Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2015 - 10 CS 14.2558

bei uns veröffentlicht am18.02.2015

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Oktober 2014 ist in Nr. I und II wirkungslos geworden.

III.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit, der den Antrag der Antragstellerin betraf, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juni 2014 getroffenen Anordnungen zur Hundehaltung wiederherzustellen, übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO durch Beschluss einzustellen ist.

Die Zustimmung der Antragstellerin zur Erledigungserklärung im Schriftsatz vom 2. Februar 2015 ist, wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auf Nachfrage bestätigt hat, dahingehend zu verstehen, dass der Rechtsstreit dadurch in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Der Antragsgegner hat dieser Erledigungserklärung mit Schreiben vom 27. Januar 2015 vorab zugestimmt, indem er dem Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt hat, dass sich der Bescheid vom 23. Juni 2015 im Hinblick auf ein positives Sachverständigengutachten vom 15. Dezember 2015 erledigt habe, und für den Fall einer Erledigungserklärung der Antragstellerin beantragt hat, dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II.

Außerdem ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO auszusprechen, dass der erstinstanzliche Beschluss vom 31. Oktober 2014 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung (Nr. III des Beschlusses) wirkungslos geworden ist.

III.

Darüber hinaus ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es dabei billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens demjenigen aufzuerlegen, der voraussichtlich unterlegen wäre. Im Hinblick auf die Offenheit der Erfolgsaussichten sind danach hier die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gegeneinander aufzuheben.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einer Beschwerde gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegten Gründe prüft. Denn dies gilt auch dann, wenn der Rechtsstreit wie hier im Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden und deshalb nach § 161 Abs. 2 VwGO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist (vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2004 - 1 CS 03.3043 - juris Rn. 9; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 76). Legt man dies zugrunde, waren die Erfolgsaussichten hier aber offen.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juni 2014 getroffenen Anordnungen zur Hundehaltung (Leinenzwang in öffentlichen Anlagen und auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, Maulkorbzwang bei freiem Auslauf außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile oder auf einem nicht befriedeten Ausbildungsgelände sowie Ausführen nur durch Personen, die den Hund sicher beherrschen und über die getroffenen Anordnungen informiert sind und sie einhalten) wiederhergestellt. Dabei ist es im Wesentlichen davon ausgegangen, dass von großen und kräftigen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehe, dass Anordnungen gegenüber dem Hundehalter nach Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG aber vor allem dann veranlasst seien, wenn besondere Umstände wie ein Beißvorfall, sonstiges aggressives Verhalten des Hundes, eine Empfehlung eines Hundesachverständigen oder ein pflichtwidriges Verhalten des Hundehalters hinzukämen. Solche Umstände ließen sich der gutachterlichen Stellungnahme für die Ausstellung eines vorläufigen Negativattests für den Rottweiler der Antragstellerin, der zu den in § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (GVBl. S. 268; KampfhundeV) aufgeführten Rassen (Kampfhunde der Kategorie II) gehöre, aber nicht entnehmen. Ein Aggressionspotenzial ergebe sich insbesondere nicht aus den Ausführungen zum Gesundheitszustand des Hundes. Die Stellungnahme werde vielmehr durchgängig von dem Tenor getragen, dass der Hund von gutmütigem Wesen sei. Der Umstand allein, dass es sich dabei um eine vorläufige Bewertung gehandelt habe, sei nicht dazu geeignet ein relevantes Besorgnispotenzial anzunehmen.

Demgegenüber beruft sich der Antragsgegner zur Begründung seiner Beschwerde im Wesentlichen darauf, dass es sich beim Hund der Antragstellerin um einen großen Hund handele, bei dem allein deshalb von einer konkreten Gefahr auszugehen sei. Im Übrigen liege die Möglichkeit nicht fern, dass der Hund aufgrund der in der gutachterlichen Stellungnahme festgestellten Verletzung im Falle einer Berührung unfreundlich reagiere. Dies gelte umso mehr, als nach der Stellungnahme Vorsicht im Umgang mit Kindern geboten sei. Es sei auch ein Gebot der Vernunft, vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Hund der Antragstellerin um einen Kampfhund der Kategorie II handele, der erst seit drei Wochen im Land gewesen sei, aus einem ausländischen Tierheim stamme, aus ungeklärter Ursache verletzt sei und für den ein endgültiges Gutachten noch nicht vorliege, Anordnungen zu treffen, um bis zu einer endgültigen Aussage über das Wesensverhalten des Hundes ein vorläufiges Negativattest verantworten zu können.

Ob diese Ausführungen des Antragsgegners zur Begründung seiner Beschwerde es gerechtfertigt hätten, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO abzulehnen, ist aber offen.

Anordnungen zur Haltung von Hunden können nach Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nur getroffen werden, wenn im jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Eigentum und öffentliche Reinlichkeit besteht (vgl. BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B. v. 29.4.2013 - 10 ZB 10.2523 - juris Rn. 4; BayVGH, U. v. 26.11.2014 - 10 B 14.1235 - juris Rn. 20 jeweils m. w. N.). Dies ist dann der Fall, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in dem zu beurteilenden Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt gerechnet werden kann. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schutzwürdiger das bedrohte Schutzgut und je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Zwar geht danach von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen, vom Führen derartiger Hunde durch eine hierzu nicht befähigte Person oder durch eine nicht ausbruchsichere Unterbringung solcher Hunde in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter oder für andere Hunde aus (BayVGH, U. v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25; U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 22). Jedoch verstieße es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und wäre daher ermessensfehlerhaft, wenn für Kampfhunde der Kategorie II wie den Rottweiler der Antragstellerin anders als für sonstige große Hunde unabhängig davon Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG erlassen würden, ob ein aggressives Verhalten dieser Tiere festgestellt worden ist oder sonstige besondere Anzeichen für eine von ihnen ausgehende Gefahr vorliegen (vgl. BayVGH, U. v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 30; U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 26), wie sie auch Empfehlungen eines Hundesachverständigen darstellen können (vgl. BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 27).

Abgesehen davon, dass weiterer Klärung bedürfte, ob die Verwaltungspraxis des Antragsgegners dem Rechnung trägt, würde sich selbst in diesem Fall die Frage stellen, ob über die Tatsache hinaus, dass es sich bei einem Rottweiler um einen großen und kräftigen Hund handelt, Anzeichen dafür vorlagen, dass von dem Hund der Antragstellerin eine Gefahr ausging, die die im Bescheid vom 23. Juni 2014 getroffenen Anordnungen rechtfertigte. Insbesondere ist insoweit die nicht ohne weiteres zu beantwortende und bisher, soweit ersichtlich, vom Verwaltungsgerichtshof nicht entschiedene Frage aufgeworfen, ob die Vorläufigkeit der gutachterlichen Stellungnahme und die darin enthaltenen Hinweise auf die unfallbedingten massiven Probleme des Hundes mit der Hinterhand und die im Umgang mit Kindern gebotene erhöhte Vorsicht als besondere Anzeichen für eine von dem Hund ausgehende Gefahr die vom Antragsgegner verfügten Anordnungen tragen können und ob dies auch gilt, wenn wie hier die gutachterliche Äußerung keine entsprechenden Empfehlungen enthält.

Vor diesem Hintergrund stellen sich die Erfolgsaussichten aber als offen dar, so dass es billigem Ermessen entspricht, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gegeneinander aufzuheben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Unter Abänderung der Nr. I des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 wird der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 insoweit aufgehoben, als dieser einen Leinenzwang auch für die Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile enthält.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Unter Abänderung der Nr. II des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils die Hälfte der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Halterin des etwa sechs Jahre alten Hundes „L.“ der Rasse Rhodesian Ridgeback mit einer Widerristhöhe von über 60 cm.

Am 14. März 2012 kam es zu einem Beißvorfall mit dem Hund der Klägerin. Anlässlich eines Spaziergangs mit der Klägerin - zusammen mit dem Collie der Mutter der Klägerin und dem Berner Sennenhund der Schwester der Klägerin - lief „L.“ auf einem außerhalb bebauter Ortschaften verlaufenden Radweg auf den angeleinten Jack-Russel-Terrier „St.“ zu und fügte ihm eine Bisswunde bei.

Nach Anhörung erließ die Beklagte am 20. April 2012 eine sicherheitsrechtliche Anordnung, mit der sie der Klägerin untersagte, ihren Hund sich außerhalb ihres Grundstückes unangeleint bewegen zu lassen (Leinenzwang), sowie ihr aufgab, den Hund außerhalb ihres Anwesens grundsätzlich an einer reißfesten, maximal 2 m langen Leine mit Hakenkarabiner zu führen und ihm ein schlupfsicheres Halsband anzulegen (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Nr. 1 an. Für den Fall, dass die Klägerin die in Nr. 1 genannte Verpflichtung nicht sofort erfülle, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1000.- Euro angedroht (Nr. 3). Zur Begründung des auf Art. 7 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützten Bescheids wurde ausgeführt, vom Hund der Klägerin gehe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, da nach den gegebenen Tatsachen zu befürchten sei, dass der Hund in naher Zukunft wieder Tiere verletzen oder unter Umständen Menschen Schaden zufügen werde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anordnung für den Einzelfall zur Haltung von Hunden seien erfüllt. Der Erlass einer solchen Anordnung stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde. Die Beklagte halte ein Einschreiten im öffentlichen Interesse für notwendig. Der Vorfall zeige, dass der Hund der Klägerin ohne vorhersehbaren Anlass aus seiner ungebändigten Natur heraus zu einer schweren Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen werde könne, wenn er sich außerhalb des Grundstücks unangeleint aufhalte. Bei der Beißattacke am 14. März 2012 seien drei Hunde unangeleint auf einen anderen Hund zugelaufen. Aufgrund des Rudelverhaltens der Tiere sei eine konkrete Gefahr zu bejahen. Das Interesse des Halters, von sicherheitsrechtlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, sei grundsätzlich nachrangig und müsse hinter das höherwertige Ziel des Schutzes von Menschen zurücktreten, ebenso wie der natürliche Bewegungsdrang des Tieres. Unerheblich sei zudem, ob der beteiligte unterlegene Hund den Beißvorfall mitverursacht habe. Hinzu komme, dass es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht erforderlich sei, dass ein Hund bereits durch Beißen von Menschen oder Tieren oder durch sonstiges aggressives Verhalten auffällig geworden sei. Die Abwehr von Gefahren setze nicht voraus, dass bereits ein schädigendes Ereignis stattgefunden habe. Bei dem klägerischen Hund komme erschwerend hinzu, dass es sich um ein großes Tier handle. Sei es bereits zu einem Beißvorfall gekommen, seien Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zur Gefahrenabwehr nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten. Das Ermessen sei auf Null reduziert. Die Anordnung des Leinenzwangs entspreche somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Dem Antrag der Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gab das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 24. Mai 2012 insoweit statt, als angeordnet wurde, den Hund der Klägerin auch außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile anzuleinen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2012 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 aufzuheben. Zur Begründung wurde vorgebracht, der Bescheid gehe unrichtigerweise davon aus, dass sich neben dem Hund der Klägerin auch die Hunde von deren Mutter und Schwester auf „St.“ gestürzt hätten. Auf ein Rudelverhalten könne der Bescheid nicht gestützt werden, da nur der Hund der Klägerin und „St.“ am Beißvorfall beteiligt gewesen seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass „St.“ unsozialisiert im Zwinger gehalten werde und äußerst aggressiv sei. Ein Beißen des Hundes der Klägerin sei unwahrscheinlich, vielmehr habe sich „St.“ nicht artgerecht verhalten, sondern versucht, sich aus dem Bissgriff des Ridgeback zu lösen. Dabei sei es wohl zu den nicht nachgewiesenen Verletzungen des Jack Russel gekommen. Die Anordnung begegne auch insoweit rechtlichen Bedenken, als der Hund der Klägerin nur noch auf dem eigenen Grundstück frei laufen dürfe. Zudem sei kein Grund zu erkennen, warum beispielsweise außerhalb von Ortschaften nicht eine längere Laufleine (z. B. mit 8 Metern) erlaubt sein solle. Auch sei nicht erkennbar, wieso eventuellen Gefahren nicht dadurch begegnet werden könne, dass der Hund (wahlweise) einen Maulkorb tragen müsse. Zudem sei die Anordnung zu unbestimmt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und führte aus, es könne dahinstehen, ob der gebissene Hund aggressiv sei oder unsozialisiert, denn darauf komme es bei einer Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht an. Ausreichend sei, dass vom klägerischen Hund eine konkrete Gefahr ausgehe. Auch erweise sich die angeordnete Maßnahme des Leinenzwangs als erforderlich und verhältnismäßig. Ein Maulkorbzwang sei nicht angebracht, da auch gerade das hundetypische freie Zulaufen auf andere Hunde und Personen eine Gefahr darstelle, die durch einen Maulkorbzwang nicht verhindert werden könne. Der klägerische Hund sei zudem aufgrund seiner Größe und seines Gewichts immer noch in der Lage, auch mit einem Maulkorb Personen anzuspringen oder umzuwerfen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg am 14. August 2012 wurden sowohl die Halterin des gebissenen Hundes „St.“ als auch die Schwester und die Mutter der Klägerin als Zeuginnen einvernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Mit Urteil vom 14. August 2012 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg die Klage der Klägerin ab und begründete dies wie folgt: Die angeordnete Anleinpflicht sei durch Art. 18 Abs. 2 LStVG gedeckt. Vom Hund der Klägerin gehe eine konkrete Gefahr für die Unversehrtheit anderer Hunde aus. Dies habe sich aufgrund des Beißvorfalls am 14. März 2012 gezeigt. Der angeordneten Anleinpflicht stehe nicht entgegen, dass sich die Hunde bei dem Beißvorfall womöglich artgerecht verhalten hätten. Auch hundetypisches Verhalten könne eine Gefahr begründen. Der angeordnete Leinenzwang sei geeignet, die bestehende Gefahr zu mindern und sei auch nicht unverhältnismäßig. Zum einen stelle ein frei umherlaufender großer und kräftiger Hund nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits eine konkrete Gefahr i. S. d. Art. 18 Abs. 2 LStVG dar. Zum anderen habe die Sicherheitsbehörde bei der Auswahl der angeordneten Maßnahmen einen Ermessensspielraum. Der angeordnete Leinenzwang sei auch rechtmäßig, soweit er für den Außenbereich gelte und insoweit keine Ausnahmen zulasse. Denn der Beißvorfall habe gerade im Außenbereich stattgefunden. Es bestehe die Gefahr, dass es wieder zu einem Beißvorfall komme, wenn der klägerische Hund nicht stets angeleint werde, wenn er sich außerhalb des klägerischen Anwesens befinde.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat die lediglich auf eine Einschränkung des Anleinzwangs gerichtete Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 4. Juni 2014 zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Der angefochtene Bescheid lasse nämlich jegliche Ermessenserwägungen bei der Anordnung eines ausnahmslosen Anleinzwangs vermissen.

In ihrem Schriftsatz vom 10. Juli 2014 zur Begründung ihrer Berufung stellte die Klägerin nochmals klar, dass sie nicht eine vollständige Aufhebung des sicherheitsrechtlich angeordneten Leinenzwangs für ihren Hund begehre, sondern eine Einschränkung des Leinenzwangs, der einerseits dem Sicherheitsbedürfnis Dritter, aber andererseits auch dem artgerechten Bewegungsbedürfnis ihres Hundes und der ihr obliegenden Verpflichtung als Halterin, für eine artgerechte Bewegung ihres Tieres Sorge zu tragen, entgegenkomme und die gegenläufigen Belange abwäge und angemessen berücksichtige. Soweit der angefochtene Bescheid außerhalb ihres Grundstücks einen ausnahmslosen Anleinzwang für ihren Hund anordne, liege eine nicht notwendige und unverhältnismäßige Einschränkung der artgemäßen Bewegung für den Hund vor, die sowohl die Rechte der Klägerin als Hundehalterin als auch die Belange ihres Hundes in unvertretbarer, rechtswidriger Weise beeinträchtige. Der ausnahmslose Leinenzwang, der sich ausweislich des Wortlauts der Anordnung auch auf Hundeschulen und -pensionen sowie auf eingefriedete und gesicherte Grundstücke bzw. Privatgrundstücke, die einem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich seien, beziehe, sei rechtswidrig, da mildere Mittel erkennbar seien, die zum gleichen Ergebnis führten. Ohne dass Dritten Gefahr drohe, könnte vom Leinenzwang abgesehen werden, wenn sich der Hund in Bereichen außerhalb von Ortschaften auf öffentlichen Wegen oder Straßen befinde und durch die Klägerin oder eine andere Person beaufsichtigt werde und sich weder Menschen noch Tiere näherten noch sonstige Gefahrensituationen vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 insoweit aufzuheben, als dieser einen Leinenzwang auch für die Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile enthalte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für die Beklagte habe aufgrund des konkreten Vorfalls kein Grund zur Ausübung eines Auswahlermessens bestanden, da ohnehin eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Der unbeschränkte Leinenzwang sei die einzige ermessensgerechte Entscheidung gewesen. Auch wenn Art. 18 Abs. 2 LStVG grundsätzlich ein Ermessen einräume, könne sich im Rahmen der Gefahrenprognose ergeben, dass nur eine Maßnahme effektiv die Gefahren beseitigen könne. Dabei sei einerseits der auslösende Vorfall zu beachten, aber auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei den nach Art. 18 Abs. 1 LStVG geschützten Rechtsgütern grundsätzlich um höherrangige Interessen als die Bewegungsfreiheit des Hundes handle. Da es sich um einen großen Hund handle, der bereits zuvor einmal eine Katze gebissen habe, ergebe sich innerorts allein daraus eine Ermessensreduzierung auf Null. Aber auch außerhalb der Ortschaft gewähre allein der Leinenzwang eine sichere Vermeidung von Gefahren. Der Hund könne, wenn er frei umherlaufe, in gleicher Weise wie innerhalb des Ortes in Kontakt mit dritten Personen kommen. Diese Gefahr lasse sich ausschließlich mit einer Leine verhindern. Selbst mit einem Maulkorb könne der Hund immer noch Dritte verfolgen. Dies könne zu Panikreaktionen führen und damit mittelbar auch zu Verletzungen. Zudem könne sich der Hund ohne Leinenzwang grundsätzlich unbeschränkt entfernen. Dies zeige sich gerade in dem konkreten Vorfall und dem damaligen typischen Rudelverhalten des Hundes. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Es sei Aufgabe des Hundehalters, für den nötigen Auslauf auf einem ausreichend großen Privatgrundstück zu sorgen. Ein milderes Mittel als die Anordnung des Leinenzwangs sei bei einem bissigen Hund nicht ersichtlich. Zudem stelle der Leinenzwang nur einen geringen Eingriff dar, denn der Bescheid gelte ohnehin nicht für Privatgrundstücke oder Hundesportplätze, so dass ausreichend Möglichkeit zur Bewegung des Hundes bestehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen ebenso Bezug genommen wie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Senats am 24. November 2014, in der der Beklagtenvertreter klargestellt hat, dass die Anordnung des Leinenzwangs im streitgegenständlichen Bescheid nicht für ausreichend umfriedete Privatgrundstücke und Hundesport- und Hundetrainingsplätze gelte.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 ist, soweit er noch Gegenstand der Anfechtungsklage der Klägerin ist, aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 des Landesstraf- und -Verordnungsgesetzes (LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982 (BayRS 2011-2-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2013 (GVBl S. 403) vor (dazu 1.). Jedoch leidet der angegriffene Verwaltungsakt an einem Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) (dazu 2.).

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist gemäß dem nach § 88 VwGO ermittelten Klagebegehren, das auch in dem durch die Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten, allein maßgeblichen Klageantrag (s. § 103 Abs. 3 VwGO) zum Ausdruck kommt, nur noch die auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützte und vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil für rechtmäßig erachtete Anordnung (Leinenzwang) in Nr. 1 des Bescheids, soweit sich diese auf Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile bezieht. Die Klägerin konnte ihre Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) insoweit gegenständlich beschränken, weil die betroffene sicherheitsbehördliche Anordnung (Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) entsprechend teilbar ist (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 11 sowie Schmidt, a. a. O., § 113 Rn. 9). Die räumliche Beschränkung und damit Teilaufhebung des fehlerhaften Teils dieser Anordnung in Nr. 1 des Bescheids - Leinenzwang außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile - ist rechtlich zulässig, weil dieser (aufzuhebende) Teil mit dem verbleibenden Teil der Anordnung (des Verwaltungsakts) nicht in einem untrennbaren Zusammenhang steht und auch die durch die Beklagte getroffene (einheitliche) Ermessensentscheidung dem nicht entgegensteht. Vielmehr kann der verbleibende Teil - Leinenzwang innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile - ohne weiteres selbstständig bestehen. Er erlangt durch die Teilaufhebung auch keine andere Bedeutung, als ihm nach der Entscheidung der Beklagten als Sicherheitsbehörde ursprünglich zukam (vgl. Schmidt, a. a. O., Rn. 9). Damit ist Streitgegenstand, ob die Beklagte der Klägerin untersagen durfte, ihren Hund im Bereich außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile sich unangeleint bewegen zu lassen (Leinenzwang), ihn dort grundsätzlich an einer reißfesten, maximal 2 m langen Leine mit Hakenkarabiner zu führen und ihm ein schlupfsicheres Halsband anzulegen.

1. Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine sicherheitsrechtliche Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG gegeben. Danach können Gemeinden zum Schutz bestimmter in Abs. 1 genannter Rechtsgüter Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. In Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind als Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit genannt. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG vor, steht der Erlass einer Anordnung im Ermessen der Behörde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. BayVGH v. 12.5.2014 -10 B 12.2084 - juris Rn. 35 m. w. N.), darf eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nur erlassen werden, wenn im jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die betreffenden Schutzgüter vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Ob bei einer erforderlichen Gefahrenprognose dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids abzustellen ist, hier also auf den 20. April 2012 (vgl. BayVGH v. 29.8.2001 - 24 ZS 01.1967 - juris) oder ob es sich bei der betreffenden sicherheitsbehördlichen Anordnung (Untersagungsverfügung) um einen Dauerverwaltungsakt handelt, für dessen gerichtliche Überprüfung auch hinsichtlich der Gefahrenprognose der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist - wofür mit Blick auf Art. 8 Abs. 3 LStVG erwägenswerte Gründe sprechen - (offen gelassen BayVGH, B. v. 13.1.2012 - 10 CS 11.2379 - juris Rn. 29; für tierschutzrechtliche Anordnungen vgl. BVerwG, B. v. 9.7.2013 - 3 B 100/12 - juris Rn. 6; für Anordnungen zum Leinen- und Maulkorbzwang vgl. OVG NRW, B. v. 30.4.2004 - 5 A 1890/03 -juris Rn. 24), kann aber dahinstehen, denn der Tatbestand des Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 LStVG ist in beiden Zeitpunkten erfüllt.

1.1. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom August 2012 lag nach Auffassung des Senats eine vom klägerischen Hund „L.“ ausgehende konkrete Gefahr jedenfalls für das Schutzgut Eigentum (an anderen Hunden) vor.

Aus dem Bescheid selbst ergibt sich allerdings nicht hinreichend klar, worin die Beklagte diese konkrete Gefahr sieht. Sie führt zwar zunächst aus, dass zu befürchten sei, „L.“ werde in naher Zukunft wieder Tiere verletzen oder unter Umständen Menschen Schaden zufügen. In der weiteren Begründung ist dann jedoch mehrfach davon die Rede, dass „L.“ eine „schwere Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen“ sei. Eine solche Gefahr lässt sich aber nicht ohne Weiteres aus dem Beißvorfall vom 14. März 2012 herleiten, der Anlass für die Anordnung war. Damals hat der klägerische Hund auf einem Radweg in der freien Natur einen wesentlich kleineren Jack-Russel-Terrier angegriffen und verletzt. Menschen kamen dabei aber nicht zu Schaden. Auch anschließend bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids im August 2012 sind keine Vorfälle bekannt, bei denen „L.“ Menschen bedroht, angegriffen oder gar verletzt hätte.

Ob sich zudem, wie im Bescheid angenommen wurde, eine konkrete Gefahr aufgrund eines Rudelverhaltens der am Tag des Vorfalls anwesenden drei Hunde, nämlich dem klägerischen Hund, dem Hund der Mutter der Klägerin und dem Hund der Schwester der Klägerin, bejahen lässt, ist zweifelhaft. Zwar befanden sich alle drei Hunde in unmittelbarer Nähe des gebissenen Hundes, jedoch steht nicht fest, dass sich alle drei Hunde gemeinsam auf das Opfer gestürzt hätten. Insoweit hat auch die Einvernahme der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 24. November 2014 keine eindeutige Klärung erbracht. Gebissen hat jedenfalls nur der klägerische Hund, was nach Aussage aller Beteiligten feststeht.

Die Beklagte geht in ihrem Bescheid vom April 2012 im Ansatz zutreffend davon aus, dass von Hunden ausgehende Gefahren auch auf einem hundetypischen, artgerechten Verhalten beruhen können und dass der Hund der Klägerin ein großes Tier sei, das in der Lage sei, Mensch und Tier erhebliche Verletzungen zuzufügen. Der klägerische Rhodesian Ridgeback ist nämlich bereits von seiner Größe (Widerristhöhe über 60 cm) und seinem Gewicht (über 30 kg) her ein großer und kräftiger Hund, der anderen Tieren (und Menschen) allein aufgrund seines Körperbaus Angst einflössen und anlässlich eines Beißvorfalls erhebliche Schäden zufügen kann, wenngleich er vom Charakter her keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweist (vgl. „Rhodesian Ridgeback“ bei Wikipedia). Insoweit nimmt die Beklagte offensichtlich Bezug auf die Rechtsprechung des Senats, der bereits mehrfach (vgl. grundlegend U. v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25) die Auffassung vertreten hat, dass von großen Hunden, die frei herumlaufen, eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehe. Dies gilt allerdings im Regelfall nur für öffentliche Straßen und Wege mit relevantem Publikumsverkehr. Ob hier ausnahmsweise auch für den Außenbereich angenommen werden kann, dass der klägerische Hund, obwohl er noch nie einen Menschen verletzt oder angegriffen hat, allein wegen seiner Größe und des Beißvorfalls mit dem Hund eine konkrete Gefahr auch für das Schutzgut Gesundheit darstellt, kann letztlich offen bleiben.

Ungeachtet der womöglich unrichtigen Begründung im streitgegenständlichen Bescheid unterliegt die von der Beklagten getroffene Einschätzung hinsichtlich der Gefahrenprognose nicht nur in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, U. v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris Rn. 22), sondern es ist im gerichtlichen Verfahren auch von Amts wegen zu prüfen, ob vom betreffenden Hund eine konkrete Gefahr i. S. v. Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 LStVG ausgeht. Lagen demnach im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten Tatsachen vor, die eine von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose hinreichend stützen, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG gegeben, auch wenn die anordnende Behörde die Gefahrenprognose missverständlich oder fehlerhaft begründet hat.

So steht im vorliegenden Fall fest, dass der klägerische Hund „L.“ in einen Beißvorfall verwickelt war, bei dem er einen wesentlich kleineren Jack-Russel-Terrier auf einem Radweg außerhalb bebauter Bereiche angegriffen und gebissen hat. Der von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr bestrittene Beißvorfall zeigt, dass ihr Hund durchaus über ein gewisses Aggressionspotential verfügt und damit die Gefahr besteht, dass er sich in einer ähnlichen Situation erneut auf einen anderen Hund stürzen könnte. Dass der Jack-Russel möglicherweise selbst ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das nicht artgerecht ist, und er aufgrund seiner aus einer Zwingerhaltung resultierenden nicht sozialisierten Wesensart den Vorfall womöglich provoziert hat, spielt dabei keine Rolle. Ausreichend ist, dass „L.“ das Eigentum von Menschen, hier den gebissenen Hund, verletzt hat und damit eine konkrete Gefahr für ein in Art. 18 Abs. 1 LStVG genanntes Schutzgut darstellt.

1.2. Auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also dem 24. November 2014, ist von einer weiter vom klägerischen Hund ausgehenden konkreten Gefahr für ein solches Schutzgut auszugehen. Zwar hat „L.“, soweit dem Senat bekannt ist, kein weiteres Tier mehr gebissen oder angegriffen. Dies mag auch daher rühren, dass er seit dem Erlass des Bescheides im August 2012 an der Leine geführt wird. Dennoch ist die vom Hund der Klägerin ausgehende konkrete Gefahr nicht deshalb entfallen, weil es seitdem zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen ist. Denn mangels eines Erfahrungssatzes, nach dem ein Hund, der über einen bestimmten Zeitraum unauffällig war, es auch in Zukunft bleiben wird, widerlegt ein längerer seit einem Beißvorfall verstrichener Zeitraum nicht per se die durch den vorherigen Beißvorfall indizierte Gefahrenlage (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 25). Von einem Wegfall der konkreten Gefahr kann vielmehr allenfalls dann ausgegangen werden, wenn über den bloßen Zeitablauf ohne weitere Zwischenfälle hinaus Tatsachen vorliegen, aus denen der sichere Schluss gezogen werden kann, dass von dem betroffenen Hund inzwischen keine Gefahr mehr ausgeht (vgl. BayVGH, B. v. 25.8.2014 - juris Rn. 8; B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 25). Solche konkreten Tatsachen sind im vorliegenden Falle aber nicht ersichtlich.

2. Die Anordnung Nr. 1 im noch streitbefangenen Umfang erweist sich aber deshalb als rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft ist (Art. 40 BayVwVfG). Dies trifft sowohl auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids zu (dazu 2.1.) als auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (dazu 2.2.), denn eine ausreichende Ermessensergänzung des Verwaltungsakts ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO erfolgt.

2.1. Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Erschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids, also am 20. April 2012, hat die Beklagte zwar gesehen, dass ihr ein Ermessen dahingehend zusteht, ob sie Anordnungen hinsichtlich der Haltung des Hundes der Klägerin erlassen will und hat ein Einschreiten im öffentlichen Interesse ausdrücklich für notwendig gehalten. Allerdings ist sie dabei davon ausgegangen, dass vom klägerischen Hund eine schwere Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen ausgeht, wenn er sich außerhalb des klägerischen Grundstücks unangeleint aufhält. „L.“ hat aber bislang nie Anlass dafür gegeben, bei ihm von einer derart schweren Gefahr für diese Schutzgüter auszugehen. Zwar steht fest, dass er den Jack-Russel „St.“ beim streitgegenständlichen Beißvorfall verletzt hat, jedoch sind sonstige Beißattacken nicht nachweislich bekannt. Dass „L.“ schon einmal eine Katze gebissen hat, wird zwar behauptet, steht aber nicht eindeutig fest. Schon gar nicht hat er Menschen angegriffen und verletzt. Auch wenn die Beklagte davon ausgeht, dass der klägerische Hund eine Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen darstellen könne, hat auch sie nicht behauptet, ein Mensch sei von diesem Hund jemals verletzt oder auch nur sonst angegangen worden. Damit ist aber bereits fraglich, ob die Beklagte ihr Ermessen, ob sie gegen die Hundehalterin einschreiten will, ordnungsgemäß ausgeübt hat. Denn dies ist nur dann der Fall, wenn sie ihren Ermessenserwägungen Tatsachen zugrunde legt, die auch zutreffen.

Verfehlt ist überdies die rechtliche Bewertung der Beklagten, ein Einschreiten sei (zwingend) geboten, weshalb es für die Frage, ob Anordnungen überhaupt getroffen werden, keiner Ermessenserwägungen mehr bedürfe. Die Annahme der Beklagten im angefochtenen Bescheid, Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zur Abwehr der realisierten Gefahr seien dann, wenn es bereits zu einem Beißvorfall gekommen sei, nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten, trifft in der Form hier nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind zwar in Fällen, in denen es in der Vergangenheit bereits zu Beißvorfällen mit Verletzungen der Gesundheit von Menschen gekommen ist, Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht nur zulässig, sondern regelmäßig sogar geboten (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 25.8.2014 -10 ZB 12.2673 - juris Rn. 8). Die Argumentation der Beklagten, bei Gefährdung von Leben und Gesundheit sei das Ermessen „auf Null“ reduziert mit der Folge, dass geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr ergriffen werden müssten, ist gleichwohl hier verfehlt. Gerade dies liegt im vorliegenden Fall nämlich nicht vor, da Leben und Gesundheit von Menschen vom klägerischen Hund niemals gefährdet waren.

Selbst wenn man unter Hintanstellung aller Bedenken davon ausgeht, dass die Beklagte ihr Ermessen, ob sie Anordnungen hinsichtlich der Haltung des Hundes der Klägerin erlassen will, ermessensfehlerfrei ausgeübt hat, fehlt es jedenfalls an ausreichenden und nachvollziehbaren Ermessenserwägungen dahingehend, welche Maßnahmen geeignet und erforderlich waren und warum diese der Klägerin auch zumutbar waren (Art. 8 LStVG). Zu den im Bescheidstenor angeordneten Maßnahmen, nämlich Leinenzwang außerhalb des Grundstücks der Klägerin, Führen an einer reißfesten, maximal 2 Meter langen Leine mit Hakenkarabiner und Anlegen eines schlupfsicheren Halsbands enthalten die Bescheidsgründe keinerlei Ausführungen. Schon gar nicht unterscheidet die Beklagte zwischen einem Anleinzwang im Bereich bebauter Ortsteile und in Bereichen außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile. Sie führt im Bescheid zwar aus, dass der Erlass von Anordnungen im pflichtgemäßen Ermessen stehe und dass ein Einschreiten im öffentlichen Interesse notwendig sei, verliert zu den einzelnen Maßnahmen aber kein Wort. Mit dem Einzelfall der Klägerin befasst sie sich überhaupt nicht und kommt letztendlich ohne nähere Begründung zum Ergebnis, „die Anordnung hinsichtlich des Leinenzwangs entspricht somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“. Eine Abwägung zwischen den Belangen der Klägerin und den öffentlichen Interessen findet nicht statt. Das Interesse des Halters, von sicherheitsrechtlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, wird lediglich insofern erwähnt, als nach Auffassung der Beklagten dieses grundsätzlich nachrangig sei und regelmäßig hinter das höherwertige Ziel des Schutzes von Menschen zurücktreten müsse. Wie oben bereits dargelegt, ist im Bescheid aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich, inwiefern das Schutzziel der Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen im vorliegenden Fall überhaupt tangiert sein soll, da der klägerische Hund bislang keine anderen Personen angegriffen oder gar verletzt hat. Eine fehlerfreie Ermessensausübung ist aber schon vom Ansatz her nur dann möglich, wenn ein zutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt und konkret herausgearbeitet wird, welche Gefahr vom streitgegenständlichen Hund ausgeht und ob diese Gefahr auch mit dem streitgegenständlichen Bescheid bekämpft werden soll und kann und zudem in welcher Weise.

So ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob eine derart gravierende Anordnung wie ein zeitlich und räumlich unbeschränkter Leinenzwang tatsächlich erforderlich ist, um dem in Zukunft zu befürchtenden Schadenseintritt zu begegnen oder ob andere weniger beeinträchtigende Maßnahmen ausreichen. Diese Pflicht entfällt auch nicht deshalb, weil der klägerische Hund ein großer Hund mit einem allen großen Hunden immanenten Gefahrenpotential ist (vgl. oben S. 10). Für Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile geht der Senat nämlich in der Regel davon aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann verletzt und demgemäß das Ermessen dann fehlerhaft ausgeübt ist, wenn generell für das gesamte Gemeindegebiet eine Anleinpflicht angeordnet wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2001 - 24 N 00.1638 - juris Rn. 25). Dies gilt auch für große Hunde. Alternativen zum Leinenzwang werden von der Beklagten aber gar nicht aufgezeigt. Die Beklagte legt auch nicht ansatzweise dar, wieso im vorliegenden Fall die in vergleichbaren Fällen übliche Anordnung, nämlich bei ansonsten freiem Auslauf außerhalb bewohnter Gebiete den Hund unverzüglich an die Leine zu legen, wenn sich Menschen oder andere Tiere nähern oder eine sonstige Situation dies aus Sicherheitsgründen erfordert, verfügt wurde. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der klägerische Hund gerade im Außenbereich einen anderen Hund gebissen hat und deshalb womöglich auch für diesen Bereich Anordnungen zur Hundehaltung erforderlich sind, fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit der Art und Weise dieser Anordnungen. Denn außer einem zeitlich und örtlich nicht beschränkten Leinenzwang sind auch andere Anordnungen denkbar, die ein Beißen verhindern können, aber dem natürlichen Bewegungsdrang des Hundes mehr Raum lassen und deshalb einer artgerechteren Haltung dienen. Zieht man in Erwägung, dass der klägerische Hund zwar einen anderen Hund gebissen, ansonsten aber bisher weder für Menschen eine Gefahr dargestellt und weder Personen verletzt noch angesprungen hat, könnte beispielsweise auch eine längere Laufleine, die dem Hund mehr Bewegungsfreiheit eröffnet, oder das Anlegen eines Maulkorbs zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dass der uneingeschränkte Leinenzwang die einzig mögliche Maßnahme war, um zu verhindern, dass der klägerische Hund erneut einen anderen Hund beißt, wird auch im angefochtenen Bescheid weder behauptet geschweige denn hinreichend dargelegt.

2.2. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht den rechtlichen Anforderungen entsprechend (§ 114 Satz 2 VwGO) ergänzt, so dass sich der Bescheid auch dann, wenn zur Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit auf den jetzigen Zeitpunkt abzustellen wäre, nicht als ermessensfehlerfrei erweist.

Ungeachtet der Frage, ob der angefochtene Bescheid im Hinblick auf das Auswahlermessen überhaupt Ermessenserwägungen beinhaltet, die gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt werden können, und der Frage, ob hier ein Fall gegeben ist, in dem auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ermessensentscheidung nachgeholt werden kann und erstmals Ermessenserwägungen angestellt werden dürfen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 3.8.2004 - 1 C 30/02 - juris Rn. 31; BVerwG, U. v. 5.9.2006 - 1 C 20/09 - juris Rn. 22), hat die Beklagte jedenfalls ihr Ermessen auch nachträglich nicht ordnungsgemäß ausgeübt bzw. ergänzt. Weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren wurden durch die Beklagte am Zweck der Ermächtigung orientierte und den Einzelfall in den Blick nehmende Ermessenserwägungen angestellt. Vielmehr hat sie in ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 7. August 2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für sie kein Grund zur Ausübung eines Auswahlermessens bestanden habe, da insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen habe. Der unbeschränkte Leinenzwang sei die einzige ermessensgerechte Entscheidung gewesen. Auch in der mündlichen Verhandlung des Senats am 24. November 2014, in der die Beklagte im Rechtsgespräch darauf hingewiesen worden ist, dass ein Leinenzwang ohne jede Einschränkung wohl mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar sei und ein intendiertes Ermessen oder eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des Auswahlermessens wohl nicht in Betracht komme, hat die Beklagte keine ermessensergänzenden Ausführungen mehr gemacht.

Aus den genannten Gründen war der Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 f. ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.