Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2015 - M 1 K 15.1420
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine Nutzungsuntersagung für Räume im Obergeschoß und Dachgeschoß des „Gasthof ...“, FlNr. 43 Gemarkung ...
Der Kläger zu 2) ist Eigentümer des Grundstücks und des denkmalgeschützten Hotels „Gasthof ...“, das bis zum
Nachdem das Hotel sich wieder in Nutzung befand, führte das Landratsamt am
Eine Kontrolle am
Kontrollen des Landratsamts am
Nach entsprechender förmlicher Anhörung mit Schreiben vom
Gegen diesen Bescheid wurde am 13. April 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung insbesondere vorgetragen wird, die Nutzungsuntersagung sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Klagebegründung (20.7.2015) unverhältnismäßig. Unstreitig seien mehrere brandschutzrechtliche Vorgaben aus den Baugenehmigungsbescheiden nicht oder nicht vollständig umgesetzt. Dem Landratsamt sei bekannt, dass hierfür wirtschaftliche Gründe verantwortlich seien. Es habe den Zustand jedoch bis in das Jahr 2014 hinein geduldet. Nunmehr sei die wirtschaftliche Lage der Kläger noch stärker eingeschränkt als in den vergangenen Jahren. Auch das gegenüberliegende „Hotel ...“ gehöre den Klägern und habe wegen einer gerichtlich bestätigten Nutzungsuntersagung ebenfalls brandschutzmäßig ertüchtigt werden müssen. Insbesondere sei hier die sehr teure Brandmeldeanlage inzwischen fertig gestellt. Das Kostenvolumen für den Umbau des „Hotel ...“ belaufe sich auf 300.000 Euro. Die Nachrüstung des „Gasthof ...“ habe deshalb nicht zeitgleich betrieben werden können, zumal das „Hotel ...“ wegen des Umbaus geraume Zeit nicht nutzbar gewesen sei. Der „Gasthof ...“ habe deshalb weiter betrieben werden müssen, um Stammgäste zu erhalten und Umsätze zu erzielen. Eine Einstellung der Nutzung beider Hotels würde unmittelbar zum Ende beider Betriebe führen. Gleichwohl seien die Kläger nicht untätig geblieben. Insbesondere sei ein Kostenangebot für eine Brandmeldeanlage eingeholt worden. Sie seien bemüht, die Finanzierung der etwa 30.000 Euro teuren Brandmeldeanlage sowie der übrigen notwendigen Brandschutzmaßnahmen zu klären. Ferner teilen die Kläger mit, dass zum 15. Mai 2015 die „Hotel ... GmbH & Co. KG“ den Betrieb des „Gasthof ...“ von der Klägerin zu 2) übernommen habe.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Landratsamts ...
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
Klageabweisung.
Die „Hotel ... GmbH & Co. KG“ wurde in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2015 zum Verfahren beigeladen, stellte aber keinen eigenen Antrag. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Übrigen wird auf die Niederschrift vom 28. Juli 2015, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der Bescheid des Beklagten vom
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der von den Klägern erhobenen Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin hier der
1. Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden. Hierbei entspricht es der herrschenden Auffassung, dass es für eine Untersagung grundsätzlich ausreicht, wenn die Nutzung in formell baurechtswidriger Weise, also ungenehmigt erfolgt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B. v. 8.6.2015 - 2 ZB 15.61 - juris Rn. 3;
Die Kläger machen vielmehr sinngemäß nur geltend, die Nutzungsuntersagung sei nicht ermessensgerecht, insbesondere nicht verhältnismäßig, weil ihre wirtschaftliche Gesamtsituation nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die geforderte Erfüllung der Brandschutzanforderungen parallel in ihren beiden Betrieben sei existenzbedrohend.
Die Ermessensausübung des Landratsamts ist aber nicht zu beanstanden. Das wirtschaftliche Interesse der Kläger daran, den „Gasthof ...“ vorerst trotz seiner gravierenden Brandschutzmängel weiter betreiben zu dürfen, wurde im streitigen Bescheid zu Recht als nachrangig bewertet. Es handelt sich bei dem „Gasthof ...“ um einen Beherbergungsbetrieb im Sinn der Beherbergungsstättenverordnung (BStättV) mit mehr als 30 Gästebetten. Weil es um die Beherbergung einer größeren Zahl von Menschen geht, werden in der BStättV besondere Anforderungen an den Brandschutz gestellt. Dies ist zum Schutz von Leben und Gesundheit der Gäste, aber auch der Mitarbeiter gerechtfertigt, weil die Gefährdung dieser überragend bedeutsamen Rechtsgüter im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) im Brandfall schwerwiegend und nicht hinnehmbar ist. Die in mitten stehenden Brandschutzmängel sind keineswegs geringfügig. Im Gegenteil fehlt es bereits an so grundlegenden Elementen des Brandschutzes wie der Brandschutzordnung und einer funktionsfähigen Alarmierungs- und Brandmeldeanlage. Zusammen mit den übrigen, insbesondere baulichen Mängeln, wie z. B. dem Fehlen von feuerhemmenden Rauchschutztüren und Abschlüssen, was die rasche Ausbreitung eines Brandes erheblich begünstigt, führt dies dazu, dass im Brandfall eine effiziente Brandbekämpfung und Rettung der Betroffenen nicht gewährleistet ist.
Zwar trifft es zu, dass die wirtschaftliche Existenz des klägerischen Betriebs und der dort Beschäftigten Beachtung und Schutz verdient. Das hat auch der Beklagte gesehen, jedoch im Ergebnis zu Recht die Bekämpfung der Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter als bedeutsamer erachtet.
Ein milderes Mittel als die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO stand dem Landratsamt dabei nicht zu Gebote, denn Bauanträge und Genehmigungen für die nötigen Maßnahmen existieren bereits; es fehlt hier an deren Umsetzung. Auch ein sukzessives Vorgehen zur schrittweisen Durchsetzung des Brandschutzes im „Gasthof ...“, etwa unter Verfügung lediglich partieller Nutzungsuntersagungen für einzelne Gästezimmer oder Geschosse, war angesichts der beschriebenen Gefahrenlage ebenso wenig verantwortbar wie ein weiteres Zuwarten.
Eine Verwirkung des Rechts zum bauaufsichtlichen Einschreiten innerhalb der rund zwei Jahre, in denen das Landratsamt versucht hat, die Kläger ohne förmlichen Bescheid zur Erfüllung der Brandschutzanforderungen zu bewegen, kommt nicht in Betracht. Auch hat der Zeitablauf nicht die Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung zur Folge. Im Gegenteil zeigt er viel eher, dass das Landratsamt durchaus gewillt war, auf die Lage der Kläger einzugehen.
2. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. III des angefochtenen Bescheids entspricht Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.
(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).
(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.
(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.