kommt schon deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht, weil über den gerügten divergierenden Rechtssatz infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) nicht mehr zu befinden wäre.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers nach umfassender Ausübung des Ermessens für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers durch die Urteile des Amtsgerichts Augsburg vom 29. September 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Körperverletzung) und vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) bejaht. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. komme nur eine auf spezialpräventiven Gründen beruhende Ermessensentscheidung über die Ausweisung in Betracht. Sie sei rechtmäßig, weil auch in Zukunft vom Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch erneute Straftaten im Betäubungsmittelbereich (insbesondere Handeltreiben mit Heroin) drohe, so dass von ihm gegenwärtig eine Gefahr für hochrangige Schutzgüter ausgehe. Sämtlichen Straftaten lägen die nach wie vor nicht therapierte Drogensucht des nun fast 40-jährigen Klägers zugrunde. Angesichts vier erfolgloser stationärer Drogentherapien müsse davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht drogen- und straffrei leben könne. Die Ausweisung sei auch unter Betrachtung sämtlicher biografischen Umstände unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Auch der positive Verlauf der seit August 2014 andauernden Drogentherapie, deren Abschluss von zentraler Bedeutung für die Gefahrenprognose sei, lasse angesichts der bisherigen Rückfallhäufigkeit und -geschwin-digkeit noch keine positiven Schlussfolgerungen zu.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, die Gefahrenprognose sei unzutreffend, seine Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt und seine Eigenschaft als faktischer Inländer nicht richtig gewichtet worden. Er habe von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, woran er nun nach mehr als dreijähriger Inhaftierung, während der er keinen Drogenrückfall gehabt habe, wieder anknüpfen wolle. Er empfinde einen erheblichen Widerwillen gegen Drogen und sei während dieser langen Haftstrafe gereift; bisher habe er nur einmal Anfang der 2000er Jahre etwa eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. Seine erste Therapie habe er im Jahr 2000 nach wenigen Tagen, die zweite 2003 nach etwa fünf Monaten abgebrochen, während die dritte und vierte Therapie erfolgreich gewesen seien. Allerdings habe er anlässlich „persönlicher Niederlagen“ wieder einen Rückfall erlitten. Die letzte Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe beruhe auf einem auf Anraten seines Strafverteidigers abgegebenen falschen Geständnis, als er im Glauben, eine niedrigere Haftstrafe zu erhalten, angegeben habe, von den aufgefundenen 34,4 g Heroin habe er die Hälfte weiterverkaufen wollen, obwohl die gesamte Menge zum Eigenverbrauch gedacht gewesen sei. Schließlich sei zu rügen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten die maßgeblichen Strafakten des Klägers nicht beigezogen habe. Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die unzureichende Berücksichtigung der Integrationsleistungen des Klägers bei der Ermessensausübung auch bei die Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führen müssten.

2. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten; allerdings sind Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. a. BVerwG, B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris).

2.2 Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes zu überprüfen. Seit dem ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtszustand differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht nach Ausübung von Ermessen verfügte Ausweisung wird nicht infolge des Inkrafttretens der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

2.3 Steht dem Ausländer - wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen - ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Weil dem Kläger ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, kommt er grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327). Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die vom Kläger zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände, insbesondere seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft und die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe, die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nicht als ernstlich zweifelhaft erscheinen; vielmehr muss nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - ; B. v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B. v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - jeweils juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine (letzte) Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (17. April 2015) nicht ausgegangen werden; auch zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses sind keine neuen Erkenntnisse, die die Aussicht auf ein dauerhaft drogenfreies Leben des Klägers begründen könnten, bekannt geworden, zumal die vom Bevollmächtigten angekündigte Bestätigung der Therapieeinrichtung (vgl. Schriftsatz vom 9.4.2015, S. 8) nicht nachgereicht wurde. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger bereits im Alter von 14 Jahren begonnen hat, illegale Betäubungsmittel - seit dem 16. Lebensjahr auch Heroin - zu konsumieren. Die mit seiner Drogensucht einhergehende Kriminalität hat sich nicht nur auf den Erwerb und den Besitz von Betäubungsmitteln sowie das Handeltreiben bezogen, sondern bestand wiederholt in Körperverletzungsdelikten. Auch wenn man den nun fast 40-jährigen Kläger als therapiewillig und -einsichtig ansehen wollte, ist damit ein in die Zukunft gerichteter anhaltender Erfolg der letzten Therapiebemühungen in keiner Weise wahrscheinlicher geworden, wenn man bedenkt, dass er neben zahlreichen stationären Entgiftungen schon vier erfolglose Therapien hinter sich gebracht hat. Selbst wenn man die beiden in den Jahren 2002 und 2003 bereits nach kurzer Zeit abgebrochenen Therapien ausblendet, lebte er in den Zeiträumen nach den am 30. November 2005 bzw. 14. Juni 2010 abgeschlossenen Therapien für höchstens drei Jahre bzw. ein Jahr ohne Drogen. Der Vortrag, er habe ja immerhin von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, ist zum einen unrichtig, denn der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Bewährungsstrafe mit Urteil vom 29. September 2011 lag eine bereits am 17. August 2008 begangene Gewaltstraftat zugrunde, bei der die Steuerungsfähigkeit des Klägers ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen durch vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum in erheblichem Umfang gemindert war; insbesondere aber beweisen beide Rückfalle, dass von einer dauerhaften Drogenabstinenz noch nicht ausgegangen werden kann. Hieran ändern auch nichts die für die Rückfälle gegebenen Begründungen des Klägers (aussichtslos erscheinende Lebenssituation nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Trennung von der Freundin). Weil derartige Situationen auch in Zukunft wieder eintreten können, erscheint ein neuerlicher Rückfall in der entsprechenden Situation sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger die längste Haftstrafe (mehr als drei Jahre) seines bisherigen Lebens verbüßt, dabei seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt und keinen Drogenrückfall erlitten hat.

Auch die die bislang nicht geglückte dauerhafte Integration des Klägers, der keine abgeschlossene Ausbildung aufweist, in die Berufswelt spricht ungeachtet der ihm vorliegenden Arbeitsangebote dafür, dass er doch wieder zu Drogen greifen könnte, sollten sich etwa im Rahmen einer Erwerbstätigkeit problematische Situationen ergeben. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht der Senat eine nach wie vor vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Straftaten, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als faktischer Inländer, dessen Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien, keinen Erfolg. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresses (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich aus der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Allerdings besteht demgegenüber auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 ZB 15.180 - juris) hier zu seinen Ungunsten aus.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Land der Staatsangehörigkeit sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zwar als faktischer Inländer seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und seit langem ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, wo auch seine nächsten Familienangehörigen - seine Mutter und Schwester, während der Vater 2010 verstorben ist - leben, wenn er auch keine Ehe führt oder Kinder hat. Demgegenüber sind jedoch zulasten des Klägers seine jahrzehntelang andauernde Straffälligkeit (vgl. im einzelnen: Strafurteil des AG Augsburg v. 21.11.2012, S. 3 bis 11), die nur vor dem Hintergrund einer zwar immer wieder bekämpften, aber letztlich nicht erfolgreich überwundenen Drogenabhängigkeit zu verstehen und zu würdigen ist. Drogenfreiheit während der Inhaftierung oder laufender Therapiemaßnahmen lässt angesichts der langjährigen Abhängigkeit ebenso wenig Rückschlüsse auf ein drogenfreie Zukunft außerhalb eines „überwachten“ Lebens zu wie der insoweit behauptete positive Wille. Zu beachten ist auch, dass der Kläger große Lücken in seiner Erwerbsbiographie aufweist, so dass von einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt trotz erfolgversprechender Ansätze nicht ausgegangen werden kann. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass er kein Auskommen in der Türkei finden wird, auch wenn gewisse Anfangsschwierigkeiten nicht in Abrede gestellt werden können. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger - wie er vorträgt - „in der Türkei weder wirtschaftlich noch sozial noch emotional Fuß fassen könnte“, zumal er dort offenbar bereits 1999/2000 sechs Monate mit dem Ziel zugebracht hat, seine Drogensucht zu überwinden. Ohne Belang im Rahmen der abzuwägenden Umstände bleibt der von ihm geltend gemachte Umstand, die letzte strafrechtliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beruhe auf einem unrichtigen Geständnis; zum einen ist nämlich das entsprechende Strafurteil rechtskräftig geworden, zum anderen vermag auch die Annahme, die gesamte aufgefundene Menge an Heroin sei ausschließlich zum Eigenverbrauch und nicht zur Hälfte zum Weiterverkauf gedacht gewesen, zu keiner entscheidenden Änderung der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände zu führen.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über den vom Kläger hilfsweise gestellten, nach § 88 VwGO ermittelten Klageantrag, der auf Aufhebung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtet war, soweit mit ihr eine längere Frist als angemessen festgesetzt wurde, entschieden (vgl. BayVGH B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 59). Somit war der Wert des hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstandes nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausweisung und die Regelungen zur Abschiebung (Nr. 1 und 2 des

angefochtenen Bescheids) und im Hinblick auf den Ausschluss einer eineinhalb Jahre noch unterschreitenden Länge der Befristung (Nr. 3) rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Belehrung

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Hinsichtlich der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung kann auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen werden.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre zu befristen (Zi. I. Satz 1 u. 2 des Urteils).

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten seines Zulassungsverfahrens.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 wird der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5000 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) verfolgt der Kläger seine in erster Instanz mit dem Hauptbegehren erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. September 2014 weiter, mit dem er unter Anordnung seiner Abschiebung aus der Haft bzw. Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (Nr. 1 und 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf fünf Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 Satz 1); die Befristung wurde unter dem Vorbehalt des mit mehreren Maßgaben verbundenen Nachweises dauernder Drogenfreiheit verfügt (Nr. 3 Satz 2).

Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen (I.), soweit mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 die Nummer 3. des Bescheids aufgehoben und die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren ab Ausreise auf eineinhalb Jahre herabgesetzt und darüber hinaus die getroffenen Nebenbestimmungen aufgehoben hat.

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach als Orientierung für die Fristlänge die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (in der bis 31.7.2015 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es danach einer prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5; B. v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Zudem ist nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen, zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des § 11 AufenthG über die Länge der Frist nunmehr nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; a.A. VGH BW, U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 im Hinblick auf die systemkonform nur im Rahmen einer gebundenen Entscheidung sicherzustellende Verhältnismäßigkeit der Befristung - Revision zugelassen), während noch im angefochtenen Urteil von einer in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Dauer der Befristung ausgegangen wurde (UA, S. 12, Rn. 33). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf eineinhalb Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte. Ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit (auch) der Bedingung ergeben sich außerdem aus der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 11 AufenthG um Absatz 2 Satz 5, der ausdrücklich die Beifügung einer Bedingung (i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) zur Befristung ermöglicht und hierfür beispielhaft eine „nachweisliche Straf- oder Drogenfreiheit“ benennt.

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Aufhebung der Bedingung wegen der von der Beklagten geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils vom im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofsvom 21. November 2013 (19 C 13.1206) kommt schon deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht, weil über den gerügten divergierenden Rechtssatz infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) nicht mehr zu befinden wäre.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers nach umfassender Ausübung des Ermessens für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers durch die Urteile des Amtsgerichts Augsburg vom 29. September 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Körperverletzung) und vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) bejaht. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. komme nur eine auf spezialpräventiven Gründen beruhende Ermessensentscheidung über die Ausweisung in Betracht. Sie sei rechtmäßig, weil auch in Zukunft vom Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch erneute Straftaten im Betäubungsmittelbereich (insbesondere Handeltreiben mit Heroin) drohe, so dass von ihm gegenwärtig eine Gefahr für hochrangige Schutzgüter ausgehe. Sämtlichen Straftaten lägen die nach wie vor nicht therapierte Drogensucht des nun fast 40-jährigen Klägers zugrunde. Angesichts vier erfolgloser stationärer Drogentherapien müsse davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht drogen- und straffrei leben könne. Die Ausweisung sei auch unter Betrachtung sämtlicher biografischen Umstände unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Auch der positive Verlauf der seit August 2014 andauernden Drogentherapie, deren Abschluss von zentraler Bedeutung für die Gefahrenprognose sei, lasse angesichts der bisherigen Rückfallhäufigkeit und -geschwin-digkeit noch keine positiven Schlussfolgerungen zu.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, die Gefahrenprognose sei unzutreffend, seine Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt und seine Eigenschaft als faktischer Inländer nicht richtig gewichtet worden. Er habe von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, woran er nun nach mehr als dreijähriger Inhaftierung, während der er keinen Drogenrückfall gehabt habe, wieder anknüpfen wolle. Er empfinde einen erheblichen Widerwillen gegen Drogen und sei während dieser langen Haftstrafe gereift; bisher habe er nur einmal Anfang der 2000er Jahre etwa eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. Seine erste Therapie habe er im Jahr 2000 nach wenigen Tagen, die zweite 2003 nach etwa fünf Monaten abgebrochen, während die dritte und vierte Therapie erfolgreich gewesen seien. Allerdings habe er anlässlich „persönlicher Niederlagen“ wieder einen Rückfall erlitten. Die letzte Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe beruhe auf einem auf Anraten seines Strafverteidigers abgegebenen falschen Geständnis, als er im Glauben, eine niedrigere Haftstrafe zu erhalten, angegeben habe, von den aufgefundenen 34,4 g Heroin habe er die Hälfte weiterverkaufen wollen, obwohl die gesamte Menge zum Eigenverbrauch gedacht gewesen sei. Schließlich sei zu rügen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten die maßgeblichen Strafakten des Klägers nicht beigezogen habe. Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die unzureichende Berücksichtigung der Integrationsleistungen des Klägers bei der Ermessensausübung auch bei die Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führen müssten.

2. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten; allerdings sind Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. a. BVerwG, B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris).

2.2 Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes zu überprüfen. Seit dem ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtszustand differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht nach Ausübung von Ermessen verfügte Ausweisung wird nicht infolge des Inkrafttretens der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

2.3 Steht dem Ausländer - wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen - ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Weil dem Kläger ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, kommt er grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327). Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die vom Kläger zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände, insbesondere seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft und die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe, die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nicht als ernstlich zweifelhaft erscheinen; vielmehr muss nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - ; B. v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B. v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - jeweils juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine (letzte) Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (17. April 2015) nicht ausgegangen werden; auch zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses sind keine neuen Erkenntnisse, die die Aussicht auf ein dauerhaft drogenfreies Leben des Klägers begründen könnten, bekannt geworden, zumal die vom Bevollmächtigten angekündigte Bestätigung der Therapieeinrichtung (vgl. Schriftsatz vom 9.4.2015, S. 8) nicht nachgereicht wurde. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger bereits im Alter von 14 Jahren begonnen hat, illegale Betäubungsmittel - seit dem 16. Lebensjahr auch Heroin - zu konsumieren. Die mit seiner Drogensucht einhergehende Kriminalität hat sich nicht nur auf den Erwerb und den Besitz von Betäubungsmitteln sowie das Handeltreiben bezogen, sondern bestand wiederholt in Körperverletzungsdelikten. Auch wenn man den nun fast 40-jährigen Kläger als therapiewillig und -einsichtig ansehen wollte, ist damit ein in die Zukunft gerichteter anhaltender Erfolg der letzten Therapiebemühungen in keiner Weise wahrscheinlicher geworden, wenn man bedenkt, dass er neben zahlreichen stationären Entgiftungen schon vier erfolglose Therapien hinter sich gebracht hat. Selbst wenn man die beiden in den Jahren 2002 und 2003 bereits nach kurzer Zeit abgebrochenen Therapien ausblendet, lebte er in den Zeiträumen nach den am 30. November 2005 bzw. 14. Juni 2010 abgeschlossenen Therapien für höchstens drei Jahre bzw. ein Jahr ohne Drogen. Der Vortrag, er habe ja immerhin von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, ist zum einen unrichtig, denn der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Bewährungsstrafe mit Urteil vom 29. September 2011 lag eine bereits am 17. August 2008 begangene Gewaltstraftat zugrunde, bei der die Steuerungsfähigkeit des Klägers ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen durch vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum in erheblichem Umfang gemindert war; insbesondere aber beweisen beide Rückfalle, dass von einer dauerhaften Drogenabstinenz noch nicht ausgegangen werden kann. Hieran ändern auch nichts die für die Rückfälle gegebenen Begründungen des Klägers (aussichtslos erscheinende Lebenssituation nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Trennung von der Freundin). Weil derartige Situationen auch in Zukunft wieder eintreten können, erscheint ein neuerlicher Rückfall in der entsprechenden Situation sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger die längste Haftstrafe (mehr als drei Jahre) seines bisherigen Lebens verbüßt, dabei seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt und keinen Drogenrückfall erlitten hat.

Auch die die bislang nicht geglückte dauerhafte Integration des Klägers, der keine abgeschlossene Ausbildung aufweist, in die Berufswelt spricht ungeachtet der ihm vorliegenden Arbeitsangebote dafür, dass er doch wieder zu Drogen greifen könnte, sollten sich etwa im Rahmen einer Erwerbstätigkeit problematische Situationen ergeben. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht der Senat eine nach wie vor vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Straftaten, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als faktischer Inländer, dessen Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien, keinen Erfolg. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresses (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich aus der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Allerdings besteht demgegenüber auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 ZB 15.180 - juris) hier zu seinen Ungunsten aus.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Land der Staatsangehörigkeit sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zwar als faktischer Inländer seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und seit langem ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, wo auch seine nächsten Familienangehörigen - seine Mutter und Schwester, während der Vater 2010 verstorben ist - leben, wenn er auch keine Ehe führt oder Kinder hat. Demgegenüber sind jedoch zulasten des Klägers seine jahrzehntelang andauernde Straffälligkeit (vgl. im einzelnen: Strafurteil des AG Augsburg v. 21.11.2012, S. 3 bis 11), die nur vor dem Hintergrund einer zwar immer wieder bekämpften, aber letztlich nicht erfolgreich überwundenen Drogenabhängigkeit zu verstehen und zu würdigen ist. Drogenfreiheit während der Inhaftierung oder laufender Therapiemaßnahmen lässt angesichts der langjährigen Abhängigkeit ebenso wenig Rückschlüsse auf ein drogenfreie Zukunft außerhalb eines „überwachten“ Lebens zu wie der insoweit behauptete positive Wille. Zu beachten ist auch, dass der Kläger große Lücken in seiner Erwerbsbiographie aufweist, so dass von einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt trotz erfolgversprechender Ansätze nicht ausgegangen werden kann. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass er kein Auskommen in der Türkei finden wird, auch wenn gewisse Anfangsschwierigkeiten nicht in Abrede gestellt werden können. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger - wie er vorträgt - „in der Türkei weder wirtschaftlich noch sozial noch emotional Fuß fassen könnte“, zumal er dort offenbar bereits 1999/2000 sechs Monate mit dem Ziel zugebracht hat, seine Drogensucht zu überwinden. Ohne Belang im Rahmen der abzuwägenden Umstände bleibt der von ihm geltend gemachte Umstand, die letzte strafrechtliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beruhe auf einem unrichtigen Geständnis; zum einen ist nämlich das entsprechende Strafurteil rechtskräftig geworden, zum anderen vermag auch die Annahme, die gesamte aufgefundene Menge an Heroin sei ausschließlich zum Eigenverbrauch und nicht zur Hälfte zum Weiterverkauf gedacht gewesen, zu keiner entscheidenden Änderung der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände zu führen.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über den vom Kläger hilfsweise gestellten, nach § 88 VwGO ermittelten Klageantrag, der auf Aufhebung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtet war, soweit mit ihr eine längere Frist als angemessen festgesetzt wurde, entschieden (vgl. BayVGH B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 59). Somit war der Wert des hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstandes nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausweisung und die Regelungen zur Abschiebung (Nr. 1 und 2 des

angefochtenen Bescheids) und im Hinblick auf den Ausschluss einer eineinhalb Jahre noch unterschreitenden Länge der Befristung (Nr. 3) rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Belehrung

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Hinsichtlich der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung kann auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 19. November 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung aus der Haft in die Türkei angeordnet und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf zehn Jahre befristet.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.) zuzulassen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers, der vom Landgericht M. mit Urteil vom 27. September 2012 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen verurteilt wurde, auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bei Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG und unter der Annahme eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts nach Ausübung von Ermessen als rechtmäßig erachtet. Der Beklagte sei zutreffend von einer konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen, die er zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen habe. Die Ausweisung erweise sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der 2001 geborene Sohn des Klägers im Bundesgebiet lebe, als verhältnismäßig, zumal dessen Mutter schon seit 2004 vom Kläger geschieden sei und das alleinige Sorgerecht besitze.

Im Zulassungsverfahren trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüße und die bisherige Führung in der Haft sowie seine persönliche Entwicklung die Annahme zuließen, dass ein Rückfallrisiko des Klägers als gering einzustufen sei. Das Urteil verletze auch das Recht des Klägers auf Achtung seines Familien- und Privatlebens, da er Vater eines deutschen Kindes sei, dessen Wohl im Hinblick auf die bestehende starke emotionale Bindung die weitere Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet erfordere; zwar bestehe derzeit nur postalischer Kontakt zwischen Vater und Sohn, was jedoch auf die Ablehnung entsprechender Besuchsanträge zurückzuführen sei. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass bei einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit das Kind immer noch minderjährig sein werde. Die Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung ergebe sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auch daraus, dass der Kläger schon seit 2001 im Bundesgebiet lebe und in der Türkei keinerlei Perspektive habe. So seien in einem Fall einem im Alter von 23 Jahren eingereisten Ausländer nach einem Aufenthalt von lediglich zehn Jahren zur Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung führende gefestigte Bindungen zugebilligt worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle bei Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden seien und denen ein Leben im Land ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug mehr hätten, nicht zugemutet werden könne, eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fest. Das Verwaltungsgericht habe die besonderen Umstände in der Person des Klägers und das Allgemeininteresse im Ergebnis fehlerhaft abgewogen; dies folge bereits aus dem Umstand, dass weder die Mutter des deutschen Sohnes des Klägers als Zeugin vom Verwaltungsgericht vernommen worden sei noch das Gutachten des Landratsamts N. - Amt für Jugend und Familie - vom 8. September 2014 hinreichend gewürdigt worden sei.

1.2 Diese Ausführungen begründen aber - gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff.. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), - keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

1.2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris; Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag.

Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisung (und das angefochtene verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens in Ermangelung einer entgegenstehenden Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung (s. 1.2) zu überprüfen. Seit der Rechtsänderung zum 1. Januar 2016 differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalte-Klausel) nach Art. 13 ARB 1/80. Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2014 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

1.2.2 Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nach wie vor gegenwärtig besteht und nach der erforderlichen Interessenabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (§ 53 Abs. 3 AufenthG).

Der Senat sieht auch unter Anwendung des § 53 Abs. 1 AufenthG eine erhebliche Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger. Bei der insoweit zutreffenden Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. zuletzt: BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15. 2.1.2009 - juris). Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger sich schwerster, planvoll durchgeführter Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung schuldig gemacht hat und deshalb zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde; unter den gravierenden Tatfolgen haben die beiden Opfer bis heute zu leiden. Der Kläger, dessen Revision gegen das Strafurteil vor dem Bundesgerichtshof erfolglos geblieben ist, leugnet bis heute trotz eindeutiger gegenteiliger Beweislage seine Taten; zuletzt beteuerte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht am 11. März 2015 seine Unschuld. Vor dem Hintergrund dieses auf die den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten bezogenen Verhaltens kann schlechterdings nicht davon die Rede sein, dass der Kläger in der Haft eine persönliche Entwicklung in eine positive Richtung durchgemacht habe, nach der das Rückfallrisiko als „gering und klar unterdurchschnittlich einzustufen“ sei; ebensowenig kann der Gefahrenprognose entgegengehalten werden, der Kläger sei als „Erstverbüßer“ besonders beeindruckt und stelle daher keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr dar. Insbesondere die in der Strafhaft begangenen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit lassen nicht den Schluss zu, der Kläger werde nach seiner Haftentlassung keine Straftaten mehr begehen; der Kläger ging im Jahr 2012 gegen einen Psychologen der Justizvollzugsanstalt tätlich vor und beleidigte ihn, was zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen durch Strafbefehl des Amtsgerichts Kempten vom 27. Mai 2013 wegen Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung geführt hat. Mit Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 31. Juli 2014 wurde er des Weiteren zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt; Hintergrund war dabei eine Auseinandersetzung mit einem Justizvollzugsbeamten. Angesichts dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Begründung der Gefahrenprognose.

Soweit im Zulassungsantrag behauptet wird, es müsse ein Prognosegutachten zur konkreten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger eingeholt werden, führt dieser Vortrag nicht zur Zulassung der Berufung. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers ist hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht alleine auf das Strafurteil und die diesem zugrundeliegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters abzustellen. Dabei sind auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (vgl. BayVGH, B. v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris Rn. 22 m. w. N.). Ein Sachverständigengutachten kann die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür allenfalls eine Hilfestellung bieten (BVerwG, B. v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 - juris Rn. 5). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 11). Ein solcher Ausnahmefall liegt beim Kläger nicht vor. Vielmehr war es dem Erstgericht möglich, eine durch das Zulassungsvorbringen nicht erschütterte Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen.

Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1 AufenthG liegt beim Kläger als Folge der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) vor. Allerdings wiegt auch sein Bleibeinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1 AufenthG wegen des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Ausweisung und seines mehr als fünf Jahre andauernden rechtmäßigen Aufenthalts besonders schwer. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung kommt jedoch dem Ausweisungsinteresse überwiegendes Gewicht zu, das sich insbesondere aus der (bereits dargestellten) erheblichen Gefahr, die der Kläger durch die drohende Begehung weiterer Straftaten im Bundesgebiet darstellt, ergibt. Die Ausweisung entspricht daher auch der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Rechtslage.

Hieran ändern auch die Ausführungen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung nichts, die keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils rechtfertigen. Der bloße Verweis auf die Urteile des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die in Sachen Beldjoudi (U. v. 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1994, 86), Moustaquim (U. v. 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - InfAuslR 1991, 149), Amrollahi (U. v. 11.7.2002 - 56811/00 - Inf-AuslR 2004, 180) sowie auf den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Sachen Lamguindaz (InfAusR 1995, 133) reicht nicht aus, um die Feststellungen des Erstgerichts zur Bindung des Klägers an die Bundesrepublik, zur Schwere seiner Straftat und zu seinen Beziehungen in die Türkei und die darauf beruhende Abwägungsentscheidung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Insbesondere fehlt es an einer substantiierten Darlegung, inwieweit die vom Kläger angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung des EGMR mit der Situation des Klägers vergleichbar sind. Im Fall Beldjoudi war der ausgewiesene Ausländer mit einer Staatsangehörigen des Aufnahmestaates verheiratet, der nicht zugemutet werden konnte, mit ihm ins Ausland zu ziehen. Auch im Fall Amrollahi hatte der Beschwerdeführer eine Staatsangehörige des Aufnahmestaates geheiratet und mit ihr gemeinsame Kinder. Der Kläger hat demgegenüber schon seit langem keine eigene Kernfamilie in der Bundesrepublik mehr. Die Entscheidung im Fall Moustaquim beruht darauf, dass der Beschwerdeführer die Straftaten als Jugendlicher begangen hatte; der Kläger hingegen war bei Begehung seiner Straftaten schon mehr als 40 Jahre alt. Im Fall Lamguindaz konnte der Beschwerdeführer die Sprache seines Heimatlandes kaum verstehen und nicht lesen und schreiben (vgl. zu den vorstehend angeführten Urteilen des EGMR: BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris). Der Kläger dagegen spricht fließend türkisch, nachdem er mehr als die ersten 30 Jahre seines Lebens in der Türkei zugebracht und demnach seine gesamte Sozialisation dort erfahren hat. Angesichts dieses Umstandes vermag der Senat die Behauptung, er habe keinerlei Perspektiven in der Türkei, nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen kann auch nicht davon die Rede sein, dass dem Kläger „eine Trennung von seiner Familie“ zugemutet würde; schließlich ist er bereits seit dem Jahr 2004 von seiner damaligen Ehefrau geschieden, ohne dass er seither eine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet - auch nicht mit seinem Sohn - geführt hätte.

Unzutreffend ist auch das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe das Gutachten des Landratsamts N. - Jugend und Familie - vom 8. September 2014 in seiner Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt. Vielmehr gibt das angefochtene Urteil (UA, Rn. 31) die wesentlichen Aussagen der genannten Stellungnahme wieder, und folgert daraus in nachvollziehbarere Weise, dass der Sohn für seine Entwicklung nicht auf den Vater angewiesen sei, zumal sich die Beziehung auch künftig während der Haftzeit vor allem auf telefonische und postalische Kontakte sowie auf gelegentliche Besuche beschränken werde. Der Frage, ob der Sohn zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Haftentlassung des Klägers noch minderjährig oder bereits volljährig sein wird, kommt nicht die ihr im Zulassungsvorbringen zugemessene Bedeutung zu, weil der derzeit bereits fast 15-jährige Sohn auch bei frühester möglicher Entlassung des Klägers zum 2/3-Zeitpunkt seine persönliche Entwicklung ohne maßgeblichen Beistand seines Vaters weitestgehend abgeschlossen haben würde. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, muss die Ausweisung des Klägers zum heutigen Zeitpunkt als „unerlässlich“ zur Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft im Hinblick auf die von ihm ausgehende Gefahr der neuerlichen Begehung schwerer und schwerster Straftaten nach Haftentlassung angesehen werden.

Schließlich führt auch der Vorwurf, das Erstgericht habe die Einvernahme der Mutter des Sohns des Klägers als Zeugin „rechtsfehlerhaft“ versäumt, nicht zur Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Stellung eines entsprechenden Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 2 VwGO) unterlassen hat, wird schon nicht vorgetragen, welche besonderen, bisher nicht bekannten Umstände die Mutter als Zeugin vorgetragen hätte, die für die Annahme des Bestehens einer für das Kindeswohl bedeutsamen Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn sprechen könnten. Allein der (angebliche) Wunsch von Mutter und Sohn, den Kläger künftig häufig in der Haft zu besuchen, reicht hierfür nicht aus.

Auch zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Länge (10 Jahre) der im Ausweisungsbescheid festgesetzten und durch das angefochtene Urteil gebilligten Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der (geplanten) Abschiebung auf. Der pauschale Verweis auf die bereits im Zusammenhang mit der Ausweisung gemachten Umstände, die zugunsten des Klägers sprechen, reicht hierfür nicht aus.

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Der Kläger hat zwar eine Rechtsfrage formuliert, indem er als klärungsbedürftig erachtet, ob die Einführung der Zulassungsberufung gegen die Stillhalte-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 verstößt. Allerdings ist diese Frage bereits durch den Senat entschieden (BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris Rn. 21 ff.; zuletzt: B. v. 19. Mai 2015 - 10 ZB 15.331 - juris). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Frage für den konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich ist. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten in seinem konkreten Ausweisungsfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er insbesondere durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren. Der Kläger unterstellt mit seinem Zulassungsvorbringen lediglich, die Berücksichtigung der „noch zu erzielenden Ergebnisse…bezüglich der Persönlichkeit und der Gefährlichkeit“ führe in einem Berufungsverfahren dazu, dass zum dann maßgeblichen Zeitpunkt die Gefahrenprognose für ihn vorteilhafter ausfallen werde.

Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungen vom 13. Dezember 2012 und vom 14. Mai 2013 (U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - beide juris Rn. 34 bzw. 23) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal; U. v. 17.9.2009 - Rs. C-242/06, Sahin - beide juris Rn. 61 bzw. 67). bereits zu verfahrensrechtlichen Regelungen, die sowohl ARB-berechtigte türkische Staatsangehörige als auch Unionsbürger in gleicher Weise betreffen, entschieden, dass der Erlass oder Wegfall von solchen Regelungen nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP stehe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 28. Juni 2013 weiter, mit dem die Beklagte den Kläger (zu 1.) aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Wiedereinreise für (zunächst) acht Jahre untersagt und die Abschiebung aus der Haft nach Albanien angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht hat.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung bei Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG (durch die rechtskräftige Verurteilung des Klägers vom 24.11.2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten) und eines besonderen Ausweisungsschutzes beim Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 AufenthG anhand der gesetzlichen Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bejaht. Dabei ist es in spezialpräventiver Hinsicht davon ausgegangen, dass beim Kläger auch in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen ernsthaft drohe und damit von ihm eine bedeutende Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgehe. Daneben hat das Verwaltungsgericht schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch im Hinblick auf die generalpräventiv begründete Ausweisung des Klägers wegen der besonders schwerwiegenden Straftaten (schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung) bejaht. Ausgehend von einem gleitenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris) hat das Verwaltungsgericht bei seiner Prognose entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger in einem relativ kurzen Zeitraum (2005 bis 2008) mehrere schwere Gewaltdelikte begangen habe. Nach der am 5. bzw. 6. Januar 2005 begangenen Vergewaltigung habe er in noch offener Bewährungszeit am 16. November 2007 einen schweren Raub begangen, bei dem das gefesselte Opfer (mit überklebtem Mund) über mehrere Stunden in hilfloser Lage belassen worden sei, wobei nach den Feststellungen des Strafurteils eine abstrakte Lebensgefahr für das Opfer bestanden habe. Nach dieser Tat und einer längeren Untersuchungshaft habe er nur zwei Monate nach dem in erster Instanz am 12. September 2008 erfolgten Freispruch aus nichtigem Anlass seine damalige Freundin geschlagen und erheblich verletzt und damit sein hohes Gewaltpotenzial erneut bewiesen. Die erforderliche Auseinandersetzung mit seinen Taten sei durch den Kläger bis heute nicht erfolgt. Die gute Führung in der Strafhaft stehe der Annahme der Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Auch der Umstand, dass der Kläger seit dem 30. November 2008 nicht mehr straffällig geworden sei, beseitige angesichts seiner Haftzeiten und der ihm nach Aufhebung des erstinstanzlichen freisprechenden Urteils durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. August 2009 drohenden weiteren Verurteilung (wegen des Raubes) die Wiederholungsgefahr nicht.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, von ihm gehe gegenwärtig keine ernsthafte Gefahr für ein bedeutsames Schutzgut mehr aus. Er habe die Anlasstat im Alter von 23 Jahren begangen, sei aufgrund seines Alters in hohem Maße beeinflussbar gewesen, habe aber auch als junger Mann noch ein hohes Entwicklungspotenzial, weshalb seine Entwicklung während der Zeit des Strafvollzuges in besonderem Maße zu berücksichtigen sei. Er habe sich im Strafvollzug ausgezeichnet geführt, am 12. Dezember 2012 in der Justizvollzugsanstalt geheiratet und die Erfahrung gemacht, dass er trotz seiner Fehler in der Vergangenheit von seiner Ehefrau angenommen und gebraucht werde. Dies habe bei ihm einen Prozess der Reue und des Umdenkens in Gang gesetzt, weshalb er künftig seiner Verantwortung als Ehemann gerecht werden und keine Straftaten mehr begehen wolle. Er habe nach seiner Haftzeit eine unbefristete Arbeitsstelle in einem Café in Aussicht. Er habe in der Justizvollzugsanstalt erfolgreich an einem Rehabilitationsprogramm teilgenommen und Kompetenzen für ein zukünftiges straffreies Verhalten entwickelt. Auch der Umstand, dass es sich bei ihm um einen sogenannten Erstverbüßer handle, sei bei der Prognose nach ständiger Rechtsprechung besonders zu berücksichtigen. Berücksichtige man weiterhin seine familiären Bindungen zur Mutter und seiner Schwester, könne nicht vom Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Greife die Ausweisung wie in seinem Fall in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK ein, scheide die Generalprävention als Ausweisungszweck grundsätzlich aus. Dies habe das Verwaltungsgericht (ebenfalls) verkannt.

Ergänzend dazu verweist der Kläger auf das von ihm vorgelegte, im Auftrag der zuständigen Strafvollstreckungskammer erstellte forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 12. Dezember 2015, wonach - unter bestimmten Prämissen - beim Kläger die durch die Taten zutage getretene Gefährlichkeit nicht mehr weiter bestehe.

Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag; Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten.

Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky/Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte (Ermessens-)Ausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist unabhängig davon, dass eine Ausweisungsentscheidung - wie vorliegend erfolgt - nach § 53 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich (auch) auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann (vgl. Bauer, a. a. O., § 53 Rn. 34 unter Verweis auf die diesbezügliche ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers; zur Zulässigkeit der Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen auch bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris), beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auch in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen greifen letztlich nicht durch.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut durch vergleichbare Gewaltstraftaten die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt. Das vom Kläger insoweit vor allem geltend gemachte Nachtatverhalten, seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft, aber auch der Umstand der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe lassen die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr ebenso wenig entfallen wie der von ihm behauptete gute soziale Empfangsraum nach Beendigung der Haft. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger mehrere gravierende Straftaten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft begangen hat und sich dabei weder von einer Untersuchungshaft noch von den ihm angedrohten ausländerrechtlichen Konsequenzen hat beeindrucken lassen, sondern vielmehr den zuletzt abgeurteilten schweren Raub noch während laufender Bewährungszeit begangen hat. Ebenso hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass angesichts der Verurteilung des Klägers wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung sowie der vorangegangenen Verurteilungen wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung Schutzgüter von besonders hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) betroffen sind und für das Opfer des Raubes am 16. November 2007 sogar abstrakte Lebensgefahr bestanden hat.

Auch das im Auftrag der zuständigen Strafvollstreckungskammer erstellte forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten (über den Kläger) vom 12. Dezember 2015 rechtfertigt nicht, eine Wiederholungsgefahr beim Kläger zu verneinen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Letzteres gilt selbst dann, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn auch dieses orientiert sich inhaltlich an den materiellen strafrechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzungsentscheidung (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 57 StGB geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines in Haft befindlichen Straftäters weiter im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit gegebenenfalls unter Auflagen „offen“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Bei dieser Entscheidung stehen naturgemäß vor allem Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund; zu ermitteln ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Demgegenüber geht es im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren um die Frage, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Herkunftsstaat des Ausländers getragen werden muss. Die der Ausweisung zugrunde liegende Prognoseentscheidung bezieht sich folglich nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht hier um die Beurteilung, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft ist nur ein solcher Faktor, genügt aber für sich genommen nicht (BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.).

Folglich kann das vorgelegte Sachverständigengutachten für die gerichtliche Prognoseentscheidung allenfalls eine Hilfestellung bieten und zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung über das Bestehen einer Wiederholungsgefahr in Betracht kommen (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 35). Die auf die vorzeitige bedingte Entlassung des Klägers bezogene Prognose in diesem Gutachten, dass beim Kläger die durch die Taten zu Tage getretene Gefährlichkeit nicht mehr weiter bestehe, wird von der Gutachterin allerdings nur unter den Prämissen angestellt, dass er in Deutschland verbleiben könne und der anvisierte soziale Empfangsraum mit einer psychotherapeutischen Begleitung und Drogenscreenings umgesetzt werden könne. Weiter spricht das Gutachten von „erforderlichen haltgebenden Strukturen“, die beim Kläger „für eine straffreie Zukunft unbedingt erforderlich sind“. Schließlich erscheint es der Gutachterin notwendig, innerhalb der (weiter erforderlichen) therapeutischen Einzelgespräche „auf die vom Kläger verdrängten, abgewehrten bzw. schambesetzten Handlungen bezüglich seiner Straftaten zu fokussieren, um seine Weichzeichnungen nicht als mögliche Bagatellisierungen zu belassen“. Letzteres bezieht sich offensichtlich darauf, dass der Kläger bei seinen abgeurteilten Gewaltstraftaten entweder zu seinen Taten selbst keine Angaben gemacht oder die Taten in völlig unangemessener Weise bagatellisiert hat. Dieser Hang zur Bagatellisierung ist auch noch aus den entsprechenden Angaben des Klägers zu seinen Straftaten gegenüber der Gutachterin eindeutig zu erkennen. Für den Senat ist dies aber ein wichtiges Indiz dafür, dass er sich mit seinen Taten immer noch nicht wirklich ernsthaft auseinandergesetzt und die volle Verantwortung dafür übernommen hat. Die Behauptung, er bereue seine Taten aufrichtig, wird dadurch jedenfalls ernsthaft erschüttert. Für die längerfristig angelegte ausländerrechtliche Prognose ist dies ein ungünstiger Aspekt.

Auch die Tatsache, dass der Kläger erstmals eine langjährige Haftstrafe verbüßt, spricht nicht gegen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Zwar kann - worauf er hingewiesen hat - die erstmalige Verbüßung einer (längeren) Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr eines neuen Straffälligwerdens mindern (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B.v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 12 m. w. N.). Demgegenüber hat die Beklagte aber zu Recht darauf verwiesen, dass der Kläger in der Vergangenheit nicht nur zweimal während offener Bewährung erneut gravierende Straftaten begangen hat, sondern sich auch von einer 6-monatigen Untersuchungshaft nicht hat beeindrucken lassen; nur ca. zwei Monate nach der Entlassung aus dieser Untersuchungshaft infolge eines (zunächst) freisprechenden Urteils des Landgerichts M. II hat er eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, indem er seiner früheren Freundin aus nichtigem Anlass mehrfach mit der Faust und der flachen Hand bzw. der Rückhand ins Gesicht geschlagen und ihr auch im Verlauf des Folgetages noch mehrmals Schläge und Tritte versetzt hat. Vor diesem Hintergrund geht der Senat nicht davon aus, dass die Verbüßung der aktuellen Freiheitsstrafe den Kläger bereits so nachhaltig beeindruckt und er sich mit seiner kriminellen Vergangenheit so auseinandergesetzt hat, dass es zu einem nachhaltigen Einstellungswandel gekommen ist und er keiner Bewältigungsstrategie in Form der Bagatellisierung seiner Taten mehr bedarf. Der noch inhaftierte Kläger hat sich außerhalb der Justizvollzugsanstalt noch nicht über einen längeren Zeitraum bewährt und durch gesetzeskonformes Verhalten gezeigt, dass er auch ohne den Druck des Strafvollzugs vor allem in Krisensituationen in der Lage ist, nicht erneut straffällig bzw. gewalttätig zu werden. Eine gute Führung während der Haft und die „erfolgreiche“ Teilnahme an einem Rehabilitationsprogramm (in 33 Gruppensitzungen), das Straftäter in die Lage versetzen soll, im Leben effektiver zu Recht zu kommen, reichen insoweit jedenfalls noch nicht.

Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass beim Kläger nach der Haftentlassung ein geeigneter und realistischer sozialer Empfangsraum im Sinne der von der Gutachterin angesprochenen „erforderlichen haltgebenden Strukturen“ vorhanden wäre. Die Ehefrau des Klägers und Klägerin (zu 2.), mit der er nach seiner Haftentlassung - im Übrigen erstmals dauerhaft - in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben will, leidet nach den vorgelegten ärztlichen Berichten an zahlreichen psychischen Störungen und Erkrankungen. So wurden bei ihr u. a. eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, Opiatabhängigkeit, Opiatentzugssyndrom, Alkoholabhängigkeit, Verdacht auf ADHS und Verdacht auf sonstige generalisierte Epilepsie und epileptische Syndrome diagnostiziert. Nach dem Vorbringen im Zulassungsantrag ist die Klägerin deshalb selbst dringend auf die Unterstützung des Klägers angewiesen. Auch die Mutter des Klägers, bei der nach den im Zulassungsverfahren vorgelegten Attesten ebenfalls orthopädische Probleme, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine reaktive Depression diagnostiziert wurden und bei der der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau entsprechend seinen Angaben bei der forensisch-psychiatrischen Begutachtung offensichtlich wohnen will, ist nach dem Zulassungsvorbringen ebenfalls auf „die Anwesenheit und Unterstützung des Klägers angewiesen“. Seine Mutter war im Übrigen schon bislang nicht in der Lage, ihm die „erforderlichen haltgebenden Strukturen“ zu vermitteln. Dass das künftig zusammen mit der schwer suchtkranken und unter schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen leidenden Ehefrau des Klägers, der Klägerin (zu 2.), gelingen könnte, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Das vorgelegte Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrags als Servicekraft in einem Café nach der Haftentlassung ist demgegenüber nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die streitbefangene Ausweisung des Klägers weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 24. November 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG kann der Kläger dagegen für sich nicht in Anspruch nehmen, weil zum hier maßgeblichen Zeitpunkt ein eheliches Zusammenleben im Sinne einer tatsächlich gelebten ehelichen Lebensgemeinschaft nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat seiner Ehe mit der Klägerin (zu 2.) bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Recht kein großes Gewicht beigemessen, weil die Ehe erst während der Haft und im Wissen um die Straftaten und seiner durch die Ausländerbehörde bereits angekündigten Abschiebung, also einer unsicheren Aufenthaltsperspektive, geschlossen worden ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 50). Auch der Einwand, die Klägerin (zu 2.) sei auf die Unterstützung des Klägers angewiesen, greift nicht durch. Ungeachtet der verminderten Schutzwürdigkeit dieser Ehe ist weder nachvollziehbar dargelegt, dass und auf welche Lebenshilfeleistungen die erkrankte Klägerin tatsächlich angewiesen wäre, noch geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass der Kläger jemals solche Hilfeleistungen tatsächlich erbracht hätte. Demgemäß greift auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt bzw. fehlgewichtet, dass der Klägerin (zu 2.) als deutscher Staatsangehöriger ein Leben mit dem Kläger in Albanien nicht zumutbar sei, nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des aus den genannten Gründen stark geminderten Vertrauensschutzes vielmehr zu Recht darauf verwiesen, dass den Klägern nach der Ausreise des Klägers auch die Führung einer „Fernbeziehung“ beschränkt auf Kontakte mithilfe elektronischer Medien sowie auf gelegentliche Besuche zumutbar sei.

Auch die familiären Beziehungen des Klägers zu seiner Mutter und seiner Schwester, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, hat das Verwaltungsgericht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Die Rüge des Klägers, die Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch seine Mutter, die ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen an einer reaktiven Depression, einem chronischen Schmerzsyndrom und mehreren orthopädischen Erkrankungen (insbesondere chronisch progrediente Gonarthrose links, Bandscheibenvorfall L5/S1, Fingerpolyarthrosen, multiple Tendinosen) leide, ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen könne und auf die Unterstützung durch ihre Familienangehörigen angewiesen sei, greift ebenfalls nicht durch. Denn auch bezüglich der Mutter ist weder dargelegt, auf welche Lebenshilfeleistungen diese tatsächlich angewiesen sein soll, noch geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass der Kläger jemals solche Hilfeleistungen tatsächlich erbracht hätte. Die pauschale und unsubstantiierte Feststellung im vorgelegten ärztlichen Attest des Arztes für Allgemeinmedizin/Psychotherapie Dr. B. C. vom 15. April 2014, wonach die Patientin im Alltag der Unterstützung durch die Angehörigen bedürfe, weil sie ihren Alltag nicht alleine bewältigen könne, reicht dafür jedenfalls nicht aus. In den vom Kläger weiter vorgelegten Attesten vom April und Mai 2015 ist im Übrigen von einer bei der Mutter erforderlichen Unterstützung im Alltag nicht die Rede.

Das Zulassungsvorbringen, der Kläger sei bei einer Rückkehr in Albanien wegen einer Familienfehde von Blutrache und damit dem Tod bedroht, ist schon nicht schlüssig. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, der sich mit seinen Eltern und seiner Schwester bereits seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, entsprechend einer erstmals im Zulassungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des Vereins zur Versöhnung der Blutrache Tirana vom 28. August 2014 sich in einer Fehde mit der Familiensippe S. befinden und insbesondere von den Bürgern A.S. und U.S. mit dem Tod bedroht werden solle, egal wo er sich befinde. Unabhängig davon könnte auch nicht angenommen werden, dass die behauptete Gefahr für den Kläger landesweit besteht und der albanische Staat grundsätzlich nicht willens und in der Lage ist, vor Übergriffen Schutz zu bieten bzw. dagegen vorzugehen (vgl. etwa OVG Saarl, B.v. 18.12.2015 - 2 A 128/15 - juris Rn. 12 m. w. N.).

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger trotz seines inzwischen 22-jährigen Aufenthalts in Deutschland und eingeschränkter albanischer Sprachkenntnisse zuzumuten sei, nach Albanien zurückzukehren, wo er als 31-jähriger gesunder Mann Arbeit und ein Auskommen finden könne. Dabei hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger, der einen beachtlichen Teil seiner Kindheit in seinem Heimatland verbracht hat und dort auch zur Schule gegangen ist, zwar den ganz überwiegenden Teil seines Lebens in Deutschland gelebt hat, dass von einer gelungenen sozialen oder gar wirtschaftlichen Integration in die Verhältnisse in der Bundesrepublik jedoch gleichwohl nicht ausgegangen werden kann. Auch insoweit verfängt der klägerische Einwand, er verfüge in Albanien über keine tragfähigen sozialen Bindungen mehr und spreche nur noch gebrochen albanisch, letztlich nicht.

Einwände gegen die vom Verwaltungsgericht rechtlich nicht beanstandete Befristung der Wirkungen der Ausweisung des Klägers auf zuletzt sieben Jahre und die Abweisung der Klage der Klägerin (zu 2.) als unbegründet wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Senftl Zimmerer Dihm

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 23. September 1982 in Prizren geborene Kläger‚ ein serbischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit‚ reiste im Alter von fast 13 Jahren zu seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern ein. Seit 2001 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Mit seiner Klage wendet er sich gegen seine mit Bescheid vom 21. Februar 2014 verfügte Ausweisung‚ die vor dem Hintergrund von drei Freiheitsstrafen vor allem wegen Körperverletzungen‚ Diebstählen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in den letzten fünf Jahren‚ die in der Summe drei Jahre und acht Monate ergeben‚ ausgesprochen wurde. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt er seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter. Der Kläger besitzt einen am 9. November 2011 ausgestellten Reisepass der Republik Serbien. Das Amtsgericht Dachau ordnete mit Urteil vom 29. Oktober 2012 die Unterbringung des Klägers in einer Entziehungseinrichtung an.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit bestünden nur dann‚ wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG‚ B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Allerdings konnte die Ausweisung nicht als zu einer Regelausweisung herabgestufte (§ 53 Nr. 1, § 56 Abs. 1 Satz 3, 4 AufenthG) Ausweisung verfügt werden. Vielmehr liegt hier eine Ausnahme von der Regel vor, die eine weitere Herabstufung notwendig macht und eine Ausweisung nur noch nach Ermessensausübung zuläßt, weil „durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten“ (BVerwG‚ U.v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129‚ 367 = juris Rn. 24). Diese Folgerung ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK‚ der jedermann das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens garantiert und einen Eingriff hierin nur zulässt‚ soweit er u. a. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zur Verhütung von Straftaten notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Der Kläger‚ der im Alter von zwölf Jahren in das Bundesgebiet eingereist ist, sich seit etwa 20 Jahren hier aufhält und seit 2001 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt, hat glaubhaft vorgetragen‚ dass sich praktisch sein gesamtes Privatleben im Bundesgebiet abspielt; Beziehungen zu seinem Herkunftsland hat er wohl nur noch zu seinem dort lebenden älteren Bruder‚ während drei weitere Geschwister und die Eltern im Bundesgebiet leben. Danach bedarf es - unabhängig von der nicht „gelungenen Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland“ (UA‚ S. 11) - im Rahmen einer Ausweisung aber einer individuellen Würdigung‚ inwieweit er im Bundesgebiet verwurzelt ist (BVerwG‚ a. a. O., juris Rn. 25). In diesen Fällen bietet der vom Gesetzgeber im Ausweisungsrecht - neben der zwingenden und der Regel-ausweisung - vorgesehene dritte Entscheidungsmodus in der Verwaltungspraxis die höhere Gewähr für eine Berücksichtigung sämtlicher Aspekte des jeweiligen Einzelfalls und deren angemessene Gewichtung (BVerwG‚ a. a. O.). Die beiden vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht zu dieser Frage zitierten Entscheidungen (OVG Saarl, B.v. 20.4.2011 - 2 B 208/11 - juris; VG Darmstadt‚ B.v. 21.12.2005 - 8 G 2120/05 - juris) befassen sich im Übrigen nicht mit dem Verhältnis von Regel- zu Ermessensausweisung‚ sondern damit‚ ob ein Ausländer allein wegen seiner Verwurzelung einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK) haben kann.

2. Die vom Beklagten (vorsorglich) ausgesprochene Ausweisung nach Ermessensausübung‚ die das Verwaltungsgericht als rechtmäßig angesehen hat‚ begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie ist trotz des darin liegenden Eingriffs in das Privatleben des Klägers als Maßnahme zur Verhinderung weiterer gravierender strafbarer Handlungen notwendig und stellt sich auch unter Berücksichtigung seiner umfassend gewürdigten persönlichen Verhältnisse als nicht unverhältnismäßig dar.

Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Urteil unter der Annahme der Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 1 EMRK aus‚ wegen der Intensität des strafrechtlich bedeutsamen Verhaltens des Klägers und seiner mangelnden Integration in das Bundesgebiet sei die Ausweisung weder bezüglich des mit ihr verfolgten spezialpräventiven noch des generalpräventiven Zwecks zu beanstanden. Im Ausweisungsbescheid‚ auf den das Verwaltungsgericht Bezug nimmt‚ wird auf eine konkrete Wiederholungsgefahr im Hinblick auf erneut zu erwartende schwere Rechtsgutverletzungen verwiesen, die Grundinteressen der Gesellschaft berührten; bei dem Kläger handele es sich um einen Gewohnheitskriminellen‚ weshalb die Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten nur durch eine Ausweisung wirksam unterbunden werden könne. Insbesondere habe er als drogensüchtiger Straftäter die notwendige Therapie noch nicht erfolgreich abgeschlossen‚ weshalb eine Wiederholungsgefahr nach wie vor bestehe. Demgegenüber weist der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen darauf hin‚ dass er sich seit dem 14. Januar 2014 wegen der bei ihm diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstörung vor dem Hintergrund einer Polytoxikomanie in einer Entziehungseinrichtung befinde und dort seither drogen- und alkoholabstinent geblieben sei‚ so dass die Fortführung des Maßregelvollzugs als therapeutisch und sozialprognostisch sinnvoll erachtet werde. Er bereite sich auf den allgemeinen Mittelschulabschluss vor. Laut einer Bestätigung der Klinik vom 24. September 2014 stehe seine Aufnahme in die Lockerungsstufe C bevor‚ womit er einer Außenbeschäftigung nachgehen könne. Er weise eine glaubhafte Veränderungs- und Abstinenzmotivation auf. Mit Schreiben vom 21. April 2015 teilte der Kläger mit‚ dass er nun in der Stufe D außerhalb der Klinik arbeiten dürfe, bereits einen Arbeitsplatz als Gärtnerhelfer gefunden habe und damit seine Integration in die Arbeitswelt vorantreibe. Außerdem plane er für Ende 2015, die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zu schließen. Das zuständige Landratsamt habe ihm bereits am 11. Juni 2015 eine zunächst auf sechs Monate befristete Duldung ausgestellt‚ die es ihm ermögliche‚ seine Verlobte in Stuttgart zu besuchen‚ wohin er zu einem späteren Zeitpunkt ziehen wolle.

Diese Ausführungen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B.v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B.v. 14.11.2012 - 10 ZB 12.1172 - juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann weder im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (11. Oktober 2014) ausgegangen werden noch nach den im Zeitpunkt dieser Entscheidung bekannten Erkenntnissen. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger nicht nur illegale Betäubungsmittel - seit seinem 18. Lebensjahr auch Heroin - konsumiert hat, sondern teilweise parallel dazu Medikamenten- und Alkoholmissbrauch betrieben hat (vgl. Protokoll der kbo-Stufungskonferenz vom 24. September 2014). Entsprechend der nachvollziehbaren Einschätzung der behandelnden Ärzte besteht eine erhöhte Rückfallgefahr in Gruppensituationen und bei Konfrontationen mit Angeboten aus dem alten Milieu sowie bei psychischer und emotionaler Belastung; daraus können neuerliche Straftaten vor allem im Sinne einer Beschaffungskriminalität resultieren. Den multiplen Missbrauch verschiedener Substanzen entsprechend dem Krankheitsbild einer Polytoxikomanie erklärt der Kläger selbst damit, so die Wirkungen einer zunächst konsumierten Droge zu verstärken oder ihnen entgegenzuwirken. Beim Kläger kommt hinzu‚ dass er bisher mindestens 13 stationäre Entgiftungen hinter sich hat‚ außerdem zwei erfolglose Langzeittherapien im September 2009 und im Jahr 2012 (vgl. Bl. 41 der Gerichtsakte). Bei seiner letzten Entgiftung ist er gegen ärztlichen Rat im Jahr 2011 trotz noch nicht abgeschlossener Behandlung entlassen worden. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch zum heutigen Tage nach wie vor eine vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender Straftaten, insbesondere erneuter Gewaltdelikte.

Die im strafrechtlichen Urteil vom 29. Oktober 2012 angeführten‚ für ihn sprechenden Umstände vermögen hieran angesichts des langjährigen Drogen-‚ Tabletten- und Alkoholmissbrauchs nichts zu ändern. Es ist wie in vergleichbaren Fällen nicht von der Hand zu weisen‚ dass der Kläger seine derzeitige Abstinenz vor allem unter dem Druck der Ausweisung und des anhängigen Gerichtsverfahrens aufrechterhält. Vor diesem Hintergrund mögen sein unauffälliges Verhalten während der Therapie‚ seine dort offenbar an den Tag gelegte Veränderungsbereitschaft‚ die Teilnahme an den therapeutischen Einzelgesprächen und schließlich die Aufnahme einer Außenarbeit auf der Basis einer ausländerrechtlichen Duldung mit Arbeitserlaubnis zwar positive Ansätze darstellen; sie reichen aber angesichts des bis in frühe Lebensjahre zurückgehenden Missbrauchs verschiedener Betäubungs- und Genussmittel noch nicht aus‚ um bereits heute eine positive Prognose abgeben zu können. Gleiches gilt für den Hinweis im Zulassungsvorbringen‚ der Strafvollzug habe auf ihn als „Erstverbüßer eine abschreckende Wirkung“. Welchen positiven Einfluss schließlich die hervorgehobenen familiären Bindungen des Klägers zu seinen Eltern und Geschwistern im Bundesgebiet im Hinblick auf die konkrete Gefahr erneuter Straftaten haben sollen‚ ist nicht erkennbar.

Das angefochtene Urteil erweist sich aber nicht nur im Hinblick auf die spezialpräventiv motivierte Zielrichtung der Ausweisung als unangreifbar‚ sondern begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als es die generalpräventiven Überlegungen zur Ausweisung billigt. Art. 8 Abs. 1 EMRK würde im Übrigen auch eine ausschließlich generalpräventiv begründete Ausweisung eines „verwurzelten“ Ausländers nicht ausschließen (BVerwG, U.v. 14.2.2012 - 1 C 7/11 - BVerwGE 142, 29 = juris Rn. 20 f., m.w. Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit generalpräventiv begründeter Ausweisungen).

Das Zulassungsvorbringen vermag auch nicht mit dem Vorwurf durchzudringen, es habe keine § 55 Abs. 3 AufenthG genügende Interessenabwägung stattgefunden. In der angefochtenen Entscheidung wird zu Recht darauf verwiesen, dass sich der Bescheid (vgl. 2.4.3, S. 18 - 22) mit sämtlichen Umständen auseinandersetzt, die für und gegen den weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet sprechen, und damit eine im Rahmen von § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandende Abwägung und Gewichtung vornimmt.

Das angefochtene Urteil begegnet auch nicht deshalb ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit‚ weil die Ausweisung unverhältnismäßig im Sinn von Art. 8 Abs. 1 EMRK wäre. In diesem Zusammenhang trägt der Kläger vor‚ das Verwaltungsgericht habe nur die Aspekte betont‚ die gegen seine Integration im Bundesgebiet sprächen‚ jedoch ausgeklammert‚ dass er dem Kosovo völlig entfremdet sei. Auch die Behauptung im Urteil‚ er habe nicht einmal ein Schulabschluss erworben‚ sei schlichtweg falsch; sogar der Beklagte habe im Ausweisungsbescheid auf den von ihm erworbenen Hauptschulabschluss hingewiesen. Die Ausweisung führe zum Verlust sämtlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet. Jegliche Bindungen zum Herkunftsstaat fehlten. Sein im Kosovo lebender Bruder sei alkoholabhängig und verlege seinen Wohnsitz gerade nach Slowenien. Im Ergebnis stehe die Ausweisung damit nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werde das Fehlen jeglicher Bindungen zum Herkunftsstaat als gewichtiger Grund für die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung angesehen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Kläger keine ernsthaften Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. Die genannten Umstände machen den durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in das Recht auf Privatleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. z. B. EGMR, U.v. 18.10.2006 - 46410/99 - NVwZ 2007, 1279) nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff. So führt insbesondere die dem Kläger auferlegte Übersiedlung in sein Herkunftsland nicht zu einer unverhältnismäßigen Härte. Es ist ihm zuzumuten‚ sich dort ein neues „Privatleben“ aufzubauen und seine vorhandenen albanischen Sprachkenntnisse wieder aufzufrischen. Seine Beziehun-gen zu den im Bundesgebiet verbleibenden Familienangehörigen kann er auf andere Weise pflegen‚ zumal die Entfernung zwischen dem Kosovo und Bayern kein unüberwindbares Hindernis darstellt. Auch der behauptete Fortzug des Bruders aus dem Kosovo würde an dem Ergebnis ebensowenig etwas ändern wie der - vom Verwaltungsgericht verkannte - Umstand, dass der Kläger im Bundesgebiet einen Schulabschluss erworben hat. Die von der Beklagten verfügte Wiedereinreisesperre von drei Jahren eröffnet im Übrigen durchaus die Möglichkeit einer Rückkehr in das Bundesgebiet bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1, 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der am ... 1991 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist und unter anderem wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzungen zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und fünf Monaten verurteilt worden ist, verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter, mit der er die Aufhebung seiner Ausweisung sowie die Verpflichtung der Beklagten begehrt, über seinen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.). Außerdem ist nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; II.).

I.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Der Kläger macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung über die Ausweisung und die Verpflichtung zur Neuverbescheidung des Antrags auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die schutzwürdigen Interessen des Klägers aus Art. 8 EMRK und Art. 7 EU-GR-Charta unberücksichtigt gelassen. Die Ausweisung des Klägers, der in Deutschland geboren sei, über keine türkischen Sprachkenntnisse verfüge, dessen gesamte Familie in Deutschland lebe, der seinen Freundes- und Bekanntenkreis in Deutschland habe und der niemals in der Türkei gewesen sei, stelle einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Ein solcher Eingriff sei nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, wenn er in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und insbesondere verhältnismäßig sei. Das Verwaltungsgericht sei insoweit zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein die von ihm angenommene Wiederholungsgefahr die Ausweisung verhältnismäßig mache. Auf die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen sei, wobei er den größten Teil seiner Kindheit in einem deutschen Kinderheim verbracht habe, und dass er keinerlei Bezug zu seinem Heimatland habe, erwähne das Gericht mit keinem Wort. Damit habe das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eines faktischen Inländers unter Verstoß gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen Maßstäbe eindeutig zulasten des Klägers zu berücksichtigende Umstände herausgestrichen und die familiären Bindungen des Klägers in Deutschland sowie die nicht bestehende Bindung zu seinem Heimatland unberücksichtigt gelassen oder jedenfalls fehlerhaft gewichtet. Diese Ausführungen begründen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

a) Zwar beziehen sich die eigenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausschließlich auf die Frage, ob die Beklagte zu Recht annimmt, dass vom Kläger, der nach Ansicht der Beklagten nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt ist und daher nach Art. 14 ARB 1/80 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AufenthG nur ausgewiesen werden darf, wenn sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - juris Rn. 80; BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 13; BayVGH, U. v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris Rn. 32), eine Wiederholungsgefahr ausgegangen ist. Jedoch hat das Verwaltungsgericht darüber hinaus von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Das Verwaltungsgericht ist zu Beginn der Entscheidungsgründe ausdrücklich der Begründung des Bescheids der Beklagten vom 25. Februar 2013 gefolgt, mit dem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden ist. Es hat darauf hingewiesen, dass es deshalb von einer vollständigen Darstellung der Entscheidungsgründe absehe. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht nur ergänzend ausgeführt, dass es die Prognoseentscheidung der Beklagten hinsichtlich des Fortbestehens der Gefahr weiterer Straftaten des Klägers teile und dass die im Bescheid vom 25. Februar 2013 nach § 11 Abs. 1 AufenthG festgesetzte Frist von fünf Jahren, innerhalb der der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten dürfe, nicht zu beanstanden sei.

Ist damit aber die Begründung des Bescheids der Beklagten vom 25. Februar 2013 Bestandteil der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils geworden (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 25. Ergänzungslieferung 2013, § 117 Rn. 20 m. w. N.), so hat das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht des Klägers dessen schutzwürdige Interessen aus Art. 8 EMRK und damit auch aus Art. 7 EU-GR-Charta nicht unberücksichtigt gelassen, der im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens den in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entspricht (vgl. EuGH, U. v. 15.11.2011 - Dereci u. a., C-256/11 - juris Rn. 70; BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 16.12 - juris Rn. 23). Insbesondere trifft es nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die Tatsache, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen sei, wobei er den größten Teil seiner Kindheit in einem deutschen Kinderheim verbracht habe, und dass er keinerlei Bezug zu seinem Heimatland habe, mit keinem Wort erwähnt und damit im vorliegenden Fall eines faktischen Inländers unter Verstoß gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschrechte und vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen Maßstäbe die familiären Bindungen des Klägers in Deutschland sowie die nicht bestehende Bindung zu seinem Heimatland unberücksichtigt gelassen habe.

Der Bescheid vom 25. Februar 2013 hat die persönlichen Interessen des Klägers, einschließlich der durch Art. 8 EMRK geschützten, bei der Entscheidung über die Ausweisung ausdrücklich berücksichtigt. Der Kläger sei in Deutschland geboren und aufgewachsen und lebe seitdem in Deutschland. Er sei faktischer Inländer, der sich auf Art. 8 EMRK berufen könne. Die Eltern des Klägers lebten in Deutschland, zwei Geschwister in München. Der Kläger habe seit seinem sechsten Lebensjahr ausschließlich in Heimen gelebt. Bis dahin habe er sich allerdings an den Wochenenden bei seinem Vater oder anderen Familienangehörigen aufgehalten. Außerdem legt der Bescheid dar, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben nie in der Türkei gewesen sei und weder Türkisch spreche noch verstehe.

b) Soweit der Kläger schließlich meint, das Verwaltungsgericht habe seine familiären Bindungen in Deutschland und die nicht bestehende Bindung zu seinem Heimatland jedenfalls fehlerhaft gewichtet, stellt er ebenfalls weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Die Beklagte und damit im Hinblick auf § 117 Abs. 5 VwGO auch das Verwaltungsgericht haben die familiären Bindungen des Klägers in Deutschland und die nach Ansicht des Klägers nicht bestehende Bindung zu seinem Heimatstaat folgendermaßen bewertet: Der Kläger sei in Deutschland geboren und aufgewachsen. Seine Eltern und seine beiden Geschwister lebten in der Bundesrepublik. Der Kläger habe sein ganzes Leben im Bundesgebiet verbracht. Seine Bindungen zur Türkei dürften gering sein. Trotzdem habe er sich in Deutschland nicht so integrieren können, dass ihm eine Ausreise in die Türkei als Land seiner Staatsangehörigkeit nicht zumutbar wäre. Seit seinem sechsten Lebensjahr habe der Kläger in Heimen gelebt. Bis dahin habe er jedoch die Wochenenden bei seinem damals sorgeberechtigten Vater oder anderen Familienangehörigen verbracht. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er in dieser Zeit die türkische Sprache gelernt habe. Dies sei umso wahrscheinlicher, als sich gerade die erste und zweite Generation von Zuwanderern noch in ihrer Muttersprache unterhalte. Auch seine Mutter habe 2009 erklärt, dass der Kläger, wenn auch nicht fließend, Türkisch sprechen könne. Die sprachlichen Defizite könne der Kläger in der Haft beheben. Auch wenn der Kläger seit 1996 in den Heimen, in denen er gelebt habe, hauptsächlich von deutschen Erziehern betreut worden sei, habe er nicht sämtliche Verbindungen zu seiner Heimat abgebrochen. Er habe im Jahr 2009 zeitweise bei seiner Mutter gelebt und habe weiter Kontakt zu seinen Geschwistern.

Mit diesen Ausführungen setzt der Kläger sich aber in keiner Weise substantiiert auseinander. Mit seinem nicht näher erläuterten Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe seine Bindungen zur Bundesrepublik und zur Türkei falsch gewichtet, stellt er sie daher auch nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

2. Darüber hinaus macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe die vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen Maßstäbe auch deshalb falsch angewendet, weil es unberücksichtigt gelassen habe, dass die Strafvollstreckungskammer den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe ausgesetzt habe. Der Kläger habe zwischenzeitlich einen neuen Therapieplatz in einer Einrichtung in Bad Aibling erhalten und werde die Therapie Ende 2013 beginnen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass bei der Interessenabwägung im Rahmen einer Aufenthaltsbeendigung auch der durch die Strafhaft eingeleitete und durch die Haftaussetzung in die Wege geleitete Resozialisierungsprozess zu berücksichtigen sei, der durch die Aufenthaltsbeendigung unterbrochen werde. In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs heiße es in Bezug auf den dortigen Kläger, diesem werde in der Türkei eine adäquate Auseinandersetzung mit seinem Fehlverhalten vor allem wegen der fehlenden sozialen Integration in die dortigen Lebensverhältnisse kaum möglich sein. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass der Kläger, dem bereits die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Ablauf der Befristung zugesichert worden sei, bei seiner Wiedereinreise wegen der nicht abgeschlossenen Resozialisierung erneut Straftaten begehen werde. Auch diese Ausführungen des Klägers begründen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Zunächst hat das Verwaltungsgericht schon nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Strafvollstreckungskammer den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe ausgesetzt und der Kläger einen Therapieplatz für eine weitere Drogentherapie erhalten hat. Es hat vielmehr ausdrücklich berücksichtigt, dass der Kläger auf sein eigenes Betreiben hin am 3. Juni 2013 auf Bewährung aus der Haft entlassen worden ist und eine stationäre Entwöhnungsbehandlung begonnen hat. Es hat darüber hinaus im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B. v. 14.11.2012 - 10 ZB 12.1172 - juris Rn. 6 m. w. N.) dargelegt, dass von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden könne, solange der Kläger nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Straf- und Therapieende glaubhaft gemacht habe. Auf dieser Grundlage ist das Verwaltungsgericht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die kurze und wegen eines Rückfalls am 3. Oktober 2013 abgebrochene Therapie nicht die Prognose rechtfertige, der Kläger werde künftig in der Lage sein, ein drogen- und gewaltfreies Leben zu führen. Daran ändert es nach Ansicht des Verwaltungsgerichts schließlich nichts, dass der Kläger möglicherweise in absehbarer Zeit eine neue Therapie beginnen wird, für die ihm ein Therapieplatz in einer Einrichtung in Bad Aibling in Aussicht gestellt worden ist. Selbst wenn der Kläger tatsächlich den Therapieplatz erhalte und mit der Therapie beginne, reiche dies für eine Verneinung der Wiederholungsgefahr nicht aus

b) Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen geltend macht, die Haftaussetzung und die Fortsetzung der Therapie seien nicht nur im Rahmen der Gefahrenprognose, sondern unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierungsmöglichkeiten für den Kläger auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, begründet auch dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Zwar kann bei der Ermessensentscheidung über die Ausweisung im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch der Resozialisierungsgedanke zu berücksichtigen sein (vgl. BayVGH, U. v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris Rn. 36). Denn nach dieser Rechtsprechung ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen, dass bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen einen jugendlichen Straftäter die Verpflichtung zur Beachtung des Kindeswohls auch die Pflicht mit einschließt, seine Resozialisierung zu erleichtern (EGMR, U. v. 23.6.2008 - Maslov II, Nr. 1638/03 - InfAuslR 2008, 333/334). Jedoch handelt es sich beim Kläger nicht um einen jugendlichen Straftäter, bei dessen Ausweisung das Kindeswohl zu berücksichtigen wäre. Denn er hat die Straftaten, die seiner Ausweisung zugrunde liegen, weitgehend nicht als Minderjähriger, sondern als Volljähriger begangen. So war er insbesondere bei den Körperverletzungen gegenüber Polizeibeamten anlässlich einer Personenkontrolle am 6. Dezember 2011, bei der bei ihm Betäubungsmittel gefunden wurden, 20 Jahre alt. Auch am 3. November 2009, als der Kläger zwei Personen mit einem Messer am Unterarm und an der Hand verletzte, war der Kläger 18 Jahre alt und damit bereits volljährig. Die Körperverletzung vom 4. Juni 2011, die darin bestand, dass der Kläger einem anderen mit der Hand überraschend von hinten mit der Folge auf den Hinterkopf schlug, dass dieser zu Boden ging und Kopfschmerzen und Schmerzen am Fuß erlitt, beging der Kläger schließlich im Alter von 19 Jahren.

Es kommt hinzu, dass der Kläger nicht näher darlegt, wie sich eine Unterbrechung der weiteren Drogentherapie durch die Ausweisung auf die Resozialisierung ausgewirkt hätte. Es ist deshalb auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Berücksichtigung dieser Auswirkungen Folgen für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gehabt hätte. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht darauf hinweist, dass nach der in ihren ergänzenden Ermessenserwägungen geäußerten Ansicht der Beklagten eine Drogentherapie auch in der Türkei absolviert und gegebenenfalls auch staatlich finanziert werden könne, und der Kläger sich damit in seiner Zulassungsbegründung in keiner Weise auseinandersetzt.

II.

Schließlich ist die Berufung auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Denn der Kläger hat nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist.

Der Kläger leitet die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten daraus ab, dass das Verwaltungsgericht die Besonderheiten, dass der Kläger nicht in einer türkischen Familie, sondern in einem deutschen Kinderheim aufgewachsen sei und hier seine wesentliche Sozialisation erfahren habe, dass er über keine türkischen Sprachkenntnisse verfüge und keinerlei Kontakte zu seinem Heimatland habe, nicht in ausreichender Weise hinterfragt und berücksichtigt habe. Er sieht damit die besonderen Schwierigkeiten des Falles darin, dass das Verwaltungsgericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen sei. In einem solchen Fall kann nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO aber verlangt werden, dass der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags diese Aspekte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - juris Rn. 17). Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründung jedoch nicht. Denn sie enthält keinerlei Ausführungen, aus denen sich der Schwierigkeitsgrad der Gesichtspunkte ersehen ließe, die das Verwaltungsgericht nach Ansicht des Klägers nicht hinreichend hinterfragt und berücksichtigt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. September 2012 ist gegenstandslos geworden.

III.

Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.

IV.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Da der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Beschluss einzustellen und auszusprechen, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. September 2012 nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden ist.

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Kläger und der Beklagten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen, weil die Beklagte bei einer Entscheidung in der Hauptsache (nur) zu einer Neuverbescheidung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten gewesen wäre und die Berufung damit (nur) teilweise Erfolg gehabt hätte.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2012 wäre aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten gewesen, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung des Klägers (Einreise- und Aufenthaltsverbot) unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

1. Da für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs als Berufungsgericht maßgeblich ist, ist auf die Regelungen des § 11 AufenthG in der seit 24. Oktober 2015 geltenden Fassung abzustellen. Für einen Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, gilt nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Dauer von Amts wegen nach Ermessen zu befristen ist (§ 11 Abs. 2 und 3 AufenthG).

2. Dabei bedarf es nach Ansicht des Senats regelmäßig keiner getrennten Festlegung einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung und einer Befristung der Wirkungen der Abschiebung. Die Wirkungen beider Maßnahmen sind nach § 11 Abs. 1 AufenthG identisch (vgl. die Legaldefinition „Einreise- und Aufenthaltsverbot“ in § 11 Abs. 1 AufenthG). Die Frist beginnt nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Ausreise (bzw. Abschiebung); mehrere gesonderte Fristen würden somit „parallel laufen“, ohne dass ein Unterschied zu erkennen wäre. Daher ist insoweit weder ein prozessuales Rechtsschutzbedürfnis noch materiell ein schützenswertes Interesse für die Festsetzung unterschiedlicher Fristen ersichtlich (offenbar anderer Ansicht, insoweit aber ohne Begründung: OVG Lüneburg, B.v. 25.6.2013 - 8 PA 98/13 - InfAuslR 2013, 336 Rn. 21).

3. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 Rn. 27), wonach trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts die Entscheidung über die Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot eine gebundene Entscheidung darstelle (siehe hierzu ausführlich das Urteil des Senats vom 12.7.2016 - 10 BV 14.1818). Die für die Bestimmung der Länge der Sperrfrist maßgeblichen Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, und der anschließenden Relativierung anhand höherrangiger Rechtsnormen, und damit die Ausrichtung am Zweck der Ermächtigung und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG), überprüft das Gericht vollständig (§ 114 Satz 1 VwGO). Doch verbleibt der Behörde mit dem vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessen ein - wenn auch geringer - Spielraum bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, die sich an den verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Wertentscheidungen messen lassen muss.

4. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, wie lange also die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen (siehe hierzu ausführlich das Urteil des Senatsvom 12.7.2016 - 10 BV 14.1818).

Bei der hier vorzunehmenden Gefahrenprognose besteht entgegen der Ansicht des Erstgerichts (UA. Rn. 17), keine Bindung an die Entscheidung des zuständigen Strafvollstreckungsgerichts, die Vollstreckung des Strafrestes der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Dabei sind sie an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB sind zwar von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar; von ihnen geht aber weder eine Bindungswirkung noch eine Regelvermutung aus, selbst wenn zu ihrer Vorbereitung ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde (vgl. ausführl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10/12 - NVwZ-RR 2013, 435 Rn. 17 ff. m. w. N.). Nach Überzeugung des Senats gilt nichts anderes für die insoweit gleichlaufende Gefahrenprognose im Rahmen der Bestimmung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot.

Auch das vom Erstgericht hervorgehobene Verhalten des Klägers im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung unter Dritten, bei dem er nach eigenem Vorbringen dem Opfer das Leben gerettet habe (UA Rn. 53), ist nach Meinung des Senats nicht von vornherein zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Insoweit handelt es sich eher um einen „neutralen“ Gesichtspunkt, der nur dann entscheidend zugunsten des Klägers sprechen würde, wenn sich daraus Rückschlüsse für eine relevante Verminderung der vom Kläger ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ergeben würden.

Die Beklagte hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. August 2012 zwar ausführliche Erwägungen insbesondere im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Frist angestellt, jedoch - der Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses entsprechend - kein Ermessen ausgeübt.

5. Nach § 11 Abs. 2 Satz 5 u. 6 AufenthG (eingeführt durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung mit Wirkung zum 1. August 2015) kann die Befristung zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit; tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der „bedingten Befristung“ anzuordnende längere Frist. Die von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 23. August 2012 vorgenommene Befristung unter der Bedingung der Vorlage eines Nachweises über die Straffreiheit war daher grundsätzlich zulässig (vom Erstgericht wurde dies im angefochtenen Urteil nicht mehr angesprochen; siehe hierzu ausführlich das Urteil des Senats vom 12.7.2016 - 10 BV 14.1818).

Gleichwohl verstieß die Regelung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids gegen § 11 Abs. 2 Satz 5 u. 6 AufenthG. Denn durch diese Fassung des Bescheids wurde nur eine „bedingte Befristung“ verfügt, nicht aber - worauf der Kläger einen Anspruch hat - eine „längere Befristung“ für den Fall, dass die Bedingung nicht eintritt (§ 11 Abs. 3 Satz 6 AufenthG). Damit gilt aber das Einreise- und Aufenthaltsverbot in dem Fall, dass die Bedingung nicht eintritt, im Ergebnis unbegrenzt, was gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verstößt.

6. Hätte die Beklagte nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren Bescheid um diese „unbedingte“ Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergänzt und wäre infolge dessen nicht der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, hätte der Senat nach alledem deswegen den streitgegenständlichen Bescheid aufheben und die Beklagte zur Neuverbescheidung unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichten müssen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Da damit eine Verpflichtung der Beklagten zur Festsetzung einer bestimmten Frist nicht in Betracht gekommen wäre, wäre das Urteil des Erstgerichts abzuändern gewesen, allerdings nicht in dem Umfang, dass die Klage - wie von der Beklagten erstrebt - insgesamt abzuweisen gewesen wäre. Die Berufung hätte damit (nur) teilweise Erfolg gehabt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

I.

In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2015 wird Nr. 2 des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14. März 2015 und 24. Juni 2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Nr. 1 des Bescheides vom 22. Juli 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte ein Viertel, der Kläger drei Viertel.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14. März 2015 und 24. Juni 2016 weiter, soweit sie erfolglos geblieben ist. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die Wirkungen der Ausweisung wurden zuletzt auf sechs bzw. fünf Jahre befristet.

Der am 1. Januar 1989 in der Republik Jugoslawien geborene Kläger, ein kosovarischer Volkszugehöriger, reiste im August 1998 zusammen mit seiner Mutter zu seinem Vater in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. September 1998 einen Asylantrag.

Nachdem das Asylverfahren zunächst erfolglos verlaufen war, stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 14. Mai 2002 fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich der Republik Jugoslawien vorlägen. Beim Kläger sei eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden, die nach Auskunft des Auswärtigen Amtes im Kosovo nicht behandelt werden könne.

Der Kläger erhielt zunächst eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG i. V. m. § 53 Abs. 6 AuslG und schließlich am 22. November 2005 eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 35 AufenthG.

Der Kläger ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

- Urteil des Jugendgerichts des Amtsgerichts München vom 18. November 2009: Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 19 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit drei selbstständigen Fällen des Diebstahls in Mittäterschaft

- Urteil des Jugendgerichts des Amtsgerichts München vom 19. Januar 2011: Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schwerem Fall in Mittäterschaft unter Einbeziehung der verhängten Bewährungsstrafe

- Urteil des Landgerichts München vom 25. Oktober 2011: Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls.

Wegen dieser Verurteilung leitete die Beklagte ein Verfahren zum Widerruf des beim Kläger vorliegenden Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, dass die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme der Begünstigung nach § 73 Abs. 3 AsylVfG nicht vorlägen und daher ein Aufhebungsverfahren nicht eingeleitet werde.

Der Kläger befand sich vom 1. Juli 2009 bis 18. November 2009 in Untersuchungshaft. Ab dem 14. November 2010 befand er sich erneut in (Untersuchungs-)Haft. Er verbüßte anschließend die Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil vom 19. November 2011 und die Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 25. Oktober 2011.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), untersagte die Wiedereinreise (Nr. 2) und forderte ihn zur Ausreise auf. Sollte der Kläger nicht freiwillig ausreisen, werde sein Aufenthalt geduldet (Nr. 3).

Die Ausweisung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Kläger sei seit April 2009 immer wieder straffällig geworden. Er habe in einer Vielzahl von Einzelfällen Heroin verkauft, um sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Zudem sei er mit mehreren Mittätern in zwei Gaststätten und einen Baucontainer eingebrochen, wo Werkzeuge und Tresore mit Wertsachen entwendet worden seien. Bei der Strafzumessung sei berücksichtigt worden, dass der Kläger durch die Kriegsereignisse im Heimatland schwer traumatisiert sei und es ihm daher nicht möglich sei, sich altersgerecht zu verhalten. Es seien Reifeverzögerungen festgestellt worden. Zudem sei berücksichtigt worden, dass der Kläger durch vorangegangenen Kokainkonsum enthemmt gewesen sei. Die erste Verurteilung, die Bewährungsentscheidung und der erstmalige Hafteindruck hätten ihn jedoch völlig unbeeindruckt gelassen. Bereits zwei Wochen nach der Hauptverhandlung habe er versucht, mit einem Mittäter in einen Zeitschriftenladen einzubrechen, und habe hierzu die Eingangstüre aufgebrochen. Am 1. Oktober 2010 habe er zusammen mit einem Mittäter in eine Filiale einer Imbisskette eingebrochen und einen Tresor entwendet, in dem sich 2.491 Euro befunden hätten. Am 14. November 2010 habe er versucht, mit zwei Mittätern in eine Bäckerei einzubrechen. Der Kläger sei offenbar nicht in der Lage oder gewillt, ein rechtskonformes Leben im Bundesgebiet zu führen. Im Alter von 19 Jahren habe er begonnen, in erheblichem Umfang und mit enormer Rückfallgeschwindigkeit Straftaten zu begehen und sich von keiner strafgerichtlichen Sanktion von weiteren Straftaten abhalten lassen. Dass er sich nunmehr, nach Ablauf von fast drei Jahren Haft, kooperativ zeige, entspreche dem typischen Bild eines Straftäters. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass durch die weitere Anwesenheit des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland auch künftig schwerwiegend gefährdet werde. Nach der Art und dem Umfang der begangenen Straftaten müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer konkreten Gefahr neuer Störungen ausgegangen werden. Die Integration des Klägers in Deutschland sei gescheitert. Der Kläger habe in seinem Heimatland die Grundschule besucht und bis zu seinem neunten Lebensjahr dort gelebt. Auch seine Mutter sei erst im Jahr 1998 zusammen mit dem Kläger nach Deutschland eingereist, so dass davon auszugehen sei, dass in der Familie die Sprache und die Gepflogenheiten des Heimatlandes weiter geführt worden seien. Der Kläger sei volljährig und nicht auf den Beistand seiner Eltern angewiesen. Mit der Ausweisung erlösche der Aufenthaltstitel. Aufgrund des fortbestehenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG werde der Aufenthalt des Klägers weiter geduldet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.

Mit Beschluss vom 27. April 2014 setzte die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung des Rests der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 19. Januar 2011 und des Rests der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 25. Oktober 2011 ab dem 1. Juni 2014 zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Kläger wird auf die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und der Leitung der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe unterstellt.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2014 vernahm das Verwaltungsgericht die Bewährungshelferin des Klägers. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Weiterhin legte der Kläger eine Bestätigung von Condrobs vom 27. November 2014 sowie den Befundbericht der Diplompsychologin M. vom 3. Dezember 2014 vor.

Mit Schriftsätzen vom 20. Januar 2015 und 4. März 2015 ergänzte die Beklagte ihr im Bescheid ausgeübtes Ermessen. Sie berücksichtigte insbesondere die Entlassung aus der Strafhaft auf Bewährung und die Aussagen der Bewährungshelferin in der mündlichen Verhandlung. Sie befristete unter Änderung der Nr. 2 des Bescheids vom 22. Juli 2013 die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre.

Mit Urteil vom 15. April 2015 änderte das Verwaltungsgericht die Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung vom 4. März 2015 dahingehend ab, dass die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sechs Jahren befristet werden. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Auf Antrag des Klägers ließ der Senat mit Beschluss vom 21. August 2015 die Berufung gegen das Urteil vom 15. April 2015 zu.

Zur Begründung der Berufung verwies der Kläger zunächst auf die Begründung des Zulassungsantrags vom 24. Juni 2015. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine nach wie vor bestehende konkrete Wiederholungsgefahr angenommen. Zudem habe das Verwaltungsgericht den langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers und das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der Traumatisierung nicht hinreichend berücksichtigt.

Im Erörterungstermin vom 16. Februar 2016 wurde die Sach- und Rechtslage bezüglich des seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrechts mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger legte einen Untersuchungsbefund vom 12. Februar 2016 vor, wonach in seinem Urin keine Hinweise auf Opiate und Kokain gefunden worden seien. Er habe stets nur Opiate und Kokain konsumiert. Seit seiner Haftentlassung habe er ca. sieben Drogenberatungsgespräche bei Condrobs absolviert. Dort sei ihm geraten worden, zunächst seine Traumatherapie zu beenden. Bezüglich der psychotherapeutischen Traumabehandlung legte der Kläger eine Bestätigung vom 15. Februar 2016 vor. Derzeit arbeite der Kläger auf geringfügiger Basis als Küchenhilfe und warte auf eine Festanstellung. Den Schulabschluss habe er in der Justizvollzugsanstalt nicht nachholen können, weil dies an der Haltung der Beklagten gescheitert sei.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 änderte die Beklagte Nr. 2 des Bescheids vom 22. Juli 2013 erneut. Unter der Bedingung, dass keine weiteren Ausweisungsgründe bekannt würden, ferner Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen sowie die Meldeverhältnisse ab Ausreise lückenlos belegt würden, werde das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre befristet. Die Frist beginne mit der Ausreise. Werde diese Bedingung nicht erfüllt, betrage die Sperrfrist sechs Jahre ab Ausreise. Die Beklagte verwies auf das Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten und die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr. Zu seinen Gunsten sprächen sein langer Aufenthalt, die familiären Bindungen und das Abschiebungsverbot.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 beantragt der Kläger,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Juni 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausweisung auch unter Geltung des neuen Ausweisungsrechts für rechtmäßig, weil vom Kläger nach wie vor eine Wiederholungsgefahr ausgehe. Trotz des bestehenden Abschiebungshindernisses verblieben in spezialpräventiver Hinsicht die gewünschte Verschlechterung des ausländerrechtlichen Status und eine mögliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Generalpräventiv diene die Ausweisung der Abschreckung in vergleichbaren Fällen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2015 hat nur teilweise Erfolg. Seine Klage auf Aufhebung der Ausweisungsentscheidung in Nr. 1 des Bescheides vom 22. Juli 2013 ist unbegründet, weil die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.). Soweit sich der Kläger gegen die in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Juli 2013 (geändert durch die Bescheide vom 4. März 2015 und 24. Juni 2016) verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung wendet, ist die Klage begründet, weil die Befristungsentscheidung der Beklagten rechtswidrig ist und er einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte neu über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; 2.).

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisungsverfügung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also hier des Verwaltungsgerichtshofs als Berufungsinstanz (st. Rspr.. vgl. BayVGH, U. v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris Rn. 29 m. w. N.). Rechtlicher Maßstab für die Überprüfung der von der Beklagten nach § 53 Nr. 1, § 56 Abs. 1 AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 gültigen Fassung (a. F.) verfügten Ausweisung sind daher die gesetzlichen Regelungen über die Ausweisung in der ab 17. März 2016 geltenden Fassung des Aufenthaltsgesetzes. Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 BGBl I S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (st. Rspr.; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 26; Welte, AuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, Vor §§ 53 bis 56 Rn. 5 ff., a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist vorliegend der Fall.

1.1 Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch gegeben. Denn es besteht noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger weiterhin Straftaten begehen wird, die sich insbesondere gegen das Eigentum anderer richten. Bei der vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2016 - 10 ZB 15.1968 - juris Rn. 10 m. w. N.). Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 1911 - juris Rn. 16 m. w. N.; U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Ausreichend, aber auch erforderlich für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr ist eine konkrete Rückfallgefahr. Eine solche konkrete Rückfallgefahr liegt nach Auffassung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) trotz der guten Entwicklung des Klägers während seiner Inhaftierung vom 14. November 2010 bis zum 1. Juni 2014 und seiner Straffreiheit während der nunmehr zweijährigen Bewährungszeit noch vor.

Der Kläger hatte im Zeitraum zwischen April und Ende Juni 2009 in mindestens 19 Fällen Heroingemisch verkauft und 100 g Heroingemisch angekauft. Am 1. Dezember 2009 versuchte er einen Einbruchsdiebstahl. Am 1. Oktober 2010 brach er in eine Imbissfiliale ein, ein weiterer Einbruchsversuch fand am 14. November 2010 statt.

Der Kläger ist damit innerhalb von eineinhalb Jahren massiv straffällig geworden. Er handelte nicht nur gewerbsmäßig mit Heroin, sondern beging bzw. versuchte zahlreiche Einbruchsdiebstähle, um sich eine sichere Einnahmequelle zu verschaffen. Besonders negativ für die zu treffende Prognoseentscheidung wirkt sich aus, dass der Kläger kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 18. November 2009 bereits am 1. Dezember 2009 einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall beging. Offensichtlich zeigte die mehr als fünf Monate dauernde Untersuchungshaft wegen Heroinhandels keine nachhaltigen Wirkungen in Bezug auf seine Delinquenz. In der Strafhaft entwickelte sich der Kläger positiv, so dass ihm die Justizvollzugsanstalt in der Stellungnahme vom 4. Juli 2013 eine vorsichtig positive Zukunftsprognose ausstellte. Schließlich setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg mit Beschluss vom 27. April 2014 den Rest der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und den Rest der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren unter Auflagen zur Bewährung aus, weil die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld die Reststrafenaussetzung befürwortet und die Staatsanwaltschaft sich deren Votum angeschlossen hatte. Für den Zeitraum nach der Haftentlassung ist jedoch festzustellen, dass der Kläger den Bewährungsauflagen im Beschluss vom 27. April 2014 teilweise nur zögerlich bzw. unter Druck nachkommt. Während die Bewährungshilfe im Bericht vom 6. August 2015 davon spricht, dass der Kläger sich neue berufliche Perspektiven erarbeiten wolle, intensiv in der Traumatherapie mitarbeite und die Kontakte und Gesprächstermine zur Bewährungshilfe zuverlässig wahrnehme, berichtet die Bewährungshelferin in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 2016 davon, dass sich der Kläger seit September 2015 nicht an die Termine mit der Bewährungshilfe halte. Zu den Gesprächsterminen sei er weder erschienen noch habe er sich entschuldigt. Ein Termin mit der Bewährungshelferin fand erst statt, als ihm mit Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 4. Februar 2016 die Einleitung des Bewährungswiderrufsverfahrens angedroht worden war. Der Kläger nahm dann zwar einen Gesprächstermin am 15. Februar 2016 wahr, in der Stellungnahme vom 21. Juni 2016, die in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 vorgelegt worden war, teilte die Bewährungshelferin jedoch erneut mit, dass die Kontakthaltung mit dem Kläger unbefriedigend verlaufe und er auf ein Schreiben vom 15. März 2016 nicht reagiert habe. Insoweit hat der Kläger zwar vorgetragen, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe. Auffallend ist jedoch, dass der Kläger nur auf ausdrückliche Aufforderung der Bewährungshelferin den Kontakt hält.

Entsprechend den Auflagen im Beschluss vom 17. April 2014 hat der Kläger eine Traumatherapie begonnen. Im Bericht vom 15. Februar 2016 führt die Therapeutin aus, dass der Kläger regelmäßig, wenn auch teilweise verspätet, zu den Stunden gekommen sei und weitgehend motiviert mitgearbeitet habe. Die mit der posttraumatischen Belastungsstörung verbundenen Impulskontrollstörungen hätten sich deutlich reduziert.

Insgesamt hat der Senat aus dem Gesamtergebnis der vorgelegten Bescheinigungen zu den Bewährungsauflagen und den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 die Überzeugung gewonnen, dass sein Wohlverhalten dem Druck der noch bestehenden Bewährung und einem etwaig drohenden Bewährungswiderruf geschuldet ist und es ihm schon jetzt Mühe bereitet, die Bewährungsauflagen einzuhalten. Hinzu kommt, dass die Straffälligkeit des Klägers zumindest durch die bestehende posttraumatische Belastungsstörung und die Impulskontrollstörung mitverursacht war, so dass, solange die Verhaltenstherapie nicht erfolgreich abgeschlossen ist, auch insoweit die Gefahr besteht, dass der Kläger erneut straffällig wird. Bezüglich der Gefahrenprognose wirkt sich auch zulasten des Klägers aus, dass er seit seiner Haftentlassung auf dem Arbeitsmarkt noch nicht Fuß fassen konnte. Auch wenn seine derzeitige aufenthaltsrechtliche Situation zu den Schwierigkeiten, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden, beitragen mag, so liegt eine weitere Ursache dafür auch im fehlenden Schulabschluss und der fehlenden Berufsausbildung. Der Kläger hat seit seiner Haftentlassung keine Anstrengungen unternommen, sich insoweit, zum Beispiel durch Berufspraktika, weiter zu qualifizieren.

1.2 Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, weil er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden ist.

1.3 Diesem gesetzlich vertypten Ausweisungsinteresse steht ein ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, weil der Kläger seit 22. November 2005 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist.

1.4 Die nach § 53 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 AufenthG unter Berücksichtigung der in § 54, § 55 AufenthG normierten Ausweisungsinteressen und Bleibeinteressen vorzunehmende Abwägungsentscheidung führt hier zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer Ausreise das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Die streitbefangene Ausweisung erweist sich unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG aufgeführten Umstände und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 8 EMRK als verhältnismäßig.

1.4.1 Im Rahmen der Ausweisungsentscheidung sind die abwägungserheblichen Interessen zutreffend zu ermitteln und zu gewichten. Es ist ein Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen herzustellen, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Im Rahmen seiner Gestaltungskompetenz hat der Gesetzgeber sowohl für das Ausweisungs- als auch für das Bleibeinteresse normative Gewichtungen vorgenommen (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., § 53 Rn. 50). Generalpräventive Aspekte sind Teil des öffentlichen Ausweisungsinteresses. Nach der Gesetzesbegründung kann eine Ausweisungsentscheidung daher grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise des Ausländers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die in § 53 Abs. 2 AufenthG - nicht abschließend - aufgeführten Kriterien orientieren sich an den durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten sog. Boultif/Üner Kriterien (EGMR, U. v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 45273/00 - InfAuslR 2001, 476, U. v. 18.10.2006 - Üner, Nr. 46410/99 - NVwZ 2007, 1229). Bei der Abwägung zu berücksichtigen sind danach die Art und die Schwere der begangenen Straftaten, wobei die vom Gesetzgeber vorgenommene typisierende Gewichtung zu beachten ist, das Verhalten des Ausländers nach der Tatbegehung sowie die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielstaat.

1.4.2 Für den weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet spricht, dass er bereits seit seinem 10. Lebensjahr im Bundesgebiet lebt, er hier die Schule besucht hat, wenn auch ohne Abschluss, und sehr gut deutsch spricht. Der lange Aufenthalt des Klägers ist entsprechend der gesetzlichen Typisierung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse zu bewerten. Wirtschaftliche Bindungen des Klägers im Bundesgebiet bestehen nicht. Er kann keine Berufsausbildung vorweisen und war auch vor seiner Inhaftierung überwiegend nur geringfügig beschäftigt. Eine eigene Kernfamilie hat der Kläger noch nicht gegründet. Er hat zwar eine Freundin, Anhaltspunkte dafür, dass er eine Intensivierung dieser Beziehung anstreben würde, sind nicht ersichtlich. Seine Eltern und Geschwister leben im Bundesgebiet, bei einem Erwachsenen ist aber den familiären Bindungen kein allzu großes Gewicht mehr beizumessen. Die Art und die Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten sind entsprechend der Bestimmung in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ebenfalls als besonders schwerwiegend einzustufen, wobei nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass der Kläger das gesetzlich als besonders schwerwiegend eingestufte Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG durch seine Verurteilungen zweimal verwirklicht hat.

1.4.3 Die aus spezialpräventiven Gründen für das Überwiegen des Ausweisungsinteresses sprechenden Gesichtspunkte, die wegen der vom Kläger nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr weiterhin zu berücksichtigen sind, verlieren nicht deshalb ihre Bedeutung, weil er wegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht in sein Heimatland abgeschoben werden kann. Nach der zum alten Ausweisungsrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 31.8.2004 - 1 C 25.03 - juris Rn. 15) schloss der Umstand, dass ein Ausländer wegen des Bestehens von Abschiebungshindernissen nicht in sein Heimatland abgeschoben werden konnte, eine Ausweisung grundsätzlich nicht aus. Eine Ausweisung könne ihren ordnungsrechtlichen Zweck sowohl unter spezialpräventiven als auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten auch dann erreichen, wenn sie nicht zu einer Abschiebung des Ausländers in sein Heimatland, sondern nur zu einer Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Position im Bundesgebiet führe (vgl. zur Generalprävention BVerwG, B. v. 18.8.1995 - 1 B 55.95 - juris Rn. 9; Discher in GK-Aufenthaltsgesetz, vor §§ 53 ff Rn. 429). Unter Geltung des alten Ausweisungsrechts hatte die Ausländerbehörde das Bestehen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG a. F. in ihre Ermessenserwägungen einzustellen bzw. war die Ausweisung unverhältnismäßig, weil sie ihren Zweck, den Ausländer wegen der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr aus dem Bundesgebiet zu entfernen, nicht erreichen konnte (Discher, a. a. O.; § 55 Rn. 1370; Graßhof in Beck´scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand: 1.1.2015, § 55 Rn. 52). Der Senat hatte die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. April 2015 zugelassen, weil die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung diesen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt hatte. Im ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ist das Bestehen eines Abschiebungsverbots mangels Ermessensentscheidung bei der Gewichtung des öffentlichen Ausweisungsinteresses zu berücksichtigen und kann unter bestimmten Umständen auch zum Wegfall des Ausweisungsinteresses führen.

Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Ein unter spezialpräventiven Gesichtspunkten zu berücksichtigendes öffentliches Ausweisungsinteresse kann auch bei Bestehen von Duldungsgründen dann bejaht werden, wenn mit der Ausweisung ein Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht oder einer weiteren Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt wird oder Aufenthaltsbeschränkungen ausgelöst werden (vgl. VGH BW, U. v. 21.4.2010 - 11 S 200/10 - juris Rn. 60). Vorliegend führt die Ausweisung des Klägers zum Erlöschen seines Aufenthaltstitels und somit unabhängig von § 61 AufenthG auch zur Einschränkung seiner Reise- und Bewegungsfreiheit. Auch wenn die damit verbundene Aufenthaltsbeschränkung beim Kläger aus spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht zwingend notwendig sein dürfte, verhält es sich bei dem mit der Ausweisung verbundenen Erlöschen des durch die Niederlassungserlaubnis vermittelten Aufenthaltsrechts anders. Gegenwärtig ist nicht absehbar, wie lange das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen bleibt, so dass der Kläger, um überhaupt wieder die Chance zu bekommen, einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG oder § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und damit einen gesicherten Aufenthalt zu erhalten, kein neues Ausweisungsinteresse begründen, d. h. keine neuen Straftaten begehen darf. Insoweit kommt daher der Ausweisung trotz des bestehenden Abschiebungsverbots verhaltenssteuernde Wirkung zu (zu diesem Erfordernis VGH BW, U. v. 13.1.2016 - 11 S 889/15 - juris Rn. 138).

Auch wenn das auf spezialpräventiven Gesichtspunkten beruhende öffentliche Ausweisungsinteresse im Hinblick auf die dem Kläger zu erteilenden Duldungen als nicht so gewichtig einzustufen ist, führt jedenfalls die zusätzliche Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen dazu, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt. Anderen Ausländern, die einen Aufenthaltstitel und unabhängig davon Abschiebungsschutz besitzen, wird deutlich vor Augen geführt, dass durch die Begehung von Straftaten mit dem durch die Ausweisung bedingten Erlöschen des Aufenthaltstitels gravierende Nachteile wie zum Beispiel räumliche Beschränkungen oder der Verlust der mit einem Aufenthaltstitel verbundenen Sozialleistungen einhergehen, auch wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet tatsächlich nicht beendet werden kann.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass abgesehen von der bloßen Dauer des Aufenthalts keine gewichtigen Bleibeinteressen des Klägers bestehen, so dass das auf spezial- und generalpräventiven Gründen beruhende Ausweisungsinteresse letztlich überwiegt.

2. Die Klage hat jedoch Erfolg, soweit sie sich gegen die zuletzt mit Bescheid vom 24. Juni 2016 neu gefasste Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs bzw. fünf Jahre ab Ausreise richtet. Die Festsetzung der Länge der Sperrfrist erweist sich als ermessensfehlerhaft, so dass die Beklagte zu verpflichten ist, erneut über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu entscheiden.

2.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Verwaltungsgerichtshofs als Berufungsgericht (BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 18.14 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Abzustellen ist daher auf die Regelungen des § 11 AufenthG in der seit 24. Oktober 2015 geltenden Fassung des Aufenthaltsgesetzes. Für einen Ausländer, der ausgewiesen ist, gilt nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Dauer von Amts wegen nach Ermessen zu befristen ist (§ 11 Abs. 2 und 3 AufenthG).

2.2 Begehrt der Kläger die Verkürzung der von der Behörde verfügten Dauer der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot, so ist richtige Klageart nach Auffassung des Senats die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO). Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich bislang nicht eindeutig, ob die Verkürzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Wege der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage verfolgt werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11: Verpflichtungsklage; U. v. 14.3.2013 - 1 B 17.12, U. v. 15.4.2013 - 1 B 22.12: Anfechtungsklage - alle juris). Der Senat ist bislang davon ausgegangen, dass dann, wenn die Verwaltungsbehörde - wie hier - bereits eine Befristungsentscheidung erlassen hat, die Anfechtungsklage die richtige Klageart für eine begehrte Verkürzung der Frist ist (BayVGH, B. v. 15.1.2016 - 10 ZB 15.1998 - juris Rn. 4). In der aktuell gültigen Fassung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat der Gesetzgeber nun bestimmt, dass über die Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ermessen entschieden wird. Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Länge der Frist grundsätzlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Rahmen überprüfen darf. Eine Verkürzung der Dauer der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot durch das Gericht selbst kommt also nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In allen anderen Fällen ist zwar die Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufzuheben, jedoch muss das Gericht der Verwaltungsbehörde erneut Gelegenheit geben, ihr Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben. Dies kann jedoch nur im Rahmen einer Verpflichtungsklage erreicht werden (für den vorläufigen Rechtsschutz: vgl. OVG Lünebürg, B. v. 14.12.2015 - 8 PA 199/15 - juris). Zusammen mit der Änderung des § 11 AufenthG hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG neu eingefügt, wonach Widerspruch und Klage gegen die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber betonen, dass ein Rechtsbehelf des Ausländers gegen die Befristungsentscheidung die Durchsetzung der Ausreisepflicht unberührt lässt (BT-Drs. 18/4097, S. 58). Aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG ergibt sich jedoch nicht, dass der Rechtsschutz gegen eine Befristungsentscheidung stets im Rahmen einer Anfechtungsklage zu erfolgen hat.

2.3 Der vom Kläger im Berufungsverfahren gestellte Antrag, die Befristungsentscheidung der Beklagten in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Juli 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Juni 2016 aufzuheben, ist bei sachgerechter Würdigung des Klagebegehrens dahin auszulegen, dass er für den Fall, dass die Ausweisungsentscheidung im Berufungsurteil nicht aufgehoben wird, hilfsweise zumindest eine angemessene Verkürzung der Dauer der Befristung erreichen will und die Festsetzung der Länge der Frist der Entscheidung des Senats überlässt. Nach § 88 VwGO darf das Gericht zwar nicht über das Klagebegehren hinausgehen, es ist aber nicht an die Fassung der Klageanträge gebunden, sondern hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzziel zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (BVerwG, B. v. 13.1.2012 - 9 B 56.11 - juris Rn. 7).

2.4 Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Mit der Neufassung der gesetzlichen Bestimmung wollte der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris) den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisieren (BT-Drs. 18/4097, S. 36). Der Senat teilt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857 - juris Rn. 27), wonach trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts die Entscheidung über die Länge der Frist für das Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots eine gebundene Entscheidung darstelle (siehe schon BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 54). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil ausgeführt, aus der unionsrechtlichen Prägung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. durch Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG, Art. 8 EMRK, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG ergebe sich, dass der ausgewiesene Ausländer einen Rechtsanspruch auf Befristung habe und dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei. An der bisherigen Auffassung, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. die Dauer der Befristung in das Ermessen der Ausländerbehörde stelle, werde nicht mehr festgehalten (BVerwG, a. a. O., Rn. 33). Zuvor hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch klargestellt (Rn. 32), dass sich die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. nicht zu der Frage verhalte, ob die Bemessung der Frist in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt sei (siehe auch Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, AufenthG, § 11 Rn. 40). Aus den vom Bundesverwaltungsgericht genannten Vorschriften ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer Neuregelung der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot kein Ermessen einräumen dürfe, weil die Dauer der Frist einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung unterliegen müsse. Insbesondere enthalten Art. 12 und 13 der Richtlinie 2008/115/EU keine Regelungen über die gerichtliche Kontrolldichte der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbot. Aus dem unionsrechtlichen Anspruch auf Befristung der Wirkungen einer Rückkehrentscheidung (zur Frage, ob die Ausweisung überhaupt eine solche darstellt vgl. VGH BW, B. v. 15.10.2013 - 11 S 2114 - juris Rn. 6), folgt nicht zwangsläufig, dass bei der Bestimmung der Länge der Frist der zuständigen Behörde kein, wenn auch durch die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben deutlich eingeschränkter, Ermessensspielraum verbleiben darf. Die für die Bestimmung der Länge der Sperrfrist maßgeblichen Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, und der anschließenden Relativierung anhand höherrangiger Rechtsnormen überprüft das Gericht vollständig. Der Behörde kann bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfirst dennoch ein Ermessenspielraum eingeräumt sein. Denn die verfassungsrechtlich und unionsrechtlich geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich regelmäßig nicht auf die Bestimmung einer taggenauen Frist reduzieren. Letztendlich handelt es sich damit bei dem der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessen um einen - wenn auch - geringen Spielraum bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, die sich an den verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Wertentscheidungen messen lassen muss (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 11 Rn. 31). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach ein struktureller Widerspruch zur Ausgestaltung der Ausweisung als gebundene Entscheidung bestünde, wenn der Behörde bei der Befristungsentscheidung eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre (VGH BW, U. v. 9.12.2015, a. a. O. juris Rn. 27), teilt der Senat nicht. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, „eine Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit“ zu erreichen (BT-Drs. 18/4097, S. 50).

2.5 Die Bestimmung der Länge der Frist erfolgt einem ersten Schritt anhand einer prognostischen Einschätzung, wie lange die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist anhand der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu überprüfen und ggf. zu verkürzen (vgl. BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese auch nach neuem Recht gültigen Kriterien hat die Beklagte bei der Festsetzung der Frist für das Einreise-, Aufenthalts- und Titelerteilungsverbot nicht hinreichend berücksichtigt.

Bei der prognostischen Beurteilung der vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr hat die Beklagte ausschließlich auf das Gewicht der begangenen Straftaten abgestellt, ohne zu berücksichtigen, dass er seit seiner Entlassung aus der Strafhaft keine Straftaten mehr begangen hat und sich jedenfalls um die therapeutische Aufarbeitung seiner Impulskontrollstörung bemüht. Daher ist die Beklagte in dem ersten Schritt von einer zu langen Dauer der Frist ausgegangen. Weiterhin hat die Beklagte bei der Bemessung der Dauer der Sperrfrist nicht berücksichtigt, dass wegen des bestehenden Abschiebungsverbotes nicht ausschließlich die Gefahrenprognose ausschlaggebend sein kann, sondern - vorrangig - die Notwendigkeit einer verhaltenssteuernden Wirkung der durch die Ausweisung bewirkten Titelerteilungssperre aus spezialpräventiven Gründen. Denn Erwägungen zur Abwehr einer vom betroffenen Ausländer ausgehenden Gefahr verlieren auch bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG an Bedeutung, wenn der betreffende Ausländer das Land nicht verlässt oder verlassen kann, weil ein Abschiebungshindernis besteht.

Zudem hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung außer Acht gelassen, dass im vorliegenden Fall unklar ist, wann die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots konkret zu laufen beginnt, weil der Kläger wegen des bestehenden Abschiebungsverbots nicht abgeschoben werden kann und die Frist erst mit der Ausreise beginnt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das Bestehen eines Ausreisehindernisses bedeutet zwar nicht, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot von vornherein nicht zum Tragen kommt (Maor in Beck´scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.2.2016, AufenthG, § 11 Rn. 11). In jedem Fall führt aber ein Verschieben des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Ausreise zur Verlängerung des gesetzlich in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Einreise- und Aufenthaltsverbots. Das Einreiseverbot und die Titelerteilungssperre verlängern sich also faktisch um die Dauer des Ausreisehindernisses. Bliebe das Abschiebungsverbot des Klägers auf Dauer bestehen, so hätte der Befristungsbescheid vom 24. Juni 2016 zur Folge, dass dem Kläger kein neuer Aufenthaltstitel erteilt werden kann und das Titelerteilungsverbot unbefristet wirkt. Dieses Ergebnis ist jedoch mit dem Grundsatz, dass der betroffene Ausländer einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen einer Ausweisung hat, nicht zu vereinbaren.

Die Befristungsentscheidung leidet daher unter einem Ermessensdefizit, weil die genannten Gesichtspunkte bei der Bestimmung der Fristdauer und der Festsetzung von Nebenbestimmungen bzw. Bedingungen nicht berücksichtigt worden sind. Demgemäß war die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

10 B 13.715

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 25. August 2014

(VG München, Entscheidung vom 21. Juli 2011, Az.: M 23 K 10.1455)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte:

- Ausweisung eines wegen Betäubungsmitteldelikten mehrfach verurteilten, Nigerianers, - Beziehungen des Ausländers zu seinen vier nichtehelichen Kindern von drei unterschiedlichen Müttern, - Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister,

dieser vertreten durch KVR HA II Ausländerangelegenheiten, Ruppertstr. 19, 80337 München,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern, als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, 80539 München,

wegen Ausweisung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juli 2011,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini ohne weitere mündliche Verhandlung

am 25. August 2014

folgendes Urteil:

I.

Unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 3. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Juli 2014 wird die Beklagte verpflichtet, über die Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt drei Viertel der Kosten des Berufungsverfahrens, die Beklagte trägt ein Viertel.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 2. November 1981 geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste seinen Angaben zufolge am 11. Juli 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte unter Angabe falscher Personendaten seine Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt - damals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - lehnte seinen Antrag mit Bescheid vom 29. September 2004 (rechtskräftig seit 17. Juli 2006) ab.

Anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten am 22. August 2006 legte der Kläger einen am 5. Juli 2006 ausgestellten nigerianischen Pass mit seinen tatsächlichen persönlichen Daten vor und teilte mit, dass seine deutsche Freundin, Frau A., von ihm schwanger sei. Dem Kläger wurde daraufhin eine Duldung erteilt. Nach der Geburt seiner deutschen Söhne Gabriel und Valentin am 22. September 2006 beantragte er unter Vorlage einer Vaterschaftsanerkennungsurkunde sowie von Erklärungen über die gemeinsame elterliche Sorge für die Kinder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und gab dabei an, die Kinder trotz getrennter Wohnsitze jeden Tag zu sehen und somit sein Sorgerecht auszuüben. Trotz einer Verurteilung durch das Amtsgericht München vom 21. Mai 2007 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen mittelbarer Falschbeurkundung erteilte die Beklagte dem Kläger am 15. Juni 2007 eine bis zum 14. Juni 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, verwarnte ihn aber zugleich mit Schreiben vom 15. Juni 2007. Am 13. Juni 2008 wurde die Aufenthaltserlaubnis bis zum 14. Juni 2010 verlängert, nachdem die Mutter seiner Kinder angegeben hatte, dass er sich regelmäßig um seine Kinder kümmere und sie jeden Monat Unterhaltszahlungen von ihm erhalte.

Am 2. Mai 2009 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen und mit Urteil des Amtsgerichts München vom 1. September 2009, rechtskräftig seit 1. Dezember 2009, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren vier Monaten verurteilt. Der Kläger hatte im Februar oder März 2009 einen Rucksack, in dem sich sieben Pakete mit insgesamt 2216,94 Gramm Marihuana mit einem Schwarzmarktwert von deutlich mehr als 10.000 Euro sowie eine elektronische Feinwaage befanden, in das Kellerabteil der Frau A. gebracht, den diese am 1. Mai aufgefunden und bei der Polizei abgegeben hat. Entgegen der Einlassung des Klägers im Strafverfahren, er habe den Rucksack lediglich für einen Bekannten aufbewahrt und dafür 600 Euro erhalten, die er wegen der Krankheit seines Vaters in Nigeria benötigt habe, ging das Strafgericht davon aus, dass der Kläger das Rauschgift in der Absicht aufbewahrt habe, es gewinnbringend weiterzuveräußern.

Nach Rechtskraft des Urteils hörte die Beklagte den Kläger sowie Frau A. zu dessen beabsichtigter Ausweisung an. Der Kläger trug vor, er sei von März bis Mai 2009 nach Nigeria geflogen, weil sein Vater krank gewesen sei. Er wolle aber wegen der Zwillinge im Bundesgebiet bleiben. Werde er abgeschoben, werde sein ganzes Leben zerstört.

Die Kindsmutter äußerte sich dahingehend, dass ihr von Anfang an klar gewesen sei, dass der Kläger keinen Unterhalt zahle und sie die Kinder allein erziehen werde. Er habe nicht gearbeitet, sondern seine Arbeitspapiere an Landsleute weitergegeben, habe aber immer Geld gehabt und sei mehrmals im Jahr nach Nigeria geflogen, wobei es nicht stimme, dass sein Vater krank sei. Er sei unregelmäßig zu ihr und den Kindern gekommen, habe nur etwas gegessen, geduscht und geschlafen, aber keinen Erziehungsbeitrag geleistet. Die Kinder würden ihn nach seinen langen Aufenthalten in Nigeria von teilweise sieben Wochen nicht wiedererkennen und auch nicht nach ihm fragen.

Mit Bescheid vom 3. März 2010 wies die Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet Deutschland aus (Nr. 1. des Bescheids), untersagte die Wiedereinreise (Nr. 2.) und drohte seine Abschiebung aus der Haft, hilfsweise vier Wochen nach Haftentlassung nach Nigeria oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 3.). Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei nach § 53 Nr. 2 AufenthG zwingend auszuweisen. Einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG besitze er nicht, da er mit seinen Kindern zu keinem Zeitpunkt in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sei keine andere Entscheidung zu treffen, denn der Kläger habe weder Unterhalt gezahlt noch einen Beitrag zur Betreuung der Kinder geleistet. Die Kindsmutter strebe das alleinige Sorgerecht an. Es sei ihm zuzumuten, die Beziehung zu den Kindern durch Telefon- und Briefkontakte aus dem Ausland aufrechtzuerhalten bzw. die Kinder mittels Betretungserlaubnissen in Deutschland zu besuchen. Vorsorglich gehe die Beklagte aufgrund der Bindungen zu den Zwillingen davon aus, dass über die Ausweisung im Ermessenswege zu entscheiden sei. Eine Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Ausweisung, nämlich der Verhinderung weiterer Straftaten im Bundesgebiet sowie der Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln, und den persönlichen Interessen des Klägers, nämlich den Bindungen zu seinen Kindern, führe zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Klägers dessen private Interessen überwiege. Die Ausweisung sei auch nicht unverhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK und Art. 6 GG.

Mit Schriftsatz vom 30. März 2010 ließ der Kläger gegen den Ausweisungsbescheid Klage erheben und vortragen, er könne sich auf den besonderen Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG berufen, da er mit seinen Kindern jedenfalls partiell in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe. Er habe sich lediglich bei Frau A. nicht angemeldet, weil die Wohnung vom Sozialamt bezahlt worden sei. Mit einem Video sowie mit seinem Handy und der zugehörigen Simkarte könne er belegen, dass er täglich Telefonkontakt mit den Kindern auch aus Nigeria gehabt und mit ihnen Geburtstag gefeiert habe. Seine Abschiebung sei zudem im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 21. September 2010 beantragte der Kläger zusätzlich, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 6. September 2010 zu verpflichten, ihm eine Duldung für sechs Monate zu erteilen, und verwies darauf, dass er bereits am 26. Juli 2010 bei der Beklagten einen Antrag auf befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise auf Erteilung einer Duldung, gestellt habe. Mit Schreiben der Beklagten vom 6. September 2010 habe diese dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt, dass weder die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung noch die Erteilung einer Duldung in Betracht komme.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 lehnte die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Landsberg a. Lech die Aussetzung des Strafrests nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitstrafe zur Bewährung ab. Nach den Gesamtumständen beim Kläger sei es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde. Mit weiterem Beschluss vom 31. Mai 2011 ordnete die Auswärtige Strafvollstreckungskammer nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe Führungsaufsicht für fünf Jahre an. Am 31. August 2011 wurde der Kläger aus der Strafhaft entlassen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Juli 2011 ergänzte die Beklagte die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. März 2010 und befristete die Wirkungen der Ausweisung bzw. Abschiebung auf sieben Jahre nach Abschiebung bzw. Ausreise unter der Bedingung, dass keine neuen Ausweisungsgründe bekannt werden. Zudem ergänzte sie das bereits im Bescheid ausgeübte Ermessen dahingehend, dass zugunsten des Klägers rein vorsorglich davon ausgegangen werde, dass vor seiner Inhaftierung eine Lebensgemeinschaft zwischen ihm und seinen beiden Kindern bestanden habe, dass der Kläger lediglich im abgeurteilten Umfang gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe -Frau A. hatte ihn am 30. Juni 2011 bei der Polizei weiterer Betäubungsmitteldelikte bezichtigt - und dass er 2007/2008 erwerbstätig gewesen sei. Jedoch erscheine die Ausweisung nach wie vor notwendig und angemessen, denn der Kläger sei schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten. Von erheblicher Bedeutung sei dabei die Tatsache, dass eine vorzeitige Entlassung abgelehnt worden sei. Die Ausweisung sei nicht nur spezialpräventiv, sondern auch generalpräventiv begründet, da der Ausweisungsanlass besonders schwer wiege und vergleichbare Täter abgeschreckt werden könnten. Der Kläger besitze zudem noch enge Bindungen an sein Heimatland. Hinsichtlich der Erteilung einer Duldung wurde der Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Mit Urteil vom 21. Juli 2011 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der Klage auf Erteilung einer Duldung ein, hob die in der mündlichen Verhandlung ergänzte Befristungsentscheidung (Nr. 2 Satz 2 des Bescheids vom 3.3.2010) auf und wies die Klage im Übrigen ab. Der Ausweisungsbescheid der Beklagten vom 3. März 2010 erweise sich als im Wesentlichen rechtmäßig. Es spreche zwar viel dafür, dass zwischen dem Kläger und seinen beiden deutschen Kindern keine familiäre Lebensgemeinschaft i. S. des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG bestehe und deshalb ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG ausscheide. Jedoch sei die Beklagte zugunsten des Klägers von Bindungen zu seinen Kindern ausgegangen und habe über die Ausweisung nach Ermessen entschieden. Diese Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Klage habe jedoch Erfolg, soweit es um das befristete Wiedereinreiseverbot gehe, denn die Beklagte habe nicht zu erkennen gegeben, warum sie ein Wiedereinreiseverbot von mehr als fünf Jahren festgesetzt und welche Gründe sie ihrer Befristungsentscheidung zugrunde gelegt habe.

Mit Schriftsatz vom 30. November 2011 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten rechtsfehlerfrei sei. Eine Überprüfung unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK müsse zugunsten des Klägers ausfallen. Dieser habe seit seiner Entlassung aus der Haft Ende August 2011 wieder Kontakt zu seinen beiden Kindern. Mit diesen werde eine emotionale Beziehung aufgebaut. Er nehme den Kontakt, der für die Kinder zur Stabilisierung sehr wichtig sei, regelmäßig wahr. Zusätzlich fänden fast täglich Telefonate zwischen ihm und den Kindern statt. Der Kläger hätte nach der Haftentlassung auch einen Arbeitsplatz gehabt, wenn ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt worden wäre. Im August 2012 teilte der Kläger ergänzend mit, er habe die Mutter seines dritten deutschen Kindes, Frau B., zufällig wieder getroffen und wolle mit ihr jetzt eine Familie gründen. Er legte die Kopie einer standesamtlichen Urkunde vom 23. Juli 2012 über die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind Alicia Samira B., geboren am 4. Juni 2005, vor.

Am 21. Dezember 2012 erließ das Amtsgericht München (Az. 512 F 14102/12) auf Antrag von Frau A. einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz, wonach dem Kläger insbesondere verboten wurde, sich in einem bestimmten Umkreis um die Wohnung von Frau A. aufzuhalten und Kontakt zu ihr aufzunehmen. Die Anordnung wurde bis 21. Juni 2013 befristet und beruhte darauf, dass der Kläger Frau A. im Dezember 2012 massiv bedrängt hatte.

Mit Beschluss vom 2. April 2013 hat der Senat die Berufung im Hinblick auf die erst im Zulassungsverfahren vorgebrachten Bindungen des Klägers zu seinem dritten deutschen Kind zugelassen.

Zur Begründung der Berufung führte der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen ergänzend aus, der angefochtene Ausweisungsbescheid sei deshalb rechtswidrig, weil die Beziehung des Klägers zu seinen leiblichen Kindern, insbesondere zu seinem dritten deutschen Kind, einer Ausweisung entgegenstehe. Der Kläger kümmere sich intensiv um seine Tochter und habe zu dieser eine enge familiäre Beziehung. Aber auch im Hinblick auf seine beiden Zwillinge sei der Kläger bemüht, die Beziehung nicht nur zu den beiden Kindern, sondern auch zur Kindsmutter zu normalisieren. Schließlich sei auch der Ausweisungsanlass nicht mehr aktuell. Der Kläger habe seine Strafe verbüßt und sei seitdem nicht mehr rückfällig geworden. Auch generalpräventive Gesichtspunkte hätten kein Gewicht mehr. Sobald ihm eine Erwerbstätigkeit erlaubt werde, werde er wieder arbeiten.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2013 legte der Kläger eine Sorgerechtserklärung vom 20. Juni 2013 vor, in der er und Frau B. erklärten, die elterliche Sorge für ihre Tochter Alicia gemeinsam übernehmen zu wollen.

Ebenfalls am 20. Juni 2013 hat der Kläger in einer notariellen Urkunde die Kindsmutter Frau B. bevollmächtigt, ihn bei der Ausübung seines Sorgerechts umfassend zu vertreten.

Am 12. Juli 2013 wurde das vierte deutsche Kind des Klägers, Precious Chinaza Omotola R., geboren, für das er am 31. Juli 2013 die Vaterschaft anerkannt und zusammen mit der Kindsmutter, Frau R., erklärt hat, die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam übernehmen zu wollen. Mit Endbeschluss vom 12. Dezember 2013 (Az.: 533 F 9348/13) hat das Amtsgericht München festgestellt, dass der zum Zeitpunkt der Geburt von Precious noch mit der Mutter verheiratete Herr R. nicht Vater des Kindes ist. Damit wurde das Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers für das Kind Precious wirksam.

Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 5. August 2013 wurde der Kläger wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, begangen am 13. Dezember 2012 zulasten von Frau A., zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Am 14. Dezember 2013 hat die Mutter der Zwillinge des Klägers Strafanzeige gegen den Kläger wegen mehrfacher Körperverletzungsdelikte zu ihren Lasten sowie zweier Vergewaltigungen gestellt. Diese Verfahren wurden offensichtlich später eingestellt.

Der Kläger ist am 9. Januar 2014 wegen des Verdachts auf Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft genommen worden. Am 13. Januar 2014 unterrichtete das Bayerische Landeskriminalamt die Beklagte über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger. Dieser sei am 9. Januar 2014 im Rahmen der Sicherstellung von ca. 78 Gramm Kokain festgenommen worden. Er habe nachweislich einer anderen Person 27,7 Gramm Kokain verkauft. Bei der Wohnungsdurchsuchung seien beim Kläger 48,8 Gramm Kokain sichergestellt und zudem 4100 Euro aufgefunden worden. Er sei bereits drei Mal wegen Drogendelikten inhaftiert gewesen und 2011 zuletzt aus der Haft entlassen worden. Am 12. Mai 2014 wurde von der Staatsanwaltschaft München I Anklage wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen erhoben.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 fasste die Beklagte die Nr. 2 des Bescheids vom 3. März 2010 in der Fassung vom 13. Juli 2011 neu und untersagte dem Kläger die Wiedereinreise für sieben Jahre, wobei die Frist mit der Ausreise beginnen sollte. Die Begründung des Ausgangsbescheids ergänzte die Beklagte wie folgt: Unter Berücksichtigung des nach Erlass der Ausweisungsverfügung vom 3. März 2010 neu hinzugekommenen Sachverhalts seien die Ausweisungswirkungen auf sieben Jahre zu befristen. Angesichts der konkreten Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten, insbesondere nach der Verurteilung wegen des Handelns mit Betäubungsmitteln aus reinem Gewinnstreben ohne selbst drogenabhängig zu sein, sei zunächst eine Frist von neun Jahren festzusetzen gewesen. Diese sei wegen der Beziehung des Klägers zu seinen vier deutschen Kindern auf sieben Jahre reduziert worden.

Außerdem aktualisierte die Beklagte das im Bescheid vom 3. März 2010 eröffnete und am 13. Juli 2011 im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München fortgeschriebene Ermessen.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2014 ergänzte die Beklagte nochmals ihre Ermessenserwägungen, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen des Klägers zu seinen Töchtern Alicia und Precious, hielt aber die Ausweisung des Klägers dennoch im Hinblick auf die Schwere der von ihm begangenen Straftaten für verhältnismäßig. An ihrer Befristungsentscheidung vom 2. Juli 2014 hielt die Beklagte fest. In der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben zur Beziehung des Klägers zu seinen Kindern durch Einvernahme der Mütter seiner Kinder, Frau A., Frau B. und Frau R. als Zeuginnen. Auf deren Aussagen wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juli 2011, soweit die Klage abgewiesen wird, sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids der Beklagten vom 2. Juli 2014 sowie der Ermessensergänzungen in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2014 und im Schriftsatz vom 14. April 2015 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu einer Befristungsregelung mit einer Sperrfrist von drei Jahren zu verpflichten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2014 wurde ins schriftliche Verfahren übergegangen.

Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 9. Oktober 2014 wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei sachlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zwei Monaten verurteilt. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger in der letzten Dezemberwoche 2013 einem Dritten 19,61 g Kokaingemisch zum Preis von 1.000 Euro in Gewinnerzielungsabsicht verkauft und übergeben hat und am 9. Januar 2014 in einem zu seiner Wohnung gehörenden Kellerabteil 40,02 g Kokaingemisch wissentlich und willentlich aufbewahrt hat. Bei der Strafzumessung sprach zugunsten des Klägers sein Geständnis hinsichtlich der Aufbewahrung des Kokaingemischs, dass er sich seit Januar 2014 in Untersuchungshaft befand und dass die Drogen sichergestellt werden konnten. Zu seinen Lasten wurde gewertet, dass Kokain eine harte Droge ist, er bereits dreifach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, die Strafvollstreckung erst im August 2011 erledigt war, er die Geschäfte nur „des Geldes wegen“ gemacht und professionell gehandelt hat. Eine derartige Menge von Kokain erhalte nur derjenige in Kommission, der von seinen Hintermännern als vertrauenswürdig erachtet werde. Dieses Urteil ist am 6. Mai 2015 rechtskräftig geworden.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2015 ergänzte die Beklagte erneut ihr bislang ausgeübtes Ermessen und führte aus, aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit werde ihre Ermessensentscheidung nunmehr allein auf die in diesem Schriftsatz erfolgten Ausführungen gestützt. Sie bezog die erneute Verurteilung des Klägers vom 9. Oktober 2014 in ihre Ermessenserwägungen mit ein und stellte sie den privaten Interessen des Klägers, insbesondere der Beziehung zu seinen deutschen Kindern, gegenüber, kam aber letztendlich zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers seine privaten Interessen überwiege. Es werde dabei ausdrücklich offen gelassen, ob tatsächlich bei der klägerischen Ausweisung Ermessen auszuüben sei, da nicht geklärt sei, ob der Tatbestand des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG gegeben sei. Vorsorglich werde jedoch geprüft, ob die Ausweisung unter Ermessensgesichtspunkten geboten sei. Bei der dann vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung seien insbesondere die vom Kläger begangenen Betäubungsmittelstraftaten sowie seine Verurteilung wegen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in den Blick zu nehmen. Die von ihm begangenen Straftaten im Zusammenhang mit Drogen gehörten zum Bereich der Schwerkriminalität. Insoweit habe sich die Deliquenz des Klägers noch erheblich gesteigert, da er zunächst mit der „weichen“ Droge Marihuana und bei der letzten Verurteilung mit der „harten“ Droge Kokain gehandelt habe. Der Kläger habe sich weder durch die frühere Verurteilung noch durch die anhängige Führungsaufsicht oder das offene Ausweisungsverfahren von der Begehung einschlägiger und sogar gesteigerter Betäubungsmitteldelikte abhalten lassen. Dass bei ihm eine größere Summe an Bargeld sichergestellt worden sei, belege, dass er sich durch den Handel mit Kokain eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle habe verschaffen wollen und stütze die Annahme der Beklagten, dass von ihm weiter eine konkrete Wiederholungsgefahr ausgehe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass auch die Beziehungen zu seinen Kindern, insbesondere die Geburt des jüngsten Kindes, nicht zu einer Zäsur oder zu einem Umdenken des Klägers geführt hätten. Die Triebfeder seiner Straffälligkeit, nämlich reines Gewinnstreben, werde auch nach Verbüßung seiner Haft unvermindert fortbestehen, denn er befinde sich in einer sehr ungünstigen sozialen Situation und sei mit ca. 25.000 Euro verschuldet. Die Wiederholungsgefahr werde auch nicht dadurch relativiert, dass der Kläger nicht drogensüchtig sei und sich in der Haft ordnungsgemäß führe. Im Rahmen der persönlichen Interessen des Klägers komme insbesondere der Beziehung zu seiner Tochter Precious ein erhebliches Gewicht bei, wobei die Beklagte rein vorsorglich davon ausgehe, dass mit dieser eine Lebensgemeinschaft bestehe. Keine emotionale Bindung dürfte demgegenüber zwischen dem Kläger und seinen Söhnen bestehen. Auch zu Alicia bestehe seit Weihnachten 2013 kein persönlicher Kontakt mehr, es werde aber von einer gewissen emotionalen Bindung ausgegangen. Eine gewichtige Beziehung zu Alicia bestehe jedoch nicht mehr. Die Beziehung zu Frau R. sei nicht durch Art. 6 GG, wohl aber durch Art. 8 EMRK geschützt. Die Folgen einer Ausweisung würden aber für Familienangehörige weniger schwer wiegen, wenn diesen die aufenthaltsrechtliche prekäre Situation des Ausländers bekannt sei. Frau R. musste bekannt sein, dass die Vater-Kind-Beziehung womöglich nicht auf Dauer im Bundesgebiet geführt werden könne. Dennoch komme dem Interesse von Precious am Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ein besonderes Gewicht zu, denn die sporadischen Umgangskontakte in der Haft seien für das Wohl von Precious von einer immerhin gewissen Bedeutung. Nicht desto weniger würden die öffentlichen Belange die privaten Belange des Klägers und seiner Kinder im Hinblick auf die vom Kläger begangenen schwerwiegenden Straftaten überwiegen. Die Ausweisung sei erforderlich, um die konkrete Gefahr weiterer, erheblicher Straftaten durch den Kläger im Bundesgebiet abzuwehren. Aus diesen Gründen sei die Ausweisung auch verhältnismäßig. Hinzu komme, dass dem Kläger die Rückkehr in sein Heimatland Nigeria zumutbar sei. Da Precious derzeit nicht mit dem Kläger zusammenlebe, sondern nur punktuell Kontakt mit ihm habe, sei auch ihr die Trennung zuzumuten und die Verbindung über moderne Kommunikationsmittel oder Betretungserlaubnisse aufrechtzuerhalten. Ergänzend wies die Beklagte im genannten Schriftsatz darauf hin, dass der Kläger ausweislich des Strafurteils gearbeitet habe, obwohl ihm seit seiner ersten Haftentlassung im August 2011 die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausländerrechtlich nicht erlaubt war. Gleichzeitig habe er Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und habe sich, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei, nicht in der Gemeinschaftsunterkunft, sondern offenbar bei Frau R. aufgehalten bzw. dort gewohnt. Er habe auch die Vorlage seines Nationalpasses verweigert und damit gegen eine Auflage des Beschlusses zur Führungsaufsicht verstoßen. All dies belege die konsequent ablehnende Haltung des Klägers gegenüber der hiesigen Rechtsordnung.

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2015 wies der Kläger nochmals darauf hin, dass die Beklagte den familiären Beziehungen des Klägers zur Mutter seiner Tochter Precious und zu den anderen Kindern zu wenig Gewicht beigemessen habe und jedenfalls die Sperrzeit zu lange bemessen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behörden- und Strafakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Urteil konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da sich die Parteien mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (vgl. § 125 Abs. 1 i. V. m. § 101 Abs. 2 VwGO); ihre Verzichtserklärung haben die Beteiligten im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens auch nicht widerrufen, sondern mit Schreiben vom 18. Mai 2015 und vom 21. Juli 2015 jeweils um kurzfristige bzw. baldige Entscheidung gebeten.

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Juli 2014 ist rechtswidrig, soweit er die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots für den ausgewiesenen Kläger betrifft, und verletzt ihn dadurch in seinen Rechten. Die Beklagte war daher zu verpflichten, den Kläger insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Dagegen hat die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg, weil die Ausweisung des Klägers im angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 3. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids der Beklagten vom 2. Juli 2014 sowie der Ergänzungen vom 13. Juli 2011, vom 7. Juli 2014 und vom 14. April 2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Streitgegenstand ist zunächst die Ausweisung des Klägers in Nr. 1 des Bescheids vom 3. März 2010 in seiner aktuellen Form, also in Form der letzten Ermessensergänzung im Schriftsatz vom 14. April 2015, sowie die in Nr. 3 dieses Bescheids verfügte Abschiebungsandrohung (dazu 1.). Nicht mehr Streitgegenstand ist Nr. 2 Satz 2 des Bescheids vom 3. März 2010 in der ergänzten Fassung vom 13. Juli 2011, mit dem die Beklagte die Ausweisungswirkungen auf sieben Jahre nach Abschiebung bzw. Ausreise des Klägers unter bestimmten Bedingungen befristet hat, denn diese Anordnung ist bereits vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juli 2011 aufgehoben worden, ohne dass die Beteiligten dagegen Rechtsmittel eingelegt hätten. Streitgegenstand ist nunmehr die Nr. 2 des Bescheids vom 3. März 2010 in der Fassung vom 2. Juli 2014, mit der die Wiedereinreise des Klägers für sieben Jahre untersagt worden ist und die Frist mit der Ausreise beginnen soll (dazu 2.). Dieser Änderungsbescheid ist in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung beider Parteien in das Verfahren einbezogen worden.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also der Entscheidung des Senats vom 25. August 2015 (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 16).

1. Die Ausweisung des Klägers findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Nr. 1 und Nr. 2, § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 3, 4 und 5, § 54, § 55 Abs. 1 AufenthG. Wegen der Bindungen des Klägers zu seinen Kindern ist die Ausweisung nur im Ermessenswege zulässig (dazu 1.1). Die Ermessensausübung der Beklagten ist unter Berücksichtigung der von ihr nach § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobenen Ermessenserwägungen und unter Zugrundelegung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs aus § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden (dazu 1.2.). Die Ausweisung erweist sich auch unter Berücksichtigung der schützenswerten familiären Beziehungen des Klägers als verhältnismäßig i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK und Art. 6 Abs. 1 GG (dazu 1.3.). Wegen der Rechtmäßigkeit der Ausweisung bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die verfügte Abschiebungsandrohung.

1.1. Der Kläger hat mit seiner Verurteilung vom 1. September 2009 durch das Amtsgericht München zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren vier Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und seiner weiteren inzwischen rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht München vom 9. Oktober 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zwei Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei sachlich zusammentreffenden Fällen sowohl den Tatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG als auch den Tatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Er ist nämlich wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden. Außerdem ist er zweimal wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Wegen des Bestehens eines besonderen Ausweisungsschutzes beim Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG wird bei Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG die zwingende Ausweisung zur Ausweisung im Regelfall herabgestuft. Der Kläger erfüllt nämlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Danach genießt ein Ausländer, der mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, besonderen Ausweisungsschutz. Auf den Aufenthaltsstatus des Ausländers kommt es dabei nicht an. Zwar besteht im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs keine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne einer häuslichen Lebensgemeinschaft, weil die deutschen Töchter des Klägers, Alicia und Precious - mit den Söhnen besteht bereits seit längerem kein persönlicher Kontakt mehr -, nicht mit ihm zusammenleben, denn dies ist derzeit wegen seiner Inhaftierung nicht möglich. Eine familiäre Lebensgemeinschaft hat aber vor der Inhaftierung bestanden. Dies dürfte zumindest bei der Tochter Precious der Fall gewesen sein. Die Mutter dieses Kindes, Frau R., hat zwar in der mündlichen Verhandlung keine Aussage gemacht und demgemäß das Vorbringen des Klägers, er habe mit Precious seit ihrer Geburt zusammengelebt, auch nicht bestätigt, denn sie hat sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Jedoch hat die Mutter der Tochter Alicia, Frau B., als Zeugin ausgesagt, dass Alicia zu ihrem Vater vor dessen erneuter Inhaftierung einen engen persönlichen Kontakt hatte und sie sich auch öfter in der Wohnung seiner neuen Lebensgefährtin, Frau R., aufgehalten hatte. Alicia hatte auch ein gutes Verhältnis zu ihrer Stiefschwester Precious. Nach Aussage der Zeugin B. ist Alicia gelegentlich übers Wochenende beim Kläger und seiner jetzigen Verlobten (gemeint ist Frau R.) geblieben und hat „mit der neuen Familie“ des Klägers Unternehmungen gemacht. Daraus ist zu schließen, dass sich der Kläger, wenn auch nicht immer, so doch häufig, bei Frau R. und der gemeinsamen Tochter Precious aufgehalten und mit diesen zumindest zeitweise zusammengelebt hat. Eine familiäre Lebensgemeinschaft kann aber auch dann vorliegen, wenn ein Elternteil und sein deutsches Kind nicht in einer Hausgemeinschaft leben, der Ausländer aber regelmäßige Kontakte mit dem Kind sowie eine emotionale Verbundenheit pflegt (BVerfG, B.v. 1.12.2008 -2 BvR 1830/08 - juris Rn. 34). Ob der Kläger daneben auch elterliche Erziehungs- und Betreuungsverantwortung übernommen hat, kann offen bleiben, zumal die Tochter Precious bei seiner Inhaftierung erst ein halbes Jahr alt war.

Trotz des Vorliegens des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG kann der Kläger ausgewiesen werden, denn bei ihm liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Solche liegen nämlich in der Regel in den Fällen des § 53 AufenthG vor (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise von dieser Regel abgewichen werden könnte, spricht angesichts der zweifachen Verurteilung des Klägers wegen Betäubungsmitteldelikten aus bloßer Gewinnsucht nichts. Ausnahmen müssen nämlich durch besondere Umstände des Sachverhalts, aus denen sich im Einzelfall eine abweichende Interessenbewertung zugunsten des Ausländers ergibt, gerechtfertigt sein (BVerwG, U.v. 31.8.2004 -1 C 25.03 - juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 22.1.2013 - 10 B 12.2008 - juris Rn. 42). Solche Umstände liegen hier aber nicht vor (zur beim Kläger vorliegenden Wiederholungsgefahr siehe unten). Die danach zur Regelausweisung herabgestufte Ausweisung des Klägers ist sodann nochmals zur Ermessensausweisung herabzustufen. Mit Regelfällen i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG meint der Gesetzgeber nämlich solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt (BVerwG, U.v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - juris Rn. 23 m. w. N.). Ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits dann anzunehmen, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten (BVerwG, U.v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - juris Rn. 24 m. w. N.). Im vorliegenden Fall machen die Bindungen des Klägers zu seinen deutschen Kindern, insbesondere die Bindungen zu seinen Töchter Alicia und Precious, eine behördliche Ermessensentscheidung notwendig, um den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ausreichend Rechnung tragen zu können.

1.2. Nach § 55 Abs. 1 AufenthG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt. Die Ausweisung steht also im Ermessen der Behörde. Ermessen bedeutet, dass die Ausländerbehörde aufgrund einer individuellen Einzelfallprüfung über die Ausweisung entscheidet. Den Kern der Ermessensentscheidung bildet dabei die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung und dem gegenläufigen Interesse des Ausländers, von der Ausweisung verschont zu bleiben. Diese Abwägung kann nur ordnungsgemäß durchgeführt werden, wenn die widerstreitenden Interessen in tatsächlicher Hinsicht zutreffend erfasst und in rechtlicher Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind (BVerwG, U.v. 24.9.1996 - 1 C 9.94 - juris Rn. 28). § 55 Abs. 3 AufenthG benennt insoweit beispielhaft bestimmte Sachverhalte bzw. private Interessen, die bei der Ermessensentscheidung in jedem Fall zu berücksichtigen sind. Weitere Vorgaben ergeben sich aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. In dem Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist das behördliche Ermessen nur eingeschränkt überprüfbar. Die Kontrolle des Gerichts hat sich nach § 114 Satz 1 VwGO darauf zu beschränken, ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und die rechtlichen Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind. Das Gericht prüft dabei, ob die entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend ermittelt und die rechtlichen Bindungen des Ermessens gewahrt worden sind. Nicht zu prüfen ist, ob eine andere Lösung zweckmäßiger gewesen wäre (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2011 - 10 B 08.1325 - juris Rn. 50; BayVGH, U.v. 22.1.2013 - 10 B 12.2008 -juris Rn. 43).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Ermessensentscheidung der Beklagten unter Einbeziehung der im Gerichtsverfahren mehrfach nachträglich ergänzten Ermessenserwägungen rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat den in die Abwägungsentscheidung einzustellenden Sachverhalt vollständig ermittelt. Die Prognose der Beklagten, vom Kläger gehe auch in Zukunft die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität aus, erweist sich nach Auffassung des Senats als richtig. Sie hat insbesondere die vom Kläger begangenen Straftaten und die Umstände seiner Verurteilungen zutreffend gewertet. So hat sie berücksichtigt, dass der Kläger mehrere Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität begangen hat. Nach Verbüßung seiner ersten Freiheitsstrafe nach seiner Verurteilung vom 1. September 2009 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Marihuana) in nicht geringer Menge hat er erneut mit Kokain Handel getrieben. Mit seiner im Jahr 2009 begangenen Straftat hat er sich nicht auseinandergesetzt und sich hierzu nicht einmal geäußert (vgl. die Stellungnahme der JVA L. zur Führungsaufsicht v. 21.3.2011). Durch die Inhaftierung zeigt er sich offensichtlich auch wenig beeindruckt. Er hat vielmehr im Strafverfahren nur eingestanden, einen Rucksack mit Plastikbeuteln, gefüllt mit Marihuana, aufbewahrt zu haben, nicht aber die Absicht, die Beutel weiter zu verkaufen, eingestanden. Demgegenüber hat ihm das Strafgericht nicht geglaubt, dass er den Rucksack nur für einen unbekannten Dritten aufbewahren wollte. Diese Einlassung ist auch schon deshalb nicht glaubhaft, weil kein „Unbekannter“ einem anderen einen Rucksack mit Betäubungsmitteln im Wert von mehr als 10.000 Euro zur Aufbewahrung anvertrauen und ihm hierfür im Voraus noch 600 Euro bezahlen würde. Zudem hat die im damaligen Strafverfahren als Zeugin einvernommene frühere Freundin des Klägers und Mutter seiner beiden Söhne, Frau A., den Rucksack als ihren früheren eigenen Rucksack eindeutig identifiziert und damit die Aussage des Klägers widerlegt, der Rucksack gehöre dem unbekannten Dritten. Aus alledem kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Kläger bereits im Jahr 2009 seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise durch Betäubungsmittelgeschäfte bestritten hat. Noch während der Dauer der mit Beschluss vom 31. Mai 2011 angeordneten Führungsaufsicht für die Zeit nach seiner Entlassung aus der ersten Haft am 31. August 2011 hat der Kläger erneut mit Betäubungsmitteln, und zwar diesmal mit dem gegenüber Marihuana wesentlich gefährlicheren Rauschgift Kokain Handel getrieben. Auch anlässlich dieses Strafverfahrens hat der Kläger bestritten, Kokain zum Preis von 1.000 Euro an einen Mitangeklagten verkauft zu haben und lediglich zugegeben, Kokain im Keller seiner Wohnung aufbewahrt zu haben. Den Besitz der sichergestellten Drogen konnte er auch kaum leugnen, da das Kokain dort von den durchsuchenden Polizeibeamten aufgefunden worden ist. Damit hat der Kläger aber auch bei der zweiten aufgedeckten Betäubungsmittelstraftat trotz seiner zweifelsfrei feststehenden Täterschaft erneut das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln abgestritten und sich auch insoweit nicht zur Tat bekannt, geschweige denn sich mit dieser Straftat auseinandergesetzt. Demgemäß liegt die Annahme nahe, dass der Kläger wie beim ersten Mal seine Strafe von immerhin drei Jahren und zwei Monaten „absitzen“ und dann erneut in das Betäubungsmittelgeschäft einsteigen wird. Ansätze zu einer Besserung sind beim Kläger nicht zu sehen. Nachdem er bereits von 2009 bis 2011 insgesamt zwei Jahre und drei Monate in Haft verbracht hat, scheint ihn dies in keiner Weise davon abzuhalten, erneut Betäubungsmitteldelikte zu begehen. Damit liegt beim Kläger eine erhebliche Gefahr der Begehung erneuter Drogendelikte vor. Die Beklagte hat zudem zutreffend darauf abgestellt, dass beim Kläger nicht nur über 40 g Kokaingemisch zu einem Wert von ca. 2.000 Euro sichergestellt worden sind, sondern zusätzlich Bargeld in Höhe von 4.100 Euro. Auch dies deutet darauf hin, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch den Handel mit Kokain bestritten hat. Die sich steigernde Kriminalität des Klägers zeigt sich, wie die Beklagte zu Recht festgestellt hat, auch darin, dass er früher mit „weichen“ Drogen gehandelt hat, jetzt aber mit der „harten“ Droge Kokain. Die vom Kläger weiter ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr in Bezug auf den Handel mit Betäubungsmitteln ergibt sich neben dem oben schon erwähnten Umstand, dass er erneut Handel mit Betäubungsmitteln betrieben hat, obwohl er bereits einmal zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, diese voll verbüßt hat und unter Führungsaufsicht stand, auch darin, dass er die neuerlichen Drogenstraftaten während des offenen Ausweisungsverfahrens begangen hat und ihn damit auch nicht die drohende Ausweisung von der Begehung derartiger Delikte abhalten konnte. Der Kläger ließ sich auch nicht durch seine vier deutschen Kinder von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass jedenfalls die Geburt des jüngsten Kindes im Juli 2013 zu einer Zäsur oder zum Umdenken beim Kläger hätte führen können (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 23).

Die Beklagte ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die persönlichen Belange des Klägers nicht so schwer wiegen, dass sie angesichts der von ihm begangenen Betäubungsmittelstraftaten zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Ausweisung führen könnten. Dabei hat die Beklagte insbesondere die Beziehungen des Klägers zu seinen Kindern in den Blick genommen. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich derzeit, eine engere Beziehung lediglich zur jüngsten Tochter Precious besteht.

Außer wenigen begleiteten Umgangskontakten im Jahr 2011 nach der Haftentlassung des Klägers gab es zu seinen beiden Söhnen seitdem keine persönlichen Kontakte mehr. Die Mutter der Söhne, Frau A., hat in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2014 überzeugend dargelegt, dass der Kläger den Söhnen seitdem lediglich mehrmals geschrieben hat. Diese haben im jetzigen Zeitpunkt auch keinerlei Bezug zum Kläger, sondern sehen im jetzigen Ehemann der Frau A. ihren Vater. Das ihm weiter zustehende gemeinsame Sorgerecht für die Söhne übt der Kläger offensichtlich nicht aus und zahlt auch keinen Unterhalt bzw. hat dies auch früher nicht getan.

Auch in der Beziehung des Klägers zu seiner Tochter Alicia bestand ein enger Kontakt offensichtlich nur ab dem Zeitpunkt des Wiederzusammentreffens mit Frau B. im August 2012 bis zu seiner erneuten Inhaftierung im Januar 2014. Während dieses Zeitraums hatte auch Frau B. erneut eine engere Beziehung zum Kläger, wie sie in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2014 glaubhaft geschildert hat. Nach deren Trennung nach der Geburt der Tochter Precious im Juli 2013 führte der Kläger den Kontakt zu Alicia fort. Diese war nach Aussage von Frau B. auch desöfteren am Wochenende beim Kläger und seiner neuen Lebensgefährtin und dem Kind Precious. Frau B. hat den Kontakt ihrer Tochter zum Kläger aber mit dessen Inhaftierung abgebrochen, da sie, wie sie ausgesagt hat, eine strikte Gegnerin von Drogen ist und sie ihrer Tochter die Erfahrung eines Gefängnisbesuchs ersparen wollte. Damit ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass zwar zwischen Alicia und dem Kläger noch eine gewisse emotionale Bindung besteht, eine besonders gewichtige Beziehung jedoch nicht mehr vorhanden ist. Ausweislich der in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Besuchsliste hat Alicia ihren Vater bislang tatsächlich nicht im Gefängnis besucht.

Die Beklagte hat demgegenüber der Beziehung des Klägers zu Precious ein erhebliches Gewicht beigemessen. Denn mit Precious hat der Kläger wohl seit ihrer Geburt bis zu seiner Inhaftierung im Januar 2014 zumindest zeitweise zusammengelebt. Er wird auch von der Mutter des Kindes und dem Kind in regelmäßigen Abständen in der Haft besucht, d. h., ein persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und seiner deutschen Tochter besteht auch während seiner Inhaftierung weiter. Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass selbst die wegen der Haftsituation nur sporadischen Umgangskontakte des Klägers mit seiner Tochter Precious für deren Wohl dennoch von einer gewissen Bedeutung sind.

Aber auch unter Berücksichtigung dieser gewichtigen privaten Interessen des Klägers ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung die privaten Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Denn diese alle erheblichen Umstände berücksichtigende Ermessensentscheidung der Beklagten lässt keine Fehlgewichtungen erkennen und ist gemessen an den Grundsätzen des § 114 Satz 1 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die schwerwiegenden und nachhaltige Schäden verursachenden Betäubungsmitteldelikte, die der Kläger durch den Handel und Besitz von Marihuana und Kokain begangen hat, hat die Beklagte das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers rechtsfehlerfrei stärker gewichtet als den mit der Ausweisung und Abschiebung des Klägers verbundenen schwerwiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben.

1.3. Die Ausweisung des Klägers ist aus den genannten Gründen insbesondere auch mit den verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK vereinbar und stellt, wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, bei der gebotenen Abwägung des öffentlichen Interesses an der Ausweisung mit den privaten Interessen des Klägers an dessen Verbleib im Bundesgebiet keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das geschützte Privat- und Familienlebens des Klägers dar. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK schließen nämlich eine Ausweisung eines Ausländers nicht generell aus, sondern gebieten lediglich, dass anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung die für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und die gegenläufigen Interessen des Ausländers gegeneinander abgewogen werden (BVerwG, B.v. 7.12.2011 - 1 B 6.11 - juris Rn. 8). Im Hinblick auf die besondere Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten aus dem Bereich des Betäubungsmittelhandels und die von der Beklagten und vom Erstgericht zu Recht bejahte Wiederholungsgefahr muss der Kläger letztlich auch den mit der Ausweisung verbundenen gravierenden Eingriff in seine Beziehungen zu seinen Töchtern hinnehmen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Drogendelikte als besonders schwerwiegende Straftaten angesehen und demgemäß in die Abwägung mit den besonderen individuellen Belangen und den Interessen des Betroffenen grundsätzlich mit dem entsprechenden Gewicht eingestellt werden können (vgl. EGMR, U.v. 12.1.2010 -Khan, Nr. 47486/06 - InfAuslR 2010, 369 Rn. 40; BVerwG, B.v. 7.12.2011 -1 B 6.11 - juris Rn. 8). Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG, wonach sich auch gewichtige familiäre Interessen nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen, scheidet eine zeitlich überschaubare Trennung von Vater und Kind nicht aus (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 23). Die Beklagte hat bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass seit der Inhaftierung des Klägers ohnehin nur noch ein sporadischer persönlicher Kontakt zwischen seiner Tochter Precious und ihm besteht. Ein entsprechender Kontakt kann auch über moderne Kommunikationsmittel wie Telefon oder Videotelefonie von Nigeria aus aufrechterhalten werden. Zur Abfederung von Härten kommt daneben auch die Erteilung von Betretenserlaubnissen zu besonderen Anlässen in Betracht.

Wenn der Kläger in seinem letzten Schriftsatz vom 6. Mai 2015 demgegenüber meint, die Beklagte habe den familiären Beziehungen des Klägers zur Mutter von Precious, Frau R., nicht genügend Gewicht beigemessen, ist dem zu entgegnen, dass die Beziehung zu Frau R. nicht durch Art. 6 GG geschützt ist, weil der Kläger mit ihr nicht verheiratet ist. Die Beklagte hat aber zutreffend angenommen, dass die Beziehung zu Frau R. durch Art. 8 EMRK, insbesondere dem Schutz des Privatlebens, geschützt ist. Allerdings hat sie dieser Beziehung zu Recht kein großes Gewicht beigemessen, da Frau R., wie die Beklagte auch ausgeführt hat, der prekäre Aufenthalt des Klägers bewusst sein musste. Denn der Kläger war vor seiner Beziehung zu Frau R. nicht nur wegen der ersten Drogenstraftat inhaftiert und ausgewiesen worden, sondern besaß auch schon seit längerem keine Aufenthaltserlaubnis mehr. Aber auch der Schutz der Beziehung zu Frau R. durch Art. 8 EMRK wäre, hätte sie vom deliktischen Vorleben des Klägers nichts gewusst, nicht derart gewichtig, dass er zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung führen würde. Denn Frau R., die sich selbst als Verlobte des Klägers bezeichnet hat, besitzt neben der deutschen auch die nigerianische Staatsangehörigkeit und könnte wohl auch längere Zeit mit dem Kläger in Nigeria verbringen. Im Übrigen ist auch diese Beziehung nicht geeignet, die überaus schwerwiegende Gefahr, die vom Kläger ausgeht, zu relativieren, denn einem Erwachsenen ist eine längerfristige Trennung viel eher zuzumuten als einem kleinen Kind, das den Grund für die Abwesenheit seiner Bezugsperson noch nicht erfassen kann.

Wenn der Kläger darüber hinaus meint, den Beziehungen zu seinen anderen Kindern sei zu wenig Gewicht beigemessen worden, greift dies ebenfalls nicht. Wie oben bereits dargelegt wurde, besteht zu den Söhnen des Klägers kein persönlicher Kontakt mehr. Zur Tochter Alicia ist der unmittelbare persönliche Kontakt ebenfalls abgebrochen. Mit ihr steht der Kläger allenfalls noch brieflich in Kontakt. Hinzu kommt, dass diese drei Kinder bereits älter sind (die Söhne sind fast neun Jahre alt und die Tochter Alicia ist bereits zehn Jahre alt) und nicht mehr der intensiven Betreuung bedürfen, die womöglich kleinere Kinder benötigen. Sie können die Situation ihres Vaters verstehen und nachvollziehen, wieso er die Bundesrepublik verlassen muss. Auch sind sie alt genug, um mit ihm telefonisch und brieflich zu kommunizieren. Hinzu kommt, dass auch diese Kinder über lange Strecken ihres Lebens keinen Kontakt zum Vater hatten und damit nicht so schwer betroffen sind wie ein Kind, das mit dem Vater aufgewachsen ist und sich plötzlich von diesem für längere Zeit trennen muss.

Die Ausweisung des Klägers erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig im Hinblick auf den langen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet. Der Kläger lebt zwar seit nunmehr elf Jahren im Bundesgebiet, ist aber erst mit 20 Jahren eingereist, d. h. er hat seine gesamte Kindheit und Jugend in Nigeria verbracht und seine Ausbildung und seine Sozialisation dort erhalten. Er ist im Bundesgebiet auch nicht derart verwurzelt, dass Art. 8 EMRK ein Absehen von der Ausweisung gebieten würde. Eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die einer Ausweisung entgegengehalten werden könnte, kommt im Übrigen grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2011 - 10 B 08.1325 - juris Rn. 54 m. w. N. insbesondere zur Rechtsprechung des EGMR). Eine solche Verwurzelung ist beim Kläger auch unter Würdigung seiner persönlichen und sozialen Bindungen nicht festzustellen. Außer der Tatsache, dass er vier nichteheliche deutsche Kinder hat, hat der Kläger keine gewichtigen Integrationsleistungen erbracht. Er war nur in geringem Umfang erwerbstätig und besitzt seit längerem keine Aufenthaltserlaubnis mehr. Vielmehr ist er mehrfach straffällig geworden und hat schwere Betäubungsmittelstraftaten begangen. Von seinem bislang elfjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hat er bisher mehr als dreieinhalb Jahre im Gefängnis verbracht.

Zutreffend ist die Beklagte des weiteren davon ausgegangen, dass dem Kläger die Rückkehr in sein Heimatland zumutbar ist. Wie bereits ausgeführt wurde, ist er in Nigeria aufgewachsen und hat das Land erst mit 20 Jahren verlassen. Dort hat er auch noch Familienangehörige. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso ihm eine Wiedereingliederung in seinem Heimatland nicht gelingen sollte.

2. Rechtswidrig ist demgegenüber die Befristungsentscheidung der Beklagten in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids vom 3. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Juli 2014. Die Festsetzung einer Sperrfrist von sieben Jahren ab Beginn der Ausreise ist zu lang. Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Festsetzung der Sperrfrist auf drei Jahre, wie er zuletzt beantragt hat. Eine gerichtliche Verpflichtung zur Festsetzung einer bestimmten Frist kommt hier nicht (mehr) in Betracht, weil nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltenden Fassung durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) über die Länge der Frist des für den ausgewiesenen Kläger gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Ermessen zu entscheiden ist. Die Beklagte war, da eine Ermessensreduzierung auf Null nicht anzunehmen ist, nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Dies bedeutet für den Kläger, dessen Ausweisung der Senat als rechtmäßig erachtet hat, dass er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten und nach seiner Ausreise bzw. Abschiebung nicht mehr in das Bundesgebiet einreisen darf. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot allerdings von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise beginnt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid aber zu Unrecht auf sieben Jahre festgesetzt. Die Frist darf zwar fünf Jahre überschreiten, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG), sie soll aber auch in diesen Fällen zehn Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).

Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 42; BayVGH, U.v. 22.1.2013 - 10 B 12.2008 - juris Rn. 64).

Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sieben Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als rechtswidrig. Die Beklagte hat zwar zutreffend die Festsetzung dieser Frist in zwei Schritten vorgenommen, indem sie zunächst die strafrechtliche Verurteilung des Klägers und die von ihm ausgehende konkrete Wiederholungsgefahr in den Blick genommen und dann aufgrund seiner Beziehungen zu seinen deutschen Kindern die im ersten Schritt auf neun Jahre festgesetzte Frist auf sieben Jahre reduziert hat. Es ist bereits fraglich, ob die zunächst angesetzten neun Jahre ermessensgerecht sind. Jedenfalls ist aber ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sieben Jahren im Hinblick auf die Beziehungen des Klägers zu seinen deutschen Kindern ermessensfehlerhaft.

Die Beklagte war bei der Festsetzung der Frist nicht an die Fünfjahresgrenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gebunden, weil der Kläger wegen des Handeltreibens und Besitzes von Betäubungsmitteln - sogar mehrfach - strafrechtlich verurteilt worden ist und seine Ausweisung darauf beruhte. Aufgrund der wiederholten schwerwiegenden Betäubungsmittelstraftaten und der beim Kläger vorliegenden erheblichen Gefahr, dass er auch in Zukunft die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Begehung gleichartiger Straftaten beeinträchtigen wird, könnte die im Hinblick auf die Delinquenz des Klägers zunächst festgesetzte Frist von neun Jahren allenfalls dann ermessensgerecht sein, wenn man zusätzlich in Betracht zieht, dass der Kläger sich bislang nicht hinreichend mit seinen Drogendelikten auseinandergesetzt, diese sogar teilweise trotz der ihn überführenden eindeutigen Beweislage geleugnet hat, dass er keine realistische berufliche Perspektive im Bundesgebiet besitzt, dass er erhebliche Schulden für Unterhaltszahlungen hat und dass er bislang nicht in feste familiäre Strukturen im Bundesgebiet eingebunden ist.

Jedoch ist selbst wenn man die in der ersten Stufe auf neun Jahre festgesetzte Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot für ermessensgerecht hielte, die im zweiten Schritt auf sieben Jahre festgesetzte Frist zu lang. Diese Frist hat sich nämlich an höherrangigem Recht, d. h. an verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu messen und gegebenenfalls zu relativieren. Mit diesem zweiten Schritt soll der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel an die Hand gegeben werden, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 6.3.2014 - 1 C 2.13 - juris Rn. 12).

Legt man diese Maßgaben zugrunde, wird die Beklagte den schützenswerten familiären Belangen des Klägers und seiner Töchter i. S. von Art. 6 GG nicht gerecht. Die jetzt zwei Jahre bzw. zehn Jahre alten Töchter - die Söhne des Klägers bleiben wegen fehlender Beziehungen zu ihrem Vater unberücksichtigt - wären nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe des Klägers im Bundesgebiet - etwa im März 2017 - und nach der nach seiner Ausreise oder Abschiebung zu laufen beginnenden Sperrfrist von sieben Jahren - im Jahr 2024 - bereits elf bzw. achtzehn Jahre alt. Einen Erziehungsbeitrag könnte der Kläger dann allenfalls noch für die jüngste Tochter erbringen, die andere Tochter wäre bereits volljährig. Auch wenn die jüngere Tochter den Kläger regelmäßig bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung in der Haft besuchen kann, verbliebe dennoch ein Zeitraum von sieben Jahren zwischen ihrem vierten und elften Lebensjahr, in dem sie, sofern Besuche in Nigeria oder kurzfristige Aufenthalte des Klägers im Bundesgebiet (womöglich aus finanziellen Gründen) scheitern sollten, keinen persönlichen Kontakt zu ihrem Vater haben könnte und er während dieser Zeit trotz des bestehenden gemeinsamen Sorgerechts mit der Kindsmutter keinen Einfluss auf die Erziehung seiner Tochter hätte. Dies erscheint dem Senat auch angesichts der schweren Straftaten, die der Kläger begangen hat, für nicht ermessensgerecht. Die Beklagte wird daher erneut unter Beachtung der hier aufgezeigten Gesichtspunkte über die Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot des Klägers entscheiden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine Abänderung der Kostenentscheidung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils bedurfte es nicht, da diese rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V. mit § 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 2 GKG).

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.

2

Der Kläger ist 1988 in Stuttgart geboren und war zuletzt im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein Vater besitzt die türkische, seine Mutter die kroatische Staatsangehörigkeit. Der Kläger erreichte nach mehrfachen Schulwechseln 2006 den Hauptschulabschluss. Danach bemühte er sich weder um einen Ausbildungsplatz noch um eine Arbeitsstelle, sondern lebte von finanziellen Zuwendungen seiner Eltern. Seit seinem 15. Lebensjahr konsumiert er regelmäßig Marihuana.

3

Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. März 2008 wurde er wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt; gleichzeitig wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Kläger hatte im August 2007 aus Eifersucht zusammen mit zwei von ihm angestifteten Mittätern den angeblichen Ex-Freund seiner Freundin auf besonders grausame Weise ermordet. Das Landgericht ging in seinem Urteil von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Klägers im Tatzeitpunkt aus. Für die Annahme einer akuten psychotischen Störung spreche, dass der Kläger nach der Tat wieder lachen konnte und wie befreit wirkte. Er habe keinerlei Reue gezeigt. Bei ihm lägen erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel vor, die in seiner leichten Erregbarkeit und Aggressivität zum Ausdruck kämen. Dem Führungsbericht vom Januar 2009 ist zu entnehmen, dass eine Auseinandersetzung mit der Straftat und deren Aufarbeitung bislang nicht stattgefunden hat; von einer Verantwortungsübernahme sei der Kläger noch weit entfernt.

4

Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Kläger mit Bescheid vom 25. Mai 2009 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Die dagegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zurückweisung der Berufung darauf gestützt, dass die Ausweisung mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht zu beanstanden sei. Bislang habe sich der Kläger nicht grundlegend mit der von ihm begangenen Tat und seiner gesamten Lebenssituation auseinander gesetzt. Beim ihm liege eine ausgeprägte therapiebedürftige Persönlichkeitsstörung vor; einer Therapie habe sich der Kläger aber bislang nicht geöffnet. Das komme auch in seiner in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung zum Ausdruck, sich baldmöglichst in die Türkei abschieben lassen zu wollen. Daher gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger die Klage gegen die Ausweisung und Abschiebungsandrohung zurückgenommen. Er begehrt nur noch die Verpflichtung des Beklagten, die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre ab Ausreise zu befristen.

6

Der Beklagte erachtet wegen der unverändert hohen Gefahr, dass der Kläger erneut ein Gewalt- und Tötungsdelikt begeht, eine Frist von zwölf Jahren auch im Hinblick auf seine Bindungen an das Bundesgebiet für angemessen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist der Auffassung, die Wirkungen einer Ausweisung seien nur auf Antrag zu befristen. Eine generelle Verpflichtung, eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisung zu treffen, lasse sich weder der Rückführungsrichtlinie noch dem Aufenthaltsgesetz entnehmen.

Entscheidungsgründe

8

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die angegriffenen Urteile sind gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären. Im Übrigen hat die Revision des Klägers nur teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es keine Verpflichtungsentscheidung zur Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. enthält. Da das Berufungsgericht alle dafür notwendigen tatsächlichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Ausweisung getroffen hat, kann der Senat - bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

9

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Befristungsbegehrens ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 16. April 2012 (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - Rn. 12 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

10

2. Der Verpflichtungsantrag, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre zu befristen, ist nur teilweise begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

11

2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 32 f.). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.). Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Dabei geht die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Die erforderlichen punktuellen gesetzlichen Anpassungen erfolgten innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17). Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, von Amts wegen mit einer Rückkehrentscheidung einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Das hat der Senat im Urteil vom 10. Juli 2012 (BVerwG 1 C 19.11 a.a.O. Rn. 30 ff.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

12

Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen. Damit wird dem Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht. Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30 und vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39 f.).

13

2.2 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von zehn Jahren für angemessen.

14

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von 10 Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

15

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen. Fehlt - wie hier - die behördliche Befristungsentscheidung, ist sie vom Gericht durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 f.).

16

Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG enthaltene Fristgrenze von fünf Jahren ohne Bedeutung, da von dem Kläger im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die es zu den Ausweisungsvoraussetzungen getroffen hat. Wegen des hohen Gewichts der erheblich gefährdeten Rechtsgüter von Leib und Leben erachtet der Senat trotz der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von zehn Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in seiner Person Rechnung tragen zu können. Angesichts seines Alters, des sich durch äußerste Brutalität auszeichnenden (Nach-)Tatverhaltens, das eine erschreckende Gleichgültigkeit und Gefühlskälte offenbart, der fehlenden Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie des familiären Umfelds, das wenig stabilisierenden Einfluss verspricht, ist nicht zu erwarten, dass er die maßgebliche Gefahrenschwelle vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf einen Antrag des Klägers hin auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen haben wird, ob sich aus der Entwicklung des Klägers seit der Berufungsverhandlung am 16. April 2012 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.

17

3. Die Frage, ob die Befristung der Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45). Selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Wirkungen der Ausweisung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung vor seiner Abschiebung aus dem Bundesgebiet durchzusetzen vermag, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

18

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung sowie die Abschiebungsandrohung gerichteten, im Revisionsverfahren zurückgenommenen Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Beklagte auch nach Inkrafttreten des § 11 AufenthG n.F. nicht über die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung entschieden hat und der Kläger mit seinem Antrag insoweit nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, hat er 4/5 und der Beklagte 1/5 der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1974 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung.

2

Der Kläger wuchs bei seinen Eltern im Bundesgebiet auf. Er besuchte zunächst eine Förderschule und im Anschluss daran das Berufsgrundschuljahr, das er ohne Abschluss beendete. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Er arbeitete jeweils nur für kurze Zeiträume, war überwiegend arbeitslos. Ihm wurden mehrere befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt, zuletzt bis zum 20. Oktober 1999. Sein Verlängerungsantrag vom 12. Oktober 1999 wurde nicht mehr beschieden.

3

Der unverheiratete und kinderlose Kläger ist drogenabhängig. Er konsumierte nach eigenen Angaben seit seinem dreizehnten Lebensjahr zunächst Haschisch und seit seinem sechzehnten Lebensjahr Heroin. Seit mehr als 20 Jahren ist er immer wieder straffällig geworden, überwiegend wegen Drogen- und Eigentumsdelikten. Er verbrachte viele Jahre in Strafhaft und begann mehrfach Drogentherapien, allerdings ohne Erfolg. Im Juni 2007 wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, u.a. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wofür eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verhängt wurde.

4

Die Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 16. September 2008 aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Über die Ausweisung des Klägers sei nach Ermessen zu entscheiden, weil er als Kind türkischer Arbeitnehmer ein aus dem Assoziationsratsbeschluss ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht besitze. Zudem genieße er aufgrund seiner Geburt in Deutschland besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Sein in den begangenen Straftaten zum Ausdruck gekommenes Verhalten stelle eine hinreichend schwere Gefährdung dar. Er sei in der Vergangenheit mehrfach straffällig geworden und habe sich dabei weder durch strafrechtliche Verurteilungen noch durch ausländerbehördliche Ermahnungen und Hinweise auf die Konsequenzen erneuten strafbaren Verhaltens von der Verübung weiterer Taten abhalten lassen. Zudem habe er in den letzten Jahren keine ernsthaften Bemühungen unternommen, um von seinem Drogenkonsum loszukommen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Ausweisungsbescheid gerichtete Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 22. März 2012 zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hält die Ausweisung auch ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens für formell rechtmäßig, weil trotz der Rechtsstellung des Klägers nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 die Richtlinie 64/221/EWG auf ihn nicht mehr anwendbar sei. Wegen der fortbestehenden Gefahr der Betäubungsmittelkriminalität des Klägers sei die Ausweisung auch materiell rechtmäßig nach § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Der Kläger habe neben dem Besitz sog. harter Drogen auch mit Heroin gehandelt, um seinen eigenen Drogenbedarf zu finanzieren. Von ihm gehe die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten aus. Er habe seit nunmehr über 22 Jahren immer wieder Straftaten begangen und sich davon durch Ermahnungen, Verurteilungen, Strafhaft und Anhörungen zur drohenden Ausweisung nicht abhalten lassen. Die Ermessensentscheidung der Beklagten sei auch unter Berücksichtigung der Tatsache nicht zu beanstanden, dass der Kläger sein ganzes Leben in Deutschland verbracht habe und hier seine Mutter und seine erwachsenen Geschwister lebten. Die Ausweisung sei trotz Fehlens einer Befristung mit Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG vereinbar.

6

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der Ausweisung. Hilfsweise erstrebt er die Befristung ihrer Wirkungen auf maximal vier Jahre. Er begründet dies im Wesentlichen damit, die Ausweisung sei formell rechtswidrig, weil kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei. Das verstoße gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Dezember 2011 in der Sache Ziebell stehe dem nicht entgegen, denn es beziehe sich nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ausweisung. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens verstoße zudem gegen die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80. Die Fortgeltung der Verfahrensgarantien für türkische Staatsangehörige, die eine geschützte Rechtsstellung nach dem Assoziationsrecht besitzen, verstoße nicht gegen das Besserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen vom 12. September 1963, denn freizügigkeitsberechtigte EU-Staatsangehörige hätten einen höheren materiellen Ausweisungsschutz. Das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht auch deshalb, weil es eine unbefristete Ausweisung bestätige. Das verstoße gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und gegen Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG. Der deutsche Gesetzgeber habe nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ausländer, die aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen werden, grundsätzlich von der in der Richtlinie vorgegebenen Höchstfrist von fünf Jahren für die zu verhängende Einreisesperre auszunehmen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat sie mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2012 die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf einen Zeitraum von sieben Jahren, beginnend mit der Ausreise oder Abschiebung des Klägers, befristet. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hält allenfalls eine Befristung von maximal vier Jahren für zulässig.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Ausweisung (1.) und die Abschiebungsandrohung (3.) als rechtmäßig angesehen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf einen Zeitraum von weniger als sieben Jahren zu befristen (2.).

9

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung und der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 12 m.w.N.). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

10

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80.

11

1.1 Der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Bundesgebiet bei seinen Eltern aufgewachsen, sein Vater war mindestens von 1969 bis 1990 türkischer Arbeitnehmer. Demzufolge kann der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vor.

12

1.2 Der Kläger begeht seit vielen Jahren regelmäßig Drogenstraftaten, die ihre Ursache in seiner Drogenabhängigkeit haben. Dazu zählen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts neben Straftaten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln auch solche des unerlaubten Handeltreibens mit Heroin (in zwei Fällen) und der unerlaubten Abgabe von Heroin (in einem Fall). Die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - Rs. C-145/09, Tsakouridis - NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Die Mitgliedstaaten dürfen daher die unerlaubte Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen. Dabei zählt der illegale Drogenhandel zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - Rs. C-348/09, P.I. - NVwZ 2012, 1095 Rn. 28). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. Urteile vom 3. November 2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rn. 58 und vom 12. Januar 2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 2010, 369 Rn. 40 m.w.N.).

13

Nach diesen Maßstäben stellt das persönliche Verhalten des Klägers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 dar. Die meisten der von ihm begangenen Drogenstraftaten beschränken sich zwar auf den unerlaubten Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum. Der Kläger hat sich aber auch am unerlaubten Handel und der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte beteiligt, wobei es sich bei der gehandelten bzw. abgegebenen Droge überwiegend um das besonders gefährliche Heroin handelte.

14

1.3 Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Kläger die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens sowohl im Bereich der Beschaffungskriminalität als auch im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität bejaht. Seine Prognose hat das Berufungsgericht aus dem Fehlen einer grundlegenden Verhaltensänderung des Klägers abgeleitet, insbesondere aus dem Fehlen nachhaltiger Bemühungen, sich durch geeignete Therapiemaßnahmen aus der Betäubungsmittelabhängigkeit zu lösen. Die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten der beschriebenen Art stellt - wie ausgeführt - eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Senat - nachdem der Kläger keine Verfahrensrügen erhoben hat - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO auszugehen.

15

1.4 Die Ausweisung des Klägers erweist sich auch unter Würdigung seiner schützenswerten Belange als unerlässlich, um das oben näher beschriebene Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Das Berufungsgericht hat die schützenswerten Belange des Klägers, die sich auf sein Privat- und Familienleben beziehen, unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien umfassend gewürdigt. Es hat in den Blick genommen, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, die deutsche Sprache beherrscht und seine gesamte Erziehung und Sozialisation in Deutschland erfahren hat. Das Gericht hat auch die familiären Bindungen des Klägers an seine in Deutschland lebende Mutter und seine erwachsenen Geschwister berücksichtigt. Bei der Bewertung der Integration des Klägers in Deutschland war für das Berufungsgericht von Bedeutung, dass er hier keinen Schulabschluss erzielte, keine Berufsausbildung absolviert hat und einer Berufstätigkeit allenfalls kurzzeitig nachgegangen ist. Für die Möglichkeit eines Lebens in der Türkei spielte für das Gericht eine Rolle, dass der Kläger nach den getroffenen Feststellungen über türkische Sprachkenntnisse verfügt und mit den Gepflogenheiten in der Türkei vertraut ist, was sich auch darin zeige, dass er in der Vergangenheit versucht habe, eine türkischsprachige Therapieeinrichtung zu finden, in der auf seine Suchtproblematik unter Berücksichtigung seiner kulturellen Herkunft eingegangen werden könne. Zudem lebten in der Türkei ihm bekannte Personen, die ihm jedenfalls in der ersten Zeit der Eingewöhnung zur Seite stehen könnten. Die unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange getroffene Wertung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger eine Ausreise in die Türkei zuzumuten sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

16

1.5 Die Ermessensausübung der Beklagten im Ausweisungsbescheid vom 16. September 2008 lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte geht von einem aus dem Assoziationsrecht abgeleiteten Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 aus und misst die Rechtmäßigkeit der Ausweisung am Maßstab des Art. 14 ARB 1/80. Sie erkennt die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung und beachtet deren gesetzliche Grenzen. Die erfolgte Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Abwehr der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Fall der Fortsetzung des illegalen Drogenhandels gegen das Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Begründung des öffentlichen Interesses stützt sich die Beklagte ausschließlich auf Gefahren, die vom Kläger selbst ausgehen und nicht auf generalpräventive Gründe.

17

1.6 Entgegen der Auffassung der Revision ist auch das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden.

18

Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen. In dem hier vorliegenden Fall hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 16. September 2008 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr.

19

Es kann offenbleiben, ob sich für assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige die unionsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen nunmehr nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG (betreffend langfristig Aufenthaltsberechtigte) oder nach Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG (betreffend Unionsbürger) bestimmen. Denn in keiner dieser Vorschriften ist die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme vorgeschrieben. Das hat der Senat in dem mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörterten Urteil vom 13. Dezember 2012 (BVerwG 1 C 20.11 - NVwZ 2013, 733 Rn. 29 f.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

20

Im Übrigen trifft die vom Kläger in der Revisionsbegründung vertretene Auffassung nicht zu, eine verfahrensmäßige Besserstellung von assoziationsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen verstoße nicht gegen das Besserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP, weil freizügigkeitsberechtigte EU-Staatsangehörige gegenüber den assoziationsrechtlich Begünstigten einen höheren materiellen Ausweisungsschutz besäßen. Denn soweit Unionsbürger nach der Richtlinie 2004/38/EG gegenüber Berechtigten nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei einen erhöhten materiellen Ausweisungsschutz genießen, beruht dieser nicht auf dem wirtschaftlich begründeten Freizügigkeitsrecht von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten, sondern auf der besonderen Rechtsstellung der Unionsbürger, mit der die assoziationsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen keine Gleichstellung verlangen können (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2013, 422 Rn. 68 - 74). Dem stehen auch die durch das Assoziationsrecht getroffenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union zum Stillstandsgebot nicht entgegen. Jedenfalls in dem Umfang, in dem sich die Vertragsparteien EWG und Türkei in Art. 59 ZP völkerrechtlich zur Beachtung des Besserstellungsverbots verpflichtet haben, durfte die Union den Wegfall einer Regelung zum außergerichtlichen Rechtsschutz, der für die Angehörigen ihrer Mitgliedstaaten geschaffen worden war, auch mit Wirkung für die Berechtigten nach dem ARB 1/80 entfallen lassen (so schon Beschluss vom 15. April 2013 - BVerwG 1 B 22.12 - Rn. 14). Einer von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeregten Klärung durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH bedarf es insoweit nicht, da die Rechtslage aufgrund der bereits ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig ist ("acte clair").

21

Auch aus den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP ergibt sich nicht, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 22 ff.; vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 33 und vom 15. Januar 2013 - BVerwG 1 C 10.12 - NVwZ-RR 2013, 435 Rn. 23 f.) und wurde ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 33) näher dargelegt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

22

Der Rechtsauffassung der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 in der Rechtssache Polat (Rs. C-349/06), auf die sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers bezogen hat, wonach die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss habe, ist der EuGH nicht gefolgt. Vielmehr hat er für Regelungen zum Ausweisungsschutz, bei denen die für Unionsbürger geltenden Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG im Hinblick auf ihren Gegenstand und Zweck nicht auf Berechtigte nach dem Assoziationsrecht EWG - Türkei übertragbar sind, Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG als neuen unionsrechtlichen Bezugsrahmen bestimmt, nicht aber die außer Kraft getretenen Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG zugunsten der assoziationsrechtlich Begünstigten für weiterhin anwendbar angesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 74 - 79).

23

Ohne Erfolg rügt der Kläger einen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln durch den Wegfall des nationalen Widerspruchsverfahrens gegen Ausweisungsentscheidungen in Nordrhein-Westfalen seit 1. November 2007. Zum einen stellte die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Ausweisung dar, sondern - anders als Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG - lediglich eine Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Zum anderen betrifft der Wegfall des Widerspruchsverfahrens türkische Assoziationsberechtigte und Unionsbürger in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht der Erlass oder Wegfall von Regelungen, die - wie hier - in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Gemeinschaftsangehörige Anwendung finden, nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP. Auch dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 34) - dort bezogen auf den Wegfall des Widerspruchsverfahrens in Baden-Württemberg - im Einzelnen dargelegt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

24

1.7 Der Rechtmäßigkeit der Ausweisung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung befristet hat. Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - haben Ausländer zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 30). Fehlt die notwendige Befristung der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche - rechtmäßige Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr ist in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39).

25

1.8 Schließlich verstößt die Ausweisung nicht gegen die Richtlinie 2008/115/EG - Rückführungsrichtlinie. Dabei kann dahinstehen, ob sie an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Ausweisung bejaht, verhilft das der Anfechtungsklage gegen die Ausweisung nicht zum Erfolg. Da der Kläger mittels seines Hilfsantrags die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45).

26

2. Der Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von maximal vier Jahren begehrt, ist zulässig, aber nicht begründet.

27

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann ein Kläger seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 auch noch in der Revisionsinstanz einen Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der von ihm angefochtenen Ausweisungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 28). Er verfolgt damit nur den bereits in seinem Anfechtungsbegehren gegen die Ausweisung für den Fall der Abweisung enthaltenen Hilfsantrag weiter, den das Berufungsgericht hier der Sache nach abgewiesen hat. Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde im Rahmen des durch die Antragstellung begrenzten Streitgegenstandes vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 40).

28

2.2 Der Hilfsantrag ist aber unbegründet.

29

Nachdem die Beklagte während des Revisionsverfahrens eine Befristung für die Dauer von sieben Jahren, beginnend mit der Ausreise oder Abschiebung des Klägers ausgesprochen hat, war vom Senat nur noch zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist von maximal vier Jahren hat. Dies ist nicht der Fall.

30

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

31

Unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf weniger als die von der Ausländerbehörde zwischenzeitlich festgesetzten sieben Jahre. Die allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre schon deshalb überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität - einschließlich des Handels mit Heroin - und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung.

32

Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Der Senat geht davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 - NVwZ 2013, 733 Rn. 40). Im vorliegenden Fall geht es vorrangig um die Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung durch den Handel mit Heroin durch den Kläger. Dabei handelt es sich um hochrangige Rechtsgüter. Der Kläger ist drogenabhängig und hat zur Beschaffung von Betäubungsmitteln über die Dauer von mehr als 20 Jahren regelmäßig Straftaten begangen. Dazu gehörten neben Eigentumsdelikten mehrere Straftaten wegen Erwerbs, Besitzes, Abgabe und Handels mit Betäubungsmitteln, vornehmlich mit Heroin. Im Juni 2007 wurde er wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin und Kokain) zu einer Einzelstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt, was verdeutlicht, dass es sich nicht um Bagatellkriminalität handelte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht beim Kläger eine erhöhte Rückfallgefahr. Denn er ist seit vielen Jahren heroinabhängig, mehrere Therapieversuche blieben ohne Erfolg und er verfügt über keine Berufsausbildung, um sich eine Existenzgrundlage außerhalb der Kriminalität aufzubauen. In seinem Fall ist ein Ende der von ihm ausgehenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung infolge des Handels mit Drogen nicht absehbar. Die von der Beklagten zwischenzeitlich festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren ist unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter und der hohen Rückfallgefahr nicht überhöht.

33

Allerdings muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen. Sie ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 m.w.N.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist der Kläger zwar in Deutschland geboren und hat hier nahezu sein ganzes Leben verbracht. Familiäre Bindungen hat er allerdings - anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 13. Dezember 2012 entschiedenen Fall eines nach islamischem Ritus verheirateten Klägers, dessen Frau ein Kind von ihm erwartete (a.a.O. Rn. 42) - nur an seine Mutter und seine erwachsenen Geschwister. Zudem hat der Kläger sein Leben im Wesentlichen in Strafhaft, in verschiedenen Wohn- und Therapieeinrichtungen und in der Drogenszene verbracht, sodass das Maß seiner Integration in das legale gesellschaftliche Leben in Deutschland gering ist. Die Festsetzung einer Sperrfrist von weniger als sieben Jahren kommt unter Zugrundelegung der vom Senat entwickelten Kriterien daher nicht in Betracht.

34

Der Senat weist darauf hin, dass der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von der Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten, etwa weil sich seine Rückfallgefahr infolge einer erfolgreichen Drogentherapie deutlich vermindert hat.

35

3. Die Abschiebungsandrohung in der in der Berufungsverhandlung abgeänderten Fassung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da infolge der Ausweisung seine aufgrund des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend geltende Aufenthaltserlaubnis erloschen ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die von der Beklagten für den Fall der Haftentlassung getroffene Festsetzung der Ausreisefrist von einem Monat legt der Senat in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugunsten des Klägers dahingehend aus, dass ihm eine Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise zur Verfügung steht.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre zu befristen (Zi. I. Satz 1 u. 2 des Urteils).

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten seines Zulassungsverfahrens.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 wird der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5000 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) verfolgt der Kläger seine in erster Instanz mit dem Hauptbegehren erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. September 2014 weiter, mit dem er unter Anordnung seiner Abschiebung aus der Haft bzw. Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (Nr. 1 und 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf fünf Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 Satz 1); die Befristung wurde unter dem Vorbehalt des mit mehreren Maßgaben verbundenen Nachweises dauernder Drogenfreiheit verfügt (Nr. 3 Satz 2).

Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen (I.), soweit mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 die Nummer 3. des Bescheids aufgehoben und die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren ab Ausreise auf eineinhalb Jahre herabgesetzt und darüber hinaus die getroffenen Nebenbestimmungen aufgehoben hat.

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach als Orientierung für die Fristlänge die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (in der bis 31.7.2015 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es danach einer prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5; B. v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Zudem ist nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen, zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des § 11 AufenthG über die Länge der Frist nunmehr nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; a.A. VGH BW, U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 im Hinblick auf die systemkonform nur im Rahmen einer gebundenen Entscheidung sicherzustellende Verhältnismäßigkeit der Befristung - Revision zugelassen), während noch im angefochtenen Urteil von einer in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Dauer der Befristung ausgegangen wurde (UA, S. 12, Rn. 33). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf eineinhalb Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte. Ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit (auch) der Bedingung ergeben sich außerdem aus der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 11 AufenthG um Absatz 2 Satz 5, der ausdrücklich die Beifügung einer Bedingung (i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) zur Befristung ermöglicht und hierfür beispielhaft eine „nachweisliche Straf- oder Drogenfreiheit“ benennt.

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Aufhebung der Bedingung wegen der von der Beklagten geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils vom im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofsvom 21. November 2013 (19 C 13.1206) kommt schon deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht, weil über den gerügten divergierenden Rechtssatz infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) nicht mehr zu befinden wäre.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers nach umfassender Ausübung des Ermessens für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers durch die Urteile des Amtsgerichts Augsburg vom 29. September 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Körperverletzung) und vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) bejaht. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. komme nur eine auf spezialpräventiven Gründen beruhende Ermessensentscheidung über die Ausweisung in Betracht. Sie sei rechtmäßig, weil auch in Zukunft vom Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch erneute Straftaten im Betäubungsmittelbereich (insbesondere Handeltreiben mit Heroin) drohe, so dass von ihm gegenwärtig eine Gefahr für hochrangige Schutzgüter ausgehe. Sämtlichen Straftaten lägen die nach wie vor nicht therapierte Drogensucht des nun fast 40-jährigen Klägers zugrunde. Angesichts vier erfolgloser stationärer Drogentherapien müsse davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht drogen- und straffrei leben könne. Die Ausweisung sei auch unter Betrachtung sämtlicher biografischen Umstände unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Auch der positive Verlauf der seit August 2014 andauernden Drogentherapie, deren Abschluss von zentraler Bedeutung für die Gefahrenprognose sei, lasse angesichts der bisherigen Rückfallhäufigkeit und -geschwin-digkeit noch keine positiven Schlussfolgerungen zu.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, die Gefahrenprognose sei unzutreffend, seine Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt und seine Eigenschaft als faktischer Inländer nicht richtig gewichtet worden. Er habe von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, woran er nun nach mehr als dreijähriger Inhaftierung, während der er keinen Drogenrückfall gehabt habe, wieder anknüpfen wolle. Er empfinde einen erheblichen Widerwillen gegen Drogen und sei während dieser langen Haftstrafe gereift; bisher habe er nur einmal Anfang der 2000er Jahre etwa eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. Seine erste Therapie habe er im Jahr 2000 nach wenigen Tagen, die zweite 2003 nach etwa fünf Monaten abgebrochen, während die dritte und vierte Therapie erfolgreich gewesen seien. Allerdings habe er anlässlich „persönlicher Niederlagen“ wieder einen Rückfall erlitten. Die letzte Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe beruhe auf einem auf Anraten seines Strafverteidigers abgegebenen falschen Geständnis, als er im Glauben, eine niedrigere Haftstrafe zu erhalten, angegeben habe, von den aufgefundenen 34,4 g Heroin habe er die Hälfte weiterverkaufen wollen, obwohl die gesamte Menge zum Eigenverbrauch gedacht gewesen sei. Schließlich sei zu rügen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten die maßgeblichen Strafakten des Klägers nicht beigezogen habe. Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die unzureichende Berücksichtigung der Integrationsleistungen des Klägers bei der Ermessensausübung auch bei die Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führen müssten.

2. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten; allerdings sind Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. a. BVerwG, B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris).

2.2 Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes zu überprüfen. Seit dem ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtszustand differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht nach Ausübung von Ermessen verfügte Ausweisung wird nicht infolge des Inkrafttretens der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

2.3 Steht dem Ausländer - wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen - ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Weil dem Kläger ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, kommt er grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327). Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die vom Kläger zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände, insbesondere seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft und die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe, die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nicht als ernstlich zweifelhaft erscheinen; vielmehr muss nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - ; B. v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B. v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - jeweils juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine (letzte) Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (17. April 2015) nicht ausgegangen werden; auch zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses sind keine neuen Erkenntnisse, die die Aussicht auf ein dauerhaft drogenfreies Leben des Klägers begründen könnten, bekannt geworden, zumal die vom Bevollmächtigten angekündigte Bestätigung der Therapieeinrichtung (vgl. Schriftsatz vom 9.4.2015, S. 8) nicht nachgereicht wurde. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger bereits im Alter von 14 Jahren begonnen hat, illegale Betäubungsmittel - seit dem 16. Lebensjahr auch Heroin - zu konsumieren. Die mit seiner Drogensucht einhergehende Kriminalität hat sich nicht nur auf den Erwerb und den Besitz von Betäubungsmitteln sowie das Handeltreiben bezogen, sondern bestand wiederholt in Körperverletzungsdelikten. Auch wenn man den nun fast 40-jährigen Kläger als therapiewillig und -einsichtig ansehen wollte, ist damit ein in die Zukunft gerichteter anhaltender Erfolg der letzten Therapiebemühungen in keiner Weise wahrscheinlicher geworden, wenn man bedenkt, dass er neben zahlreichen stationären Entgiftungen schon vier erfolglose Therapien hinter sich gebracht hat. Selbst wenn man die beiden in den Jahren 2002 und 2003 bereits nach kurzer Zeit abgebrochenen Therapien ausblendet, lebte er in den Zeiträumen nach den am 30. November 2005 bzw. 14. Juni 2010 abgeschlossenen Therapien für höchstens drei Jahre bzw. ein Jahr ohne Drogen. Der Vortrag, er habe ja immerhin von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, ist zum einen unrichtig, denn der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Bewährungsstrafe mit Urteil vom 29. September 2011 lag eine bereits am 17. August 2008 begangene Gewaltstraftat zugrunde, bei der die Steuerungsfähigkeit des Klägers ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen durch vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum in erheblichem Umfang gemindert war; insbesondere aber beweisen beide Rückfalle, dass von einer dauerhaften Drogenabstinenz noch nicht ausgegangen werden kann. Hieran ändern auch nichts die für die Rückfälle gegebenen Begründungen des Klägers (aussichtslos erscheinende Lebenssituation nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Trennung von der Freundin). Weil derartige Situationen auch in Zukunft wieder eintreten können, erscheint ein neuerlicher Rückfall in der entsprechenden Situation sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger die längste Haftstrafe (mehr als drei Jahre) seines bisherigen Lebens verbüßt, dabei seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt und keinen Drogenrückfall erlitten hat.

Auch die die bislang nicht geglückte dauerhafte Integration des Klägers, der keine abgeschlossene Ausbildung aufweist, in die Berufswelt spricht ungeachtet der ihm vorliegenden Arbeitsangebote dafür, dass er doch wieder zu Drogen greifen könnte, sollten sich etwa im Rahmen einer Erwerbstätigkeit problematische Situationen ergeben. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht der Senat eine nach wie vor vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Straftaten, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als faktischer Inländer, dessen Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien, keinen Erfolg. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresses (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich aus der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Allerdings besteht demgegenüber auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 ZB 15.180 - juris) hier zu seinen Ungunsten aus.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Land der Staatsangehörigkeit sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zwar als faktischer Inländer seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und seit langem ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, wo auch seine nächsten Familienangehörigen - seine Mutter und Schwester, während der Vater 2010 verstorben ist - leben, wenn er auch keine Ehe führt oder Kinder hat. Demgegenüber sind jedoch zulasten des Klägers seine jahrzehntelang andauernde Straffälligkeit (vgl. im einzelnen: Strafurteil des AG Augsburg v. 21.11.2012, S. 3 bis 11), die nur vor dem Hintergrund einer zwar immer wieder bekämpften, aber letztlich nicht erfolgreich überwundenen Drogenabhängigkeit zu verstehen und zu würdigen ist. Drogenfreiheit während der Inhaftierung oder laufender Therapiemaßnahmen lässt angesichts der langjährigen Abhängigkeit ebenso wenig Rückschlüsse auf ein drogenfreie Zukunft außerhalb eines „überwachten“ Lebens zu wie der insoweit behauptete positive Wille. Zu beachten ist auch, dass der Kläger große Lücken in seiner Erwerbsbiographie aufweist, so dass von einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt trotz erfolgversprechender Ansätze nicht ausgegangen werden kann. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass er kein Auskommen in der Türkei finden wird, auch wenn gewisse Anfangsschwierigkeiten nicht in Abrede gestellt werden können. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger - wie er vorträgt - „in der Türkei weder wirtschaftlich noch sozial noch emotional Fuß fassen könnte“, zumal er dort offenbar bereits 1999/2000 sechs Monate mit dem Ziel zugebracht hat, seine Drogensucht zu überwinden. Ohne Belang im Rahmen der abzuwägenden Umstände bleibt der von ihm geltend gemachte Umstand, die letzte strafrechtliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beruhe auf einem unrichtigen Geständnis; zum einen ist nämlich das entsprechende Strafurteil rechtskräftig geworden, zum anderen vermag auch die Annahme, die gesamte aufgefundene Menge an Heroin sei ausschließlich zum Eigenverbrauch und nicht zur Hälfte zum Weiterverkauf gedacht gewesen, zu keiner entscheidenden Änderung der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände zu führen.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über den vom Kläger hilfsweise gestellten, nach § 88 VwGO ermittelten Klageantrag, der auf Aufhebung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtet war, soweit mit ihr eine längere Frist als angemessen festgesetzt wurde, entschieden (vgl. BayVGH B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 59). Somit war der Wert des hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstandes nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausweisung und die Regelungen zur Abschiebung (Nr. 1 und 2 des

angefochtenen Bescheids) und im Hinblick auf den Ausschluss einer eineinhalb Jahre noch unterschreitenden Länge der Befristung (Nr. 3) rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Belehrung

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Hinsichtlich der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung kann auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen werden.

Gründe

I.

In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2015 wird Nr. 2 des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14. März 2015 und 24. Juni 2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Nr. 1 des Bescheides vom 22. Juli 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte ein Viertel, der Kläger drei Viertel.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14. März 2015 und 24. Juni 2016 weiter, soweit sie erfolglos geblieben ist. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die Wirkungen der Ausweisung wurden zuletzt auf sechs bzw. fünf Jahre befristet.

Der am 1. Januar 1989 in der Republik Jugoslawien geborene Kläger, ein kosovarischer Volkszugehöriger, reiste im August 1998 zusammen mit seiner Mutter zu seinem Vater in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. September 1998 einen Asylantrag.

Nachdem das Asylverfahren zunächst erfolglos verlaufen war, stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 14. Mai 2002 fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich der Republik Jugoslawien vorlägen. Beim Kläger sei eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden, die nach Auskunft des Auswärtigen Amtes im Kosovo nicht behandelt werden könne.

Der Kläger erhielt zunächst eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG i. V. m. § 53 Abs. 6 AuslG und schließlich am 22. November 2005 eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 35 AufenthG.

Der Kläger ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

- Urteil des Jugendgerichts des Amtsgerichts München vom 18. November 2009: Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 19 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit drei selbstständigen Fällen des Diebstahls in Mittäterschaft

- Urteil des Jugendgerichts des Amtsgerichts München vom 19. Januar 2011: Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schwerem Fall in Mittäterschaft unter Einbeziehung der verhängten Bewährungsstrafe

- Urteil des Landgerichts München vom 25. Oktober 2011: Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls.

Wegen dieser Verurteilung leitete die Beklagte ein Verfahren zum Widerruf des beim Kläger vorliegenden Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, dass die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme der Begünstigung nach § 73 Abs. 3 AsylVfG nicht vorlägen und daher ein Aufhebungsverfahren nicht eingeleitet werde.

Der Kläger befand sich vom 1. Juli 2009 bis 18. November 2009 in Untersuchungshaft. Ab dem 14. November 2010 befand er sich erneut in (Untersuchungs-)Haft. Er verbüßte anschließend die Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil vom 19. November 2011 und die Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 25. Oktober 2011.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1), untersagte die Wiedereinreise (Nr. 2) und forderte ihn zur Ausreise auf. Sollte der Kläger nicht freiwillig ausreisen, werde sein Aufenthalt geduldet (Nr. 3).

Die Ausweisung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Kläger sei seit April 2009 immer wieder straffällig geworden. Er habe in einer Vielzahl von Einzelfällen Heroin verkauft, um sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Zudem sei er mit mehreren Mittätern in zwei Gaststätten und einen Baucontainer eingebrochen, wo Werkzeuge und Tresore mit Wertsachen entwendet worden seien. Bei der Strafzumessung sei berücksichtigt worden, dass der Kläger durch die Kriegsereignisse im Heimatland schwer traumatisiert sei und es ihm daher nicht möglich sei, sich altersgerecht zu verhalten. Es seien Reifeverzögerungen festgestellt worden. Zudem sei berücksichtigt worden, dass der Kläger durch vorangegangenen Kokainkonsum enthemmt gewesen sei. Die erste Verurteilung, die Bewährungsentscheidung und der erstmalige Hafteindruck hätten ihn jedoch völlig unbeeindruckt gelassen. Bereits zwei Wochen nach der Hauptverhandlung habe er versucht, mit einem Mittäter in einen Zeitschriftenladen einzubrechen, und habe hierzu die Eingangstüre aufgebrochen. Am 1. Oktober 2010 habe er zusammen mit einem Mittäter in eine Filiale einer Imbisskette eingebrochen und einen Tresor entwendet, in dem sich 2.491 Euro befunden hätten. Am 14. November 2010 habe er versucht, mit zwei Mittätern in eine Bäckerei einzubrechen. Der Kläger sei offenbar nicht in der Lage oder gewillt, ein rechtskonformes Leben im Bundesgebiet zu führen. Im Alter von 19 Jahren habe er begonnen, in erheblichem Umfang und mit enormer Rückfallgeschwindigkeit Straftaten zu begehen und sich von keiner strafgerichtlichen Sanktion von weiteren Straftaten abhalten lassen. Dass er sich nunmehr, nach Ablauf von fast drei Jahren Haft, kooperativ zeige, entspreche dem typischen Bild eines Straftäters. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass durch die weitere Anwesenheit des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland auch künftig schwerwiegend gefährdet werde. Nach der Art und dem Umfang der begangenen Straftaten müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer konkreten Gefahr neuer Störungen ausgegangen werden. Die Integration des Klägers in Deutschland sei gescheitert. Der Kläger habe in seinem Heimatland die Grundschule besucht und bis zu seinem neunten Lebensjahr dort gelebt. Auch seine Mutter sei erst im Jahr 1998 zusammen mit dem Kläger nach Deutschland eingereist, so dass davon auszugehen sei, dass in der Familie die Sprache und die Gepflogenheiten des Heimatlandes weiter geführt worden seien. Der Kläger sei volljährig und nicht auf den Beistand seiner Eltern angewiesen. Mit der Ausweisung erlösche der Aufenthaltstitel. Aufgrund des fortbestehenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG werde der Aufenthalt des Klägers weiter geduldet.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.

Mit Beschluss vom 27. April 2014 setzte die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung des Rests der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 19. Januar 2011 und des Rests der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 25. Oktober 2011 ab dem 1. Juni 2014 zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Kläger wird auf die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und der Leitung der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe unterstellt.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2014 vernahm das Verwaltungsgericht die Bewährungshelferin des Klägers. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Weiterhin legte der Kläger eine Bestätigung von Condrobs vom 27. November 2014 sowie den Befundbericht der Diplompsychologin M. vom 3. Dezember 2014 vor.

Mit Schriftsätzen vom 20. Januar 2015 und 4. März 2015 ergänzte die Beklagte ihr im Bescheid ausgeübtes Ermessen. Sie berücksichtigte insbesondere die Entlassung aus der Strafhaft auf Bewährung und die Aussagen der Bewährungshelferin in der mündlichen Verhandlung. Sie befristete unter Änderung der Nr. 2 des Bescheids vom 22. Juli 2013 die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre.

Mit Urteil vom 15. April 2015 änderte das Verwaltungsgericht die Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung vom 4. März 2015 dahingehend ab, dass die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sechs Jahren befristet werden. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Auf Antrag des Klägers ließ der Senat mit Beschluss vom 21. August 2015 die Berufung gegen das Urteil vom 15. April 2015 zu.

Zur Begründung der Berufung verwies der Kläger zunächst auf die Begründung des Zulassungsantrags vom 24. Juni 2015. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine nach wie vor bestehende konkrete Wiederholungsgefahr angenommen. Zudem habe das Verwaltungsgericht den langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers und das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der Traumatisierung nicht hinreichend berücksichtigt.

Im Erörterungstermin vom 16. Februar 2016 wurde die Sach- und Rechtslage bezüglich des seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrechts mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger legte einen Untersuchungsbefund vom 12. Februar 2016 vor, wonach in seinem Urin keine Hinweise auf Opiate und Kokain gefunden worden seien. Er habe stets nur Opiate und Kokain konsumiert. Seit seiner Haftentlassung habe er ca. sieben Drogenberatungsgespräche bei Condrobs absolviert. Dort sei ihm geraten worden, zunächst seine Traumatherapie zu beenden. Bezüglich der psychotherapeutischen Traumabehandlung legte der Kläger eine Bestätigung vom 15. Februar 2016 vor. Derzeit arbeite der Kläger auf geringfügiger Basis als Küchenhilfe und warte auf eine Festanstellung. Den Schulabschluss habe er in der Justizvollzugsanstalt nicht nachholen können, weil dies an der Haltung der Beklagten gescheitert sei.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 änderte die Beklagte Nr. 2 des Bescheids vom 22. Juli 2013 erneut. Unter der Bedingung, dass keine weiteren Ausweisungsgründe bekannt würden, ferner Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen sowie die Meldeverhältnisse ab Ausreise lückenlos belegt würden, werde das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre befristet. Die Frist beginne mit der Ausreise. Werde diese Bedingung nicht erfüllt, betrage die Sperrfrist sechs Jahre ab Ausreise. Die Beklagte verwies auf das Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten und die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr. Zu seinen Gunsten sprächen sein langer Aufenthalt, die familiären Bindungen und das Abschiebungsverbot.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 beantragt der Kläger,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Juni 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausweisung auch unter Geltung des neuen Ausweisungsrechts für rechtmäßig, weil vom Kläger nach wie vor eine Wiederholungsgefahr ausgehe. Trotz des bestehenden Abschiebungshindernisses verblieben in spezialpräventiver Hinsicht die gewünschte Verschlechterung des ausländerrechtlichen Status und eine mögliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Generalpräventiv diene die Ausweisung der Abschreckung in vergleichbaren Fällen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. April 2015 hat nur teilweise Erfolg. Seine Klage auf Aufhebung der Ausweisungsentscheidung in Nr. 1 des Bescheides vom 22. Juli 2013 ist unbegründet, weil die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.). Soweit sich der Kläger gegen die in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Juli 2013 (geändert durch die Bescheide vom 4. März 2015 und 24. Juni 2016) verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung wendet, ist die Klage begründet, weil die Befristungsentscheidung der Beklagten rechtswidrig ist und er einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte neu über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; 2.).

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisungsverfügung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also hier des Verwaltungsgerichtshofs als Berufungsinstanz (st. Rspr.. vgl. BayVGH, U. v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris Rn. 29 m. w. N.). Rechtlicher Maßstab für die Überprüfung der von der Beklagten nach § 53 Nr. 1, § 56 Abs. 1 AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 gültigen Fassung (a. F.) verfügten Ausweisung sind daher die gesetzlichen Regelungen über die Ausweisung in der ab 17. März 2016 geltenden Fassung des Aufenthaltsgesetzes. Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 BGBl I S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (st. Rspr.; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 26; Welte, AuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, Vor §§ 53 bis 56 Rn. 5 ff., a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist vorliegend der Fall.

1.1 Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch gegeben. Denn es besteht noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger weiterhin Straftaten begehen wird, die sich insbesondere gegen das Eigentum anderer richten. Bei der vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2016 - 10 ZB 15.1968 - juris Rn. 10 m. w. N.). Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 1911 - juris Rn. 16 m. w. N.; U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Ausreichend, aber auch erforderlich für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr ist eine konkrete Rückfallgefahr. Eine solche konkrete Rückfallgefahr liegt nach Auffassung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) trotz der guten Entwicklung des Klägers während seiner Inhaftierung vom 14. November 2010 bis zum 1. Juni 2014 und seiner Straffreiheit während der nunmehr zweijährigen Bewährungszeit noch vor.

Der Kläger hatte im Zeitraum zwischen April und Ende Juni 2009 in mindestens 19 Fällen Heroingemisch verkauft und 100 g Heroingemisch angekauft. Am 1. Dezember 2009 versuchte er einen Einbruchsdiebstahl. Am 1. Oktober 2010 brach er in eine Imbissfiliale ein, ein weiterer Einbruchsversuch fand am 14. November 2010 statt.

Der Kläger ist damit innerhalb von eineinhalb Jahren massiv straffällig geworden. Er handelte nicht nur gewerbsmäßig mit Heroin, sondern beging bzw. versuchte zahlreiche Einbruchsdiebstähle, um sich eine sichere Einnahmequelle zu verschaffen. Besonders negativ für die zu treffende Prognoseentscheidung wirkt sich aus, dass der Kläger kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 18. November 2009 bereits am 1. Dezember 2009 einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall beging. Offensichtlich zeigte die mehr als fünf Monate dauernde Untersuchungshaft wegen Heroinhandels keine nachhaltigen Wirkungen in Bezug auf seine Delinquenz. In der Strafhaft entwickelte sich der Kläger positiv, so dass ihm die Justizvollzugsanstalt in der Stellungnahme vom 4. Juli 2013 eine vorsichtig positive Zukunftsprognose ausstellte. Schließlich setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg mit Beschluss vom 27. April 2014 den Rest der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und den Rest der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren unter Auflagen zur Bewährung aus, weil die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld die Reststrafenaussetzung befürwortet und die Staatsanwaltschaft sich deren Votum angeschlossen hatte. Für den Zeitraum nach der Haftentlassung ist jedoch festzustellen, dass der Kläger den Bewährungsauflagen im Beschluss vom 27. April 2014 teilweise nur zögerlich bzw. unter Druck nachkommt. Während die Bewährungshilfe im Bericht vom 6. August 2015 davon spricht, dass der Kläger sich neue berufliche Perspektiven erarbeiten wolle, intensiv in der Traumatherapie mitarbeite und die Kontakte und Gesprächstermine zur Bewährungshilfe zuverlässig wahrnehme, berichtet die Bewährungshelferin in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 2016 davon, dass sich der Kläger seit September 2015 nicht an die Termine mit der Bewährungshilfe halte. Zu den Gesprächsterminen sei er weder erschienen noch habe er sich entschuldigt. Ein Termin mit der Bewährungshelferin fand erst statt, als ihm mit Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 4. Februar 2016 die Einleitung des Bewährungswiderrufsverfahrens angedroht worden war. Der Kläger nahm dann zwar einen Gesprächstermin am 15. Februar 2016 wahr, in der Stellungnahme vom 21. Juni 2016, die in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 vorgelegt worden war, teilte die Bewährungshelferin jedoch erneut mit, dass die Kontakthaltung mit dem Kläger unbefriedigend verlaufe und er auf ein Schreiben vom 15. März 2016 nicht reagiert habe. Insoweit hat der Kläger zwar vorgetragen, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe. Auffallend ist jedoch, dass der Kläger nur auf ausdrückliche Aufforderung der Bewährungshelferin den Kontakt hält.

Entsprechend den Auflagen im Beschluss vom 17. April 2014 hat der Kläger eine Traumatherapie begonnen. Im Bericht vom 15. Februar 2016 führt die Therapeutin aus, dass der Kläger regelmäßig, wenn auch teilweise verspätet, zu den Stunden gekommen sei und weitgehend motiviert mitgearbeitet habe. Die mit der posttraumatischen Belastungsstörung verbundenen Impulskontrollstörungen hätten sich deutlich reduziert.

Insgesamt hat der Senat aus dem Gesamtergebnis der vorgelegten Bescheinigungen zu den Bewährungsauflagen und den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2016 die Überzeugung gewonnen, dass sein Wohlverhalten dem Druck der noch bestehenden Bewährung und einem etwaig drohenden Bewährungswiderruf geschuldet ist und es ihm schon jetzt Mühe bereitet, die Bewährungsauflagen einzuhalten. Hinzu kommt, dass die Straffälligkeit des Klägers zumindest durch die bestehende posttraumatische Belastungsstörung und die Impulskontrollstörung mitverursacht war, so dass, solange die Verhaltenstherapie nicht erfolgreich abgeschlossen ist, auch insoweit die Gefahr besteht, dass der Kläger erneut straffällig wird. Bezüglich der Gefahrenprognose wirkt sich auch zulasten des Klägers aus, dass er seit seiner Haftentlassung auf dem Arbeitsmarkt noch nicht Fuß fassen konnte. Auch wenn seine derzeitige aufenthaltsrechtliche Situation zu den Schwierigkeiten, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden, beitragen mag, so liegt eine weitere Ursache dafür auch im fehlenden Schulabschluss und der fehlenden Berufsausbildung. Der Kläger hat seit seiner Haftentlassung keine Anstrengungen unternommen, sich insoweit, zum Beispiel durch Berufspraktika, weiter zu qualifizieren.

1.2 Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, weil er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden ist.

1.3 Diesem gesetzlich vertypten Ausweisungsinteresse steht ein ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, weil der Kläger seit 22. November 2005 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist.

1.4 Die nach § 53 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 AufenthG unter Berücksichtigung der in § 54, § 55 AufenthG normierten Ausweisungsinteressen und Bleibeinteressen vorzunehmende Abwägungsentscheidung führt hier zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer Ausreise das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Die streitbefangene Ausweisung erweist sich unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG aufgeführten Umstände und mit Blick auf die Anforderungen des Art. 8 EMRK als verhältnismäßig.

1.4.1 Im Rahmen der Ausweisungsentscheidung sind die abwägungserheblichen Interessen zutreffend zu ermitteln und zu gewichten. Es ist ein Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen herzustellen, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Im Rahmen seiner Gestaltungskompetenz hat der Gesetzgeber sowohl für das Ausweisungs- als auch für das Bleibeinteresse normative Gewichtungen vorgenommen (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., § 53 Rn. 50). Generalpräventive Aspekte sind Teil des öffentlichen Ausweisungsinteresses. Nach der Gesetzesbegründung kann eine Ausweisungsentscheidung daher grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise des Ausländers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die in § 53 Abs. 2 AufenthG - nicht abschließend - aufgeführten Kriterien orientieren sich an den durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten sog. Boultif/Üner Kriterien (EGMR, U. v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 45273/00 - InfAuslR 2001, 476, U. v. 18.10.2006 - Üner, Nr. 46410/99 - NVwZ 2007, 1229). Bei der Abwägung zu berücksichtigen sind danach die Art und die Schwere der begangenen Straftaten, wobei die vom Gesetzgeber vorgenommene typisierende Gewichtung zu beachten ist, das Verhalten des Ausländers nach der Tatbegehung sowie die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielstaat.

1.4.2 Für den weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet spricht, dass er bereits seit seinem 10. Lebensjahr im Bundesgebiet lebt, er hier die Schule besucht hat, wenn auch ohne Abschluss, und sehr gut deutsch spricht. Der lange Aufenthalt des Klägers ist entsprechend der gesetzlichen Typisierung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse zu bewerten. Wirtschaftliche Bindungen des Klägers im Bundesgebiet bestehen nicht. Er kann keine Berufsausbildung vorweisen und war auch vor seiner Inhaftierung überwiegend nur geringfügig beschäftigt. Eine eigene Kernfamilie hat der Kläger noch nicht gegründet. Er hat zwar eine Freundin, Anhaltspunkte dafür, dass er eine Intensivierung dieser Beziehung anstreben würde, sind nicht ersichtlich. Seine Eltern und Geschwister leben im Bundesgebiet, bei einem Erwachsenen ist aber den familiären Bindungen kein allzu großes Gewicht mehr beizumessen. Die Art und die Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten sind entsprechend der Bestimmung in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ebenfalls als besonders schwerwiegend einzustufen, wobei nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass der Kläger das gesetzlich als besonders schwerwiegend eingestufte Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG durch seine Verurteilungen zweimal verwirklicht hat.

1.4.3 Die aus spezialpräventiven Gründen für das Überwiegen des Ausweisungsinteresses sprechenden Gesichtspunkte, die wegen der vom Kläger nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr weiterhin zu berücksichtigen sind, verlieren nicht deshalb ihre Bedeutung, weil er wegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht in sein Heimatland abgeschoben werden kann. Nach der zum alten Ausweisungsrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 31.8.2004 - 1 C 25.03 - juris Rn. 15) schloss der Umstand, dass ein Ausländer wegen des Bestehens von Abschiebungshindernissen nicht in sein Heimatland abgeschoben werden konnte, eine Ausweisung grundsätzlich nicht aus. Eine Ausweisung könne ihren ordnungsrechtlichen Zweck sowohl unter spezialpräventiven als auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten auch dann erreichen, wenn sie nicht zu einer Abschiebung des Ausländers in sein Heimatland, sondern nur zu einer Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Position im Bundesgebiet führe (vgl. zur Generalprävention BVerwG, B. v. 18.8.1995 - 1 B 55.95 - juris Rn. 9; Discher in GK-Aufenthaltsgesetz, vor §§ 53 ff Rn. 429). Unter Geltung des alten Ausweisungsrechts hatte die Ausländerbehörde das Bestehen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG a. F. in ihre Ermessenserwägungen einzustellen bzw. war die Ausweisung unverhältnismäßig, weil sie ihren Zweck, den Ausländer wegen der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr aus dem Bundesgebiet zu entfernen, nicht erreichen konnte (Discher, a. a. O.; § 55 Rn. 1370; Graßhof in Beck´scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand: 1.1.2015, § 55 Rn. 52). Der Senat hatte die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. April 2015 zugelassen, weil die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung diesen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt hatte. Im ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ist das Bestehen eines Abschiebungsverbots mangels Ermessensentscheidung bei der Gewichtung des öffentlichen Ausweisungsinteresses zu berücksichtigen und kann unter bestimmten Umständen auch zum Wegfall des Ausweisungsinteresses führen.

Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Ein unter spezialpräventiven Gesichtspunkten zu berücksichtigendes öffentliches Ausweisungsinteresse kann auch bei Bestehen von Duldungsgründen dann bejaht werden, wenn mit der Ausweisung ein Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht oder einer weiteren Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt wird oder Aufenthaltsbeschränkungen ausgelöst werden (vgl. VGH BW, U. v. 21.4.2010 - 11 S 200/10 - juris Rn. 60). Vorliegend führt die Ausweisung des Klägers zum Erlöschen seines Aufenthaltstitels und somit unabhängig von § 61 AufenthG auch zur Einschränkung seiner Reise- und Bewegungsfreiheit. Auch wenn die damit verbundene Aufenthaltsbeschränkung beim Kläger aus spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht zwingend notwendig sein dürfte, verhält es sich bei dem mit der Ausweisung verbundenen Erlöschen des durch die Niederlassungserlaubnis vermittelten Aufenthaltsrechts anders. Gegenwärtig ist nicht absehbar, wie lange das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen bleibt, so dass der Kläger, um überhaupt wieder die Chance zu bekommen, einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG oder § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und damit einen gesicherten Aufenthalt zu erhalten, kein neues Ausweisungsinteresse begründen, d. h. keine neuen Straftaten begehen darf. Insoweit kommt daher der Ausweisung trotz des bestehenden Abschiebungsverbots verhaltenssteuernde Wirkung zu (zu diesem Erfordernis VGH BW, U. v. 13.1.2016 - 11 S 889/15 - juris Rn. 138).

Auch wenn das auf spezialpräventiven Gesichtspunkten beruhende öffentliche Ausweisungsinteresse im Hinblick auf die dem Kläger zu erteilenden Duldungen als nicht so gewichtig einzustufen ist, führt jedenfalls die zusätzliche Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen dazu, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt. Anderen Ausländern, die einen Aufenthaltstitel und unabhängig davon Abschiebungsschutz besitzen, wird deutlich vor Augen geführt, dass durch die Begehung von Straftaten mit dem durch die Ausweisung bedingten Erlöschen des Aufenthaltstitels gravierende Nachteile wie zum Beispiel räumliche Beschränkungen oder der Verlust der mit einem Aufenthaltstitel verbundenen Sozialleistungen einhergehen, auch wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet tatsächlich nicht beendet werden kann.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass abgesehen von der bloßen Dauer des Aufenthalts keine gewichtigen Bleibeinteressen des Klägers bestehen, so dass das auf spezial- und generalpräventiven Gründen beruhende Ausweisungsinteresse letztlich überwiegt.

2. Die Klage hat jedoch Erfolg, soweit sie sich gegen die zuletzt mit Bescheid vom 24. Juni 2016 neu gefasste Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs bzw. fünf Jahre ab Ausreise richtet. Die Festsetzung der Länge der Sperrfrist erweist sich als ermessensfehlerhaft, so dass die Beklagte zu verpflichten ist, erneut über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu entscheiden.

2.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Verwaltungsgerichtshofs als Berufungsgericht (BVerwG, U. v. 25.3.2015 - 1 C 18.14 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Abzustellen ist daher auf die Regelungen des § 11 AufenthG in der seit 24. Oktober 2015 geltenden Fassung des Aufenthaltsgesetzes. Für einen Ausländer, der ausgewiesen ist, gilt nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Dauer von Amts wegen nach Ermessen zu befristen ist (§ 11 Abs. 2 und 3 AufenthG).

2.2 Begehrt der Kläger die Verkürzung der von der Behörde verfügten Dauer der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot, so ist richtige Klageart nach Auffassung des Senats die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO). Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich bislang nicht eindeutig, ob die Verkürzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Wege der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage verfolgt werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11: Verpflichtungsklage; U. v. 14.3.2013 - 1 B 17.12, U. v. 15.4.2013 - 1 B 22.12: Anfechtungsklage - alle juris). Der Senat ist bislang davon ausgegangen, dass dann, wenn die Verwaltungsbehörde - wie hier - bereits eine Befristungsentscheidung erlassen hat, die Anfechtungsklage die richtige Klageart für eine begehrte Verkürzung der Frist ist (BayVGH, B. v. 15.1.2016 - 10 ZB 15.1998 - juris Rn. 4). In der aktuell gültigen Fassung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat der Gesetzgeber nun bestimmt, dass über die Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ermessen entschieden wird. Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Länge der Frist grundsätzlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Rahmen überprüfen darf. Eine Verkürzung der Dauer der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot durch das Gericht selbst kommt also nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In allen anderen Fällen ist zwar die Entscheidung der Verwaltungsbehörde aufzuheben, jedoch muss das Gericht der Verwaltungsbehörde erneut Gelegenheit geben, ihr Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben. Dies kann jedoch nur im Rahmen einer Verpflichtungsklage erreicht werden (für den vorläufigen Rechtsschutz: vgl. OVG Lünebürg, B. v. 14.12.2015 - 8 PA 199/15 - juris). Zusammen mit der Änderung des § 11 AufenthG hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG neu eingefügt, wonach Widerspruch und Klage gegen die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber betonen, dass ein Rechtsbehelf des Ausländers gegen die Befristungsentscheidung die Durchsetzung der Ausreisepflicht unberührt lässt (BT-Drs. 18/4097, S. 58). Aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG ergibt sich jedoch nicht, dass der Rechtsschutz gegen eine Befristungsentscheidung stets im Rahmen einer Anfechtungsklage zu erfolgen hat.

2.3 Der vom Kläger im Berufungsverfahren gestellte Antrag, die Befristungsentscheidung der Beklagten in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Juli 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Juni 2016 aufzuheben, ist bei sachgerechter Würdigung des Klagebegehrens dahin auszulegen, dass er für den Fall, dass die Ausweisungsentscheidung im Berufungsurteil nicht aufgehoben wird, hilfsweise zumindest eine angemessene Verkürzung der Dauer der Befristung erreichen will und die Festsetzung der Länge der Frist der Entscheidung des Senats überlässt. Nach § 88 VwGO darf das Gericht zwar nicht über das Klagebegehren hinausgehen, es ist aber nicht an die Fassung der Klageanträge gebunden, sondern hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzziel zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (BVerwG, B. v. 13.1.2012 - 9 B 56.11 - juris Rn. 7).

2.4 Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Mit der Neufassung der gesetzlichen Bestimmung wollte der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - juris) den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisieren (BT-Drs. 18/4097, S. 36). Der Senat teilt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857 - juris Rn. 27), wonach trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts die Entscheidung über die Länge der Frist für das Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots eine gebundene Entscheidung darstelle (siehe schon BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 54). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil ausgeführt, aus der unionsrechtlichen Prägung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. durch Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG, Art. 8 EMRK, Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG ergebe sich, dass der ausgewiesene Ausländer einen Rechtsanspruch auf Befristung habe und dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei. An der bisherigen Auffassung, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. die Dauer der Befristung in das Ermessen der Ausländerbehörde stelle, werde nicht mehr festgehalten (BVerwG, a. a. O., Rn. 33). Zuvor hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch klargestellt (Rn. 32), dass sich die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a. F. nicht zu der Frage verhalte, ob die Bemessung der Frist in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt sei (siehe auch Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, AufenthG, § 11 Rn. 40). Aus den vom Bundesverwaltungsgericht genannten Vorschriften ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer Neuregelung der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Länge der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot kein Ermessen einräumen dürfe, weil die Dauer der Frist einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung unterliegen müsse. Insbesondere enthalten Art. 12 und 13 der Richtlinie 2008/115/EU keine Regelungen über die gerichtliche Kontrolldichte der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbot. Aus dem unionsrechtlichen Anspruch auf Befristung der Wirkungen einer Rückkehrentscheidung (zur Frage, ob die Ausweisung überhaupt eine solche darstellt vgl. VGH BW, B. v. 15.10.2013 - 11 S 2114 - juris Rn. 6), folgt nicht zwangsläufig, dass bei der Bestimmung der Länge der Frist der zuständigen Behörde kein, wenn auch durch die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben deutlich eingeschränkter, Ermessensspielraum verbleiben darf. Die für die Bestimmung der Länge der Sperrfrist maßgeblichen Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, und der anschließenden Relativierung anhand höherrangiger Rechtsnormen überprüft das Gericht vollständig. Der Behörde kann bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfirst dennoch ein Ermessenspielraum eingeräumt sein. Denn die verfassungsrechtlich und unionsrechtlich geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich regelmäßig nicht auf die Bestimmung einer taggenauen Frist reduzieren. Letztendlich handelt es sich damit bei dem der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessen um einen - wenn auch - geringen Spielraum bei der Festsetzung der Dauer der Sperrfrist, die sich an den verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Wertentscheidungen messen lassen muss (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 11 Rn. 31). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach ein struktureller Widerspruch zur Ausgestaltung der Ausweisung als gebundene Entscheidung bestünde, wenn der Behörde bei der Befristungsentscheidung eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre (VGH BW, U. v. 9.12.2015, a. a. O. juris Rn. 27), teilt der Senat nicht. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, „eine Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit“ zu erreichen (BT-Drs. 18/4097, S. 50).

2.5 Die Bestimmung der Länge der Frist erfolgt einem ersten Schritt anhand einer prognostischen Einschätzung, wie lange die Gefahr besteht, dass der Ausländer weitere Straftaten oder andere Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung begehen wird, wobei die Umstände des Einzelfalles anhand des Gewichts des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist anhand der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK zu überprüfen und ggf. zu verkürzen (vgl. BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese auch nach neuem Recht gültigen Kriterien hat die Beklagte bei der Festsetzung der Frist für das Einreise-, Aufenthalts- und Titelerteilungsverbot nicht hinreichend berücksichtigt.

Bei der prognostischen Beurteilung der vom Kläger ausgehenden Wiederholungsgefahr hat die Beklagte ausschließlich auf das Gewicht der begangenen Straftaten abgestellt, ohne zu berücksichtigen, dass er seit seiner Entlassung aus der Strafhaft keine Straftaten mehr begangen hat und sich jedenfalls um die therapeutische Aufarbeitung seiner Impulskontrollstörung bemüht. Daher ist die Beklagte in dem ersten Schritt von einer zu langen Dauer der Frist ausgegangen. Weiterhin hat die Beklagte bei der Bemessung der Dauer der Sperrfrist nicht berücksichtigt, dass wegen des bestehenden Abschiebungsverbotes nicht ausschließlich die Gefahrenprognose ausschlaggebend sein kann, sondern - vorrangig - die Notwendigkeit einer verhaltenssteuernden Wirkung der durch die Ausweisung bewirkten Titelerteilungssperre aus spezialpräventiven Gründen. Denn Erwägungen zur Abwehr einer vom betroffenen Ausländer ausgehenden Gefahr verlieren auch bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG an Bedeutung, wenn der betreffende Ausländer das Land nicht verlässt oder verlassen kann, weil ein Abschiebungshindernis besteht.

Zudem hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung außer Acht gelassen, dass im vorliegenden Fall unklar ist, wann die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots konkret zu laufen beginnt, weil der Kläger wegen des bestehenden Abschiebungsverbots nicht abgeschoben werden kann und die Frist erst mit der Ausreise beginnt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das Bestehen eines Ausreisehindernisses bedeutet zwar nicht, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot von vornherein nicht zum Tragen kommt (Maor in Beck´scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.2.2016, AufenthG, § 11 Rn. 11). In jedem Fall führt aber ein Verschieben des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Ausreise zur Verlängerung des gesetzlich in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Einreise- und Aufenthaltsverbots. Das Einreiseverbot und die Titelerteilungssperre verlängern sich also faktisch um die Dauer des Ausreisehindernisses. Bliebe das Abschiebungsverbot des Klägers auf Dauer bestehen, so hätte der Befristungsbescheid vom 24. Juni 2016 zur Folge, dass dem Kläger kein neuer Aufenthaltstitel erteilt werden kann und das Titelerteilungsverbot unbefristet wirkt. Dieses Ergebnis ist jedoch mit dem Grundsatz, dass der betroffene Ausländer einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen einer Ausweisung hat, nicht zu vereinbaren.

Die Befristungsentscheidung leidet daher unter einem Ermessensdefizit, weil die genannten Gesichtspunkte bei der Bestimmung der Fristdauer und der Festsetzung von Nebenbestimmungen bzw. Bedingungen nicht berücksichtigt worden sind. Demgemäß war die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.