Verwaltungsgericht München Beschluss, 12. Feb. 2019 - M 5 S7 19.50046

bei uns veröffentlicht am12.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: „Bundesamt“) vom ... November 2018 unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 16. Januar 2019 (M 5 S 19.50002).

Der Antragsteller ist somalischer Staatsangehörigkeit und stellte am ... April 2017 einen förmlichen Asylantrag, welchen das Bundesamt mit seit dem ... Mai 2017 unanfechtbaren Bescheid negativ beschieden hatte.

Am ... September 2018 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte erneut die Durchführung eines Asylverfahrens. Nachdem das Bundesamt am ... September 2018 erfolglos ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet und den Antragsteller am ... November 2018 zu seinen Asylgründen befragt hatte, lehnte das Bundesamt den erneuten Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid vom ... November 2018 ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und sprach ein Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet auf 24 Monate ab dem Tag der Abschiebung aus (Nr. 4). Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich Postzustellungsurkunde am ... Dezember 2018 unter der vom Antragsteller in seiner Befragung angegebenen Adresse I...straße ..., ... G... zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom ... November 2018 erhoben und zugleich beantragt, ihm gegen die Versäumung der Klage- und Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen. Zur Begründung verwies er auf einen schweren Unfall seiner Schwester in F..., die er am ... November 2018 umgehend besucht und nicht habe alleine lassen können. Diesen Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 16. Januar 2019 wegen verschuldeter Fristsäumnis unter Hinweis auf mögliche und zumutbare Empfangsvorkehrungen abgelehnt.

Mit Schreiben vom 25. Januar .2019, eingegangen bei Gericht am 26. Januar 2019, hat der Antragsteller sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Gerichts vom 16. Januar 2019 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom ... November 2018 anzuordnen.

Ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Rechtsbehelfsfristen. Am ... November 2018 habe er erfahren, dass seine im Main-Taunus-Kreis wohnhafte Schwester bei einem Fenstersturz lebensgefährliche Verletzungen erlitten habe. Daher habe er sich sofort auf den Weg zu seiner Schwester gemacht, um ihr beizustehen. Seine Schwester sei jedoch an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben. Nach ihrer Beerdigung sei er am ... Dezember 2018 nach G... zurückgefahren und habe dort den angefochtenen Bescheid entdeckt. Aufgrund der schweren Verletzungen seiner Schwester sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Schwester im Raum F... allein zu lassen. Er versichert an Eides statt, dass er seit der Nachricht von dem Unfall seiner Schwester am ... November 2018 unter Schock gestanden habe. Diese Erklärung habe er erst jetzt abgeben können, da er bisher keinen guten, kostenfreien Sprachmittler habe finden können. Nach Einschätzung seines Bevollmächtigten leidet der Antragsteller aufgrund des Todes seiner Schwester an posttraumatischen Belastungsstörungen. Zudem habe er durch Schläge der jemanitischen Polizei schwere Kopfverletzungen erlitten. Bedingt durch die Verletzungen von 2011 und durch die erneuten Kopfschläge in Libyen leide er unter massiven Kopfschmerzen.

Die Beklagte hat die Behördenakten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Abänderung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses vom 16 Januar 2019 ist bereits unzulässig und hat daher keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn ist. Die Abänderungsbefugnis des Gerichts ist dabei nicht auf stattgebende Entscheidungen beschränkt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.).

Ein Antrag auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist nur dann statthaft, wenn der Antragsteller veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorträgt und sich aus diesen Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 11 VR 8.98 - NVwZ 1999, 650; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 197). Dies hat Antragsteller vorliegend nicht getan.

Der durch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers mitgeteilte Umstand „Schockzustand“ stellt keinen veränderten bzw. nachträglich eingetretenen Umstand dar und hätte zudem bereits in dem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO geltend gemacht werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller diesen Umstand nicht in dem Zeitraum von seiner ursprünglichen Antragstellung am ... Januar 2019 bis zur Fassung des aufzuhebenden Beschlusses am 16. Januar 2019, also innerhalb von zwei Wochen - insbesondere mit Blick auf die im Asylverfahren erhöhten Mitwirkungspflichten - hätte vortragen können. Daran vermag auch der Umstand, dass eine ordnungsgemäße Verständigung zwischen dem Antragsteller und seinem Bevollmächtigten bei der Antragstellung am ... Januar 2019 nicht möglich gewesen sein soll, nichts zu ändern. Denn - ausweislich der hiesigen Antragsschrift vom ... Januar 2019 - hat der Bevollmächtigte des Antragstellers diesen bereits am ... Januar 2019 um schnellstmögliche Stellung eines Dolmetschers gebeten. Es hätte an dem Antragsteller gelegen, dieser Aufforderung in Ausübung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht alsbald nachzukommen. Gleiches gilt für den Vortrag des Antragstellers zu möglicherweise bei ihm bestehenden posttraumatischen Belastungsstörungen sowie massiven Kopfschmerzen. Er hat das verspätete Vorbringen mithin zu vertreten.

Darüber hinaus ist der (verspätet vorgetragene) Umstand „Schockzustand“ auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Zwar ist die Versicherung an Eides statt gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 294 Abs. 2 ZPO grundsätzlich taugliches Mittel zur Glaubhaftmachung. Allerdings handelt es sich bei dem vom Antragsteller zwecks Entschuldigung der Fristsäumnis vorgebrachten Umstand „Schockzustand“ um einen besonderen pathologischen Zustand, zu dessen Diagnostizierung der Antragsteller - als medizinischer Laie und insbesondere als Betroffener der anzustellenden Diagnose - gar nicht fähig ist. Posttraumatischen Belastungsstörung sowie massiven Kopfschmerzen sind schon nicht Gegenstand seiner eidesstattlichen Versicherung - zu deren Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers wiederum wohl kein taugliches Mittel wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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Referenzen - Gesetze

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.