Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe gewährt und die Rechtsanwältin ... beigeordnet.

Gründe

Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 9. Februar 2015, bei Gericht eingegangen am 9. Februar 2015, die Hauptsache für erledigt erklärt, die Gegenpartei hat mit Schreiben vom 3. Februar 2015, eingegangen bei Gericht am 5. Februar 2015, vorab einer Erledigung zugestimmt. Das Verfahren war daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Über die Kosten des Verfahrens war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

Bei der Entscheidung ist zunächst auf die Erfolgsaussichten der Klage abzustellen; es ist zu fragen, wer den Prozess voraussichtlich gewonnen hätte, wenn das erledigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Das Gericht muss hierzu den gesamten Prozessstoff heranziehen, der ihm im Zeitpunkt des Erlasses der Kostenentscheidung zur Verfügung steht. Außerdem ist von Bedeutung, inwieweit die Erledigung durch einen Beteiligten herbeigeführt worden ist. Wer sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, dem dürfen ohne nähere Prüfung der Erfolgssausichten die Kosten auferlegt werden. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn das „Nachgeben“ der Behörde auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruht oder durch eine Handlung der Klägerseite veranlasst ist. In diesen Fällen rechtfertigt allein das Nachgeben der Behörde eine Kostenbelastung nicht. Insbesondere gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass der klaglos stellenden Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien. Nur wenn die Behörde trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage erkennbar ihren Rechtsstandpunkt räumt, gibt dieses Verhalten Anlass, sie mit den Kosten zu belasten (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 26. EL 2014, § 161 Rn. 22 u. 24; Zimmermann-Kreher in Posser/Wolff, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 2014, § 161 Rn. 14 u. 15; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 18; BVerwG, B.v. 1.8.1991 - 7 C 27/90 - NJW 1991, 2920, juris-Rn. 3; BayVerfGH, E.v. 18.9.2001 - Vf. 51-VI-99 - BayVBl 2002, 143, juris-Rn. 27).

Nach diesen Grundsätzen entspricht es im vorliegenden Fall billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben (§ 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat dem Kläger mit Bescheid vom 3. Februar 2015 „vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Irak“ die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der ablehnende Bescheid vom 8.10.2013 war nach summarischer Prüfung ursprünglich rechtmäßig. Insbesondere konnte der Kläger eine individuelle Verfolgungsgeschichte nicht glaubhaft machen. Der Kläger hat in seiner Anhörung selbst angegeben, keine persönliche Verfolgung durch staatliche Organisationen erlebt zu haben. Er habe einen Asylantrag gestellt, damit er hier eines Tages Arbeit haben könne und seine Familie nachziehen könne. Des Weiteren trug er lediglich vor, dass unbekannte Araber ihn bedroht hätten, sein von ihm betriebenes Geschäft in Brand gesetzt hätten und seinen - muslimischen - Mitarbeiter erschossen hätten. Wie der Bescheid zu Recht hervorhebt, sind diese Ausführungen unsubstantiiert (z. B. wisse er kein genaues Datum, wann er als Erstes von den Arabern bedroht worden sei; auf Nachfragen zum vorgetragenen Brandanschlag antwortet der Kläger nicht oder ausweichend), wenig stringent (Vorfall wird nicht bei der Polizei angezeigt) und wirken konstruiert. Dass der Brandanschlag auf den Betrieb des Klägers aus religiösen Motiven erfolgte, ist letztlich eine reine Behauptung. Gegen diesen Grund spricht jedoch, dass die Araber den muslimischen Mitarbeiter erschossen haben. Dies und die Tatsache, dass während der Schließung des Betriebs keine weitere Bedrohung des Klägers erfolgte, spricht mehr für das Motiv, dass ein wirtschaftlicher Konkurrenzbetrieb beseitigt werden sollte. Diesen Grund trägt auch die Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 9.12.2013 auf Seite 3 vor: „Wie der Kläger bereits in seiner Anhörung dargelegt hat ist er mehrfach wegen seiner Tätigkeit des Betreibens einer Werkstatt für Ölwechsel in ... von ihm unbekannten Personen, die er selbst als Terroristen bezeichnet, bedroht worden und letztlich sogar mit einer Waffe dahingehend bedroht worden, dass, wenn man ihn nochmal beim Betreiben seiner Werkstatt sehen würde, würde man ihn umbringen.“ Diesbezüglich und soweit sich der Kläger auf eine Verfolgung durch die Familie seines getöteten Mitarbeiters bezieht handelt es sich um private wirtschaftliche Motive beziehungsweise Rachemotive und nicht um eine Verfolgung aus den Gründen des § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Asylverfahrensgesetz -AsylVfG-. Auch eine Gruppenverfolgung von Yeziden aus dem Herkunftsgebiet des Klägers (... war zum damaligen Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids zu verneinen. Die Flüchtlingsanerkennung erfolgte aufgrund später eingetretener Ereignisse, nämlich des Vormarsches von ISIS bzw. IS im Raum Mosul und im Sindjar-/Shingal-Gebiet und der hiervon ausgehenden Bedrohungslage für Yeziden in der Herkunftsregion des Klägers.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist zu gewähren, da die Klage jedenfalls ab Sommer 2014 Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114, 121 ZPO). Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Verfahren durch übereinstimmende (Hauptsache-)Erledigterklärung beendet worden ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 8.10.2014, Az. 10 C 13.1302, Rn. 4 m. w. N. -juris-). In diesem Fall ist zwar grundsätzlich maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlage sowie nach Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (BayVGH, Beschluss v. 11.2.2014, Az. 10 C 11.1680, Rn. 3 -juris-; BayVGH, Beschluss v. 8.10.2014, Az. 10 C 13.1302, Rn. 3, 5 -juris-; OVG Weimar, NVwZ 1998, 866, 867; vgl. auch BayVGH, NVwZ-RR 1997, 500 f., wonach die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht von der Zufälligkeit abhängen dürfe, ob das Gericht über den entscheidungsreifen Prozesskostenhilfeantrag früher oder später befinde, wenn - neben ordnungsgemäßen und vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe samt Klageschrift - die weiteren Voraussetzungen des § 114 ZPO vorlägen). Vorliegend wurde die vollständige und ordnungsgemäße Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zusammen mit der Klageschrift am 18.10.2013 bei Gericht eingereicht. Nachdem die Ergänzung der Klagebegründung am 9.12.2013 bei Gericht eingegangen ist, lag Ende 2013 Entscheidungsreife vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klage nach den obigen Ausführungen zwar keine Aussicht auf Erfolg. Dies änderte sich jedoch mit dem Vormarsch von ISIS bzw. IS im Raum Mosul und im Sindjar-/Shingal-Gebiet und der damit einhergehenden Bedrohungslage für Yeziden in der Herkunftsregion des Klägers. Bei einer nachträglichen Änderung der Tatsachenlage zugunsten des Klägers ist diese für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen, wenn wie hier der Kläger alles Erforderliche zur Entscheidung seines Antrags unternommen hat. Denn zum einen hat es der Kläger nicht in der Hand, wann das Gericht über den Antrag auf Prozesskostenhilfe entscheidet. Zum anderen wäre es dem Kläger unbenommen gewesen, in dem Fall, dass sein Antrag im Zeitpunkt der Entscheidungsreife Ende 2013 abgelehnt worden wäre, ab Sommer 2014 einen neuen Antrag zu stellen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 3 Passpflicht


(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im B

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Tenor Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. Juni 2013 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J. Sch., H.-H1-Str. ..., M., beigeordnet. Gründe Die z

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2014 - 10 C 11.1680

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Tenor Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. Juli 2011 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Martin Eilhardt, Schleiermacherstraße 26, 64283 Darmstadt, unter den Bedingung

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. Juni 2013 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J. Sch., H.-H1-Str. ..., M., beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl I S.3533]) zu bewilligen und der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. liegen vor. Danach ist dem Kläger, der auch nach der zuletzt vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9. August 2014 (mit den erforderlichen Belegen) die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris Rn. 3 m. w. N.). Bewilligungsreife liegt dann vor, wenn das Gericht nach dem Sach- und Streitstand in der Lage ist zu beurteilen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, also regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (BayVGH a. a. O. Rn. 3). Dies war hier nach Eingang der Klageerwiderung der Beklagten beim Verwaltungsgericht am 29. Mai 2012 der Fall.

Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Verfahren durch übereinstimmende (Hauptsache-)Erledigungserklärungen beendet worden ist (vgl. Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.7.2014; BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris Rn. 11 f.; B.v. 17.12.2013 - 10 ZB 12.2741 - juris Rn. 4). Prozesskostenhilfe kann in diesen Fällen auch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bewilligt werden, wenn der Prozesskostenhilfeantrag wie hier beim Verwaltungsgericht rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Klageverfahrens gestellt worden ist (vgl. BayVGH a. a. O.).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife (s.o.) hatte die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2012, mit dem die Geltungsdauer der dem Kläger am 17. August 2010 bis 16. August 2012 erteilten (ehebezogenen) Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den 30. April 2012 verkürzt, dem Kläger eine Ausreisefrist gesetzt und ihm die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht wurde, auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn der vom Kläger angefochtene belastende Verwaltungsakt (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer seiner ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist wegen eines der gerichtlichen Prüfung des Verwaltungsgerichts unterliegenden Ermessensfehlers (s. § 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hat sich unabhängig von dem für das Prozesskostenhilfeverfahren ohnehin maßgeblichen (früheren) Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife nicht mit Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer dieser Aufenthaltserlaubnis am 16. August 2012, an dem dieser Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erloschen wäre, erledigt mit der Folge, dass eine Anfechtungsklage ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig wäre. Denn sie entfaltet weiterhin Rechtswirkungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet in dem Zeitraum, um den die Geltungsdauer verkürzt worden ist (vgl. Discher in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: März 2014, Bd. 1 II § 7 Rn. 509 m. Rspr-nachweisen).

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann die Ausländerbehörde die Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzen, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Da die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau im November 2011 beendet und damit die wesentliche Erteilungsvoraus-setzung für den ehebezogenen Aufenthaltstitel des Klägers nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts entfallen war, konnte die Beklagte grundsätzlich nachträglich die Geltungsdauer dieser bis 16. August 2012 befristeten Aufenthaltserlaubnis verkürzen. § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG stellt es allerdings in das Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie von der Möglichkeit der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis Gebrauch machen oder den Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer abwarten will (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 12). Es handelt sich dabei nicht um ein intendiertes Ermessen oder eine Sollvorschrift. Das Ermessen ist in doppelter Weise auszuüben, nämlich ob die Geltungsdauer überhaupt nachträglich zeitlich verkürzt werden soll, und wenn ja, auf welchen Zeitpunkt zu verkürzen ist. Geboten ist dabei eine umfassende Ermessensausübung, wobei die eine Beendigung der Geltung der Aufenthaltserlaubnis rechtfertigenden öffentlichen Belange auf aufenthaltsrechtlich erhebliche Zwecke begrenzt sind (vgl. dazu eingehend Discher, a. a. O., Rn. 413 ff. m. w. N.).

Keine im Rahmen dieser von der Behörde anzustellenden Ermessenserwägungen beachtliche Frage ist, ob der Kläger trotz Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen, d. h. für einen neuen Aufenthaltszweck, hat (BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 14). Demgemäß ist im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur noch das Interesse des Ausländers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an der Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts abzuwägen (BVerwG a. a. O. Rn. 15). Auch der verbleibenden Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis kann insoweit Bedeutung zukommen. So kann die Ausländerbehörde von einer nachträglichen zeitlichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich absehen, wenn deren Geltungsdauer nur noch (bis zu) sechs Monate beträgt und keine gewichtigen Gründe für eine (umgehende) Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet vorliegen (vgl. Nr. 7.2.2.7 AVwV zum AufenthG).

Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 4. April 2012 entscheidend darauf abgestellt, dass beim Kläger durch die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Voraussetzungen seines Aufenthalts entfallen seien, er auch keinen anderweitigen Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besitze und die Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis „daher im öffentlichen Interesse“ liege.

Gründe dafür, warum die Beklagte im konkreten Fall ungeachtet des schon in relativ kurzer Zeit (ca. vier Monate) bevorstehenden Ablaufs der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers und trotz seiner beiden weiter in Deutschland lebenden, 2010 und 2011 geborenen Kinder (auch wenn zu diesen im Entscheidungszeitpunkt keine „innige Bindung“ bestanden haben sollte) die Geltungsdauer verkürzt hat, werden im streitbefangenen Bescheid nicht angeführt. Vielmehr wird hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Beendigung der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels letztlich allein auf das schon von § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG tatbestandlich vorausgesetzte Entfallen des (bisherigen) Aufenthaltszwecks und - insoweit aber nicht mehr in einer dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entsprechenden Weise (s.o.; BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 14) - auf einen fehlenden Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder aus sonstigen Gründen abgestellt. Damit greifen die der angefochtenen Fristverkürzung zugrunde gelegten Ermessenserwägungen der Beklagten aber zu kurz, weil aufenthaltsrechtlich erhebliche Zwecke, die eine baldmögliche bzw. kurzfristige Aufenthaltsbeendigung beim Kläger erfordern könnten - wie zum Beispiel die gesetzgeberische Zielsetzung der Begrenzung des Zuzugs von Ausländern, das Fehlen von Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG (insbesondere Ausweisungsgründe), Verschuldensgesichtspunkte etc. (vgl. dazu eingehend Discher, a. a. O., Rn. 413 ff. und 445 ff. m. w. N.) -, nicht in die Ermessensentscheidung einbezogen werden bzw. nicht erkennbar sind.

Die zuletzt von der Beklagten angesprochene Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Klagen gegen die Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis abzustellen ist und ob eine Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen (hier der wieder intensivierten Kontakte des Klägers zu seinen Kindern) nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bzw. nach Ablauf der (regulären) Geltungsdauer des Aufenthaltstitels überhaupt noch möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2013 - 1 B 25.12 - juris Rn. 6), kann nach alledem dahinstehen.

Lagen danach zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO a. F. vor, so ist dem Kläger auch nach § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen. Denn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war angesichts der Bedeutung der Sache für den Kläger erforderlich.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden. Gerichtskosten können im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) nur erhoben werden, soweit eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungs- als auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO).

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist eine Streitwertfestsetzung ebenfalls entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. Juli 2011 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Martin Eilhardt, Schleiermacherstraße 26, 64283 Darmstadt, unter den Bedingungen eines im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts München niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl I S.3533]) zu bewilligen (I.) und der ihn vertretende Rechtsanwalt unter den Bedingungen eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts München niedergelassenen Rechtsanwalts beizuordnen (II.).

I. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. liegen vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Danach ist dem Kläger, der nach der vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte (2.) Rechtsverfolgung bot zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (1.) hinreichende Aussicht auf Erfolg (3.).

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B. v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; B. v. 19.3.2013 - 10 C 13.334, 10 C 1310 C 13.371 - juris Rn. 26 m. w. N.). Entscheidungsreif ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst dann, wenn das Gericht nach dem Sach- und Streitstand in der Lage ist zu beurteilen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BayVGH, B. v. 29.11.2010 - 7 C 10.10396 - juris Rn. 12). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.) ein (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Die vollständige Vorlage der Prozesskostenhilfeunterlagen beinhaltet dabei, dass das Streitverhältnis im Antrag dargestellt ist (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und dem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt sind (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1 und § 117 Abs. 4 ZPO; vgl. BayVGH, B. v. 29.11.2010 - 7 C 10.10396 - juris Rn. 12). Danach war der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aber noch vor dem Eingang der Klageerwiderung vom 20. Oktober 2010 am 25. Oktober 2010 entscheidungsreif.

a) Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26. August 2010 Untätigkeitslage mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Ausweisersatzes vom 15. Juli 2009 zu entscheiden, und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für diese Klage beantragt. Dem Schriftsatz ist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. August 2010 beigefügt.

b) Außerdem war das Streitverhältnis im Schriftsatz vom 26. August 2010 ausreichend dargestellt, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. Denn unter Bezugnahme auf das den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in einem Ausweisersatz enthaltende Schreiben vom 15. Juli 2009 und dessen Korrektur durch Schreiben vom 4. August 2009 hat der Klägerbevollmächtigte die Klage im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger sei somalischer Staatsangehöriger, lebe seit 2004 in Deutschland und werde als abgelehnter Asylbewerber seit mehr als fünf Jahren geduldet. Eine Abschiebung des Klägers nach Somalia sei nicht möglich. Im Hinblick darauf, dass somalische Personaldokumente in Deutschland nicht anerkannt würden, könne der Kläger keine Papiere vorlegen. Für diesen Fall sehe das Aufenthaltsgesetz die Ausstellung eines Ausweisersatzes vor. Das vom Kläger ausgefüllte Formular zu dem mit Schreiben vom 15. Juli 2009 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei bereits mit Schreiben vom 11. September 2009 an die Ausländerbehörde zurückgesandt worden. Mit Schreiben vom 21. April 2010 habe diese um eine Fristverlängerung von drei Monaten gebeten, weil eine von der zuständigen Regierung an das Innenministerium weitergeleitete Anfrage zur rechtlichen Bewertung der somalischen Mission in Genf, die die somalische Staatsangehörigkeit des Klägers bescheinigt habe, noch nicht beantwortet worden sei. Die erbetenen drei Monate seien inzwischen verstrichen.

c) Schließlich war die angemessene Frist von vier Wochen, die das Verwaltungsgericht dem Beklagten gesetzt hatte, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zur Klage und zu dem in der Klageschrift enthaltenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu äußern, bereits vor dem Eingang der Klageerwiderung vom 20. Oktober 2010 am 25. Oktober 2010 abgelaufen. Denn das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten die Klage und den darin enthaltenen Prozesskostenhilfeantrag bereits mit Schreiben vom 1. September 2010 zugestellt und um Äußerung innerhalb von vier Wochen gebeten.

d) Zu prüfen sind damit die Erfolgsaussichten der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zum Zeitpunkt des Ablaufs der Äußerungsfrist vier Wochen nach Zustellung von Klage und Prozesskostenhilfeantrag Ende September oder Anfang Oktober 2010.

Dass der Kläger nach diesem Zeitpunkt auf die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch den Bescheid vom 18. Oktober 2010 reagiert hat, indem er mit Schriftsatz vom 18. November 2010 die Klage auf diesen Bescheid erstreckt und nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO beantragt hat, unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Oktober 2010 den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 15. Juli 2009 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, ändert daran entgegen der Ansicht des Beklagten nichts. Denn zum einen liegt darin eine Änderung der Sach- und Rechtslage, die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten und deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht zu berücksichtigen ist. Zum anderen hat sich das Klagebegehren durch die Anpassung des Klageantrags an die veränderte Sachlage, die durch den Erlass des die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheids entstanden war, nicht geändert. Denn auch die Untätigkeitsklage war bereits auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Dies folgt aus § 88 VwGO.

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Bei der Ermittlung des Klagebegehrens sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden §§ 133, 157 BGB anzuwenden. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Klageantrag und die Klagebegründung (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.2004 - 9 B 29.04 - juris Rn. 5 m. w. N.). Legt man dies zugrunde, so beschränkte sich das Klagebegehren der Untätigkeitsklage aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Verpflichtung des Beklagten, überhaupt über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Es umfasste vielmehr auch bereits die Verpflichtung des Beklagten, bei der Entscheidung die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu beachten.

Zwar ließe sich der Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Ausstellung eines Ausweisersatzes vom 15. Juli 2009 zu entscheiden, auch in dem Sinne verstehen, dass das Gericht den Beklagten nur dazu verpflichten sollte, überhaupt über den Antrag zu entscheiden. Ein solches Verständnis des Klagebegehrens stünde aber schon mit § 75 Satz 1 VwGO nicht im Einklang. Denn wie sich daran zeigt, dass nach dieser Regelung die Untätigkeitsklage zulässig ist, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts nicht entschieden worden ist, handelt es sich bei der Untätigkeitsklage um einen Unterfall der Verpflichtungsklage (vgl. BVerwG, U. v. 16.6.1983 - 3 C 65.82 - juris Rn. 25), die im Falle ihrer Zulässigkeit nach Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder Bescheidungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) fortgeführt wird (vgl. BVerwG, U. v. 16.6.1983 - 3 C 65.82 - juris Rn. 26; B. v. 9.12.1983 - 4 B 232.83 - juris Rn. 4), so dass sich an dem auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts gerichteten Klagebegehren nichts ändert (vgl. BVerwG, B. v. 9.12.1983 - 4 B 232.83 - juris Rn. 4). Dementsprechend begehrt der Kläger, wie aus seiner Klagebegründung ohne weiteres hervorgeht, auch mit der Untätigkeitsklage die Verpflichtung zu einer der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entsprechenden ermessensfehlerfreien Entscheidung über die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis. Denn der Kläger legt nicht nur dar, dass eine weitere Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr hinnehmbar sei und deshalb Anlass zur Erhebung einer Untätigkeitsklage bestehe. Er begründet vielmehr auch, warum seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gegeben sind, indem er darauf hinweist, dass er nicht nach Somalia abgeschoben werden könne, dass gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden solle, wenn der Betroffene länger als 18 Monate im Besitz einer Duldung sei, und dass der Kläger bereits seit fünf Jahren geduldet werde.

2. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Klageverfahren, für das der Kläger Prozesskostenhilfe begehrt, durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Juli 2011 eingestellt worden ist, nachdem die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Denn obwohl nach dem Abschluss des Klageverfahrens eine weitere Rechtsverfolgung nicht mehr im Sinne von § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO beabsichtigt ist, kann der Kläger seinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren weiterverfolgen und rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe erhalten, wenn der Prozesskostenhilfeantrag beim Verwaltungsgericht rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Klageverfahrens gestellt worden ist (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2012 - 10 C 12.491 - juris Rn. 2; B. v. 14.10.2013 - 10 C 13.1262 - juris Rn. 3; B. v. 17.12.2013 - 10 ZB 12.2741 - juris Rn. 4). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verwaltungsgericht über den Prozesskostenhilfeantrag vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens entschieden hat (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2012 - 10 C 12.491 - juris Rn. 2).

Danach kommt hier aber die Gewährung von Prozesskostenhilfe trotz der Beendigung des Hauptsacheverfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärungen in Betracht. Denn wie ausgeführt, wurde der Prozesskostenhilfeantrag zum einen bereits bei Klageerhebung unter Beifügung der vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 4. Juli 2011 noch vor Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen vom 15. Juli 2011 und 19. Juli 2011 abgelehnt.

3. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage vor dem Eingang der Klageerwiderung am 25. Oktober 2010 hatte die Klage schließlich hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn die Erfolgsaussichten waren zumindest offen.

a) Die Klage war als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO zulässig.

Danach kann die Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) erhoben werden, wenn über den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist nicht entschieden worden ist (§ 75 Satz 1 VwGO), wobei die Klage grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Monaten erhoben werden kann (§ 75 Satz 2 VwGO). Wird die Klage nach Ablauf von drei Monaten erhoben, so ist sie unabhängig davon zulässig, ob über den Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund und innerhalb angemessener Frist nicht entschieden worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1973 - IV C 2.71 - juris Rn. 26). So lag der Fall aber hier. Denn der Beklagte hatte über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vom 15. Juli 2009, den der Kläger durch Nachreichen eines ausgefüllten Formblattantrags am 14. September 2009 ergänzt hatte, auch zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Verwaltungsgericht am 27. August 2010 und damit deutlich mehr als drei Monate nach Antragstellung noch nicht entschieden.

b) In der Sache waren die Erfolgsaussichten der Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt zumindest offen. Denn es hätte im Hauptsacheverfahren weiterer Klärung bedurft, ob dem Kläger ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zustand und der Beklagte daher nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten gewesen wäre, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, war aber zumindest offen.

aa) Der Kläger war seit der Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet und der Ablehnung seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 18a Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sich nach § 18a Abs. 5 Satz 1 AsylVfG auf Gewährung der Einreise und für den Fall der Einreise gegen die Abschiebungsandrohung richtete, vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG, § 18a Abs. 2, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1, § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG).

bb) Weiterer Klärung im Hauptsacheverfahren bedurfte hingegen, ob die Ausreise des Klägers aus tatsächlichen Gründen unmöglich war. Zwar macht der Beklagte geltend, die Ausreise des Klägers sei deshalb nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen, weil der Kläger mit seinem am 16. Juni 2009 ausgestellten somalischen Pass oder einem Laissez-Passer freiwillig nach Somalia habe ausreisen können. Ob dies tatsächlich möglich gewesen wäre, hätte allerdings im Hauptsacheverfahren erst noch geklärt werden müssen.

Zum einen zweifelt der Beklagte selbst trotz des somalischen Passes des Klägers und der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Ständigen Mission von Somalia beim Büro der Vereinten Nationen in Genf vom 5. September 2008 bereits an, dass der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist. Das Bundesministerium des Innern hält nach dem bei den Behördenakten befindlichen Schreiben an die Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder vom 27. November 2008 jedenfalls entsprechende Bescheinigungen der somalischen Botschaft nicht für geeignet, bei den deutschen Behörden als Nachweis der Identität verwendet zu werden, weil keine Möglichkeit bestehe, über amtliche Register in Somalia verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige zu erhalten. Zum anderen begegnet es Zweifeln, ob der Kläger mit Hilfe seines Passes tatsächlich nach Somalia hätte ausreisen können. Der Beklagte weist darauf hin, dass das Bundesministerium des Innern bereits 1993 verfügt habe, dass somalische Pässe, die nach dem 31. Januar 1991 ausgestellt oder verlängert worden seien, bis zur Herstellung geordneter Verhältnisse in Somalia nicht mehr als ausreichend für den Grenzübertritt oder den Aufenthalt in der Bundesrepublik anerkannt seien. Dies gelte nach dem weiteren Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 25 Juli 2007 auch für die seit 2007 ausgestellten Reisepässe mit biometrischen Merkmalen. Ob der Kläger mit seinem erst am 16. Juni 2009 ausgestellten Pass daher, wie der Beklagte geltend macht, nach Somalia ausreisen konnte, war aber ohne weitere Nachforschungen im Hauptsacheverfahren ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob eine Ausreise des Klägers nach Somalia mit Hilfe eines von der Ausländerbehörde ausgestellten Laissez-Passer möglich gewesen wäre.

cc) War danach aber aufgrund der politischen Verhältnisse in Somalia die Frage, ob die Ausreise des Klägers aus tatsächlichen Gründen unmöglich war, vor einer weiteren Klärung im Hauptsacheverfahren zumindest offen, so gilt dies auch für das Vorliegen der weiteren Voraussetzung des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, dass mit dem Wegfall des in einer etwaigen Unmöglichkeit der Ausreise liegenden Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte.

dd) Schließlich war auch zumindest offen, ob der Kläger unverschuldet an der Ausreise gehindert war. Denn war unklar, ob es sich bei ihm um einen somalischen Staatsangehörigen handelt und ob ihm mit Hilfe seines somalischen Passes oder eines Laissez-Passer die Ausreise nach Somalia möglich gewesen wäre, so war auch offen, ob er unverschuldet an der Ausreise gehindert war, wie es § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraussetzt. Insbesondere war ungeklärt, ob ein Verschulden des Klägers nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG deshalb vorlag, weil er über seine Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt hatte.

Abgesehen davon, dass offenbar weder die vorgelegte Bescheinigung der Ständigen Mission von Somalia beim Büro der Vereinten Nationen in Genf vom 5. September 2008 oder eine entsprechende Bescheinigung der somalischen Botschaft in der Bundesrepublik noch der Reisepass die somalische Staatsangehörigkeit des Klägers belegten und deshalb offen war, ob er über seine Staatsangehörigkeit getäuscht hatte, war auch unklar, welche zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse er, seine somalische Staatsangehörigkeit vorausgesetzt, nicht erfüllt gehabt hätte. Ob er mit Hilfe seines somalischen Reisepasses oder eines Laissez-Passer hätte ausreisen können, war, wie ausgeführt, ungeklärt. Welche weiteren Nachweise er angesichts der Untauglichkeit der Bescheinigungen der somalischen Botschaft und der Nichtanerkennung somalischer Pässe für seine somalische Staatsangehörigkeit hätte vorlegen können (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), ist nicht ersichtlich. Dementsprechend hat die Ausländerbehörde dem Kläger auch weder nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Vorlage weiterer Dokumente gesetzt noch nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeordnet, dass der Kläger bei den zuständigen Behörden sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheinen sollte.

ee) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG war auch nicht nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Als einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden war, durfte dem Kläger nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 und damit auch nach der Regelung des in diesem Abschnitt enthaltenen § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Ein Fall des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, nach dem vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG (in der derzeit gültigen Fassung: nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG) abgelehnt worden ist, lag nicht vor. Zwar war diese Regelung auf den Kläger wohl anwendbar, weil bei ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 die Ablehnung des Asylantrags des Klägers durch den Bescheid vom 23. September 2004 wegen der dagegen erhobenen Klage noch nicht bestandskräftig war (vgl. BVerwG, U. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris Rn. 13 f.; U. v. 25.8.2009 - 1 C 30.08 - juris Rn. 13). Denn das die Klage abweisende Urteil wurde nach dem Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2010 erst am 25. Mai 2005 rechtskräftig. Jedoch reicht es für eine Ablehnung des Asylantrags nach § 30 Abs. 3 AsylVfG nicht aus, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Erforderlich ist vielmehr, dass § 30 Abs. 3 AsylVfG wenn schon nicht im Tenor des den Asylantrag ablehnenden Bescheids, so doch zumindest in dessen Begründung ausdrücklich genannt ist (vgl. BVerwG, B. v. 25.8.2009 - 1 C 30.08 - juris Rn. 19). Daran fehlt es hier jedoch, weil der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. September 2004 den Asylantrag des Klägers zwar als offensichtlich unbegründet ablehnt, aber weder im Tenor noch in der Begründung ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AufenthG Bezug nimmt.

ff) Schließlich standen unabhängig davon, ob der Lebensunterhalt des Klägers gesichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), ob die Staatsangehörigkeit des Klägers geklärt war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG), ob im Hinblick auf seine wiederholten Verstöße gegen die räumliche Beschränkung seiner Duldung ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorlag (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), ob der Kläger die Passpflicht erfüllte (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) oder ob er mit dem erforderlichen Visum eingereist war (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), auch § 5 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zwingend entgegen. Denn von der Anwendung dieser Bestimmungen kann in den Fällen des § 25 Abs. 5 AufenthG nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

gg) Hätte der Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dabei von der Erfüllung der Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG abgesehen, so wäre dem Kläger schließlich auch, wie beantragt, nach § 48 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ein Ausweisersatz auszustellen gewesen.

II. Lagen danach die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. vor, so ist dem Kläger auch nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen. Denn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war angesichts der Bedeutung der Sache für den Kläger erforderlich. Im Hinblick darauf, dass nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 3 ZPO ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt wie der des Klägers nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, erfolgt die Beiordnung allerdings unter den Bedingungen eines am Bezirk des Verwaltungsgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts (vgl. BayVGH, B. v. 5.3.2010 - 19 C 10.236 - juris Rn. 7).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden. Gerichtskosten können im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) nur erhoben werden, soweit anders als hier eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungs- als auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO).

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. Juni 2013 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J. Sch., H.-H1-Str. ..., M., beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.; vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl I S.3533]) zu bewilligen und der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO a. F. liegen vor. Danach ist dem Kläger, der auch nach der zuletzt vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9. August 2014 (mit den erforderlichen Belegen) die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris Rn. 3 m. w. N.). Bewilligungsreife liegt dann vor, wenn das Gericht nach dem Sach- und Streitstand in der Lage ist zu beurteilen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, also regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (BayVGH a. a. O. Rn. 3). Dies war hier nach Eingang der Klageerwiderung der Beklagten beim Verwaltungsgericht am 29. Mai 2012 der Fall.

Der Gewährung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Verfahren durch übereinstimmende (Hauptsache-)Erledigungserklärungen beendet worden ist (vgl. Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 7.7.2014; BayVGH, B.v. 11.2.2014 - 10 C 11.1680 - juris Rn. 11 f.; B.v. 17.12.2013 - 10 ZB 12.2741 - juris Rn. 4). Prozesskostenhilfe kann in diesen Fällen auch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bewilligt werden, wenn der Prozesskostenhilfeantrag wie hier beim Verwaltungsgericht rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Klageverfahrens gestellt worden ist (vgl. BayVGH a. a. O.).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife (s.o.) hatte die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2012, mit dem die Geltungsdauer der dem Kläger am 17. August 2010 bis 16. August 2012 erteilten (ehebezogenen) Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den 30. April 2012 verkürzt, dem Kläger eine Ausreisefrist gesetzt und ihm die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht wurde, auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn der vom Kläger angefochtene belastende Verwaltungsakt (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer seiner ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist wegen eines der gerichtlichen Prüfung des Verwaltungsgerichts unterliegenden Ermessensfehlers (s. § 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hat sich unabhängig von dem für das Prozesskostenhilfeverfahren ohnehin maßgeblichen (früheren) Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife nicht mit Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer dieser Aufenthaltserlaubnis am 16. August 2012, an dem dieser Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erloschen wäre, erledigt mit der Folge, dass eine Anfechtungsklage ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig wäre. Denn sie entfaltet weiterhin Rechtswirkungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet in dem Zeitraum, um den die Geltungsdauer verkürzt worden ist (vgl. Discher in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: März 2014, Bd. 1 II § 7 Rn. 509 m. Rspr-nachweisen).

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann die Ausländerbehörde die Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzen, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Da die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau im November 2011 beendet und damit die wesentliche Erteilungsvoraus-setzung für den ehebezogenen Aufenthaltstitel des Klägers nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts entfallen war, konnte die Beklagte grundsätzlich nachträglich die Geltungsdauer dieser bis 16. August 2012 befristeten Aufenthaltserlaubnis verkürzen. § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG stellt es allerdings in das Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie von der Möglichkeit der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis Gebrauch machen oder den Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer abwarten will (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 12). Es handelt sich dabei nicht um ein intendiertes Ermessen oder eine Sollvorschrift. Das Ermessen ist in doppelter Weise auszuüben, nämlich ob die Geltungsdauer überhaupt nachträglich zeitlich verkürzt werden soll, und wenn ja, auf welchen Zeitpunkt zu verkürzen ist. Geboten ist dabei eine umfassende Ermessensausübung, wobei die eine Beendigung der Geltung der Aufenthaltserlaubnis rechtfertigenden öffentlichen Belange auf aufenthaltsrechtlich erhebliche Zwecke begrenzt sind (vgl. dazu eingehend Discher, a. a. O., Rn. 413 ff. m. w. N.).

Keine im Rahmen dieser von der Behörde anzustellenden Ermessenserwägungen beachtliche Frage ist, ob der Kläger trotz Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen, d. h. für einen neuen Aufenthaltszweck, hat (BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 14). Demgemäß ist im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur noch das Interesse des Ausländers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an der Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts abzuwägen (BVerwG a. a. O. Rn. 15). Auch der verbleibenden Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis kann insoweit Bedeutung zukommen. So kann die Ausländerbehörde von einer nachträglichen zeitlichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich absehen, wenn deren Geltungsdauer nur noch (bis zu) sechs Monate beträgt und keine gewichtigen Gründe für eine (umgehende) Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet vorliegen (vgl. Nr. 7.2.2.7 AVwV zum AufenthG).

Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 4. April 2012 entscheidend darauf abgestellt, dass beim Kläger durch die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Voraussetzungen seines Aufenthalts entfallen seien, er auch keinen anderweitigen Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besitze und die Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis „daher im öffentlichen Interesse“ liege.

Gründe dafür, warum die Beklagte im konkreten Fall ungeachtet des schon in relativ kurzer Zeit (ca. vier Monate) bevorstehenden Ablaufs der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers und trotz seiner beiden weiter in Deutschland lebenden, 2010 und 2011 geborenen Kinder (auch wenn zu diesen im Entscheidungszeitpunkt keine „innige Bindung“ bestanden haben sollte) die Geltungsdauer verkürzt hat, werden im streitbefangenen Bescheid nicht angeführt. Vielmehr wird hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Beendigung der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels letztlich allein auf das schon von § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG tatbestandlich vorausgesetzte Entfallen des (bisherigen) Aufenthaltszwecks und - insoweit aber nicht mehr in einer dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entsprechenden Weise (s.o.; BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - juris Rn. 14) - auf einen fehlenden Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder aus sonstigen Gründen abgestellt. Damit greifen die der angefochtenen Fristverkürzung zugrunde gelegten Ermessenserwägungen der Beklagten aber zu kurz, weil aufenthaltsrechtlich erhebliche Zwecke, die eine baldmögliche bzw. kurzfristige Aufenthaltsbeendigung beim Kläger erfordern könnten - wie zum Beispiel die gesetzgeberische Zielsetzung der Begrenzung des Zuzugs von Ausländern, das Fehlen von Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG (insbesondere Ausweisungsgründe), Verschuldensgesichtspunkte etc. (vgl. dazu eingehend Discher, a. a. O., Rn. 413 ff. und 445 ff. m. w. N.) -, nicht in die Ermessensentscheidung einbezogen werden bzw. nicht erkennbar sind.

Die zuletzt von der Beklagten angesprochene Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Klagen gegen die Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis abzustellen ist und ob eine Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen (hier der wieder intensivierten Kontakte des Klägers zu seinen Kindern) nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bzw. nach Ablauf der (regulären) Geltungsdauer des Aufenthaltstitels überhaupt noch möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2013 - 1 B 25.12 - juris Rn. 6), kann nach alledem dahinstehen.

Lagen danach zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO a. F. vor, so ist dem Kläger auch nach § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO der ihn vertretende Rechtsanwalt beizuordnen. Denn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war angesichts der Bedeutung der Sache für den Kläger erforderlich.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Weder fallen Gerichtskosten an, noch können Kosten erstattet werden. Gerichtskosten können im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) nur erhoben werden, soweit eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeentscheidung verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungs- als auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 und § 127 Abs. 4 ZPO).

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden können, ist eine Streitwertfestsetzung ebenfalls entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.