Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2015 - M 1 K 15.1420

bei uns veröffentlicht am28.07.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine Nutzungsuntersagung für Räume im Obergeschoß und Dachgeschoß des „Gasthof ...“, FlNr. 43 Gemarkung ...

Der Kläger zu 2) ist Eigentümer des Grundstücks und des denkmalgeschützten Hotels „Gasthof ...“, das bis zum 15. Mai 2015 von der Klägerin zu 1) betrieben wurde. Danach hat die Beigeladene den Betrieb übernommen. Mit Bescheid vom 4. Februar 2008 wurde dem Kläger zu 2) der Umbau des Hotels bauaufsichtlich genehmigt. Zwei Tekturen folgten mit Bescheiden vom 27. August 2008 und 1. August 2012.

Nachdem das Hotel sich wieder in Nutzung befand, führte das Landratsamt am 12. Dezember 2013 eine Baukontrolle durch und stellte dabei fest, dass die Brandschutzanforderungen aus den Baugenehmigungsbescheiden und dem Brandschutznachweis nur unzureichend oder gar nicht umgesetzt waren und es eine Reihe brandschutzrelevanter Mängel gab. Mit Schreiben des Landratsamts vom 9. Januar 2014 wurden die Kläger aufgefordert, diese Mängel bis spätestens 15. März 2014 zu beseitigen.

Eine Kontrolle am 18. August 2014 ergab, dass die Mängel in ihrer überwiegenden Zahl nicht behoben worden waren. Mit Schreiben des Landratsamts vom 21. August 2014 wurden die Kläger daraufhin erneut aufgefordert, die Mängel zu beseitigen. Die Frist hierfür wurde diesmal bis 15. Oktober 2014 gesetzt. Ferner wurde für den Fall der Nichtbefolgung die Nutzungsuntersagung angedroht.

Kontrollen des Landratsamts am 22. Dezember 2014 und am 15. Februar 2015 ergaben, dass die Mängelbeseitigung weiter unterblieben war.

Nach entsprechender förmlicher Anhörung mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 untersagte das Landratsamt den Klägern mit Bescheid vom 17. März 2015 in sofort vollziehbarer Weise (Nr. II) die Nutzung sämtlicher Räume im 1. und 2. Obergeschoß des Anwesens „Gasthof ...“ zu Aufenthaltszwecken (Nr. I) und drohte für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung bis 3. April 2015 ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro an (Nr. III). In dem auf Art. 76 Satz 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) und die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung gestützten Bescheid, auf den insoweit Bezug genommen wird, sind die brandschutzrelevanten Mängel im Detail aufgeführt. Die von den Baugenehmigungen abweichende tatsächliche Nutzung sei so auch nicht genehmigungsfähig. Zum Schutz von Leib und Leben der Hotelgäste und Mitarbeiter vor erheblichen Gefahren im Brandfall sei die Nutzungsuntersagung ermessensgerecht. Das wirtschaftliche Interesse, das Hotel unverändert weiter zu betreiben, müsse dahinter zurückstehen. Der Betrieb der Gastronomie im Erdgeschoß bleibe weiter möglich.

Gegen diesen Bescheid wurde am 13. April 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung insbesondere vorgetragen wird, die Nutzungsuntersagung sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Klagebegründung (20.7.2015) unverhältnismäßig. Unstreitig seien mehrere brandschutzrechtliche Vorgaben aus den Baugenehmigungsbescheiden nicht oder nicht vollständig umgesetzt. Dem Landratsamt sei bekannt, dass hierfür wirtschaftliche Gründe verantwortlich seien. Es habe den Zustand jedoch bis in das Jahr 2014 hinein geduldet. Nunmehr sei die wirtschaftliche Lage der Kläger noch stärker eingeschränkt als in den vergangenen Jahren. Auch das gegenüberliegende „Hotel ...“ gehöre den Klägern und habe wegen einer gerichtlich bestätigten Nutzungsuntersagung ebenfalls brandschutzmäßig ertüchtigt werden müssen. Insbesondere sei hier die sehr teure Brandmeldeanlage inzwischen fertig gestellt. Das Kostenvolumen für den Umbau des „Hotel ...“ belaufe sich auf 300.000 Euro. Die Nachrüstung des „Gasthof ...“ habe deshalb nicht zeitgleich betrieben werden können, zumal das „Hotel ...“ wegen des Umbaus geraume Zeit nicht nutzbar gewesen sei. Der „Gasthof ...“ habe deshalb weiter betrieben werden müssen, um Stammgäste zu erhalten und Umsätze zu erzielen. Eine Einstellung der Nutzung beider Hotels würde unmittelbar zum Ende beider Betriebe führen. Gleichwohl seien die Kläger nicht untätig geblieben. Insbesondere sei ein Kostenangebot für eine Brandmeldeanlage eingeholt worden. Sie seien bemüht, die Finanzierung der etwa 30.000 Euro teuren Brandmeldeanlage sowie der übrigen notwendigen Brandschutzmaßnahmen zu klären. Ferner teilen die Kläger mit, dass zum 15. Mai 2015 die „Hotel ... GmbH & Co. KG“ den Betrieb des „Gasthof ...“ von der Klägerin zu 2) übernommen habe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Landratsamts ... vom 17. März 2015 aufzuheben.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,

Klageabweisung.

Die „Hotel ... GmbH & Co. KG“ wurde in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2015 zum Verfahren beigeladen, stellte aber keinen eigenen Antrag. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Übrigen wird auf die Niederschrift vom 28. Juli 2015, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der Bescheid des Beklagten vom 17. März 2015 sich als rechtmäßig erweist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der von den Klägern erhobenen Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin hier der 19. März 2015, an dem der angefochtene Bescheid beiden Klägern bekannt gegeben wurde. Aus diesem Grund bleibt auch die Klägerin zu 1) als damalige Betreiberin des „Gasthof ...“ Prozesspartei und war die neue Betreiberin lediglich gemäß § 65 Abs. 2 VwGO zum Verfahren beizuladen.

1. Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden. Hierbei entspricht es der herrschenden Auffassung, dass es für eine Untersagung grundsätzlich ausreicht, wenn die Nutzung in formell baurechtswidriger Weise, also ungenehmigt erfolgt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B. v. 8.6.2015 - 2 ZB 15.61 - juris Rn. 3; B. v. 30.8.2007 - 1 CS 07.1253 - juris Rn. 18). Dies wird selbst von den Klägern, die die formelle Baurechtswidrigkeit der Nutzung zugestehen, nicht behauptet.

Die Kläger machen vielmehr sinngemäß nur geltend, die Nutzungsuntersagung sei nicht ermessensgerecht, insbesondere nicht verhältnismäßig, weil ihre wirtschaftliche Gesamtsituation nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die geforderte Erfüllung der Brandschutzanforderungen parallel in ihren beiden Betrieben sei existenzbedrohend.

Die Ermessensausübung des Landratsamts ist aber nicht zu beanstanden. Das wirtschaftliche Interesse der Kläger daran, den „Gasthof ...“ vorerst trotz seiner gravierenden Brandschutzmängel weiter betreiben zu dürfen, wurde im streitigen Bescheid zu Recht als nachrangig bewertet. Es handelt sich bei dem „Gasthof ...“ um einen Beherbergungsbetrieb im Sinn der Beherbergungsstättenverordnung (BStättV) mit mehr als 30 Gästebetten. Weil es um die Beherbergung einer größeren Zahl von Menschen geht, werden in der BStättV besondere Anforderungen an den Brandschutz gestellt. Dies ist zum Schutz von Leben und Gesundheit der Gäste, aber auch der Mitarbeiter gerechtfertigt, weil die Gefährdung dieser überragend bedeutsamen Rechtsgüter im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) im Brandfall schwerwiegend und nicht hinnehmbar ist. Die in mitten stehenden Brandschutzmängel sind keineswegs geringfügig. Im Gegenteil fehlt es bereits an so grundlegenden Elementen des Brandschutzes wie der Brandschutzordnung und einer funktionsfähigen Alarmierungs- und Brandmeldeanlage. Zusammen mit den übrigen, insbesondere baulichen Mängeln, wie z. B. dem Fehlen von feuerhemmenden Rauchschutztüren und Abschlüssen, was die rasche Ausbreitung eines Brandes erheblich begünstigt, führt dies dazu, dass im Brandfall eine effiziente Brandbekämpfung und Rettung der Betroffenen nicht gewährleistet ist.

Zwar trifft es zu, dass die wirtschaftliche Existenz des klägerischen Betriebs und der dort Beschäftigten Beachtung und Schutz verdient. Das hat auch der Beklagte gesehen, jedoch im Ergebnis zu Recht die Bekämpfung der Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter als bedeutsamer erachtet.

Ein milderes Mittel als die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO stand dem Landratsamt dabei nicht zu Gebote, denn Bauanträge und Genehmigungen für die nötigen Maßnahmen existieren bereits; es fehlt hier an deren Umsetzung. Auch ein sukzessives Vorgehen zur schrittweisen Durchsetzung des Brandschutzes im „Gasthof ...“, etwa unter Verfügung lediglich partieller Nutzungsuntersagungen für einzelne Gästezimmer oder Geschosse, war angesichts der beschriebenen Gefahrenlage ebenso wenig verantwortbar wie ein weiteres Zuwarten.

Eine Verwirkung des Rechts zum bauaufsichtlichen Einschreiten innerhalb der rund zwei Jahre, in denen das Landratsamt versucht hat, die Kläger ohne förmlichen Bescheid zur Erfüllung der Brandschutzanforderungen zu bewegen, kommt nicht in Betracht. Auch hat der Zeitablauf nicht die Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung zur Folge. Im Gegenteil zeigt er viel eher, dass das Landratsamt durchaus gewillt war, auf die Lage der Kläger einzugehen.

2. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. III des angefochtenen Bescheids entspricht Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. (2) Sind

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2015 - 2 ZB 15.61

bei uns veröffentlicht am 08.06.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
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Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2015 - M 1 K 15.2938

bei uns veröffentlicht am 28.07.2015

Tenor I. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 8. Juni 2015 wird aufgehoben. II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Ergebnis die Auffassung des Erstgerichts, dass die gegenüber der Klägerin ergangene Nutzungsuntersagung einschließlich des angedrohten Zwangsgelds diese nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung im Bescheid vom 13. Januar 2014 ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Nach ganz herrschender Meinung (vgl. dazu Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand November 2014, Art. 76 Rn. 282 m. w. N.) ist für eine Nutzungsuntersagung die formelle Illegalität ausreichend, d. h. eine Nutzung ohne die erforderliche Baugenehmigung. Da die Nutzungsuntersagung - insofern der Baueinstellung (Art. 75 Abs. 1 BayBO) entsprechend - in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss folglich grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2007 - 1 CS 07.1253 - juris; B.v. 12.12.2011 - 2 ZB 11.873 - juris, B.v. 18.6.2012 - 2 CS 12.1100 - juris).

Unstreitig existierte vorliegend lediglich eine Baugenehmigung für ein Sonnenstudio. Zum Zeitpunkt der Nutzungsuntersagung am 13. Januar 2014 waren in dem ca. 122 qm großen Hauptraum neun Tische mit ca. 60 Sitzplätzen vorhanden. Außerdem gab es an den Wänden ca. 30 Flachbildschirme, auf denen teilweise live Sportevents übertragen wurden. Damit entsprach die vorgefundene Betriebsform des Wettbüros der einer Vergnügungsstätte, da hier die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden sollten, sich dort länger aufzuhalten, um im geselligen Beisammensein Wetten abzuschließen (vgl. OVG RhPf, B.v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 635; HessVGH, B.v. 25.8.2008 - 3 ZU 2566/07 - NVwZ-RR 2009, 72), was die Klägerin auch nicht bestreitet. Diese Definition des Begriffs „Wettbüro als Vergnügungsstätte“ ist in der Rechtsprechung anerkannt.

Die Nutzungsuntersagung vom 13. Januar 2014 genügt insoweit auch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Der Tenor spricht ausdrücklich davon, dass die „Nutzung als Wettbüro“ zu unterlassen ist. In den Gründen des Bescheids wird zudem angeführt, dass „die Nutzung … über eine reine Wettannahmestelle hinaus(geht) und … als Vergnügungsstätte einzustufen(ist).“ Der Betrieb sei darauf ausgerichtet, dass die Unterhaltung im Vordergrund stehe und die Kunden würden zum Verweilen animiert. Es werde der Spieltrieb angesprochen, insoweit als die Kunden dem Ausgang der Sportwettkämpfe gleichsam entgegenfiebern könnten. Dies entspricht der oben genannten Definition eines Wettbüros als Vergnügungsstätte durch die Rechtsprechung.

Die vom Erstgericht darüber hinaus angenommene Ausdehnung der Nutzungsuntersagung vom 13. Januar 2014 auch auf eine reine Wettannahmestelle findet hingegen im Bescheid gerade keinen Niederschlag, da dieser ausdrücklich davon spricht, dass die derzeitige Nutzung über eine reine Wettannahmestelle hinausgeht. Zwar wäre auch eine reine Wettannahmestelle nicht von der Bandbreite der Nutzungen des bis dahin genehmigten Sonnenstudios erfasst, so dass auch insoweit eine Nutzungsuntersagung wegen formeller Illegalität grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Interpretation des Bescheids vom 13. Januar 2014 durch das Erstgericht geht hier über den Willen der Beklagten hinaus, jedoch bleibt die Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis richtig. Denn das Erstgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Nutzung als Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte durch den angegriffenen Bescheid untersagt worden ist.

Die Nutzungsuntersagung vom 13. Januar 2014 verhält sich nicht zu der Frage, ob eine Reduzierung des Betriebs von dem eines Wettbüros, welches als Vergnügungsstätte einzustufen wäre, auf eine reine Wettannahmestelle möglich wäre. Denn eine reine Wettannahmestelle war zum Zeitpunkt der Nutzungsuntersagung weder ausgeübt noch genehmigt.

Ein verständiger Adressat konnte aus dem Zusammenspiel von Tenor und Gründen des Bescheids vom 13. Januar 2014 eindeutig erkennen, dass die Nutzung als Wettbüro in der Form einer Vergnügungsstätte zu unterlassen war. Die Frage, ob eine Reduzierung auf den Betrieb einer Wettannahmestelle möglich gewesen wäre, wäre mit der Beklagten gesondert abzustimmen gewesen. Da auch eine reine Wettannahmestelle nicht mehr dem Nutzungsspektrum eines Sonnenstudios entsprach, wäre auch für diese Nutzung ein Baugenehmigungsverfahren erforderlich gewesen, was zwischenzeitlich durchgeführt wurde. Mit Bescheid vom 12. März 2015 wurde eine Wettannahmestelle genehmigt.

Die Beklagte hat im Bescheid vom 13. Januar 2014 ihr Ermessen im Hinblick auf die Nutzungsuntersagung eines Wettbüros in Form einer Vergnügungsstätte ausgeübt. Die Frage der Genehmigungsfähigkeit einer reinen Wettannahmestelle stellte sich zu diesem Zeitpunkt nicht, denn die Nutzung als solche sollte durch den Bescheid nicht untersagt werden. Entsprechend liegt insoweit auch kein Ermessensfehler vor.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen, insbesondere die Abgrenzung eines Wettbüros als Vergnügungsstätte von einer reinen Wettannahmestelle, sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Es liegen zudem keine Verfahrensmängel vor, auf denen die Entscheidung des Erstgerichts beruht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Klägerin beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Insoweit trägt sie vor, in der Formulierung des Erstgerichts

„Demgegenüber wird aus der Verwendung des Begriffs „Wettbüro“ jedem verständigen Adressaten klar, dass in den Räumlichkeiten ohne Genehmigung ein Geschäftsbetrieb zur Annahme von Wetten nicht betrieben werden darf.“

liege eine den Unterzeichner persönlich herabsetzende Sachverhaltswürdigung vor, mit der nicht zu rechnen gewesen sei. Er hätte ein Sachverständigengutachten zur Verwendung des Begriffs „Wettbüro“ beantragt, hätte er gewusst, dass das Erstgericht den Begriff „Wettbüro“ auf jedwede Form der Wettvermittlung beziehe.

Zum Anspruch auf rechtliches Gehör gehört es, dass der Beteiligte Gelegenheit hat, das aus seiner Sicht für seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung Notwendige sowohl im Tatsächlichen als auch im Rechtlichen vorzutragen. Insoweit war die Klägerin in keiner Weise eingeschränkt und hat vielmehr umfangreich zu den Begriffen „Wettbüro“ und „Wettannahmestelle“ in der Klagebegründung Ausführungen getätigt. Bei der vom Erstgericht vorgenommenen Wertung handelt es sich zudem um Ausführungen zu einer reinen Rechtsfrage, die einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich gewesen wäre. Die Rechtsfrage der Definition eines Wettbüros als Vergnügungsstätte ist zudem hinreichend obergerichtlich geklärt (vgl. OVG RhPf, B.v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 635; HessVGH, B.v. 25.8.2008 - 3 ZU 2566/07 - NVwZ-RR 2009, 72). Eine eventuell falsche rechtliche Auslegung durch das Erstgericht stellte jedoch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar. Die Frage als solche wurde umfangreich von den Beteiligten schriftsätzlich vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung diskutiert, so dass auch nicht eine Überraschungsentscheidung vorliegt, mit der die Klägerin nicht rechnen konnte.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.