Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 14. Jan. 2019 - M 9 K 18.5471

14.01.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung der Bauarbeiten auf seinem Grundstück, Fl.Nr. ... (Gemarkung Sch.). Die Baueinstellung betrifft das Vorhabensgrundstück im Eigentum des Klägers, das im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB und dem Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen des Marktes Sch. (Gestaltungssatzung in der aktuellen Fassung v. 25. Juli 2016) liegt. Es handelt sich um ein Wohnhaus mit Kinderkrippe. Bereits in der Vergangenheit erhielt der Kläger für bauliche Änderungen nachträgliche Genehmigungen, nachdem er jeweils abweichend von den vorgelegten und genehmigten Bauplänen gebaut hatte (Bescheid v. 8.6.2010, Bl. 80 ff. der Behördenakte - BA, v. 17.5.2016, Bl. 193 ff. BA, v. 8.6.2017, Bl. 312 ff. BA). Zuletzt wurde mit Bescheid vom 17. Mai 2016 ein Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, der sich nahezu über die gesamte südwestliche Front ausdehnt, genehmigt; auf die Pläne und den Bescheid (Bl. 193 ff. BA) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid des Landratsamtes vom 1. Februar 2018 wurde ein weiterer Bauantrag vom 8. Juli 2017 zum Umbau des bestehenden Wohnhauses mit Kinderkrippe, Tekturänderung der Dachneigung auf 26°, abgelehnt, da der Quergiebel in seiner Gesamtheit nach der aktuellen Fassung der Gestaltungssatzung (in Kraft seit dem 25.7.2016) insgesamt nicht genehmigungsfähig sei.

Der Bau im Bereich des Quergiebels wurde mit Bescheid vom 4. Juli 2018 eingestellt.

Die dagegen erhobenen Klagen wurden jeweils mit Urteil vom 17. Oktober 2018 abgewiesen (M 9 K 18.1003, M 9 K 18.3433).

Ausweislich der Akten und des Ergebnisses des Augenscheins am 17. Oktober 2018 hat der Kläger trotz der Ablehnung seines Bauantrages weitergebaut und die den Quergiebel betreffende Baueinstellung missachtet. Zum Zeitpunkt des Augenscheins wurden Bauarbeiten im Bereich des Quergiebels sowie des übrigen Geländes vorgenommen. Ebenfalls am 17. Oktober 2018 während des Augenscheintermins und der mündlichen Verhandlung stellte der Antragsgegner mündlich sämtliche Bauarbeiten ein und bestätigte die Einstellung schriftlich mit Bescheid vom 18. Oktober 2018.

Einen dagegen erhobenen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 (M 9 E 18.5234) abgelehnt;

zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Beschlusses sowie auf den Bescheid vom 18. Oktober 2018 Bezug genommen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 8. November 2018 gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2018 Klage erhoben und beantragt,

der Bescheid vom 18. Oktober 2018 wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 7. November 2018 vom 4. Januar 2019 und vom 11. Januar 2019 sowie in den Schreiben zum Eilverfahren vom 7. November 2018, 13. November 2018 und 21. November 2018 vorgetragen, dass das Bauvorhaben nicht ein einfaches Langhaus mit Satteldach darstelle, an dessen Längsseite ein Quergiebel ausgebildet werden solle, der nach der Gestaltungssatzung zu beurteilen wäre. Vielmehr handele es sich hier um einen einförmigen Baukörper mit einem ca. 18 m langen Langhaus im Norden und mit zwei nach Süden ausgerichteten und als Flügelbauten ausgebildeten Querbauten mit zwei jeweils eigenen Südgiebeln. Da es keinen Quergiebel gäbe, sei ein solcher auch nicht zur Genehmigung beantragt worden und könne deshalb auch nicht nach § 5 Ziff. 13 der Gestaltungssatzung beurteilt werden. Da kein Quergiebel vorläge, beträfe der Tekturantrag lediglich die Genehmigung zur Anhebung der Dachneigung des Hauptdaches auf 26° und sei damit eine kleinere Änderung der vorhandenen Genehmigungen ohne wesentliche Auswirkung auf den nach der Baugenehmigung vom 17. Mai 2016 errichteten Bestand. Entgegen der Behauptung der Beklagten, die scheinbar nicht über das Fachwissen zur Unterscheidung eines Quergiebels von einem Giebel verfüge, stehe nicht die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Bauvorhabens zur Disposition. Da der Querbau an der Süd-West-Seite kein Quergiebel sei, läge genehmigter und errichteter Bestand vor, für den er Bestandsschutz in Anspruch nehme. Deshalb sei auch die Anhebung der Dachneigung auf 26° nach § 5 Ziff. 9 der Gestaltungssatzung zulässig und zu genehmigen. Der Beklagte räume zwar ein, dass das gegenständliche Bauvorhaben durch An- und Erweiterungsbauten sich als „weitaus komplexer“ darstelle; er sei jedoch nicht willens oder fähig, nachfolgend auf der Grundlage dieser Definition den hier gegenständlichen Neubau zutreffend zu beurteilen und die Struktur dieses komplexen Bauvorhabens korrekt zu erkennen und zu beschreiben. Ein Blick auf die Pläne genüge, um die Auffassung des Beklagten zu widerlegen. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt, da der maßgebliche Sachverhalt nicht ordnungsgemäß ermittelt wurde. Der Beklagte habe ungeprüft die fehlerhafte Bezeichnung des Planes und die fehlerhafte Beurteilung des Bauausschusses übernommen. Aus dem beigefügten Planungskonzept des Architekten vom 22. Dezember 2018, wonach der Neubau sich auf den Anbau auf der Süd-West-Seite des Bauvorhabens sowie die westseitige Aufstockung des Haupthauses im Norden erstrecke und auf der Süd-West-Seite ein neuer Baukörper als abgeschleppter Anbau mit integriertem Querbau an der südlichen Traufseite des Haupthauses durch Verschiebung der Grenzgarage im Südwesten um 4 m nach Westen und gleichzeitiger Erweiterung des neuen Baukörpers in voller Breite nach Süden errichtet werde, weise er zum besseren Verständnis hin. Deshalb sei der Versprung an der Südfassade kein Quergiebel im Sinne der Gestaltungssatzung und es läge auch kein Aliud zu dem bereits genehmigten Bauvorhaben vor. Die Tekturbeschreibung des Planers sei unzutreffend und müsse unter Berücksichtigung der Definition aus dem Bildwörterbuch, Meyers Enzyklopädie, Lexikon Bd. 29, richtigerweise wie folgt lauten:

„Inhalt dieser Tektur ist die Errichtung eines Querbaus auf der Süd-West-Seite des Hauses mit einer Traufhöhe von 6,35 m und einem Südgiebel.“

Bei pflichtgemäßem Vorgehen hätte der Beklagte den Tekturantrag so verstehen müssen.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 27. November 2018:

Klageabweisung.

Ausweislich der vorgelegten Pläne des Klägers wurde das Vorhaben als Quergiebel bezeichnet. Hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit werde auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 17. Oktober 2018 - M 9 K 18.1003 - verwiesen, wonach die beantragte Änderung der Dachneigung auf 26° nicht genehmigungsfähig sei. Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben sei durch die An- und Erweiterungsbauten weitaus komplexer als ein Langhaus mit Quergiebel. Im Sinne der Definition des § 5 Abs. 13 der Gestaltungssatzung, wonach ein Quergiebel ein rechtwinklig zum Hauptgebäude angesetzter, vor die Hauptfassade hervortretender Gebäudeteil sei, handele es sich bei dem südlichen Versprung vor der Südfassade des westlichen Gebäudeteils um einen Quergiebel. Maßgeblich seien nicht die Definitionen des Klägers, sondern die beantragten Baupläne. Durch die beantragte Änderung der Dachneigung stelle sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens neu, da als Folge der Änderung der Gestaltungssatzung des Marktes ein Quergiebel nach aktueller Rechtslage nicht mehr genehmigungsfähig wäre. Das Gebäude sei ausreichend vor witterungsbedingten Einflüssen geschützt; dem Kläger sei bei seiner Vorsprache am 25. Oktober 2018 mitgeteilt worden, dass er eine Bautür und Fenster einsetzen und vorhandene Löcher provisorisch dämmen dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakten in den Verfahren M 9 K 18.5471, M 9 K 18.3433, M 9 K 18.1003 und M 9 E 18.5234 Bezug genommen.

Der Kläger wurde zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.

Gründe

Das Gericht konnte nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Rechts- und Sachlage einfach ist.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe des Beschlusses vom 5. Dezember 2018 (M 9 E 18.5234) und des Urteils vom 17. Oktober 2018 (M 9 K 18.1003) Bezug genommen.

Ergänzend dazu gilt Folgendes:

Die Voraussetzungen für eine Einstellung aller Bauarbeiten nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayBO liegen vor, da das Bauvorhaben formell illegal ist. Materiellrechtlich ist das gesamte Vorhaben nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Die Ermessensentscheidung im angefochtenen Bescheid vom 17./18. Mai 2018 ist rechtlich nicht zu beanstanden (§§ 113, Abs. 1 114 VwGO).

Nach dem Ergebnis des Augenscheins und dem Vortrag des Klägers handelt es sich im vorliegenden Fall um ein einheitliches Bauvorhaben, genehmigt mit Baugenehmigung vom 8. Juli 2010 in Gestalt der Tektur-/Änderungsgenehmigungen vom 17. Mai 2016 und vom 8. Juni 2017. Das gesamte Gebäude war zum Zeitpunkt des Augenscheins am 17. Oktober 2018 noch im Bau, sodass entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht von einer isolierten Umbaumaßnahme eines fertiggestellten Gebäudes durch Anhebung der Dachneigung des Quergiebels ausgegangen werden kann. Insgesamt war das Gebäude mit Ausnahme des deutlich kleineren Krippengebäudes ein Rohbau. Die massive Abweichung der Bauausführung von der Baugenehmigung, insbesondere an der Süd-West-Seite mit dem massiven Quergiebel schließt eine isolierte baurechtliche Beurteilung der Dachneigung aus, sodass unter Berücksichtigung dessen, dass das gesamte Vorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der Betrachtung ist, rechtlich eine baurechtliche Prüfung der Gesamtanlage geboten ist (BVerwG, B.v. 4.2.2000 - 4 B 106/99).

Die Voraussetzungen für die Baueinstellung nach Art. 75 Abs. 1 BayBO liegen vor, da es sich im vorliegenden Fall um ein einheitliches Bauvorhaben handelt, das im Hinblick auf die Dimensionierung des Quergiebelanbaus ein Aliud zu dem genehmigten Vorhaben darstellt. Nach Art. 75 Abs. 1 BayBO kann die Einstellung der Bauarbeiten angeordnet werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden (Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn bei der Ausführung eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen wird (Satz 2 Nr. 2a).

Im vorliegenden Fall ist das Bauvorhaben des Klägers formell illegal, da als Folge der ohne Genehmigung vorgenommenen Veränderungen im Vergleich zum ursprünglich genehmigten Bauvorhaben insgesamt kein genehmigtes Vorhaben mehr besteht mit der Folge, dass erneut eine Baugenehmigung des gesamten Gebäudes gemäß Art. 68 BayBO erforderlich wird. Eine solche Genehmigung fehlt. Unter Berücksichtigung dessen, dass das Gebäude auch in Teilen für die Kinderkrippe genutzt werden soll, bedarf es auch unter dem Gesichtspunkt, dass nach den Angaben des Klägers auch das kleinere Gebäude der eigentlichen Krippe - zumindest hinsichtlich der Außenwand - noch nicht fertiggestellt ist, einer umfassenden baurechtlichen Prüfung.

Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist das Krippengebäude und der Anbau an das barackenartige Krippengebäude wegen des übergreifenden Nutzungszwecks nicht nur als Wohnhaus, sondern auch in Teilen für die Krippe unter dem Gesichtspunkt der baulichen Standards für Kinderkrippen als Gesamtvorhaben einheitlich zu betrachten. Das Bauvorhaben ist formell illegal, da diese Baugenehmigung fehlt.

Das vom Kläger tatsächlich errichtete Gebäude widerspricht im Bereich der Süd-West-Seite, Quergiebel/Anbau § 5 Abs. 13 der Gestaltungssatzung in der Fassung vom 25. Juli 2016.

Ungeachtet dessen, dass bereits das Fehlen einer Baugenehmigung für das Gesamtvorhaben eine Baueinstellung gemäß Art. 75 BayBO rechtfertigt, ist vorliegend die materiell-rechtliche Baugenehmigungsfähigkeit nicht gegeben.

Wie bereits im Urteil vom 17. Oktober 2018 (M 9 K 18.1003) umfangreich erläutert, ist der Quergiebel, der weit mehr als ein Drittel der Gebäudelänge in Anspruch nimmt und keinen Abstand von 3 m zu den Gebäudeecken einhält und sich auch im Übrigen nicht deutlich unterordnet, unzulässig, da auch die Länge des Hauptbaukörpers im vorderen Teil weniger als 15 m beträgt und die Traufen des Hauptgebäudes sowie des Quergiebels nicht auf einer Höhe liegen.

Der mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigte Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, den der Kläger entgegen der Baugenehmigung nicht errichtet hat, ist nach der heutigen Rechtslage nicht mehr genehmigungsfähig. Unter Berücksichtigung der Einheit der Baugenehmigung widerspricht der tatsächlich errichtete und zum Zeitpunkt des Augenscheins als Rohbau vorhandene Bau materiell-rechtlichem Bauordnungsrecht.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze des intendierten Ermessens und des durch § 114 VwGO vorgegebenen gerichtlichen Prüfungsrahmens besteht gegen die getroffene Ermessensentscheidung, das Bauvorhaben mit Ausnahme einiger Sicherungsmaßnahmen, einzustellen, keine rechtlichen Bedenken. Bereits die formelle Baurechtswidrigkeit rechtfertigt es, einen begonnenen Bau einzustellen, um eine Verfestigung des illegalen Zustandes zu vermeiden. Damit darf sich die Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit verschaffen, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens die rechtlich gebotenen Prüfungen vorzunehmen.

Soweit der Kläger vorträgt, die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig, wird darauf hingewiesen, dass dem Kläger nach Aktenlage entsprechende Sicherungsmaßnahmen (Fenster, Bautür, Isolierung von Öffnungen) ausdrücklich zugestanden wurden.

Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, durch eine Baueinstellung zu verhindern, dass ein baurechtswidriger Zustand durch die Errichtung eines Schwarzbaus fertiggestellt wird.

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er keine Anträge gestellt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Bau- bzw. Tekturgenehmigung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S. (örtliche Gestaltungssatzung, i.F.: ÖGS), gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Vor dem hier streitgegenständlichen Vorhaben wurden dem Kläger bereits vielfältige Änderungen seines Wohnhauses mit Kinderkrippe genehmigt, u.a. diverse erst nachträglich zur Genehmigung gestellte Umbauten, die zunächst planabweichend ausgeführt wurden (vgl. Bescheide vom 8. Juni 2010, Bl. 80ff. d. BA, vom 17. Mai 2016, Bl. 193ff. d. BA und vom 8. Juni 2017, Bl. 312ff. d. BA). Der Kläger berief sich dabei für sein Vorgehen auf unterschiedlichste Gründe - „vorzeitiger Ausbau des Wintergartens notwendig wegen gestiegener Nachfrage der Eltern“, Bl. 13 d. BA, „nur geringfügige Planänderung“, Bl. 97 d. BA, „bautechnisch sinnvolle Änderungen“, Bl. 116 d. BA; vgl. auch Bl. 250 und Bl. 260 d. BA zu einer erst nachträglich erstellten Tekturplanung für eine bereits erfolgte Nutzungsänderung anders genehmigter Räumlichkeiten). Der Bescheid vom 17. Mai 2016 (Az. 31/602 3-2014-887-T) legalisierte dabei einen Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, der sich nahezu über die gesamte südwestliche Front ausdehnt.

Als Vorhaben weist der hiesige Bauantrag vom 8. Juni 2017 (Bl. 321ff. d. BA) aus: Umbau des bestehenden Wohnhauses mit Kinderkrippe, hier: Tektur - Änderung der Dachneigung auf 26°.

Der Beigeladene verweigerte mit Stellungnahme vom 12. Juni 2017 das gemeindliche Einvernehmen (Bl. 325ff. d. BA). Es werde auf die Stellungnahme zum vorigen Änderungsantrag verwiesen; dort wurde die zunächst mitbeantragte Änderung der Dachneigung nach Einreichung des Bauantrags (vom 31. Januar 2017, Bl. 265ff. d. BA) herausgenommen - es verblieb nur der Antrag auf Nutzungsänderung (s.o.). Aus der damaligen Stellungnahme geht Folgendes hervor: Es werde die Änderung der Dachneigung der bereits genehmigten Anhebung des Daches und des genehmigten Quergiebels von 23° auf 26° beantragt. Der Bauausschuss habe im Mai 2014 der Errichtung eines Quergiebels aus Gründen des Raummangels für die Kinderkrippe zugestimmt (Anm.: zuvor waren Planungen zur Errichtung eines Quergiebels nach Süden wegen Überschreitung der zulässigen Traufhöhe und aus gestalterischen Gründen stets abgelehnt worden, vgl. Bl. 124 d. BA). Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der ÖGS wäre der Quergiebel heute nicht mehr zustimmungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Auch wäre er abzulehnen, da nach jetziger ÖGS-Fassung die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe liegen müssten. Der Bauwerber berufe sich nun im Hinblick auf die Erhöhung der Dachneigung des Quergiebels auf 26° auf die geänderte ÖGS; die Dachneigung sei 2014 allerdings nur mit 23° goutiert worden, die Traufen von Hauptgebäude und Quergiebel lägen nicht auf einer Höhe.

Das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) lehnte den Tekturantrag mit Bescheid vom 1. Februar 2018, Az. 31/602 3-2017-929-T, ab.

Die Anhebung des Daches und des Quergiebels mit einer Neigung von 23° sei mit Bescheid vom 17. Mai 2014 (Anm.: gemeint ist 17. Mai 2016) genehmigt worden. Zwischenzeitlich sei jedoch die ÖGS geändert worden (Inkrafttreten am 25. Juli 2016). Aufgrund der neuen Fassung wäre der Quergiebel nicht mehr genehmigungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Laut § 5 Abs. 13 ÖGS seien Quergiebel jedoch erst ab einer Gebäudelänge von 15 m zulässig; auch wäre der Quergiebel nach neuer Fassung nicht zustimmungsfähig, da die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels nicht auf einer Höhe lägen (vgl. § 5 Abs. 13 ÖGS). Auch wenn mit dem vorliegenden Antrag nur eine Änderung der Dachneigung beantragt sei und der Quergiebel bereits nach der alten ÖGS genehmigt worden sei, sei die neue ÖGS hinsichtlich des Quergiebels vollumfänglich anzuwenden, hier: § 5 Abs. 13 GS.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Er beantragt,

den ablehnenden Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Tekturantrag zu genehmigen und dabei das fehlende gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.

Mit Klagebegründung vom 28. Februar 2018 führt er aus: Mit dem Tekturantrag sei die Ausführung der beiden Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel mit einer Dachneigung von 26° beantragt worden, beide Satteldächer sollten die gleiche Dachneigung von 26° erhalten. Die bereits genehmigte Bauplanung habe nur in diesem einen Punkt geändert werden sollen. Der Beklagte sei fälschlicherweise der Ansicht, dass bei der bauaufsichtlichen Prüfung nicht nur die Ausführung der Satteldächer nach der neuen ÖGS, sondern allgemein auch die des Quergiebels neu zu prüfen sei. Die beantragte Änderung der Dachneigung beider Satteldächer widerspreche jedoch gerade nicht der ÖGS. Der verfahrensgegenständliche Tekturantrag beziehe sich ausschließlich auf die Dachneigung der vorgesehenen Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel ohne Bezug auf die anderen darunterliegenden Bauteile. Die Dachneigung der Satteldächer sei einziger Gegenstand des Tekturantrags. Der Antrag beziehe sich nicht auf die Ausführung des bereits genehmigten Quergiebels, sondern nur und ausschließlich auf das Satteldach. Im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung habe nicht noch einmal die Ausführung des Quergiebels selbst einbezogen werden dürfen, es habe diesbezüglich kein Bauantrag vorgelegen. Auch die ÖGS regele die Ausführung der Satteldächer für sich und ohne Bezug auf die sonstige Ausführung der anderen Bauteile. Die geringfügige Änderung des Dachneigungswinkels sei nach § 5 Abs. 9 ÖGS in der derzeitigen Fassung zulässig, mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar und ändere keineswegs das Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers. Die umliegende Bebauung weise im näheren Umgriff Dachneigungen von 18°-35° auf, die Dachneigung sei also auch gemäß § 34 BauGB zulässig. Das gemeindliche Einvernehmen habe nicht verweigert werden dürfen. Über die Ausbildung des Quergiebels dürfe aufgrund des Vorliegens einer bestandskräftigen Baugenehmigung ohne ausdrücklichen Antrag nicht erneut entschieden werden. In einem Gespräch in der Gemeinde habe Hr. Bürgermeister S. zugesichert, dass der Beigeladene keine Einwendungen im Rahmen der Anhörung gemäß Art. 67 Abs. 4 BayBO erheben werde.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juli 2018 vertieft er seine bisherigen Argumente und führt weiter aus: Auch wenn der Quergiebel nach der derzeitigen ÖGS nicht mehr genehmigungsfähig sei, dürfe darüber nicht erneut entschieden werden, da dieser nicht mehr geändert werde und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Tekturverfahrens sei. Im März 2018 habe bei Vergabe der Zimmererarbeiten eine Entscheidung hinsichtlich der auszuführenden Dachneigung getroffen werden müssen. Nach der ÖGS n.F. habe der Kläger in gutem Glauben von der Genehmigungsfähigkeit seines Tekturantrags ausgehen dürfen. Im Hinblick auf die eingereichte Klage seien die Zimmererarbeiten in Auftrag gegeben, der Dachstuhl ausgeführt und in den vergangenen Wochen aufgestellt worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 9. August 2018 wiederholt der Kläger seine bisherigen Argumente und fügt an: Das Gericht dürfe gemäß § 88 VwGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Der Quergiebel sei nicht Gegenstand des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Das Vorhaben widerspreche der ÖGS als örtlicher Bauvorschrift. Es sei zwar unter Geltung der früheren ÖGS ein Quergiebel bauaufsichtlich genehmigt worden, ausdrücklich mit einer Dachneigung von 23°. Dieser Quergiebel sei aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen. Unter Geltung der neuen ÖGS seien Quergiebel nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die der klägerische Quergiebel nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund sowie unter dem Eindruck dessen, dass der Quergiebel vor dem Inkrafttreten der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen sei, sei eine weitere Änderung des Quergiebels nunmehr baurechtlich unzulässig. Wie in anderen Bereichen des Baurechts auch, sei es dem Bauherren nicht möglich, mithilfe einer „Art von Rosinenpickerei“ die jeweils günstigsten Vorgaben für sich in Anspruch zu nehmen. Der Bauantrag sei damit zu Recht abgelehnt worden, auch mit der Konsequenz für das Hauptgebäude. Eine Abweichung - insoweit sei das gemeindliche Einvernehmen verweigert worden - komme vorliegend nicht in Betracht, nicht zuletzt im Hinblick auf eine mögliche Folgewirkung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Das Vorhaben beurteilt sich nach der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen (örtliche Gestaltungssatzung - ÖGS) des Beigeladenen in der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - mündliche Verhandlung - vorliegenden Fassung vom 25. Juli 2016 (1.). Bei der über das Dach als solches hinausgehenden notwendigen Gesamtbetrachtung (2.) widerspricht das Vorhaben § 5 Abs. 13 ÖGS (3.). Damit kommt es nicht darauf an, dass bereits die Bauvorlagen unklar sind (4.).

1. Das Vorhaben ist nach der ÖGS in der Fassung vom 25. Juli 2016 (i.F.: ÖGS n.F.) zu beurteilen.

Dies folgt bereits ohne weiteres daraus, dass bei Verpflichtungsklagen die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden ist.

Dass auf Basis der alten Rechtslage mit Bescheid vom 17. Mai 2016 u.a. ein Quergiebel mit einer Dachneigung von 23° genehmigt wurde, an den der Tekturantrag nun anknüpfen soll, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich die Anforderungen an Quergiebel durch die Satzungsänderung verschärft haben (die ÖGS vom 2. Juli 2001, geändert durch ÖGS vom 18. Juli 2002, erlaubte nur eine maximale Dachneigung von 23°, stellte aber an Quergiebel andererseits überhaupt keine weiteren Anforderungen, was Dimensionierung etc. angeht). Eine sog. Salamitaktik bedingt nicht, dass stets die alte Rechtslage zugrunde zu legen wäre, auf deren Basis mit den früheren, bereits verbeschiedenen Bauanträgen „begonnen“ wurde. Bei einer Änderung der Rechtslage zwischen ursprünglicher Baugenehmigung und Tekturgenehmigung ist Letzterer die zum Zeitpunkt der Tekturgenehmigung geltende Rechtslage zugrunde zu legen, auch wenn sie für den Bauwerber (partiell) ungünstiger ist (vgl. für die Änderung einer Stellplatzsatzung VG München, U.v. 27.1.1999 - M 23 K 98.2778 - juris).

2. Bei Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens - Änderung der Dachneigung auf 26° - sind nicht nur isoliert die Dächer des Hauptgebäudes und des Quergiebels zu bewerten.

Bei einer Tekturgenehmigung ist grundsätzlich stets das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der Betrachtung (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000 - 4 B 106/99 - juris). Das bedeutet zwar nicht, dass eine zuvor erteilte Baugenehmigung ohne weiteres gegenstandslos geworden sein muss, weil teilweise abweichend von ihr gebaut wurde, und dass eine die Änderung gestattende Genehmigung - bzw. eine darauf gerichtete Prüfung - sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste. Sie muss sich nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden. Welches Prüfprogramm bei der Entscheidung über eine Änderungsgenehmigung abzuarbeiten ist, wird durch den Genehmigungsgegenstand bestimmt; sind für ihn nur einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen einschlägig, so ist die Prüfung darauf zu beschränken. Ob bei dieser - gegebenenfalls auf einzelne Anforderungen beschränkten - Prüfung die Gesamtanlage oder nur die Änderung in den Blick zu nehmen ist, hängt davon ab, ob die Änderung einer isolierten bebauungsrechtlichen Beurteilung überhaupt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.).

Vorliegend ist bei der Änderung der Dachneigung demnach bspw. nicht (erneut) zu prüfen, ob sich das Bauvorhaben der Art der baulichen Nutzung nach einfügt; auf dieses Zulassungskriterium wirkt sich die Änderung der Dachneigung nicht aus. Anders als der Kläger meint, ist die Übereinstimmung des Vorhabens mit der ÖGS n.F. dagegen durch die Änderung der Dachneigung, u.a. auch bezogen auf einen massiven Quergiebel, unmittelbar berührt - vgl. § 5 Abs. 9 i.V.m. Abs. 13 ÖGS n.F. - und nicht isoliert nur für die Dächer, sondern für das Gebäude insgesamt, nämlich so, wie es errichtet worden ist, zu beurteilen. Denn die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Bauvorhabens, v.a. die Ausführung der Südwestseite, an der der massive Quergiebel angebaut wurde, steht nach ÖGS n.F. zur Disposition, es dürfte sich mittlerweile um ein „aliud“ zum mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigten Bauvorhaben handeln. Die ÖGS n.F. beinhaltet nach alledem öffentlich-rechtliche Anforderungen, hinsichtlich derer die Genehmigungsfrage durch die Tektur neu aufgeworfen wird; dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Vorhabens als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglichen und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer (schon) dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d. h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern (statt aller OVG SH, B.v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - juris; OVG NW, B.v. 22.4.2013 - 2 A 1891/12 - juris).

Selbst wenn man das Bauvorhaben „zerlegen“ wollte - wie es wohl der klägerischen Rechtsansicht entspricht -, so müsste man jedenfalls das Bauteil „Quergiebel“ als Einheit bewerten. Dieses noch weiter zu untergliedern in „Dach des Quergiebels“, „Seitenwand des Quergiebels“ etc. wird der Sachlage nicht gerecht und ist nicht möglich, da die Änderung bereits bautechnisch keiner isolierten baurechtlichen Beurteilung zugänglich ist (vgl. bspw. OVG NW, B.v. 22.11.2001 - 10 B 1378/01 - juris m.w.N.; Kerkmann/Sattler, BauR 1/2005, 47, 49).

All das hat nichts damit zu tun, dass das Gericht über den gestellten Sachantrag hinausginge. Es legt nur den richtigen Prüfungsmaßstab für den Bau- und den darauf aufsetzenden Verpflichtungsantrag fest.

3. Das Bauvorhaben ist nach § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. nicht genehmigungsfähig. § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. ist nicht isoliert anzuwenden, wenn die Dachneigung eines Quergiebels geändert werden soll, sondern im Zusammenhang mit § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. zu lesen.

§ 5 Abs. 9 ÖGS n.F. lautet:

Die Dächer sind als Satteldächer mit mittigem First und beidseitig gleicher Dachneigung von 18° bis 26° auszubilden; dabei muss die Firstrichtung parallel zur Längsseite des Gebäudes verlaufen. Bei Hanggrundstücken kann vom mittigen First abgewichen werden.

§ 5 Abs. 13 ÖGS n.F. lautet:

Dachaufbauten (auch Aufzugsaufbauten), Dachgauben und Dacheinschnitte (negative Dachgauben) sind unzulässig.

Quergiebel sind rechtwinklig zum Hauptgebäude angesetzte, vor die Hauptfassade vortretende Gebäudeteile. Sie sind mit folgenden Einschränkungen zulässig:

1. Die Länge des Gebäudes muss mindestens 15 m betragen.

2. Die Traufe des Hauptgebäudes und des Quergiebels müssen auf einer Höhe liegen.

3. Der Quergiebel darf maximal 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch nehmen.

4. Der Abstand von den Gebäudeecken muss mindestens 3,0 m betragen.

5. Der räumliche Gebäudevorsprung vor die Außenwand des Hauptgebäudes darf maximal 3,0 m betragen.

6. Die Dachneigung muss angepasst an das Hauptdach ausgeführt werden.

7. Das Erscheinungsbild muss sich dem Hauptbaukörper deutliche unterordnen. Quergiebel müssen in Dacheindeckung und Wandverkleidung dem Material und der Farbe des Gebäudes entsprechen.

8. Wintergärten sind an Quergiebeln unzulässig.

9. Pro Hauptgebäude ist nur ein Quergiebel zulässig.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht damit eine Regelungslage, nach der der Quergiebel in der beantragten Form in vielerlei Hinsicht unzulässig ist. Weder beträgt die Länge des Hauptbaukörpers mehr als 15 m, noch liegen die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe. Der Quergiebel nimmt weit mehr als 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch, hält keinen Abstand von 3,0 m zu den Gebäudeecken ein und ordnet sich auch nicht deutlich unter. Der Hauptbaukörper ist dabei allein aufgrund des Versatzes (Höhe und Breite) unabhängig vom Anbau im Osten zu betrachten.

Der mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigte Quergiebel - mit einer Dachneigung von 23° - wäre nach jetziger Rechtslage in seinen Dimensionen nicht mehr ansatzweise genehmigungsfähig. Seine Genehmigung wurde nur dadurch möglich, dass die ÖGS in der Fassung von 2000 bzw. 2001 zu Quergiebeln überhaupt keine Regelung enthielt, weswegen sich ihre Zulässigkeit allein nach § 34 BauGB richtete. Eine Änderung des Quergiebels aber wirft die Genehmigungsfrage aus den unter Ziff. 2 genannten Gründen neu auf, jedenfalls insoweit, als es um die Bewertung der Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, geht.

Dass ein untergeordneter Quergiebel, der auch den sonstigen Anforderungen des § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. entspricht, nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. mit einer Dachneigung von 26° ausgeführt werden könnte, wird dabei nicht in Abrede gestellt, ebenso wenig, dass die Dachneigung des Quergiebels bei einer Änderung der Dachneigung des Hauptdaches angepasst werden müsste (oder: dürfte). Aber nur einzelne, genehme Bestimmungen der neuen ÖGS anwenden zu wollen (§ 5 Abs. 13 Nr. 6 ÖGS i.V.m. § 5 Abs. 9 ÖGS), ist nicht möglich.

Auch der Umstand, dass die Dachneigung des Hauptdaches nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. isoliert wohl auf 26° angehoben werden könnte, spielt für das hiesige Verfahren keine Rolle. Beantragt ist (wohl) die Veränderung der Dachneigung aller Dachflächen (siehe aber auch unten, Ziff. 4), also - gesichert - auch der auf dem Quergiebel liegenden Dachflächen. Diese hängen bereits baukonstruktiv mit dem Hauptdach zusammen, sodass auch keine - rechtliche - Aufteilung des Bauantrags in Betracht kommt (dazu BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris m.w.N.), unabhängig davon, dass dies ohnehin nicht dem nachdrücklich geäußerten Willen des Klägers entsprechen würde, der auch und gerade den Quergiebel mit 26° Dachneigung ausführen möchte - und bereits ausgeführt hat.

4. Damit kann dahinstehen, dass die Bauvorlagen (Ansichten) nur die Änderung der Dachneigung des Quergiebels gelb darstellen, nicht aber die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes kenntlich machen. Dass aber auch die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes gewünscht ist, geht bspw. aus der klägerischen Stellungnahme vom 9. August 2017, Bl. 338f. d. BA: „die beiden Satteldächer sollen mit einer Dachneigung von 26° anstatt 23° gebaut werden“.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Baueinstellung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S., gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Gegenstand der Baueinstellung sind Arbeiten, für die der Kläger eine Tektur beantragt (Änderung der Dachneigung u.a. des Quergiebels auf 26°) und einen ablehnenden Bescheid erhalten hatte, den er ebenfalls beklagt. Diesbezüglich wird auf den Tatbestand des zwischen denselben Beteiligten im Verfahren M 9 K 18.1003 ergangenen Urteils vom selben Tag verwiesen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2018, Az. 31/602 3-2014-887-T, traf das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) folgende Verfügungen:

I. Die sofortige Einstellung folgender Bauarbeiten auf dem [Vorhabengrundstück] wird angeordnet: Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung bzw. Anhebung des Dachgeschosses des Gebäudes sowie des Quergiebels

II.

Die am 3. Juli 2018 gegenüber Ihrer Frau und einem anwesenden Mitarbeiter der ausführenden Firma H. H. W. ausgesprochene mündliche Baueinstellung wird hiermit bestätigt.

Mit Ziff. III des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 1.000,- für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. I des Bescheids angedroht. Ziff. IV enthält die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich Ziff. I.

Die Baueinstellung stütze sich auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBO. Das Bauvorhaben sei baugenehmigungspflichtig, den entsprechenden Tekturantrag habe das Landratsamt aber gerade abgelehnt. Zudem liege keine Baubeginnsanzeige vor. Es sei vor Ort mitgeteilt worden, dass das Dach noch abgedichtet werden könne, um Witterungsschäden am Holz zu vermeiden; die Dachziegel dürften hingegen nicht mehr aufgebracht werden. Eine Anhörung habe nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG unterbleiben können.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 10. Juli 2018 Klage erhoben. Er beantragt,

den Bescheid vom 4. Juli 2018 aufzuheben.

Der Baueinstellung werde widersprochen. Der Beklagte habe die Einstellung der Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung des Dachgeschosses nicht wirksam anordnen können, da diese Erstellung des Dachgeschosses sowohl hinsichtlich der äußeren Maße als auch der Höhenkoten des Quergiebels den genehmigten Plänen vom 12. Februar 2016 entspreche. Mit der „Anhebung des Dachgeschosses“ könne allenfalls die Höhe der Firstpfette gemeint sein, die aber schon abgeschlossen sei. Das Aufbringen der Dachschalung, der Aufdachdämmung, der Lattung wie der Dacheindeckung seien hingegen von der Baugenehmigung vom 12. Februar 2016 gedeckt. Auch die Baubeginnanzeige mit Nachweisen des Statikers und des Brandschutzsachverständigen habe vorgelegen, wenn auch versehentlich unter falschem Aktenzeichen eingereicht; die Zuordnung sei aber korrekt erfolgt, das Fehlen der Anzeige könne die Baueinstellung nicht tragen. Aufgrund der Genehmigungsfähigkeit des Tekturantrags habe die Baueinstellung nicht für sofort vollziehbar erklärt werden können. Unabhängig davon habe der Beklagte zugestanden, dass das Dach noch „abgedichtet“ werden könne; hierzu gehöre aber auch die Dacheindeckung mit den vorgesehenen Dachziegeln. Die Aufdachdämmung erfordere, da eine Plane weder sturmfest noch regendicht sei, eine Dacheindeckung, die somit ausgeführt werden müsse. Das Zugeständnis des Beklagten sei angesichts dessen dahingehend auszulegen, dass die Dacheindeckung zulässig sei

Der Vertreter des Beklagten, der sich zu Protokoll bestellt hatte, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig mangels Rechtsschutzbedürfnisses. Wie der Kläger selbst angegeben habe, sei das Dach bereits vollständig ausgeführt und mit Ziegeln eingedeckt worden. Eine Baueinstellung erledige sich, wenn die Arbeiten unter Verstoß gegen die Anordnung abgeschlossen würden, da das Verhaltensgebot und damit die Beschwer wegfalle (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.1993 - 14 CE 93.434 -; VG München, M 9 K 14.5309). Ergänzend werde mitgeteilt, dass die formelle Illegalität für den Ausspruch einer Baueinstellungsverfügung ausreichend sei.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Es wurde festgestellt, dass das Dach des Hauptgebäudes und das Dach des Quergiebels komplett ausgeführt, also auch eingedeckt war. Während des Augenscheins wurde im Bereich des Quergiebels gearbeitet (Aufbringen einer Dämmung an der Giebelfläche). Der Kläger erklärte, die Dachneigung sei mit 26° ausgeführt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Die Klage ist insofern unzulässig, als weiterhin Ziff. I und Ziff. II beklagt werden. Die Arbeiten sind komplett ausgeführt worden, u.a. wurde das Dach eingedeckt; das ignorierte Verhaltensgebot ist damit überholt.

Die gegen Ziff. III des Bescheids gerichtete Klage ist nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VwZVG, § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Zwangsgeldandrohung als Leistungsbescheid, Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG, hat sich durch Fertigstellung der Arbeiten naturgemäß nicht erledigt, da das Vollstreckungsmittel ansonsten stets wirkungslos wäre (z.G. BayVGH, B.v. 22.2.2017 - 1 ZB 14.1609 - juris; B.v. 26.6.2013 - 1 ZB 12.854 - juris; B.v. 18.10.1993 - 24 B 93.92 - NVwZ-RR 94, 548; B.v. 29.3.1993 - 14 CE 93.434 - juris; VG München, U.v. 1.7.2015 - M 9 K 14.5309 - juris). Das Zwangsgeld ist auch verwirkt - nach Aussage des Klägers wurde die Dachneigung nunmehr mit 26° ausgeführt - und wird nach Aussage des Beklagten - zu Recht, vgl. Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG - beigetrieben werden.

Die Grundverfügung, Art. 29 Abs. 1 VwZVG, ist hinreichend bestimmt. Sie nimmt auf den zuvor eingereichten Tekturantrag - „Änderung der Dachneigung auf 26°“ -, mit Bescheid vom 1. Februar 2018 abgelehnt, Bezug. Dem Kläger musste allein deshalb klar sein, welche Maßnahmen nicht genehmigt und damit nicht gestattet waren: Es sind demnach jegliche Arbeiten im Dachgeschoss des Hauptgebäudes und im Bereich des Quergiebels untersagt, die Gegenstand der begehrten Tektur sind (Dachneigung von 26°), die also über die bestandskräftige Genehmigung vom 17. Mai 2016 hinausgehen; Letztere legalisierte eine Dachneigung von nur 23°.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Bau- bzw. Tekturgenehmigung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S. (örtliche Gestaltungssatzung, i.F.: ÖGS), gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Vor dem hier streitgegenständlichen Vorhaben wurden dem Kläger bereits vielfältige Änderungen seines Wohnhauses mit Kinderkrippe genehmigt, u.a. diverse erst nachträglich zur Genehmigung gestellte Umbauten, die zunächst planabweichend ausgeführt wurden (vgl. Bescheide vom 8. Juni 2010, Bl. 80ff. d. BA, vom 17. Mai 2016, Bl. 193ff. d. BA und vom 8. Juni 2017, Bl. 312ff. d. BA). Der Kläger berief sich dabei für sein Vorgehen auf unterschiedlichste Gründe - „vorzeitiger Ausbau des Wintergartens notwendig wegen gestiegener Nachfrage der Eltern“, Bl. 13 d. BA, „nur geringfügige Planänderung“, Bl. 97 d. BA, „bautechnisch sinnvolle Änderungen“, Bl. 116 d. BA; vgl. auch Bl. 250 und Bl. 260 d. BA zu einer erst nachträglich erstellten Tekturplanung für eine bereits erfolgte Nutzungsänderung anders genehmigter Räumlichkeiten). Der Bescheid vom 17. Mai 2016 (Az. 31/602 3-2014-887-T) legalisierte dabei einen Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, der sich nahezu über die gesamte südwestliche Front ausdehnt.

Als Vorhaben weist der hiesige Bauantrag vom 8. Juni 2017 (Bl. 321ff. d. BA) aus: Umbau des bestehenden Wohnhauses mit Kinderkrippe, hier: Tektur - Änderung der Dachneigung auf 26°.

Der Beigeladene verweigerte mit Stellungnahme vom 12. Juni 2017 das gemeindliche Einvernehmen (Bl. 325ff. d. BA). Es werde auf die Stellungnahme zum vorigen Änderungsantrag verwiesen; dort wurde die zunächst mitbeantragte Änderung der Dachneigung nach Einreichung des Bauantrags (vom 31. Januar 2017, Bl. 265ff. d. BA) herausgenommen - es verblieb nur der Antrag auf Nutzungsänderung (s.o.). Aus der damaligen Stellungnahme geht Folgendes hervor: Es werde die Änderung der Dachneigung der bereits genehmigten Anhebung des Daches und des genehmigten Quergiebels von 23° auf 26° beantragt. Der Bauausschuss habe im Mai 2014 der Errichtung eines Quergiebels aus Gründen des Raummangels für die Kinderkrippe zugestimmt (Anm.: zuvor waren Planungen zur Errichtung eines Quergiebels nach Süden wegen Überschreitung der zulässigen Traufhöhe und aus gestalterischen Gründen stets abgelehnt worden, vgl. Bl. 124 d. BA). Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der ÖGS wäre der Quergiebel heute nicht mehr zustimmungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Auch wäre er abzulehnen, da nach jetziger ÖGS-Fassung die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe liegen müssten. Der Bauwerber berufe sich nun im Hinblick auf die Erhöhung der Dachneigung des Quergiebels auf 26° auf die geänderte ÖGS; die Dachneigung sei 2014 allerdings nur mit 23° goutiert worden, die Traufen von Hauptgebäude und Quergiebel lägen nicht auf einer Höhe.

Das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) lehnte den Tekturantrag mit Bescheid vom 1. Februar 2018, Az. 31/602 3-2017-929-T, ab.

Die Anhebung des Daches und des Quergiebels mit einer Neigung von 23° sei mit Bescheid vom 17. Mai 2014 (Anm.: gemeint ist 17. Mai 2016) genehmigt worden. Zwischenzeitlich sei jedoch die ÖGS geändert worden (Inkrafttreten am 25. Juli 2016). Aufgrund der neuen Fassung wäre der Quergiebel nicht mehr genehmigungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Laut § 5 Abs. 13 ÖGS seien Quergiebel jedoch erst ab einer Gebäudelänge von 15 m zulässig; auch wäre der Quergiebel nach neuer Fassung nicht zustimmungsfähig, da die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels nicht auf einer Höhe lägen (vgl. § 5 Abs. 13 ÖGS). Auch wenn mit dem vorliegenden Antrag nur eine Änderung der Dachneigung beantragt sei und der Quergiebel bereits nach der alten ÖGS genehmigt worden sei, sei die neue ÖGS hinsichtlich des Quergiebels vollumfänglich anzuwenden, hier: § 5 Abs. 13 GS.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Er beantragt,

den ablehnenden Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Tekturantrag zu genehmigen und dabei das fehlende gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.

Mit Klagebegründung vom 28. Februar 2018 führt er aus: Mit dem Tekturantrag sei die Ausführung der beiden Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel mit einer Dachneigung von 26° beantragt worden, beide Satteldächer sollten die gleiche Dachneigung von 26° erhalten. Die bereits genehmigte Bauplanung habe nur in diesem einen Punkt geändert werden sollen. Der Beklagte sei fälschlicherweise der Ansicht, dass bei der bauaufsichtlichen Prüfung nicht nur die Ausführung der Satteldächer nach der neuen ÖGS, sondern allgemein auch die des Quergiebels neu zu prüfen sei. Die beantragte Änderung der Dachneigung beider Satteldächer widerspreche jedoch gerade nicht der ÖGS. Der verfahrensgegenständliche Tekturantrag beziehe sich ausschließlich auf die Dachneigung der vorgesehenen Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel ohne Bezug auf die anderen darunterliegenden Bauteile. Die Dachneigung der Satteldächer sei einziger Gegenstand des Tekturantrags. Der Antrag beziehe sich nicht auf die Ausführung des bereits genehmigten Quergiebels, sondern nur und ausschließlich auf das Satteldach. Im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung habe nicht noch einmal die Ausführung des Quergiebels selbst einbezogen werden dürfen, es habe diesbezüglich kein Bauantrag vorgelegen. Auch die ÖGS regele die Ausführung der Satteldächer für sich und ohne Bezug auf die sonstige Ausführung der anderen Bauteile. Die geringfügige Änderung des Dachneigungswinkels sei nach § 5 Abs. 9 ÖGS in der derzeitigen Fassung zulässig, mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar und ändere keineswegs das Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers. Die umliegende Bebauung weise im näheren Umgriff Dachneigungen von 18°-35° auf, die Dachneigung sei also auch gemäß § 34 BauGB zulässig. Das gemeindliche Einvernehmen habe nicht verweigert werden dürfen. Über die Ausbildung des Quergiebels dürfe aufgrund des Vorliegens einer bestandskräftigen Baugenehmigung ohne ausdrücklichen Antrag nicht erneut entschieden werden. In einem Gespräch in der Gemeinde habe Hr. Bürgermeister S. zugesichert, dass der Beigeladene keine Einwendungen im Rahmen der Anhörung gemäß Art. 67 Abs. 4 BayBO erheben werde.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juli 2018 vertieft er seine bisherigen Argumente und führt weiter aus: Auch wenn der Quergiebel nach der derzeitigen ÖGS nicht mehr genehmigungsfähig sei, dürfe darüber nicht erneut entschieden werden, da dieser nicht mehr geändert werde und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Tekturverfahrens sei. Im März 2018 habe bei Vergabe der Zimmererarbeiten eine Entscheidung hinsichtlich der auszuführenden Dachneigung getroffen werden müssen. Nach der ÖGS n.F. habe der Kläger in gutem Glauben von der Genehmigungsfähigkeit seines Tekturantrags ausgehen dürfen. Im Hinblick auf die eingereichte Klage seien die Zimmererarbeiten in Auftrag gegeben, der Dachstuhl ausgeführt und in den vergangenen Wochen aufgestellt worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 9. August 2018 wiederholt der Kläger seine bisherigen Argumente und fügt an: Das Gericht dürfe gemäß § 88 VwGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Der Quergiebel sei nicht Gegenstand des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Das Vorhaben widerspreche der ÖGS als örtlicher Bauvorschrift. Es sei zwar unter Geltung der früheren ÖGS ein Quergiebel bauaufsichtlich genehmigt worden, ausdrücklich mit einer Dachneigung von 23°. Dieser Quergiebel sei aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen. Unter Geltung der neuen ÖGS seien Quergiebel nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die der klägerische Quergiebel nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund sowie unter dem Eindruck dessen, dass der Quergiebel vor dem Inkrafttreten der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen sei, sei eine weitere Änderung des Quergiebels nunmehr baurechtlich unzulässig. Wie in anderen Bereichen des Baurechts auch, sei es dem Bauherren nicht möglich, mithilfe einer „Art von Rosinenpickerei“ die jeweils günstigsten Vorgaben für sich in Anspruch zu nehmen. Der Bauantrag sei damit zu Recht abgelehnt worden, auch mit der Konsequenz für das Hauptgebäude. Eine Abweichung - insoweit sei das gemeindliche Einvernehmen verweigert worden - komme vorliegend nicht in Betracht, nicht zuletzt im Hinblick auf eine mögliche Folgewirkung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Das Vorhaben beurteilt sich nach der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen (örtliche Gestaltungssatzung - ÖGS) des Beigeladenen in der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - mündliche Verhandlung - vorliegenden Fassung vom 25. Juli 2016 (1.). Bei der über das Dach als solches hinausgehenden notwendigen Gesamtbetrachtung (2.) widerspricht das Vorhaben § 5 Abs. 13 ÖGS (3.). Damit kommt es nicht darauf an, dass bereits die Bauvorlagen unklar sind (4.).

1. Das Vorhaben ist nach der ÖGS in der Fassung vom 25. Juli 2016 (i.F.: ÖGS n.F.) zu beurteilen.

Dies folgt bereits ohne weiteres daraus, dass bei Verpflichtungsklagen die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden ist.

Dass auf Basis der alten Rechtslage mit Bescheid vom 17. Mai 2016 u.a. ein Quergiebel mit einer Dachneigung von 23° genehmigt wurde, an den der Tekturantrag nun anknüpfen soll, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich die Anforderungen an Quergiebel durch die Satzungsänderung verschärft haben (die ÖGS vom 2. Juli 2001, geändert durch ÖGS vom 18. Juli 2002, erlaubte nur eine maximale Dachneigung von 23°, stellte aber an Quergiebel andererseits überhaupt keine weiteren Anforderungen, was Dimensionierung etc. angeht). Eine sog. Salamitaktik bedingt nicht, dass stets die alte Rechtslage zugrunde zu legen wäre, auf deren Basis mit den früheren, bereits verbeschiedenen Bauanträgen „begonnen“ wurde. Bei einer Änderung der Rechtslage zwischen ursprünglicher Baugenehmigung und Tekturgenehmigung ist Letzterer die zum Zeitpunkt der Tekturgenehmigung geltende Rechtslage zugrunde zu legen, auch wenn sie für den Bauwerber (partiell) ungünstiger ist (vgl. für die Änderung einer Stellplatzsatzung VG München, U.v. 27.1.1999 - M 23 K 98.2778 - juris).

2. Bei Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens - Änderung der Dachneigung auf 26° - sind nicht nur isoliert die Dächer des Hauptgebäudes und des Quergiebels zu bewerten.

Bei einer Tekturgenehmigung ist grundsätzlich stets das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der Betrachtung (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000 - 4 B 106/99 - juris). Das bedeutet zwar nicht, dass eine zuvor erteilte Baugenehmigung ohne weiteres gegenstandslos geworden sein muss, weil teilweise abweichend von ihr gebaut wurde, und dass eine die Änderung gestattende Genehmigung - bzw. eine darauf gerichtete Prüfung - sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste. Sie muss sich nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden. Welches Prüfprogramm bei der Entscheidung über eine Änderungsgenehmigung abzuarbeiten ist, wird durch den Genehmigungsgegenstand bestimmt; sind für ihn nur einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen einschlägig, so ist die Prüfung darauf zu beschränken. Ob bei dieser - gegebenenfalls auf einzelne Anforderungen beschränkten - Prüfung die Gesamtanlage oder nur die Änderung in den Blick zu nehmen ist, hängt davon ab, ob die Änderung einer isolierten bebauungsrechtlichen Beurteilung überhaupt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.).

Vorliegend ist bei der Änderung der Dachneigung demnach bspw. nicht (erneut) zu prüfen, ob sich das Bauvorhaben der Art der baulichen Nutzung nach einfügt; auf dieses Zulassungskriterium wirkt sich die Änderung der Dachneigung nicht aus. Anders als der Kläger meint, ist die Übereinstimmung des Vorhabens mit der ÖGS n.F. dagegen durch die Änderung der Dachneigung, u.a. auch bezogen auf einen massiven Quergiebel, unmittelbar berührt - vgl. § 5 Abs. 9 i.V.m. Abs. 13 ÖGS n.F. - und nicht isoliert nur für die Dächer, sondern für das Gebäude insgesamt, nämlich so, wie es errichtet worden ist, zu beurteilen. Denn die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Bauvorhabens, v.a. die Ausführung der Südwestseite, an der der massive Quergiebel angebaut wurde, steht nach ÖGS n.F. zur Disposition, es dürfte sich mittlerweile um ein „aliud“ zum mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigten Bauvorhaben handeln. Die ÖGS n.F. beinhaltet nach alledem öffentlich-rechtliche Anforderungen, hinsichtlich derer die Genehmigungsfrage durch die Tektur neu aufgeworfen wird; dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Vorhabens als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglichen und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer (schon) dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d. h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern (statt aller OVG SH, B.v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - juris; OVG NW, B.v. 22.4.2013 - 2 A 1891/12 - juris).

Selbst wenn man das Bauvorhaben „zerlegen“ wollte - wie es wohl der klägerischen Rechtsansicht entspricht -, so müsste man jedenfalls das Bauteil „Quergiebel“ als Einheit bewerten. Dieses noch weiter zu untergliedern in „Dach des Quergiebels“, „Seitenwand des Quergiebels“ etc. wird der Sachlage nicht gerecht und ist nicht möglich, da die Änderung bereits bautechnisch keiner isolierten baurechtlichen Beurteilung zugänglich ist (vgl. bspw. OVG NW, B.v. 22.11.2001 - 10 B 1378/01 - juris m.w.N.; Kerkmann/Sattler, BauR 1/2005, 47, 49).

All das hat nichts damit zu tun, dass das Gericht über den gestellten Sachantrag hinausginge. Es legt nur den richtigen Prüfungsmaßstab für den Bau- und den darauf aufsetzenden Verpflichtungsantrag fest.

3. Das Bauvorhaben ist nach § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. nicht genehmigungsfähig. § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. ist nicht isoliert anzuwenden, wenn die Dachneigung eines Quergiebels geändert werden soll, sondern im Zusammenhang mit § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. zu lesen.

§ 5 Abs. 9 ÖGS n.F. lautet:

Die Dächer sind als Satteldächer mit mittigem First und beidseitig gleicher Dachneigung von 18° bis 26° auszubilden; dabei muss die Firstrichtung parallel zur Längsseite des Gebäudes verlaufen. Bei Hanggrundstücken kann vom mittigen First abgewichen werden.

§ 5 Abs. 13 ÖGS n.F. lautet:

Dachaufbauten (auch Aufzugsaufbauten), Dachgauben und Dacheinschnitte (negative Dachgauben) sind unzulässig.

Quergiebel sind rechtwinklig zum Hauptgebäude angesetzte, vor die Hauptfassade vortretende Gebäudeteile. Sie sind mit folgenden Einschränkungen zulässig:

1. Die Länge des Gebäudes muss mindestens 15 m betragen.

2. Die Traufe des Hauptgebäudes und des Quergiebels müssen auf einer Höhe liegen.

3. Der Quergiebel darf maximal 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch nehmen.

4. Der Abstand von den Gebäudeecken muss mindestens 3,0 m betragen.

5. Der räumliche Gebäudevorsprung vor die Außenwand des Hauptgebäudes darf maximal 3,0 m betragen.

6. Die Dachneigung muss angepasst an das Hauptdach ausgeführt werden.

7. Das Erscheinungsbild muss sich dem Hauptbaukörper deutliche unterordnen. Quergiebel müssen in Dacheindeckung und Wandverkleidung dem Material und der Farbe des Gebäudes entsprechen.

8. Wintergärten sind an Quergiebeln unzulässig.

9. Pro Hauptgebäude ist nur ein Quergiebel zulässig.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht damit eine Regelungslage, nach der der Quergiebel in der beantragten Form in vielerlei Hinsicht unzulässig ist. Weder beträgt die Länge des Hauptbaukörpers mehr als 15 m, noch liegen die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe. Der Quergiebel nimmt weit mehr als 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch, hält keinen Abstand von 3,0 m zu den Gebäudeecken ein und ordnet sich auch nicht deutlich unter. Der Hauptbaukörper ist dabei allein aufgrund des Versatzes (Höhe und Breite) unabhängig vom Anbau im Osten zu betrachten.

Der mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigte Quergiebel - mit einer Dachneigung von 23° - wäre nach jetziger Rechtslage in seinen Dimensionen nicht mehr ansatzweise genehmigungsfähig. Seine Genehmigung wurde nur dadurch möglich, dass die ÖGS in der Fassung von 2000 bzw. 2001 zu Quergiebeln überhaupt keine Regelung enthielt, weswegen sich ihre Zulässigkeit allein nach § 34 BauGB richtete. Eine Änderung des Quergiebels aber wirft die Genehmigungsfrage aus den unter Ziff. 2 genannten Gründen neu auf, jedenfalls insoweit, als es um die Bewertung der Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, geht.

Dass ein untergeordneter Quergiebel, der auch den sonstigen Anforderungen des § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. entspricht, nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. mit einer Dachneigung von 26° ausgeführt werden könnte, wird dabei nicht in Abrede gestellt, ebenso wenig, dass die Dachneigung des Quergiebels bei einer Änderung der Dachneigung des Hauptdaches angepasst werden müsste (oder: dürfte). Aber nur einzelne, genehme Bestimmungen der neuen ÖGS anwenden zu wollen (§ 5 Abs. 13 Nr. 6 ÖGS i.V.m. § 5 Abs. 9 ÖGS), ist nicht möglich.

Auch der Umstand, dass die Dachneigung des Hauptdaches nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. isoliert wohl auf 26° angehoben werden könnte, spielt für das hiesige Verfahren keine Rolle. Beantragt ist (wohl) die Veränderung der Dachneigung aller Dachflächen (siehe aber auch unten, Ziff. 4), also - gesichert - auch der auf dem Quergiebel liegenden Dachflächen. Diese hängen bereits baukonstruktiv mit dem Hauptdach zusammen, sodass auch keine - rechtliche - Aufteilung des Bauantrags in Betracht kommt (dazu BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris m.w.N.), unabhängig davon, dass dies ohnehin nicht dem nachdrücklich geäußerten Willen des Klägers entsprechen würde, der auch und gerade den Quergiebel mit 26° Dachneigung ausführen möchte - und bereits ausgeführt hat.

4. Damit kann dahinstehen, dass die Bauvorlagen (Ansichten) nur die Änderung der Dachneigung des Quergiebels gelb darstellen, nicht aber die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes kenntlich machen. Dass aber auch die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes gewünscht ist, geht bspw. aus der klägerischen Stellungnahme vom 9. August 2017, Bl. 338f. d. BA: „die beiden Satteldächer sollen mit einer Dachneigung von 26° anstatt 23° gebaut werden“.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Baueinstellung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S., gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Gegenstand der Baueinstellung sind Arbeiten, für die der Kläger eine Tektur beantragt (Änderung der Dachneigung u.a. des Quergiebels auf 26°) und einen ablehnenden Bescheid erhalten hatte, den er ebenfalls beklagt. Diesbezüglich wird auf den Tatbestand des zwischen denselben Beteiligten im Verfahren M 9 K 18.1003 ergangenen Urteils vom selben Tag verwiesen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2018, Az. 31/602 3-2014-887-T, traf das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) folgende Verfügungen:

I. Die sofortige Einstellung folgender Bauarbeiten auf dem [Vorhabengrundstück] wird angeordnet: Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung bzw. Anhebung des Dachgeschosses des Gebäudes sowie des Quergiebels

II.

Die am 3. Juli 2018 gegenüber Ihrer Frau und einem anwesenden Mitarbeiter der ausführenden Firma H. H. W. ausgesprochene mündliche Baueinstellung wird hiermit bestätigt.

Mit Ziff. III des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 1.000,- für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. I des Bescheids angedroht. Ziff. IV enthält die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich Ziff. I.

Die Baueinstellung stütze sich auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBO. Das Bauvorhaben sei baugenehmigungspflichtig, den entsprechenden Tekturantrag habe das Landratsamt aber gerade abgelehnt. Zudem liege keine Baubeginnsanzeige vor. Es sei vor Ort mitgeteilt worden, dass das Dach noch abgedichtet werden könne, um Witterungsschäden am Holz zu vermeiden; die Dachziegel dürften hingegen nicht mehr aufgebracht werden. Eine Anhörung habe nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG unterbleiben können.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 10. Juli 2018 Klage erhoben. Er beantragt,

den Bescheid vom 4. Juli 2018 aufzuheben.

Der Baueinstellung werde widersprochen. Der Beklagte habe die Einstellung der Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung des Dachgeschosses nicht wirksam anordnen können, da diese Erstellung des Dachgeschosses sowohl hinsichtlich der äußeren Maße als auch der Höhenkoten des Quergiebels den genehmigten Plänen vom 12. Februar 2016 entspreche. Mit der „Anhebung des Dachgeschosses“ könne allenfalls die Höhe der Firstpfette gemeint sein, die aber schon abgeschlossen sei. Das Aufbringen der Dachschalung, der Aufdachdämmung, der Lattung wie der Dacheindeckung seien hingegen von der Baugenehmigung vom 12. Februar 2016 gedeckt. Auch die Baubeginnanzeige mit Nachweisen des Statikers und des Brandschutzsachverständigen habe vorgelegen, wenn auch versehentlich unter falschem Aktenzeichen eingereicht; die Zuordnung sei aber korrekt erfolgt, das Fehlen der Anzeige könne die Baueinstellung nicht tragen. Aufgrund der Genehmigungsfähigkeit des Tekturantrags habe die Baueinstellung nicht für sofort vollziehbar erklärt werden können. Unabhängig davon habe der Beklagte zugestanden, dass das Dach noch „abgedichtet“ werden könne; hierzu gehöre aber auch die Dacheindeckung mit den vorgesehenen Dachziegeln. Die Aufdachdämmung erfordere, da eine Plane weder sturmfest noch regendicht sei, eine Dacheindeckung, die somit ausgeführt werden müsse. Das Zugeständnis des Beklagten sei angesichts dessen dahingehend auszulegen, dass die Dacheindeckung zulässig sei

Der Vertreter des Beklagten, der sich zu Protokoll bestellt hatte, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig mangels Rechtsschutzbedürfnisses. Wie der Kläger selbst angegeben habe, sei das Dach bereits vollständig ausgeführt und mit Ziegeln eingedeckt worden. Eine Baueinstellung erledige sich, wenn die Arbeiten unter Verstoß gegen die Anordnung abgeschlossen würden, da das Verhaltensgebot und damit die Beschwer wegfalle (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.1993 - 14 CE 93.434 -; VG München, M 9 K 14.5309). Ergänzend werde mitgeteilt, dass die formelle Illegalität für den Ausspruch einer Baueinstellungsverfügung ausreichend sei.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Es wurde festgestellt, dass das Dach des Hauptgebäudes und das Dach des Quergiebels komplett ausgeführt, also auch eingedeckt war. Während des Augenscheins wurde im Bereich des Quergiebels gearbeitet (Aufbringen einer Dämmung an der Giebelfläche). Der Kläger erklärte, die Dachneigung sei mit 26° ausgeführt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Die Klage ist insofern unzulässig, als weiterhin Ziff. I und Ziff. II beklagt werden. Die Arbeiten sind komplett ausgeführt worden, u.a. wurde das Dach eingedeckt; das ignorierte Verhaltensgebot ist damit überholt.

Die gegen Ziff. III des Bescheids gerichtete Klage ist nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VwZVG, § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Zwangsgeldandrohung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Zwangsgeldandrohung als Leistungsbescheid, Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG, hat sich durch Fertigstellung der Arbeiten naturgemäß nicht erledigt, da das Vollstreckungsmittel ansonsten stets wirkungslos wäre (z.G. BayVGH, B.v. 22.2.2017 - 1 ZB 14.1609 - juris; B.v. 26.6.2013 - 1 ZB 12.854 - juris; B.v. 18.10.1993 - 24 B 93.92 - NVwZ-RR 94, 548; B.v. 29.3.1993 - 14 CE 93.434 - juris; VG München, U.v. 1.7.2015 - M 9 K 14.5309 - juris). Das Zwangsgeld ist auch verwirkt - nach Aussage des Klägers wurde die Dachneigung nunmehr mit 26° ausgeführt - und wird nach Aussage des Beklagten - zu Recht, vgl. Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG - beigetrieben werden.

Die Grundverfügung, Art. 29 Abs. 1 VwZVG, ist hinreichend bestimmt. Sie nimmt auf den zuvor eingereichten Tekturantrag - „Änderung der Dachneigung auf 26°“ -, mit Bescheid vom 1. Februar 2018 abgelehnt, Bezug. Dem Kläger musste allein deshalb klar sein, welche Maßnahmen nicht genehmigt und damit nicht gestattet waren: Es sind demnach jegliche Arbeiten im Dachgeschoss des Hauptgebäudes und im Bereich des Quergiebels untersagt, die Gegenstand der begehrten Tektur sind (Dachneigung von 26°), die also über die bestandskräftige Genehmigung vom 17. Mai 2016 hinausgehen; Letztere legalisierte eine Dachneigung von nur 23°.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Bau- bzw. Tekturgenehmigung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S. (örtliche Gestaltungssatzung, i.F.: ÖGS), gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Vor dem hier streitgegenständlichen Vorhaben wurden dem Kläger bereits vielfältige Änderungen seines Wohnhauses mit Kinderkrippe genehmigt, u.a. diverse erst nachträglich zur Genehmigung gestellte Umbauten, die zunächst planabweichend ausgeführt wurden (vgl. Bescheide vom 8. Juni 2010, Bl. 80ff. d. BA, vom 17. Mai 2016, Bl. 193ff. d. BA und vom 8. Juni 2017, Bl. 312ff. d. BA). Der Kläger berief sich dabei für sein Vorgehen auf unterschiedlichste Gründe - „vorzeitiger Ausbau des Wintergartens notwendig wegen gestiegener Nachfrage der Eltern“, Bl. 13 d. BA, „nur geringfügige Planänderung“, Bl. 97 d. BA, „bautechnisch sinnvolle Änderungen“, Bl. 116 d. BA; vgl. auch Bl. 250 und Bl. 260 d. BA zu einer erst nachträglich erstellten Tekturplanung für eine bereits erfolgte Nutzungsänderung anders genehmigter Räumlichkeiten). Der Bescheid vom 17. Mai 2016 (Az. 31/602 3-2014-887-T) legalisierte dabei einen Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, der sich nahezu über die gesamte südwestliche Front ausdehnt.

Als Vorhaben weist der hiesige Bauantrag vom 8. Juni 2017 (Bl. 321ff. d. BA) aus: Umbau des bestehenden Wohnhauses mit Kinderkrippe, hier: Tektur - Änderung der Dachneigung auf 26°.

Der Beigeladene verweigerte mit Stellungnahme vom 12. Juni 2017 das gemeindliche Einvernehmen (Bl. 325ff. d. BA). Es werde auf die Stellungnahme zum vorigen Änderungsantrag verwiesen; dort wurde die zunächst mitbeantragte Änderung der Dachneigung nach Einreichung des Bauantrags (vom 31. Januar 2017, Bl. 265ff. d. BA) herausgenommen - es verblieb nur der Antrag auf Nutzungsänderung (s.o.). Aus der damaligen Stellungnahme geht Folgendes hervor: Es werde die Änderung der Dachneigung der bereits genehmigten Anhebung des Daches und des genehmigten Quergiebels von 23° auf 26° beantragt. Der Bauausschuss habe im Mai 2014 der Errichtung eines Quergiebels aus Gründen des Raummangels für die Kinderkrippe zugestimmt (Anm.: zuvor waren Planungen zur Errichtung eines Quergiebels nach Süden wegen Überschreitung der zulässigen Traufhöhe und aus gestalterischen Gründen stets abgelehnt worden, vgl. Bl. 124 d. BA). Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der ÖGS wäre der Quergiebel heute nicht mehr zustimmungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Auch wäre er abzulehnen, da nach jetziger ÖGS-Fassung die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe liegen müssten. Der Bauwerber berufe sich nun im Hinblick auf die Erhöhung der Dachneigung des Quergiebels auf 26° auf die geänderte ÖGS; die Dachneigung sei 2014 allerdings nur mit 23° goutiert worden, die Traufen von Hauptgebäude und Quergiebel lägen nicht auf einer Höhe.

Das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) lehnte den Tekturantrag mit Bescheid vom 1. Februar 2018, Az. 31/602 3-2017-929-T, ab.

Die Anhebung des Daches und des Quergiebels mit einer Neigung von 23° sei mit Bescheid vom 17. Mai 2014 (Anm.: gemeint ist 17. Mai 2016) genehmigt worden. Zwischenzeitlich sei jedoch die ÖGS geändert worden (Inkrafttreten am 25. Juli 2016). Aufgrund der neuen Fassung wäre der Quergiebel nicht mehr genehmigungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Laut § 5 Abs. 13 ÖGS seien Quergiebel jedoch erst ab einer Gebäudelänge von 15 m zulässig; auch wäre der Quergiebel nach neuer Fassung nicht zustimmungsfähig, da die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels nicht auf einer Höhe lägen (vgl. § 5 Abs. 13 ÖGS). Auch wenn mit dem vorliegenden Antrag nur eine Änderung der Dachneigung beantragt sei und der Quergiebel bereits nach der alten ÖGS genehmigt worden sei, sei die neue ÖGS hinsichtlich des Quergiebels vollumfänglich anzuwenden, hier: § 5 Abs. 13 GS.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Er beantragt,

den ablehnenden Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Tekturantrag zu genehmigen und dabei das fehlende gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.

Mit Klagebegründung vom 28. Februar 2018 führt er aus: Mit dem Tekturantrag sei die Ausführung der beiden Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel mit einer Dachneigung von 26° beantragt worden, beide Satteldächer sollten die gleiche Dachneigung von 26° erhalten. Die bereits genehmigte Bauplanung habe nur in diesem einen Punkt geändert werden sollen. Der Beklagte sei fälschlicherweise der Ansicht, dass bei der bauaufsichtlichen Prüfung nicht nur die Ausführung der Satteldächer nach der neuen ÖGS, sondern allgemein auch die des Quergiebels neu zu prüfen sei. Die beantragte Änderung der Dachneigung beider Satteldächer widerspreche jedoch gerade nicht der ÖGS. Der verfahrensgegenständliche Tekturantrag beziehe sich ausschließlich auf die Dachneigung der vorgesehenen Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel ohne Bezug auf die anderen darunterliegenden Bauteile. Die Dachneigung der Satteldächer sei einziger Gegenstand des Tekturantrags. Der Antrag beziehe sich nicht auf die Ausführung des bereits genehmigten Quergiebels, sondern nur und ausschließlich auf das Satteldach. Im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung habe nicht noch einmal die Ausführung des Quergiebels selbst einbezogen werden dürfen, es habe diesbezüglich kein Bauantrag vorgelegen. Auch die ÖGS regele die Ausführung der Satteldächer für sich und ohne Bezug auf die sonstige Ausführung der anderen Bauteile. Die geringfügige Änderung des Dachneigungswinkels sei nach § 5 Abs. 9 ÖGS in der derzeitigen Fassung zulässig, mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar und ändere keineswegs das Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers. Die umliegende Bebauung weise im näheren Umgriff Dachneigungen von 18°-35° auf, die Dachneigung sei also auch gemäß § 34 BauGB zulässig. Das gemeindliche Einvernehmen habe nicht verweigert werden dürfen. Über die Ausbildung des Quergiebels dürfe aufgrund des Vorliegens einer bestandskräftigen Baugenehmigung ohne ausdrücklichen Antrag nicht erneut entschieden werden. In einem Gespräch in der Gemeinde habe Hr. Bürgermeister S. zugesichert, dass der Beigeladene keine Einwendungen im Rahmen der Anhörung gemäß Art. 67 Abs. 4 BayBO erheben werde.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juli 2018 vertieft er seine bisherigen Argumente und führt weiter aus: Auch wenn der Quergiebel nach der derzeitigen ÖGS nicht mehr genehmigungsfähig sei, dürfe darüber nicht erneut entschieden werden, da dieser nicht mehr geändert werde und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Tekturverfahrens sei. Im März 2018 habe bei Vergabe der Zimmererarbeiten eine Entscheidung hinsichtlich der auszuführenden Dachneigung getroffen werden müssen. Nach der ÖGS n.F. habe der Kläger in gutem Glauben von der Genehmigungsfähigkeit seines Tekturantrags ausgehen dürfen. Im Hinblick auf die eingereichte Klage seien die Zimmererarbeiten in Auftrag gegeben, der Dachstuhl ausgeführt und in den vergangenen Wochen aufgestellt worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 9. August 2018 wiederholt der Kläger seine bisherigen Argumente und fügt an: Das Gericht dürfe gemäß § 88 VwGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Der Quergiebel sei nicht Gegenstand des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Das Vorhaben widerspreche der ÖGS als örtlicher Bauvorschrift. Es sei zwar unter Geltung der früheren ÖGS ein Quergiebel bauaufsichtlich genehmigt worden, ausdrücklich mit einer Dachneigung von 23°. Dieser Quergiebel sei aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen. Unter Geltung der neuen ÖGS seien Quergiebel nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die der klägerische Quergiebel nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund sowie unter dem Eindruck dessen, dass der Quergiebel vor dem Inkrafttreten der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen sei, sei eine weitere Änderung des Quergiebels nunmehr baurechtlich unzulässig. Wie in anderen Bereichen des Baurechts auch, sei es dem Bauherren nicht möglich, mithilfe einer „Art von Rosinenpickerei“ die jeweils günstigsten Vorgaben für sich in Anspruch zu nehmen. Der Bauantrag sei damit zu Recht abgelehnt worden, auch mit der Konsequenz für das Hauptgebäude. Eine Abweichung - insoweit sei das gemeindliche Einvernehmen verweigert worden - komme vorliegend nicht in Betracht, nicht zuletzt im Hinblick auf eine mögliche Folgewirkung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Das Vorhaben beurteilt sich nach der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen (örtliche Gestaltungssatzung - ÖGS) des Beigeladenen in der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - mündliche Verhandlung - vorliegenden Fassung vom 25. Juli 2016 (1.). Bei der über das Dach als solches hinausgehenden notwendigen Gesamtbetrachtung (2.) widerspricht das Vorhaben § 5 Abs. 13 ÖGS (3.). Damit kommt es nicht darauf an, dass bereits die Bauvorlagen unklar sind (4.).

1. Das Vorhaben ist nach der ÖGS in der Fassung vom 25. Juli 2016 (i.F.: ÖGS n.F.) zu beurteilen.

Dies folgt bereits ohne weiteres daraus, dass bei Verpflichtungsklagen die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden ist.

Dass auf Basis der alten Rechtslage mit Bescheid vom 17. Mai 2016 u.a. ein Quergiebel mit einer Dachneigung von 23° genehmigt wurde, an den der Tekturantrag nun anknüpfen soll, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich die Anforderungen an Quergiebel durch die Satzungsänderung verschärft haben (die ÖGS vom 2. Juli 2001, geändert durch ÖGS vom 18. Juli 2002, erlaubte nur eine maximale Dachneigung von 23°, stellte aber an Quergiebel andererseits überhaupt keine weiteren Anforderungen, was Dimensionierung etc. angeht). Eine sog. Salamitaktik bedingt nicht, dass stets die alte Rechtslage zugrunde zu legen wäre, auf deren Basis mit den früheren, bereits verbeschiedenen Bauanträgen „begonnen“ wurde. Bei einer Änderung der Rechtslage zwischen ursprünglicher Baugenehmigung und Tekturgenehmigung ist Letzterer die zum Zeitpunkt der Tekturgenehmigung geltende Rechtslage zugrunde zu legen, auch wenn sie für den Bauwerber (partiell) ungünstiger ist (vgl. für die Änderung einer Stellplatzsatzung VG München, U.v. 27.1.1999 - M 23 K 98.2778 - juris).

2. Bei Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens - Änderung der Dachneigung auf 26° - sind nicht nur isoliert die Dächer des Hauptgebäudes und des Quergiebels zu bewerten.

Bei einer Tekturgenehmigung ist grundsätzlich stets das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der Betrachtung (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000 - 4 B 106/99 - juris). Das bedeutet zwar nicht, dass eine zuvor erteilte Baugenehmigung ohne weiteres gegenstandslos geworden sein muss, weil teilweise abweichend von ihr gebaut wurde, und dass eine die Änderung gestattende Genehmigung - bzw. eine darauf gerichtete Prüfung - sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste. Sie muss sich nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden. Welches Prüfprogramm bei der Entscheidung über eine Änderungsgenehmigung abzuarbeiten ist, wird durch den Genehmigungsgegenstand bestimmt; sind für ihn nur einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen einschlägig, so ist die Prüfung darauf zu beschränken. Ob bei dieser - gegebenenfalls auf einzelne Anforderungen beschränkten - Prüfung die Gesamtanlage oder nur die Änderung in den Blick zu nehmen ist, hängt davon ab, ob die Änderung einer isolierten bebauungsrechtlichen Beurteilung überhaupt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.).

Vorliegend ist bei der Änderung der Dachneigung demnach bspw. nicht (erneut) zu prüfen, ob sich das Bauvorhaben der Art der baulichen Nutzung nach einfügt; auf dieses Zulassungskriterium wirkt sich die Änderung der Dachneigung nicht aus. Anders als der Kläger meint, ist die Übereinstimmung des Vorhabens mit der ÖGS n.F. dagegen durch die Änderung der Dachneigung, u.a. auch bezogen auf einen massiven Quergiebel, unmittelbar berührt - vgl. § 5 Abs. 9 i.V.m. Abs. 13 ÖGS n.F. - und nicht isoliert nur für die Dächer, sondern für das Gebäude insgesamt, nämlich so, wie es errichtet worden ist, zu beurteilen. Denn die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Bauvorhabens, v.a. die Ausführung der Südwestseite, an der der massive Quergiebel angebaut wurde, steht nach ÖGS n.F. zur Disposition, es dürfte sich mittlerweile um ein „aliud“ zum mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigten Bauvorhaben handeln. Die ÖGS n.F. beinhaltet nach alledem öffentlich-rechtliche Anforderungen, hinsichtlich derer die Genehmigungsfrage durch die Tektur neu aufgeworfen wird; dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Vorhabens als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglichen und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer (schon) dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d. h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern (statt aller OVG SH, B.v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - juris; OVG NW, B.v. 22.4.2013 - 2 A 1891/12 - juris).

Selbst wenn man das Bauvorhaben „zerlegen“ wollte - wie es wohl der klägerischen Rechtsansicht entspricht -, so müsste man jedenfalls das Bauteil „Quergiebel“ als Einheit bewerten. Dieses noch weiter zu untergliedern in „Dach des Quergiebels“, „Seitenwand des Quergiebels“ etc. wird der Sachlage nicht gerecht und ist nicht möglich, da die Änderung bereits bautechnisch keiner isolierten baurechtlichen Beurteilung zugänglich ist (vgl. bspw. OVG NW, B.v. 22.11.2001 - 10 B 1378/01 - juris m.w.N.; Kerkmann/Sattler, BauR 1/2005, 47, 49).

All das hat nichts damit zu tun, dass das Gericht über den gestellten Sachantrag hinausginge. Es legt nur den richtigen Prüfungsmaßstab für den Bau- und den darauf aufsetzenden Verpflichtungsantrag fest.

3. Das Bauvorhaben ist nach § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. nicht genehmigungsfähig. § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. ist nicht isoliert anzuwenden, wenn die Dachneigung eines Quergiebels geändert werden soll, sondern im Zusammenhang mit § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. zu lesen.

§ 5 Abs. 9 ÖGS n.F. lautet:

Die Dächer sind als Satteldächer mit mittigem First und beidseitig gleicher Dachneigung von 18° bis 26° auszubilden; dabei muss die Firstrichtung parallel zur Längsseite des Gebäudes verlaufen. Bei Hanggrundstücken kann vom mittigen First abgewichen werden.

§ 5 Abs. 13 ÖGS n.F. lautet:

Dachaufbauten (auch Aufzugsaufbauten), Dachgauben und Dacheinschnitte (negative Dachgauben) sind unzulässig.

Quergiebel sind rechtwinklig zum Hauptgebäude angesetzte, vor die Hauptfassade vortretende Gebäudeteile. Sie sind mit folgenden Einschränkungen zulässig:

1. Die Länge des Gebäudes muss mindestens 15 m betragen.

2. Die Traufe des Hauptgebäudes und des Quergiebels müssen auf einer Höhe liegen.

3. Der Quergiebel darf maximal 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch nehmen.

4. Der Abstand von den Gebäudeecken muss mindestens 3,0 m betragen.

5. Der räumliche Gebäudevorsprung vor die Außenwand des Hauptgebäudes darf maximal 3,0 m betragen.

6. Die Dachneigung muss angepasst an das Hauptdach ausgeführt werden.

7. Das Erscheinungsbild muss sich dem Hauptbaukörper deutliche unterordnen. Quergiebel müssen in Dacheindeckung und Wandverkleidung dem Material und der Farbe des Gebäudes entsprechen.

8. Wintergärten sind an Quergiebeln unzulässig.

9. Pro Hauptgebäude ist nur ein Quergiebel zulässig.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht damit eine Regelungslage, nach der der Quergiebel in der beantragten Form in vielerlei Hinsicht unzulässig ist. Weder beträgt die Länge des Hauptbaukörpers mehr als 15 m, noch liegen die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe. Der Quergiebel nimmt weit mehr als 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch, hält keinen Abstand von 3,0 m zu den Gebäudeecken ein und ordnet sich auch nicht deutlich unter. Der Hauptbaukörper ist dabei allein aufgrund des Versatzes (Höhe und Breite) unabhängig vom Anbau im Osten zu betrachten.

Der mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigte Quergiebel - mit einer Dachneigung von 23° - wäre nach jetziger Rechtslage in seinen Dimensionen nicht mehr ansatzweise genehmigungsfähig. Seine Genehmigung wurde nur dadurch möglich, dass die ÖGS in der Fassung von 2000 bzw. 2001 zu Quergiebeln überhaupt keine Regelung enthielt, weswegen sich ihre Zulässigkeit allein nach § 34 BauGB richtete. Eine Änderung des Quergiebels aber wirft die Genehmigungsfrage aus den unter Ziff. 2 genannten Gründen neu auf, jedenfalls insoweit, als es um die Bewertung der Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, geht.

Dass ein untergeordneter Quergiebel, der auch den sonstigen Anforderungen des § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. entspricht, nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. mit einer Dachneigung von 26° ausgeführt werden könnte, wird dabei nicht in Abrede gestellt, ebenso wenig, dass die Dachneigung des Quergiebels bei einer Änderung der Dachneigung des Hauptdaches angepasst werden müsste (oder: dürfte). Aber nur einzelne, genehme Bestimmungen der neuen ÖGS anwenden zu wollen (§ 5 Abs. 13 Nr. 6 ÖGS i.V.m. § 5 Abs. 9 ÖGS), ist nicht möglich.

Auch der Umstand, dass die Dachneigung des Hauptdaches nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. isoliert wohl auf 26° angehoben werden könnte, spielt für das hiesige Verfahren keine Rolle. Beantragt ist (wohl) die Veränderung der Dachneigung aller Dachflächen (siehe aber auch unten, Ziff. 4), also - gesichert - auch der auf dem Quergiebel liegenden Dachflächen. Diese hängen bereits baukonstruktiv mit dem Hauptdach zusammen, sodass auch keine - rechtliche - Aufteilung des Bauantrags in Betracht kommt (dazu BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris m.w.N.), unabhängig davon, dass dies ohnehin nicht dem nachdrücklich geäußerten Willen des Klägers entsprechen würde, der auch und gerade den Quergiebel mit 26° Dachneigung ausführen möchte - und bereits ausgeführt hat.

4. Damit kann dahinstehen, dass die Bauvorlagen (Ansichten) nur die Änderung der Dachneigung des Quergiebels gelb darstellen, nicht aber die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes kenntlich machen. Dass aber auch die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes gewünscht ist, geht bspw. aus der klägerischen Stellungnahme vom 9. August 2017, Bl. 338f. d. BA: „die beiden Satteldächer sollen mit einer Dachneigung von 26° anstatt 23° gebaut werden“.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Bau- bzw. Tekturgenehmigung.

Betroffen ist FlNr. 1415/16, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die im Eigentum des Klägers steht (Bl. 269 d. BA). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB, und im Geltungsbereich der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen im M. S. (örtliche Gestaltungssatzung, i.F.: ÖGS), gegenwärtige Fassung vom 25. Juli 2016 (frühere Fassungen vom 2. Juli 2001 bzw. 18. Juli 2002).

Vor dem hier streitgegenständlichen Vorhaben wurden dem Kläger bereits vielfältige Änderungen seines Wohnhauses mit Kinderkrippe genehmigt, u.a. diverse erst nachträglich zur Genehmigung gestellte Umbauten, die zunächst planabweichend ausgeführt wurden (vgl. Bescheide vom 8. Juni 2010, Bl. 80ff. d. BA, vom 17. Mai 2016, Bl. 193ff. d. BA und vom 8. Juni 2017, Bl. 312ff. d. BA). Der Kläger berief sich dabei für sein Vorgehen auf unterschiedlichste Gründe - „vorzeitiger Ausbau des Wintergartens notwendig wegen gestiegener Nachfrage der Eltern“, Bl. 13 d. BA, „nur geringfügige Planänderung“, Bl. 97 d. BA, „bautechnisch sinnvolle Änderungen“, Bl. 116 d. BA; vgl. auch Bl. 250 und Bl. 260 d. BA zu einer erst nachträglich erstellten Tekturplanung für eine bereits erfolgte Nutzungsänderung anders genehmigter Räumlichkeiten). Der Bescheid vom 17. Mai 2016 (Az. 31/602 3-2014-887-T) legalisierte dabei einen Quergiebel mit einer Dachneigung von 23°, der sich nahezu über die gesamte südwestliche Front ausdehnt.

Als Vorhaben weist der hiesige Bauantrag vom 8. Juni 2017 (Bl. 321ff. d. BA) aus: Umbau des bestehenden Wohnhauses mit Kinderkrippe, hier: Tektur - Änderung der Dachneigung auf 26°.

Der Beigeladene verweigerte mit Stellungnahme vom 12. Juni 2017 das gemeindliche Einvernehmen (Bl. 325ff. d. BA). Es werde auf die Stellungnahme zum vorigen Änderungsantrag verwiesen; dort wurde die zunächst mitbeantragte Änderung der Dachneigung nach Einreichung des Bauantrags (vom 31. Januar 2017, Bl. 265ff. d. BA) herausgenommen - es verblieb nur der Antrag auf Nutzungsänderung (s.o.). Aus der damaligen Stellungnahme geht Folgendes hervor: Es werde die Änderung der Dachneigung der bereits genehmigten Anhebung des Daches und des genehmigten Quergiebels von 23° auf 26° beantragt. Der Bauausschuss habe im Mai 2014 der Errichtung eines Quergiebels aus Gründen des Raummangels für die Kinderkrippe zugestimmt (Anm.: zuvor waren Planungen zur Errichtung eines Quergiebels nach Süden wegen Überschreitung der zulässigen Traufhöhe und aus gestalterischen Gründen stets abgelehnt worden, vgl. Bl. 124 d. BA). Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der ÖGS wäre der Quergiebel heute nicht mehr zustimmungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Auch wäre er abzulehnen, da nach jetziger ÖGS-Fassung die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe liegen müssten. Der Bauwerber berufe sich nun im Hinblick auf die Erhöhung der Dachneigung des Quergiebels auf 26° auf die geänderte ÖGS; die Dachneigung sei 2014 allerdings nur mit 23° goutiert worden, die Traufen von Hauptgebäude und Quergiebel lägen nicht auf einer Höhe.

Das Landratsamt Miesbach (i.F.: Landratsamt) lehnte den Tekturantrag mit Bescheid vom 1. Februar 2018, Az. 31/602 3-2017-929-T, ab.

Die Anhebung des Daches und des Quergiebels mit einer Neigung von 23° sei mit Bescheid vom 17. Mai 2014 (Anm.: gemeint ist 17. Mai 2016) genehmigt worden. Zwischenzeitlich sei jedoch die ÖGS geändert worden (Inkrafttreten am 25. Juli 2016). Aufgrund der neuen Fassung wäre der Quergiebel nicht mehr genehmigungsfähig, da die Länge des Gebäudes nur 11,24 m betrage. Laut § 5 Abs. 13 ÖGS seien Quergiebel jedoch erst ab einer Gebäudelänge von 15 m zulässig; auch wäre der Quergiebel nach neuer Fassung nicht zustimmungsfähig, da die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels nicht auf einer Höhe lägen (vgl. § 5 Abs. 13 ÖGS). Auch wenn mit dem vorliegenden Antrag nur eine Änderung der Dachneigung beantragt sei und der Quergiebel bereits nach der alten ÖGS genehmigt worden sei, sei die neue ÖGS hinsichtlich des Quergiebels vollumfänglich anzuwenden, hier: § 5 Abs. 13 GS.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Er beantragt,

den ablehnenden Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Tekturantrag zu genehmigen und dabei das fehlende gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.

Mit Klagebegründung vom 28. Februar 2018 führt er aus: Mit dem Tekturantrag sei die Ausführung der beiden Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel mit einer Dachneigung von 26° beantragt worden, beide Satteldächer sollten die gleiche Dachneigung von 26° erhalten. Die bereits genehmigte Bauplanung habe nur in diesem einen Punkt geändert werden sollen. Der Beklagte sei fälschlicherweise der Ansicht, dass bei der bauaufsichtlichen Prüfung nicht nur die Ausführung der Satteldächer nach der neuen ÖGS, sondern allgemein auch die des Quergiebels neu zu prüfen sei. Die beantragte Änderung der Dachneigung beider Satteldächer widerspreche jedoch gerade nicht der ÖGS. Der verfahrensgegenständliche Tekturantrag beziehe sich ausschließlich auf die Dachneigung der vorgesehenen Satteldächer über dem Hauptgebäude und dem Quergiebel ohne Bezug auf die anderen darunterliegenden Bauteile. Die Dachneigung der Satteldächer sei einziger Gegenstand des Tekturantrags. Der Antrag beziehe sich nicht auf die Ausführung des bereits genehmigten Quergiebels, sondern nur und ausschließlich auf das Satteldach. Im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung habe nicht noch einmal die Ausführung des Quergiebels selbst einbezogen werden dürfen, es habe diesbezüglich kein Bauantrag vorgelegen. Auch die ÖGS regele die Ausführung der Satteldächer für sich und ohne Bezug auf die sonstige Ausführung der anderen Bauteile. Die geringfügige Änderung des Dachneigungswinkels sei nach § 5 Abs. 9 ÖGS in der derzeitigen Fassung zulässig, mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar und ändere keineswegs das Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers. Die umliegende Bebauung weise im näheren Umgriff Dachneigungen von 18°-35° auf, die Dachneigung sei also auch gemäß § 34 BauGB zulässig. Das gemeindliche Einvernehmen habe nicht verweigert werden dürfen. Über die Ausbildung des Quergiebels dürfe aufgrund des Vorliegens einer bestandskräftigen Baugenehmigung ohne ausdrücklichen Antrag nicht erneut entschieden werden. In einem Gespräch in der Gemeinde habe Hr. Bürgermeister S. zugesichert, dass der Beigeladene keine Einwendungen im Rahmen der Anhörung gemäß Art. 67 Abs. 4 BayBO erheben werde.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juli 2018 vertieft er seine bisherigen Argumente und führt weiter aus: Auch wenn der Quergiebel nach der derzeitigen ÖGS nicht mehr genehmigungsfähig sei, dürfe darüber nicht erneut entschieden werden, da dieser nicht mehr geändert werde und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Tekturverfahrens sei. Im März 2018 habe bei Vergabe der Zimmererarbeiten eine Entscheidung hinsichtlich der auszuführenden Dachneigung getroffen werden müssen. Nach der ÖGS n.F. habe der Kläger in gutem Glauben von der Genehmigungsfähigkeit seines Tekturantrags ausgehen dürfen. Im Hinblick auf die eingereichte Klage seien die Zimmererarbeiten in Auftrag gegeben, der Dachstuhl ausgeführt und in den vergangenen Wochen aufgestellt worden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 9. August 2018 wiederholt der Kläger seine bisherigen Argumente und fügt an: Das Gericht dürfe gemäß § 88 VwGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Der Quergiebel sei nicht Gegenstand des Klagebegehrens.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Das Vorhaben widerspreche der ÖGS als örtlicher Bauvorschrift. Es sei zwar unter Geltung der früheren ÖGS ein Quergiebel bauaufsichtlich genehmigt worden, ausdrücklich mit einer Dachneigung von 23°. Dieser Quergiebel sei aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen. Unter Geltung der neuen ÖGS seien Quergiebel nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die der klägerische Quergiebel nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund sowie unter dem Eindruck dessen, dass der Quergiebel vor dem Inkrafttreten der neuen ÖGS noch nicht ausgeführt gewesen sei, sei eine weitere Änderung des Quergiebels nunmehr baurechtlich unzulässig. Wie in anderen Bereichen des Baurechts auch, sei es dem Bauherren nicht möglich, mithilfe einer „Art von Rosinenpickerei“ die jeweils günstigsten Vorgaben für sich in Anspruch zu nehmen. Der Bauantrag sei damit zu Recht abgelehnt worden, auch mit der Konsequenz für das Hauptgebäude. Eine Abweichung - insoweit sei das gemeindliche Einvernehmen verweigert worden - komme vorliegend nicht in Betracht, nicht zuletzt im Hinblick auf eine mögliche Folgewirkung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie auf die beigezogene Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung, jeweils vom 17. Oktober 2018.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Das Vorhaben beurteilt sich nach der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen (örtliche Gestaltungssatzung - ÖGS) des Beigeladenen in der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt - mündliche Verhandlung - vorliegenden Fassung vom 25. Juli 2016 (1.). Bei der über das Dach als solches hinausgehenden notwendigen Gesamtbetrachtung (2.) widerspricht das Vorhaben § 5 Abs. 13 ÖGS (3.). Damit kommt es nicht darauf an, dass bereits die Bauvorlagen unklar sind (4.).

1. Das Vorhaben ist nach der ÖGS in der Fassung vom 25. Juli 2016 (i.F.: ÖGS n.F.) zu beurteilen.

Dies folgt bereits ohne weiteres daraus, dass bei Verpflichtungsklagen die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden ist.

Dass auf Basis der alten Rechtslage mit Bescheid vom 17. Mai 2016 u.a. ein Quergiebel mit einer Dachneigung von 23° genehmigt wurde, an den der Tekturantrag nun anknüpfen soll, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich die Anforderungen an Quergiebel durch die Satzungsänderung verschärft haben (die ÖGS vom 2. Juli 2001, geändert durch ÖGS vom 18. Juli 2002, erlaubte nur eine maximale Dachneigung von 23°, stellte aber an Quergiebel andererseits überhaupt keine weiteren Anforderungen, was Dimensionierung etc. angeht). Eine sog. Salamitaktik bedingt nicht, dass stets die alte Rechtslage zugrunde zu legen wäre, auf deren Basis mit den früheren, bereits verbeschiedenen Bauanträgen „begonnen“ wurde. Bei einer Änderung der Rechtslage zwischen ursprünglicher Baugenehmigung und Tekturgenehmigung ist Letzterer die zum Zeitpunkt der Tekturgenehmigung geltende Rechtslage zugrunde zu legen, auch wenn sie für den Bauwerber (partiell) ungünstiger ist (vgl. für die Änderung einer Stellplatzsatzung VG München, U.v. 27.1.1999 - M 23 K 98.2778 - juris).

2. Bei Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens - Änderung der Dachneigung auf 26° - sind nicht nur isoliert die Dächer des Hauptgebäudes und des Quergiebels zu bewerten.

Bei einer Tekturgenehmigung ist grundsätzlich stets das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der Betrachtung (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000 - 4 B 106/99 - juris). Das bedeutet zwar nicht, dass eine zuvor erteilte Baugenehmigung ohne weiteres gegenstandslos geworden sein muss, weil teilweise abweichend von ihr gebaut wurde, und dass eine die Änderung gestattende Genehmigung - bzw. eine darauf gerichtete Prüfung - sich stets auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken müsste. Sie muss sich nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden. Welches Prüfprogramm bei der Entscheidung über eine Änderungsgenehmigung abzuarbeiten ist, wird durch den Genehmigungsgegenstand bestimmt; sind für ihn nur einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen einschlägig, so ist die Prüfung darauf zu beschränken. Ob bei dieser - gegebenenfalls auf einzelne Anforderungen beschränkten - Prüfung die Gesamtanlage oder nur die Änderung in den Blick zu nehmen ist, hängt davon ab, ob die Änderung einer isolierten bebauungsrechtlichen Beurteilung überhaupt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.).

Vorliegend ist bei der Änderung der Dachneigung demnach bspw. nicht (erneut) zu prüfen, ob sich das Bauvorhaben der Art der baulichen Nutzung nach einfügt; auf dieses Zulassungskriterium wirkt sich die Änderung der Dachneigung nicht aus. Anders als der Kläger meint, ist die Übereinstimmung des Vorhabens mit der ÖGS n.F. dagegen durch die Änderung der Dachneigung, u.a. auch bezogen auf einen massiven Quergiebel, unmittelbar berührt - vgl. § 5 Abs. 9 i.V.m. Abs. 13 ÖGS n.F. - und nicht isoliert nur für die Dächer, sondern für das Gebäude insgesamt, nämlich so, wie es errichtet worden ist, zu beurteilen. Denn die Genehmigungsfähigkeit des gesamten Bauvorhabens, v.a. die Ausführung der Südwestseite, an der der massive Quergiebel angebaut wurde, steht nach ÖGS n.F. zur Disposition, es dürfte sich mittlerweile um ein „aliud“ zum mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigten Bauvorhaben handeln. Die ÖGS n.F. beinhaltet nach alledem öffentlich-rechtliche Anforderungen, hinsichtlich derer die Genehmigungsfrage durch die Tektur neu aufgeworfen wird; dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Vorhabens als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglichen und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer (schon) dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d. h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern (statt aller OVG SH, B.v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - juris; OVG NW, B.v. 22.4.2013 - 2 A 1891/12 - juris).

Selbst wenn man das Bauvorhaben „zerlegen“ wollte - wie es wohl der klägerischen Rechtsansicht entspricht -, so müsste man jedenfalls das Bauteil „Quergiebel“ als Einheit bewerten. Dieses noch weiter zu untergliedern in „Dach des Quergiebels“, „Seitenwand des Quergiebels“ etc. wird der Sachlage nicht gerecht und ist nicht möglich, da die Änderung bereits bautechnisch keiner isolierten baurechtlichen Beurteilung zugänglich ist (vgl. bspw. OVG NW, B.v. 22.11.2001 - 10 B 1378/01 - juris m.w.N.; Kerkmann/Sattler, BauR 1/2005, 47, 49).

All das hat nichts damit zu tun, dass das Gericht über den gestellten Sachantrag hinausginge. Es legt nur den richtigen Prüfungsmaßstab für den Bau- und den darauf aufsetzenden Verpflichtungsantrag fest.

3. Das Bauvorhaben ist nach § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. nicht genehmigungsfähig. § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. ist nicht isoliert anzuwenden, wenn die Dachneigung eines Quergiebels geändert werden soll, sondern im Zusammenhang mit § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. zu lesen.

§ 5 Abs. 9 ÖGS n.F. lautet:

Die Dächer sind als Satteldächer mit mittigem First und beidseitig gleicher Dachneigung von 18° bis 26° auszubilden; dabei muss die Firstrichtung parallel zur Längsseite des Gebäudes verlaufen. Bei Hanggrundstücken kann vom mittigen First abgewichen werden.

§ 5 Abs. 13 ÖGS n.F. lautet:

Dachaufbauten (auch Aufzugsaufbauten), Dachgauben und Dacheinschnitte (negative Dachgauben) sind unzulässig.

Quergiebel sind rechtwinklig zum Hauptgebäude angesetzte, vor die Hauptfassade vortretende Gebäudeteile. Sie sind mit folgenden Einschränkungen zulässig:

1. Die Länge des Gebäudes muss mindestens 15 m betragen.

2. Die Traufe des Hauptgebäudes und des Quergiebels müssen auf einer Höhe liegen.

3. Der Quergiebel darf maximal 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch nehmen.

4. Der Abstand von den Gebäudeecken muss mindestens 3,0 m betragen.

5. Der räumliche Gebäudevorsprung vor die Außenwand des Hauptgebäudes darf maximal 3,0 m betragen.

6. Die Dachneigung muss angepasst an das Hauptdach ausgeführt werden.

7. Das Erscheinungsbild muss sich dem Hauptbaukörper deutliche unterordnen. Quergiebel müssen in Dacheindeckung und Wandverkleidung dem Material und der Farbe des Gebäudes entsprechen.

8. Wintergärten sind an Quergiebeln unzulässig.

9. Pro Hauptgebäude ist nur ein Quergiebel zulässig.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht damit eine Regelungslage, nach der der Quergiebel in der beantragten Form in vielerlei Hinsicht unzulässig ist. Weder beträgt die Länge des Hauptbaukörpers mehr als 15 m, noch liegen die Traufen des Hauptgebäudes und des Quergiebels auf einer Höhe. Der Quergiebel nimmt weit mehr als 1/3 der Gebäudelänge in Anspruch, hält keinen Abstand von 3,0 m zu den Gebäudeecken ein und ordnet sich auch nicht deutlich unter. Der Hauptbaukörper ist dabei allein aufgrund des Versatzes (Höhe und Breite) unabhängig vom Anbau im Osten zu betrachten.

Der mit Bescheid vom 17. Mai 2016 genehmigte Quergiebel - mit einer Dachneigung von 23° - wäre nach jetziger Rechtslage in seinen Dimensionen nicht mehr ansatzweise genehmigungsfähig. Seine Genehmigung wurde nur dadurch möglich, dass die ÖGS in der Fassung von 2000 bzw. 2001 zu Quergiebeln überhaupt keine Regelung enthielt, weswegen sich ihre Zulässigkeit allein nach § 34 BauGB richtete. Eine Änderung des Quergiebels aber wirft die Genehmigungsfrage aus den unter Ziff. 2 genannten Gründen neu auf, jedenfalls insoweit, als es um die Bewertung der Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, geht.

Dass ein untergeordneter Quergiebel, der auch den sonstigen Anforderungen des § 5 Abs. 13 ÖGS n.F. entspricht, nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. mit einer Dachneigung von 26° ausgeführt werden könnte, wird dabei nicht in Abrede gestellt, ebenso wenig, dass die Dachneigung des Quergiebels bei einer Änderung der Dachneigung des Hauptdaches angepasst werden müsste (oder: dürfte). Aber nur einzelne, genehme Bestimmungen der neuen ÖGS anwenden zu wollen (§ 5 Abs. 13 Nr. 6 ÖGS i.V.m. § 5 Abs. 9 ÖGS), ist nicht möglich.

Auch der Umstand, dass die Dachneigung des Hauptdaches nach § 5 Abs. 9 ÖGS n.F. isoliert wohl auf 26° angehoben werden könnte, spielt für das hiesige Verfahren keine Rolle. Beantragt ist (wohl) die Veränderung der Dachneigung aller Dachflächen (siehe aber auch unten, Ziff. 4), also - gesichert - auch der auf dem Quergiebel liegenden Dachflächen. Diese hängen bereits baukonstruktiv mit dem Hauptdach zusammen, sodass auch keine - rechtliche - Aufteilung des Bauantrags in Betracht kommt (dazu BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris m.w.N.), unabhängig davon, dass dies ohnehin nicht dem nachdrücklich geäußerten Willen des Klägers entsprechen würde, der auch und gerade den Quergiebel mit 26° Dachneigung ausführen möchte - und bereits ausgeführt hat.

4. Damit kann dahinstehen, dass die Bauvorlagen (Ansichten) nur die Änderung der Dachneigung des Quergiebels gelb darstellen, nicht aber die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes kenntlich machen. Dass aber auch die Änderung der Dachneigung des Hauptgebäudes gewünscht ist, geht bspw. aus der klägerischen Stellungnahme vom 9. August 2017, Bl. 338f. d. BA: „die beiden Satteldächer sollen mit einer Dachneigung von 26° anstatt 23° gebaut werden“.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Sachantrags nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen seine außergerichtlichen Kosten billigerweise nicht dem Kläger aufzuerlegen waren, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.