Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Okt. 2014 - M 22 S 14.3541

31.10.2014

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 25. Juli 2014 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juni 2014 wird wiederhergestellt.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die ehrenamtlich als Ausbilderin von Rettungshunden im Bereich Flächensuche/Trümmersuche tätig ist, erwarb Anfang Mai diesen Jahres den mittlerweile 16 Monate alten Rottweilerrüden „…“, den sie aus einem … Tierheim übernommen hat. Ausweislich einer von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung des Deutschen Rettungshundevereins DRV e.V. (nicht datiert) erfolgt derzeit eine Ausbildung des Hundes bei der DRV-Rettungshundestaffel … e. V.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Haltung des Hundes ein vorläufiges bis zum 31. Dezember 2014 befristetes Negativzeugnis.

Grundlage hierfür war eine von der Antragstellerin beigebrachte gutachterliche Stellungnahme vom *. Juni 2014 einer Tierärztin und öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Verhalten von Hunden in Hinblick auf Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen.

In dem Gutachten wird eingangs ausgeführt, der Hund weise massive Probleme in der Hinterhand auf, die vermutlich auf einen Unfall im Welpenalter zurückzuführen seien. Zusätzlich habe er Probleme im Brustwirbelbereich. Bei der Überprüfung habe sich der Hund altersgemäß verspielt und generell freundlich gezeigt. Bei Kontaktaufnahme habe er sich ausgesprochen freundlich verhalten und alle Manipulationen problemlos toleriert. Er habe keinerlei territoriales oder aggressives Verhalten gezeigt. Der Hund zeige sich weiter gegenüber der Halterin gehorsam. Die Leinenführigkeit sei zufriedenstellend. Aufgrund des jungen Alters des Tieres (bei der Begutachtung war der Hund zwölf Monate alt) könnten keine endgültigen Aussagen getroffen werden. Der Junghund sollte im Normalfall keine Gefährdung für Personen oder andere Hunde darstellen. Im Kontakt mit Kindern sei trotzdem erhöhte Vorsicht walten zu lassen.

Mit weiterem Bescheid vom 23. Juni 2014 (soweit ersichtlich mit einfachem Brief versandt; wann der Brief zur Post gegeben wurde, lässt sich der Akte nicht entnehmen) verfügte der Antraggegner gegenüber der Antragstellerin in Bezug auf die Haltung des Hundes Folgendes:

„I. 1. Der Hund ist in öffentlichen Anlagen sowie auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen so zu führen, dass er keine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum darstellt. Hierzu ist er außerhalb des befriedeten Halteranwesens, innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, an einer reißfesten Leine von höchstens 250 cm Länge mit schlupfsicherem Halsband von einer dazu befähigten und zuverlässigen Person zu führen.

2. Freier Auslauf ist nur außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und mit angelegtem Maulkorb/Beißkorb zulässig.

3. Da Sie als Hundetrainerin … auch ausbilden, darf er, während Sie mit ihm arbeiten, nur dann ohne Leine oder Beißkorb sein, wenn das Ausbildungsgelände befriedet ist, d.h. … nicht unbeaufsichtigt das Gelände verlassen kann.

4. Der Hund darf nur von Ihnen und von Personen ausgeführt werden, die diesen sicher beherrschen. Soweit der Hund von einer anderen Person ausgeführt oder vorübergehend gehalten wird, ist diese über die getroffenen Anordnungen zu informieren und auf geeignete Weise sicherzustellen, dass die getroffenen Anordnungen eingehalten werden.“

Die sofortige Vollziehung der Anordnungen unter Nrn. I.1 bis 4 wurde angeordnet.

In den Bescheidsgründen wurde ausgeführt, laut der vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme habe der Hund massive gesundheitliche Probleme, die einen Unfall und damit schlechte Erfahrungen „…“ im Welpenalter vermuten ließen. Aufgrund dessen und weil der Hund erst kurze Zeit bei der Antragstellerin sei, lasse sich gegenwärtig eine seriöse Voraussage über sein Verhalten nicht treffen. Auch die Formulierung im Gutachten, wonach der Hund im Normalfall keine Gefährdung für Personen und andere Hunde darstellen sollte, bedeute nicht, dass er in allen Situationen auch so reagiere.

Bezüglich der Anleinpflicht sei zu berücksichtigen, dass viele Menschen bei einem freilaufenden größeren Hund falsch reagieren könnten. Auch ein im Grunde friedlicher und nicht aggressiver Hund könne dann zubeißen, wenn man ihm nicht sachgemäß gegenübertrete. Hiervon müsste aber ausgegangen werden, wenn sich „…“ unangeleint in der Ortschaft bewege. Die Anleinpflicht sei angemessen und geeignet, entsprechenden Gefahren zu begegnen. Die Maulkorbpflicht sei gleichfalls ermessengerecht. Auch außerhalb des Ortes könne es mit Joggern, Spaziergängern, Radfahrern oder anderen Nutzern zu einem unkontrollierten Kontakt kommen. Für eine Tierschutzwidrigkeit des Ausführens an der Leine oder beim freien Umherlaufen mit einem Beißkorb sei nichts ersichtlich.

Es werde darauf hingewiesen, dass die Anleinpflicht sowie die Maulkorb-/Beißkorbpflicht außerhalb des Ortes aufgehoben werden könne, wenn das Gutachten zum Wesenstest positiv ausfalle und der Nachweis erbracht werde, dass „…“ die Begleithundeprüfung erfolgreich abgelegt habe.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … Juli 2014 (eingegangen bei Gericht am selben Tag) ließ die Antragstellerin gegen den Bescheid Klage erheben.

Mit weiterem Schriftsatz vom … August 2014, eingegangen bei Gericht am 13. August 2014, beantragte die Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung des Antrags wurde im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

In der gutachterlichen Stellungnahme werde ausgeführt, dass kein erhöhtes Gefährdungspotential gegeben sei. Weiter sei anzumerken, dass der Antragsgegner in der Bescheidsbegründung eine Differenzierung von Listenhunden und nicht gelisteten Hunden vermissen lasse. Der Antragsgegner führe aus, dass erfahrungsgemäß von großen Hunden erheblichere Gefahren ausgehen würden, weshalb der Anleinzwang gerechtfertigt sein solle. Es sei aber nicht ersichtlich, dass entsprechende Anordnungen tatsächlich gegenüber allen großen Hunden ergehen würden. Insoweit liege eine unzulässige Ungleichbehandlung vor.

Die in Art. 18 Abs. 1 LStVG angeführten Rechtsgüter seien vorliegend nicht gefährdet. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass der Hund von einer Halterin betreut werde, die über alle Maßen hinaus zuverlässig sei und im Nebenerwerb anderen Hundehaltern den richtigen und ordnungsgemäßen Umgang mit Hunden aller Rassen vermittle.

Soweit lapidar behauptet werde, dass aufgrund der gesundheitlichen Probleme in der Hinterhand des Hundes eine gesteigerte Gefährdung liege, beträfe dies alle nicht vollständig gesunden Hunde von ähnlicher oder noch größerer Wuchshöhe. Diesbezügliche Anordnungen gebe es bei anderen Hunden im Gemeindegebiet aber nicht. Des Weiteren sei auch davon auszugehen, dass die Verletzung soweit ausgeheilt sei, als dass eine Aggressivität aufgrund von Schmerzen des Tieres ausgeschlossen werden könne. Der Hund sei schmerzfrei. Hierzu wurde eine tierärztliche Stellungnahme vom 9. August 2014 vorgelegt (Blatt 15 der Gerichtsakte).

Was die Anordnung zum Anlegen eines Maulkorbs/Beißkorbes angehe, fehle es gleichfalls an der Gefährdung von Rechtsgütern. Darüber hinaus werde hierdurch die Rettungshundausbildung erheblich erschwert.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Hund für die in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten Schutzgüter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gefährlich sei. Die vorgelegte gutachterliche Stellungnahme führe aus, dass der Hund „im Normalfall“ keine Gefährdung für Personen oder andere Hunde darstellen „sollte“. Diese für sich betrachtet bereits nicht uneingeschränkt verbindliche Einschätzung werde jedoch durch die weiteren Feststellungen eingeschränkt, dass einerseits aufgrund des jungen Alters des Tieres zum Begutachtungszeitpunkt keine endgültigen Aussagen über die Wesenseigenschaften des Hundes getroffen werden könnten und andererseits - unabhängig hiervon - im Kontakt mit Kindern „erhöhte Vorsicht walten zu lassen“ sei.

Der Antragsgegner habe für die Gefahrenprognose zudem zu Recht auch auf die Erkenntnis abgestellt, dass viele Menschen bei einem freilaufenden größeren Hund falsch reagieren könnten bzw. in Ermangelung entsprechender Kenntnisse gar nicht in der Lage seien, sich angemessen zu verhalten. Insbesondere sei bei Kindern (bei denen auch die Gutachterin besondere Vorsicht anmahne) nicht zu erwarten, dass sie wissen würden, wie sie sich verhalten sollten, um auf jeden Fall sicherzustellen, dass sie nicht gebissen werden.

Der Antragsgegner habe hinsichtlich der angefochtenen Anordnungen auch die sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen beachtet. Es sei zutreffend gewürdigt worden, dass es bei den Rottweilern, die die Antragstellerin bisher gehalten habe, nie zu Vorfällen gekommen sei und die Antragstellerin hinreichend qualifiziert zum Führen von Hunden sei.

Für die Anleinpflicht sei keine Differenzierung zwischen Hunden der Kategorie II und anderen Hunden erforderlich. Die Verwaltungspraxis des Antragsgegners, bei Vorliegen einer konkreten Gefährdungssituation im Einzelfall sicherheitsbehördliche Anordungen zu verfügen, entspreche einer pflichtgemäßen Ermessensausübung und stelle damit auch ein schlüssiges Vollzugskonzept dar.

Der vorliegende Fall sei nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil des BayVGH vom 9. November 2010 - 10 BV 06.3053 - zugrunde gelegen habe. Wie die Antragstellerin selbst vorgetragen habe, sei sie für die früher von ihr gehaltenen Rottweiler vom Antragsgegner nach Bestehen eines Wesenstest stets von sämtlichen Auflagen befreit worden.

Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb durch die getroffenen Anordnungen die Ausbildung des Hundes als Rettungshund erheblich erschwert werden solle.

Zu berücksichtigen sei schließlich auch, dass die Anordnungen auch deshalb verfügt worden seien, weil eine endgültige Aussage über die Wesenseigenschaften des Hundes unstreitig erst ab seinem 18. Lebensmonat getroffen werden könne.

Mit Schreiben vom … September 2014 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin an den Antragsgegner und unterbreitete diesem einen Vorschlag für die Gestaltung der Auflagen.

Das Schreiben enthält auch Ausführungen zu den Modalitäten der Rettungshundeausbildung. Danach finde das Training wöchentlich unter anderem in Waldstücken statt. Hierbei suche der Hund nach Anweisung des Hundeführers ohne Leine das Waldstück nach menschlicher Witterung ab. Müsste der Hund hierbei einen Maulkorb tragen, könnte die Nase nur bedingt zum Einsatz gelangen. Gerade um die Schulung der Nase gehe es jedoch bei der Rettungshundearbeit, da die Ausbildung des Riechvermögens gerade den Nutzen des Hundes ausmache.

Des Weiteren finde das Training auch in Wohngebieten statt. Hierbei trage der Hund ein Brustgeschirr, an welchem eine 5 bis 10 m lange Leine befestigt sei. Dem Hund werde sodann ein von der vermissten Person getragenes Kleidungsstück zum Aufnehmen des Geruchs präsentiert. Der Hund folge sodann dieser Geruchsspur bis zum Auffinden der Person. Mit einer kürzeren Leine als 5 m sei es dem Hundeführer nur schwer möglich, die Körpersprache des Hundes während der Suche exakt zu lesen. Dies sei jedoch von großer Wichtigkeit, da es in der Rettungshundearbeit auf gutes und enges Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund ankomme.

Mit Schriftsatz vom … Oktober 2014 teilten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit, dass der Antragsgegner dem mitgeteilten wie auch weitergehenden Einigungsvorschlägen nicht nähertreten wolle und eine Entscheidung durch das Gericht wünsche.

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig (insbesondere ist davon auszugehen, dass die Klage fristgerecht erhoben wurde) und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt kraft Gesetzes bei den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO aufgeführten Maßnahmen und des Weiteren nach Nr. 4 der Bestimmung, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird. Das besondere Vollziehungsinteresse ist in diesem Falle schriftlich zu begründen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, wiederherstellen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der erlassene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da dann an dessen sofortiger Vollziehung ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist und ein besonderes Vollziehungsinteresse hinzutritt. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab.

Vorliegend ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die angefochtene Verfügung aller Voraussicht nach rechtswidrig ist. Weiter ergibt die gebotene Interessenabwägung, dass den Belangen der Antragstellerin nach den Umständen des Falles der Vorrang einzuräumen ist und mithin allein die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ermessensgerecht erscheint.

2. Nach Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 LStVG können die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d.h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist (std. Rspr.; vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - BayVBl 2012, 375; juris Rn. 18 m.w.N).

2.1 Das Vorliegen einer konkreten Gefahr kann allerdings nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der betreffende Hund zu den in § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (GVBl. S. 268, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.09.2002, GVBl. S. 513 -im Folgenden: KampfhundeV) aufgeführten Rassen (Hunde der Kategorie II) gehört, wozu auch Hunde der Rasse Rottweiler zählen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang aber auch, ob für den Hund nach Vorlage eines entsprechenden Gutachtens ein sog. Negativzeugnis ausgestellt worden ist, da mit einem positiven Wesenstest zwar belegt wird, dass der Hund von seiner Veranlagung und Sozialisierung her kein gesteigertes aggressives Wesen besitzt, hieraus aber nicht auch gefolgert werden kann, dass es nicht zu Vorfällen kommen könnte, bei denen von dem Hund beachtliche Gefahren ausgehen (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 19 m.w.N.).

2.2 Weiter ist im Hinblick auf die Anordnung eines Leinenzwangs darauf hinzuweisen, dass das Gericht der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend der Auffassung ist, dass von großen und kräftigen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen, eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht. Es entspricht dem natürlichen Bewegungsdrang eines nicht an der Leine geführten Hundes, dass er sich nicht immer in der Nähe des Halters aufhält, sondern vorausläuft oder zurückbleibt. Bei dieser Gelegenheit kommt der Hund aber auch mit anderen Hunden oder Personen in Kontakt, was sowohl bei Fehlverhalten des Hundes als auch bei Fehlverhalten der Passanten zu Gefahrensituationen führen kann, da es sich häufig so verhalten wird, dass Dritte, die sich mit einem freilaufenden großen Hund konfrontiert sehen, dessen Verhalten nicht richtig einschätzen können und es infolge der zu erwartenden angsterfüllten Begegnung zu unvorhersehbaren und unkontrollierten Kettenreaktionen mit erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit kommen kann. Ein solches Geschehen bzw. ein solcher Schadenseintritt kann nicht als nur konstruiert oder entfernt denkbar bzw. als zu vernachlässigendes Restrisiko gewertet werden, begründet vielmehr hinreichend die Annahme einer konkreten Gefahr, die zum Erlass entsprechender Anordnungen befugt (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25 mit eingehender Begründung).

2.3 Aus Vorstehendem folgt zunächst, dass eine Verwaltungspraxis ermessenswidrig und damit unzulässig wäre, nach der hinsichtlich großer Hunde, die zu den in § 1 Abs. 2 KampfhundeV gelisteten Rassen gehören und die den Wesenstest bestanden haben, unabhängig vom Vorliegen sonstiger auf eine Gefahrenlage hinweisender Umstände generell ein Leinen- oder Maulkorbzwang angeordnet wird, bezüglich großer und kräftiger Hunde, die nicht der KampfhundeV unterfallen (z.B. Schäferhund, Dobermann und Dogge), dies aber vom Bekanntwerden aggressiver Verhaltensweisen des Hundes oder sonstiger für die Gefahrenprognose beachtlicher Umstände abhängig gemacht wird (zu einem solchen Fall vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 30 f).

Ungeachtet des Umstandes, dass beim freien Herumlaufen eines großen kräftigen Hundes auf öffentlichen Wegen und Straßen mit relevantem Publikumsverkehr regelmäßig von einer konkreten Gefahr auszugehen wäre, kann weiter aber auch nicht angenommen werden, dass es, wenn eine Verordnung nach Art. 18 Abs. 1 LStVG über einen Leinenzwang für große Hunde nicht erlassen wurde, geboten wäre, hinsichtlich aller großen und kräftigen Hunde zur Gefahrenabwehr vorsorglich Einzelfallanordnungen zu erlassen. Eine solche Vorgehensweise wäre weder sachgerecht noch auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 28). Dabei ist insbesondere auch in Rechnung zu stellen, dass von einem pflichtbewussten und besonnenem Halter eines großen und kräftigen Hundes als selbstverständlich erwartet werden kann, dass ihm die Problematik bewusst ist und er auch dementsprechend handelt, also in Bereichen, in denen nach den Umständen jederzeit mit Begegnungen mit Dritten oder auch mit Hunden gerechnet werden kann, den Hund an der Leine führt (zur Frage der Erforderlichkeit eines Vorgehens gegenüber verantwortungsbewussten und gewissenhaften Hundehaltern vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Juli 2013, Art. 18 Rn. 58).

Für den Erlass von Einzelanordnungen gegenüber Haltern großer und kräftiger Hunde besteht mithin vornehmlich dann Veranlassung, wenn besondere Umstände hinzukommen, wie etwa ein Beißvorfall, sonstiges aggressives Verhalten des Hundes, eine diesbezügliche Empfehlung eines Hundesachverständigen im Gutachten über einen Wesenstest (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Leitsatz 2) und insbesondere auch dann, wenn festgestellt wird, dass ein Halter in Verkennung der ihm obliegenden Pflichten seinen Hund in Situationen, in denen ein Anleinen geboten wäre, (weiter) frei laufen lässt, wobei es, worauf nochmals hingewiesen sei, nicht darauf ankommen würde, ob der Hund, wenn er etwa auf einen Dritten zuspringt, tatsächlich aggressives Verhalten zeigt, weil wie ausgeführt in einer solchen Situation es gerade auch durch die Reaktion des vermeintlich vom Hund Bedrohten zu erheblichen Gefährdungen kommen kann (dazu, dass bei einer solchen Situation die Gefahrenlage trotz eines etwaigen „Fehlverhaltens“ des Dritten dem Hundehalter zuzurechnen wäre, vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 26).

2.4 Hinsichtlich der Frage, ob bei einem Freiauslauf eines großen und kräftigen Hundes außerhalb bebauter Gebiete, die Anordnung eines Maulkorbzwanges gerechtfertigt sein kann, sei schließlich angemerkt, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wohl davon auszugehen ist, dass eine konkrete Gefahrenlage insoweit regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, nicht angenommen werden kann und eine solche Anordnung folglich bei Fehlen besonderer gefahrbegründender Umstände nicht in Betracht kommen dürfte. Danach besteht außerhalb von bewohnten Gebieten eine Gefahr, die mit jener beim Freilaufen eines Hundes auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr vergleichbar wäre, grundsätzlich nicht, weil es dort nicht zwangsläufig zu eine konkrete Gefahrenlage begründenden Kontakten mit anderen Menschen oder Hunden kommt. Die rein abstrakte Möglichkeit, dass ein Hund außerhalb bewohnter Gebiete Menschen oder andere Tiere angreifen und vom Halter nicht oder nicht rechtzeitig zurückgehalten werden könnte, reiche für das Erfordernis einer konkreten Gefahr für die in Art. 18 Abs. 1 und 2 LStVG genannten Rechtsgüter nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2013 - 10 ZB 12.2706 - juris Rn. 5; strenger noch BayVGH, U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris Rn. 40 ff).

3. Nach diesen Maßgaben begegnet die streitgegenständliche Verfügung erheblichen rechtlichen Bedenken.

3.1 Bezüglich der Regelung in Nr. I.1 des Bescheides (Leinenzwang) ist der Antragsgegner ausweislich der Bescheidsbegründung davon ausgegangen, dass nach dem für das vorläufige Negativzeugnis erteilten Gutachten gegenwärtig eine seriöse Aussage zum Verhalten des Hundes noch nicht möglich sei und hat weiter der Sache nach auf die oben unter 2.2 ausgeführten Grundsätze zu Gefährdungen durch freilaufende größere Hunde in Bereichen mit relevantem Publikumsverkehr abgestellt.

Hinsichtlich ihrer allgemeinen Verwaltungspraxis, was die Anordnung eines Leinenzwangs gegenüber großen Hunden allgemein bzw. sog. Listenhunden mit bestandenem Wesenstest sowie Hunden, für die aufgrund eines Gutachtens ein vorläufiges Negativzeugnis erteilt wurde, angeht, hat sich der Antragsgegner bislang im Verfahren nicht eindeutig geäußert. Den Bescheidsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass die Anordnung aufgehoben werden könne, wenn der endgültige Wesenstest positiv ausfalle und der Nachweis erbracht werde, dass der Hund die Begleithundeprüfung erfolgreich abgelegt habe. Zu letzterem sei am Rande bemerkt, dass fraglich erscheint, ob dieses Kriterium für die Entscheidung darüber, ob ein Leinenzwang anzuordnen ist bzw. aufgehoben werden kann, zulässigerweise herangezogen werden kann, wenn nicht besondere Umstände vorliegen (Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gebot der Gleichbehandlung).

Für die Beurteilung der Streitsache kommt es auf eine Klärung und Bewertung der allgemeinen Vollzugspraxis des Antragsgegners indes hier nicht entscheidend an, da für die Anordnung augenscheinlich wesentlich der spezifisch den Einzelfall betreffende Umstand war, dass der Antragsgegner auf der Grundlage der Aussagen im vorgelegten Gutachten zu der Auffassung gelangt ist, es bestehe hinsichtlich des Hundes ein beachtliches (Rest-)Besorgnispotential, das die Regelung rechtfertige.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass den Aussagen in einem Gutachten über einen Wesenstest bzw. einer gutachterlichen Stellungnahme für ein vorläufiges Negativzeugnis durchaus Bedeutung für die Abschätzung des Besorgnispotentials zukommen kann und diese Aussagen folglich auch für die Gefahrenprognose in Bezug auf Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG Relevanz haben können. Wie oben bereits ausgeführt, begegnet es daher im Grundsatz auch keinen Bedenken, nachvollziehbar begründete Empfehlungen in einem solchen Gutachten bei der Entscheidung über eine Anordnung zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Gerichts sind dem vorgelegten Gutachten aber keine Hinweise dafür zu entnehmen, dass bei dem Hund „…“ Veranlassung zu einem entsprechenden Vorgehen bestehen könnte. Die Feststellungen in dem Gutachten zum Gesundheitszustand des Hundes lassen schon im Ansatz nicht erkennen, dass der Gutachter insoweit andeuten wollte, dass hierdurch bedingt möglicherweise ein erhöhtes oder besonders Aggressionspotential bei dem Hund gegeben wäre. Die Ausführungen zum Verhalten des Hundes sind durchgängig von dem Tenor getragen, dass dieser anscheinend von gutmütiger Wesensart ist. So heißt es in dem Gutachten etwa (Seite 2, zweiter Absatz am Ende), dass der Hund keinerlei territoriales oder aggressives Verhalten gezeigt habe. Die Ausführungen schließlich im bewertenden Schlussteil des Gutachtens, wonach der Hund im Normalfall keine Gefährdung für Personen oder andere Hunde darstellen sollte und im Kontakt mit Kindern trotzdem erhöhte Vorsicht walten zu lassen sei, dürften als vorsorgliche (und der Sache nach nur eine Selbstverständlichkeit wiedergebende) Hinweise primär vor dem Hintergrund zu sehen sein, dass aufgrund des Alters des Hundes zum Zeitpunkt der Begutachtung noch keine abschließende Bewertung möglich war.

Der Umstand, dass es sich um eine nur vorläufige Bewertung handelt, ist nach Auffassung des Gerichts gleichfalls nicht dazu geeignet, ein relevantes Besorgnispotential gewissermaßen vorsorglich anzunehmen, weil zwar keine einem standardmäßigen Wesenstest vergleichbare Prüfung erfolgt ist, die Prüfung nach Art und Umfang aber ersichtlich für Zwecke einer vorläufigen Bewertung ausreichend war und vor allem auch, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Gutachterin, hätte sie im Hinblick gerade auf die nur vorläufige Einschätzung Grund zu der Annahme gehabt, dass bei dem Hund möglicherweise ein besonderes Aggressionspotential gegeben sein könnte oder sonstige Umstände besondere Vorkehrungen nahelegen könnten, dies in ihrer Stellungnahme auch deutlich zum Ausdruck gebracht hätte.

Lassen sich danach aus der gutachterlichen Stellungnahme keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anordnung eines Leinenzwangs mit Blick auf das Naturell des Hundes geboten oder jedenfalls naheliegend erschiene, so kann hier weiter auch der Umstand, dass es sich bei „…“ (wohl schon) um einen großen Hund handelt, hinsichtlich der Problematik des Freilaufenlassens in Bereichen mit relevantem Publikumsverkehr eine entsprechende Anordnung nicht rechtfertigen, weil besondere Umstände, die zu einem solchen Vorgehen Anlass geben könnten, nicht ersichtlich sind und insbesondere auch erwartet werden darf, dass die Antragstellerin als erfahrene Hundeausbilderin durchaus in der Lage und willens ist, die beim Ausführen des Hundes gebotenen Maßnahmen von sich aus zuverlässig zu ergreifen. Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die Anordnung eines Leinenzwangs innerorts nach den Umständen des Falles nicht erforderlich war.

3.2 Die weiteren Anordnungen unter Nrn. I.2 bis I.4 begegnen gleichfalls erheblichen rechtlichen Bedenken und dürften einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten.

Hinsichtlich des Maulkorbzwangs (Nr. I.2) kann auf die Ausführungen oben unter 2.4 verwiesen werden. Insoweit ist mithin davon auszugehen, dass eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG bereits deshalb nicht zulässig ist, weil schon die tatbestandliche Voraussetzung des Vorliegens einer konkreten Gefahr nicht gegeben ist.

In Bezug auf die Regelung in Nr. I.3 (Vorgaben für Ausbildungsmaßnahmen) fehlt es gleichfalls an einer relevanten Gefahrenlage. Angemerkt sei insoweit, dass selbst dann, wenn man die Anordnung einer Leinenpflicht im Grundsatz noch für vertretbar erachten wollte, hinsichtlich der Ausbildungsmaßnahmen aber doch die Zulassung weitergehender Ausnahmen - wie von der Antragstellerin vorgeschlagen - geboten gewesen wäre.

Was schließlich die Regelung in Nr. I.4 angeht (Vorgaben dazu, wer den Hund ausführen darf) so fehlt es an der Erforderlichkeit für eine solche Regelung hier deshalb, weil die Anordnungen, auf die sich bezieht (Nrn. I.1 und I.2), aller Voraussicht nach rechtswidrig sind und keinen Bestand haben können.

4. Abschließend sei bemerkt, dass nach Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob die Antragstellerin vor Erlass der Verfügung angehört wurde (vgl. Art. 28 Abs. 1 Bay-VwVfG), und, so dies nicht der Fall war, auch von einer formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides auszugehen wäre (zu den Voraussetzungen für eine Heilung durch Nachholen der Anhörung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG vgl. HessVGH, B.v. 6.11.2012 - 6 B 1267/12 - Rn. 21; zur regelmäßig zu verneinenden Unbeachtlichkeit des Mangels bei Ermessensentscheidungen, wenn nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist, vgl. Kopp/Ramsauer, § 46 VwVfG, 15. Aufl. 2014, Rn. 32 ff m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Nrn. 1.5 und 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


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(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.