Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2014 - 11 K 13.30732

published on 28/07/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2014 - 11 K 13.30732
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Gericht

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Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.

Der Bescheid des Bundesamtes ... vom ... Juli 2013 wird in den Nummern 3 und 4 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin subsidiären Schutz (§ Abs. 1 AsylVfG) zuzuerkennen.

II.

Die Parteien tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben somalische Staatsangehörige und am ... Juni 1995 geboren. Sie reiste im April 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 18. April 2012 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt ... (Bundesamt) vom 19. März 2013 gab die Klägerin an, die Al Shabaab habe zunächst ihren Vater getötet und ihrer Mutter später das Betreiben einer Teestube untersagt. Da die Klägerin sich gegen diese Untersagung gewehrt habe, sei sie am 20. Februar 2012 von der Al Shabaab mitgenommen worden. Sie habe in der Folge für die Milizen kochen müssen und sei von diesen geschlagen worden. Nach fünf Tagen sei ihr die Flucht gelungen.

Die Klägerin hat sich zunächst in Italien aufgehalten, wegen Ablaufs der Überstellungsfrist wurde davon ausgegangen, dass die Beklagte für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Mit Bescheid vom ... Juli 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes nicht vorliegen und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht bestehen. Die Klägerin wurde unter Fristsetzung (30 Tage) zur Ausreise aufgefordert. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Somalia angedroht. Die Klägerin könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 1. August 2013 ließ die Klägerin Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid vom ... 2013 in Nr. 2 bis 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes vorliegen und hilfsweise festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte legte am 13. August 2013 die Behördenakten vor.

Mit Beschluss vom 18. Juni 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 3. Juli 2014, auf das Bezug genommen wird, wurde die Klage begründet.

In der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2014 wurde die Klägerin informatorisch gehört. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Die Klägerbevollmächtigte beantragte

den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes in den Nrn. 3 und 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin subsidiären Schutz zuzuerkennen,

hilfsweise, ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klage ursprünglich einen weiter gehenden Streitgegenstand hatte. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Beschränkung des Klageantrags ist der Sache nach eine teilweise Klagerücknahme, nämlich eine Rücknahme des auf die Flüchtlingsanerkennung gerichteten Hauptantrags. Die Verfahrenseinstellung und Kostenentscheidung musste insoweit nicht gesondert durch Beschluss erfolgen. Vielmehr konnte darüber im Urteil über den anhängig gebliebenen Streitgegenstand mitentschieden werden (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 92 Rn. 24).

Die Klage ist zulässig und begründet, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Voraussetzungen des § 4 AsylVfG vorliegen; der streitgegenständliche Bescheid erweist sich insoweit als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin hat stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihr im Falle einer Abschiebung in ihr Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG droht.

Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des dortigen innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

a) In Somalia besteht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 AsylVfG. Typische Beispiele für die Annahme eines bewaffneten Konflikts in diesem Sinne sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Auch kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird (BVerwG, U. v. 27.4.2010 - 10 C 4/09 - BVerwGE 136, 360).

Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne effektive Staatsgewalt. Im Herbst 2012 wurde die auf der Grundlage der Übergangsverfassung von 2004 amtierende Übergangsregierung durch eine neue Regierung unter dem Akademiker Hassan Sheikh Mohamud als Präsidenten und dem Geschäftsmann Abdi Farah Shirdon als Premierminister abgelöst; eine neue Übergangsverfassung wurde ebenfalls verabschiedet. Auch der neuen Regierung ist es nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes bislang nicht gelungen, über weite Teile des Landes außerhalb der Hauptstadt Mogadischu effektive Kontrolle zu erlangen. Zwar hat die Mission der afrikanischen Union AMISOM einige größere Städte im Süden des Landes befreit. Dennoch herrschen in großen Teilen Süd- und Zentralsomalias auch weiterhin Zustände, die im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und die humanitäre Lage desaströs sind. Von dem weiter andauernden Bürgerkrieg sind nur die westlichen etwa zwei Drittel von Somaliland und Teile von Puntland ausgenommen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.6.2013, Ziffern I. 1.1 und II. 3.1).

b) Weiter wäre die Klägerin im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit im Sinne von § 4 Absatz 1 Satz 2 AsylVfG infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt.

Eine entsprechende Gefahr kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des betreffenden Ausländers verdichtet. Eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung kann sich zum einen aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann zum anderen ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U. v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, 188). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, Urteil v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - InfAuslR 2013, 241). Soweit sich eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise aus dem hohen Gefahrengrad für jede sich in dem betreffenden Gebiet aufhaltende Zivilperson ergibt, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte bedarf es neben der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos einer wertenden Gesamtbetrachtung, die auch die medizinische Versorgungslage würdigt. Der bei Bewertung der entsprechenden Gefahren anzulegende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Prüfung der tatsächlichen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK (BVerwG, Urteil v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - NVwZ 2012, 454).

Vorliegend hat die Klägerin glaubwürdig in der mündlichen Verhandlung angegeben, in Mogadischu gelebt zu haben. Nach den vorliegenden Informationen dürfte Mogadischu von AMISOM und SNAF und nicht mehr von Al Shabaab kontrolliert werden (UK Border Agency, Länderbericht Somalia vom 5. August 2013, S. 26; BBC News, Karte „Who runs Somalia?“, Stand 1.8.2013). Al Shabaab ist jedoch noch nicht am Ende, sondern kontrolliert in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalia und demonstriert ihr Potential mit spektakulären Anschlägen auf hoch gesicherte Einrichtungen in Mogadischu. In den Berichten des UN-Generalsekretärs wird auf die unbeständige Sicherheitslage in Mogadischu und Zentral- und Südsomalia hingewiesen. Al Shabaab hat in Mogadischu die großen Militärbasen verlassen, sie ist jedoch weiterhin präsent. Die Kontrolle der Stadt ist zwischen den Regierungskräften und Al Shabaab in zwei Schichten aufgeteilt. In der Nacht werden von Al Shabaab diejenigen bestraft, die tagsüber mit der Regierung kooperieren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25. Oktober 2013, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu, S. 1 ff).

Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass in ganz Somalia ein derart hoher Gefahrengrad besteht, dass jede dort anwesende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung in diesem Sinne ausgesetzt ist. Dies gilt auch für die von der Zentralregierung überwiegend kontrollierte Hauptstadt Mogadischu.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind nach übereinstimmenden Schätzungen diverser VN-Organisationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen im somalischen Bürgerkrieg 2007 bis 2011 über 20.000 Zivilisten zu Tode gekommen, davon der größte Teil in Süd- und Zentralsomalia. Im Jahr 2012 seien allein in Mogadischu mindestens 160 Zivilisten getötet worden. Außerdem habe es mindestens 6.700 Verletzte durch Kampfhandlungen gegeben (vgl. Lagebericht v. 12.6.2013, Ziffer I 1.1). Angesichts der für Mogadischu anzunehmenden Bevölkerung von rund 1,35 Millionen (vgl. Eintrag in „The World Factbook“, Stand 2009, abzurufen über das Internet) handelt es sich dabei um eine beachtliche Wahrscheinlichkeit im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU und von Art. 3 EMRK. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung im gesamten Land äußerst mangelhaft ist. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet und werden in ihrer Arbeit durch die unzureichende Sicherheitslage behindert (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.6.2013, Ziffer IV. 1.2). Die medizinische Versorgung dürfte sich in letzter Zeit weiter verschlechtert haben, z. B. durch den Rückzug von „Ärzte ohne Grenzen“ aus Sicherheitsgründen. Die Organisation hatte zuletzt mit etwa 1.500 Mitarbeitern Hunderttausende Kranke und Verletzte versorgt (vgl. Zeit Online vom 14.8.2013 - „Ärzte ohne Grenzen gibt Somalia auf“). Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass schwerverletzte Personen in Somalia einschließlich Mogadischu eine ausreichende medizinische Versorgung erhalten können.

Diese Einschätzung der Gefahrenlage in Somalia und insbesondere in Mogadischu entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. U. v. 28.6.2011 - 8319/07, Sufi u. Elmi - Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, 681). Danach herrscht in Mogadischu in einem Ausmaß Gewalt, dass grundsätzlich jedermann in der Stadt tatsächlich einer Gefahr im Sinne einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt ist. Die Gefahrenlage hat sich in Somalia im Allgemeinen und in Mogadischu im Besonderen seit dem Zeitpunkt der vorgenannten Gerichtsentscheidung, d. h. seit dem Sommer 2011 verschlechtert. So wurden von Armed Conflict Location and Event Dataset (ACLED) für das Jahr 2012 insgesamt 3323 Todesopfer der Konflikte in Somalia erfasst. Das International Institute for Strategic Studies, Armed Conflict Database (IISS ACD) hat für 2012 2151 Todesopfer ermittelt (gegenüber 1950 in 2011). Diese Quelle hat angemerkt, dass die wirkliche Zahl für 2012 wahrscheinlich deutlich höher liegen dürfte (vgl. UK Border Agency, Länderbericht zu Somalia vom 5.8.2013, Nr. 1.11, S. 12). Auch aus dem Länderbericht von ACLED zu Somalia vom April 2013 ergibt sich, dass sich die Zahl der seit Anfang 2011 für Somalia gemeldeten Vorfälle von einem Tiefpunkt im Januar 2011 monatlich von ca. unter 10 bis auf rund 200 im April 2013 erhöht hat. Die Zahl der berichteten Todesfälle ist in 2012 und im Frühjahr 2013 gegenüber der Lage in 2011 deutlich höher gewesen. Während sich die monatlichen Opferzahlen in 2011 überwiegend - mit Ausnahme des Oktober 2011 - unter 200 bewegten, lagen sie ab April 2012 deutlich über 200 bzw. teilweise auch über 300 Personen. Auch in Mogadischu und der Region Banaadir ist die Zahl der von ACLED erfassten Vorfälle und zivilen Opfer auf hohem Niveau geblieben, wenn auch eine Abnahme gegenüber den Zahlen für 2010 festzustellen ist. Allerdings geht das Gericht gerade auch für die Lage in Mogadischu von einer erheblichen Dunkelziffer von Vorfällen und verletzten und getöteten Zivilisten aus. In den vergangenen Jahren wurden vor allem die Opfer von Kampfhandlungen zwischen Regierungstruppen und Al Shabaab bewertet. ACLED geht davon aus, dass die Zahl der Al Shabaab zuzurechnenden Gewaltakte unterschätzt wird. Nach Einschätzung z. B. von ACLED bleibt zum einen Al Shabaab zwar ein wichtiger Akteur im Hinblick auf Gewaltakte im Rahmen einer Guerillataktik in der Hauptstadt Mogadischu. Daneben hat sich aber ein sehr hohes Niveau von Gewalt entwickelt, das von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen ausgeht (vgl. Länderbericht vom April 2013, S. 4). Die diffuse Natur dieser Gewaltakte und die schwere Zuordnung militanter Gruppen zu Organisationen erschwert die Erfassung von Opferzahlen, die den bewaffneten Auseinandersetzungen zuzuordnen sind, erheblich.

Die Sicherheitslage in Mogadischu und der umliegenden Region hat sich auch seit Anfang 2013 nach den vorliegenden Informationen gegenüber 2012 verschlechtert (UNHCR: International Protection Considerations with Regard to people fleeing Southern and Central Somalia, Januar 2014, S. 5). Die Zahl der von ACLED gemeldeten Vorfälle in Mogadischu und in der Region Banaadir seit Dezember 2012 ist auf einem Niveau von 10 bis 15 Vorfällen pro Monat geblieben; die Zahl der Opfer weist seit Jahresanfang wieder eine deutlich steigende Tendenz auf. Der Bericht von Landinfo Norwegen und der dänischen Immigrationsbehörde vom Mai 2013 zur Sicherheit und zum Schutz in Mogadischu und Süd-/Zentralsomalia spricht davon, dass die Situation in Mogadischu nicht stabil ist und dass von Januar bis April 2013 die Zahl der von Al Shabab vorgenommenen Tötungen und Angriffe in Mogadischu zugenommen hat (vgl. S. 20 unten im vorgenannten Bericht). Hinzu kommt, dass die in dem Berichtszeitraum vom 16. April bis 7. Mai 2013 durchgeführten Interviews ersichtlich noch keine genauere Bewertung z. B. der am 14. April und 5. Mai 2013 in Mogadischu von Al Shabaab durchgeführten, schweren Anschläge beinhalten konnten. Die dortigen Angaben über diese Anschläge sind lediglich als Annex zu den grundsätzlichen Ausführungen zu angeblichen Verbesserungen der Sicherheitssituation in Mogadischu seit Oktober 2012 (vgl. Ziffer 1.6 des Berichts, S. 18 bis 22) ergänzt worden. Bei dem Anschlag vom 14. April 2013 sind 34 Zivilisten und ein halbes Dutzend Angreifer ums Leben gekommen (vgl. NZZ vom 17.4.2013 - „Somalias Terroristen schlüpfen aus ihren Löchern“). Es handelte sich um den Vorfall mit den meisten Todesopfern in Mogadischu im Jahr 2013 und den schwersten Terroranschlag seit Vertreibung der Al Shabaab aus Mogadischu. Bei dem Selbstmordanschlag am 5. Mai 2013 wurden über 10 Personen getötet (vgl. Bericht des Generalsekretärs der VN an den Sicherheitsrat vom 31.5.2013, Nr. 11). Bei einem weiteren schweren Selbstmordattentat von Al Shabaab am 19. Juni 2013 auf ein Gebäude des VN-Entwicklungsprogramms in Mogadischu wurden mindestens 18 Menschen getötet (Meldung von DW vom 19.6.2013 - „Keine Stabilität für Somalia“). Insgesamt hat die Zahl von Bombenanschlägen in 2013 gegenüber 2012 zugenommen (vgl. Bericht des Generalsekretärs der VN an den Sicherheitsrat vom 31.5.2013). Dass Al Shabaab relativ leicht prominente und theoretisch gut bewachte Ziele in der Hauptstadt angreifen kann stellt nach Einschätzung von Beobachtern eine schwerwiegende Besorgnis für die Regierung dar und schwächt ihre Hoffnungen für eine schnelle Rückkehr zu „Normalität“ in Somalia (vgl. Länderbericht der UK Border Agency zu Somalia vom 5.8.2013, dort Ziffer 1.28, S. 23).

Die Zahl der Anschläge in Mogadischu hat sich im Jahr 2013 im Vergleich zu 2012 erhöht (Auswärtiges Amt vom 24.9.2013, Somalia: Reisewarnung). Besonders kritisch ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich der Hauptstadt Mogadischu. In Mogadischu haben Zahl und Intensität der Anschläge zuletzt zugenommen. Zudem finden in weiten Teilen Süd- Und Zentralsomalias Kampfhandlungen zwischen somalischen Bürgerkriegsparteien statt, in die auch die dort operierenden Einheiten von AMISOM, der Friedensmission der Afrikanischen Union involviert sind (Auswärtiges Amt vom 25. Mai 2014, Somalia: Reisewarnung). Die Al Shabaab ist noch nicht am Ende, sondern kontrolliert in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalia und demonstriert ihr Potential mit spektakulären Anschlägen auf hoch gesicherte Einrichtungen in Mogadischu. Der Clan und die Clanzugehörigkeit sind wieder wichtig geworden. Clanzugehörigkeit ist grundlegend für den Zugang zu Schutzmechanismen. Bei der Überlebenssicherung sind Einzelpersonen auf die Hilfe der Kernfamilie angewiesen. Dies gilt insbesondere für Minderjährige und Jugendliche sowie ältere Menschen und alleinstehende Frauen und Mütter, die Minderheitenclans angehören (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25. Oktober 2013, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu, S. 1 ff).

Weiter ist die Klägerin auch aufgrund gefahrerhöhender Umstände in ihrer Person einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 AsylVfG ausgesetzt.

Zwar hat in jüngster Zeit, insbesondere nach der Vertreibung der radikal-islamistischen Opposition aus Mogadischu und anderen Städten in Südsomalia, die Zahl der Rückkehrer zugenommen. Die Mehrzahl der Somalier, die aus der Diaspora nach Mogadischu zurückkehren, dürfte allerdings vermögend sein und für sich die Möglichkeiten für Geschäfte, politischen Einfluss sowie Posten sehen. Es wird berichtet, dass es extrem schwierig sei, nach Mogadischu zurückzukehren, wenn man bei der Rückkehr niemanden habe, von dem man Unterstützung erhalten kann. Die zurückkehrenden Personen werden als Konkurrenten im Hinblick auf Arbeitsmöglichkeiten und den durch Rückkehrer bedingten Anstieg der Waren- und Grundstückspreise angesehen. Die Sicherheitslage ist in Mogadischu für Flüchtlinge schlechter als für bessergestellte Teile der Bevölkerung. Es kommt offensichtlich u. a. zu Übergriffen auf Rückkehrer durch Angehörige der ortsansässigen Bevölkerung. Rückkehrer sind auch insoweit nicht willkommen, als einige jugendliche Rückkehrer früher an Al Shabaab-Attacken in Mogadischu teilgenommen haben (Bericht von Landinfo und dänischer Immigrationsbehörde vom Mai 2013, Ziffern 7.2 und 7.3, S. 51 ff.). Die Lebensbedingungen für Rückkehrer, die nicht über familiäre oder andere soziale Bindungen verfügen, sind nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes extrem schwierig (vgl. Lagebericht vom 12.6.2013, Ziffer IV.1.1., S. 18).

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes besteht die größte Gefahr für Rückkehrer in lokalen, clanbezogenen Rivalitäten, gegebenenfalls auch in Übergriffen radikal-islamistischer Gruppen. Rückkehrer seien, u. a. in Abhängigkeit von ihrer Clanzugehörigkeit, einer im Einzelfall schwer einzuschätzenden, möglicherweise sogar lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt (vgl. Lagebericht vom 12.6.2013, Ziffer IV. 1.).

Eine in jüngster Zeit zunehmende Zahl von Rückkehrern hat es in Bezug auf Mogadischu und andere Städte Südsomalias gegeben, aus denen die radikal-islamistische Opposition vertrieben wurde (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.6.2013, dort Ziffer IV.1.). Allerdings ist es häufig schwierig oder unmöglich, Gebiete in Zentral- und Südsomalia zu erreichen, die nicht direkt von Kampfhandlungen, Willkürmaßnahmen unterschiedlicher Milizen und Verfolgungsmaßnahmen lokal dominierender gegenüber anderen Clans betroffen sind (vgl. vorgenannter Bericht, dort Ziffer II.3.).

Die Klägerin ist als religiös verheiratete Frau aus ihrem Heimatland ausgereist und hat sich einige Zeit im Ausland aufgehalten. Zwischenzeitlich ist sie von ihrem Ehemann, der weiterhin in Somalia lebt, geschieden. Eine Einreise in ihr Heimatland wäre der Klägerin zwar grundsätzlich über den Flughafen von Mogadischu möglich (vgl. vorgenannter Lagebericht, dort Ziffer IV.3.). Von ihrem mittlerweile geschiedenen Ehemann hätte die Klägerin voraussichtlich aber keine Hilfe zu erwarten; auch die in Mogadischu verbliebenen Mitglieder ihrer Familie könnten der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags zu den Verhältnissen, unter denen ihre Familie dort lebt (vgl. Bl. 64 der Behördenakten), kaum hinreichend Hilfe angedeihen lassen.

Selbst wenn die Klägerin jedoch alleine bzw. auf sich allein gestellt nach Somalia zurückkehren würde, ist ihr ein Verbleiben in Mogadischu nicht zumutbar (§ 4 Absatz 3, § 3 e Absatz 1 AsylVfG i. V. m. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU), da sie dort begründete Furcht vor individueller Bedrohung hat, demnach nicht sicher in Mogadischu aufgenommen wird, weshalb nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt.

Al Shabaab agiert weiterhin in Mogadischu (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25. Oktober 2013, Somalia: Sicherheitssituation in Mogadischu, S. 1 ff). Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin als geschiedene Frau in Mogadischu wenig Schutz vor Übergriffen in Anspruch nehmen könnte. Hinsichtlich der Clan-Zugehörigkeit gehört die Klägerin einem Minderheiten-Clan (vgl. VG München, U. v. 23.01.2014 - M 11 K 13.30898 -, juris Rn. 19), nämlich dem Ashraf-Clan an - die Angabe in der Anhörung (Bl. 59 der Behördenakten), dass die Klägerin bis vor kurzem von einer anderen Clan-Zugehörigkeit ausging, ist nicht so ungewöhnlich, da die Angehörigen des Ashraf-Clans sich wohl öfter unter den Schutz der Clans, in deren Umfeld sie leben, begeben, weshalb es demzufolge nichts vollkommen ungewöhnliches ist, dass die Eltern der Klägerin sie gleich in dem Glauben ließen, sie gehöre einem anderen Clan an - und demzufolge nicht den in Mogadischu vorherrschenden Clans. Mogadischu wird im Wesentlichen von zwei Untergruppen des Hawiye-Clans beherrscht, den Abgal und den Habr Gedir (vgl. Landinfo und dänische Immigrationsbehörde, Bericht über Sicherheit und Schutz in Mogadischu und Süd-Zentralsomalia vom Mai 2013, dort unter Ziffer 2.1, S. 33; ACCORD, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Gundel am 15.5.2009, Dezember 2009, Ziffer 3.1., S. 14). Die Clan-Zugehörigkeit hat auch in Mogadischu nach wie vor eine existenzielle Bedeutung für Rückkehrer. Es wird berichtet, dass der Einzelne sich dort zwar frei bewegen kann, aber in einem Gebiet nicht leben kann, in dem der betreffende Clan nicht vorhanden ist. Die Angehörigkeit zu einem Clan biete insoweit einen gewissen Schutz, als bei einem Verbrechen, das nicht von einem Angehörigen von Al Shabaab begangen wird, die Angelegenheit zwischen den Clans geregelt werden könne. Ohne Familie in Mogadischu sei der Einzelne ohne Schutz eines Clans (vgl. UK Border Agency, Länderbericht zu Somalia vom 5.8.2013, dort Ziffer 9.14, S. 78; UNHCR: International Protection Considerations with Regard to people fleeing Southern and Central Somalia, Januar 2014, S. 9). Nicht der Clan, sondern die Kernfamilie bietet zwar nach Angaben von UNHCR Somalia Unterstützung bei dem Lebensunterhalt. Der Clan bietet jedoch einen darüber hinausgehenden Schutz. Um von einem Schutz durch den Clan zu profitieren, muss die betreffende Person UNHCR Somalia zufolge den Clan-Älteren oder anderen Clan-Mitgliedern bekannt sein. Informationen über einen Neuankömmling, besonders, wenn er bzw. sie nicht zu den vorhandenen Clans oder Kernfamilien gehört oder wenn er bzw. sie aus einem früher oder derzeit von einer Rebellengruppe kontrollierten Gebiet stammt, würden sicherlich eine ablehnende Aufmerksamkeit hervorrufen. Sogar Personen, die aus Mogadischu stammen, könnten als Neuankömmlinge angesehen werden, wenn sie vor langer Zeit ausgereist sind und die Verbindungen zu ihrer Clan-basierten Gemeinschaft verloren hätten (vgl. Landinfo und dänische Immigrationsbehörde, Bericht über Sicherheit und Schutz in Mogadischu und Süd-Zentralsomalia vom Mai 2013, dort unter Ziffer 2.1, S. 32). Es wird berichtet, dass Flüchtlinge wie auch andere Bedürftige nicht im selben Maß wie andere Sicherheit genießen. Sie sind oft ohne Unterstützung und können sich hinsichtlich der Sicherheit nicht an die Behörden wenden. Flüchtlinge müssen oft sehr hohe Mieten und Schutzgelder bezahlen. Flüchtlinge, die diese Zahlungen nicht leisten können, riskieren, geschlagen oder vergewaltigt zu werden (vgl. Länderbericht der UK Border Agency zu Somalia vom 5.8.2013, dort Ziffer 16.08, S. 147).

c) Ferner findet im vorliegenden Fall die Beweiserleichterung in Form einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gemäß § 4 Absatz 3, § 3 e Absatz 2 AsylVfG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits von einer Verfolgung oder einem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass dessen Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründen sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder von einem solchen Schaden bedroht wird.

Die Klägerin ist wohl im Jahre 2012 aus Somalia ausgereist. Bereits zum damaligen Zeitpunkt bestand ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung, so dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von § 4 AsylVfG ausgesetzt war. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. März 2013 gab es auch zum damaligen Zeitpunkt kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und anderen Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. Die Beklagte gewährte u. a. aufgrund dieses Berichts bis ca. Anfang 2013 allen aus Somalia stammenden Personen das unionsrechtliche Abschiebeverbot. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte mit seinem Urteil vom 14. Januar 2013 diese Auffassung (A: 20 B 12.30349). Die allgemeine Menschenrechtssituation war auch zum damaligen Zeitpunkt extrem schlecht. Die Zivilbevölkerung in Somalia war und ist schweren Menschenrechtsverletzungen sowohl durch die Kampfhandlungen der streitenden Milizen als auch durch die „Justiz“ der jeweils obsiegenden Partei ausgesetzt, ohne dass inländische Fluchtalternativen bestehen würden. Zwischen den der Klägerin vor ihrer Ausreise unmittelbar drohenden Schäden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht ein enger Zusammenhang (BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, NVwZ 2012, 454).

In Mogadischu wäre sie aktiven Milizen, u. a. Al Shabaab ausgesetzt. Im Unterschied zur damaligen Sachlage sind lediglich neben Al Shabaab weitere Akteure mit Gewalttaten in Erscheinung getreten; zudem hat Al Shabaab nach weitgehender Beendigung der offenen Kampfhandlungen in Mogadischu die Strategie hin zu einer Guerillataktik mit gezielten Tötungen und Anschlägen verändert, der weiterhin zahlreiche Zivilisten zum Opfer fallen. Es bestehen daher keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass die Klägerin im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht erneut von derartigen Schäden bedroht sein würde (vgl. BayVGH, Urteil v. 14.1.2013 - 20 B 12.30349 - juris, RdNr. 25).

Nach alledem war der Klage, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.