Verwaltungsgericht München Beschluss, 09. Nov. 2018 - M 22 E 18.5427

bei uns veröffentlicht am09.11.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zur Behebung der Obdachlosigkeit eine Notunterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1973 geborene Antragssteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft.

Am 7. November 2018 wandte sich der Antragsteller an die Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts München und beantragte,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, ihm vorläufig eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen.

Zur Begründung trägt er (unter Verweis auf eine Bescheinigung der Diakonie Freising, die er zu Beratungszwecken aufgesucht hatte) vor, dass sein Zimmer in einer Wohnung in Freising gekündigt worden sei und er in der Folge keinen neuen Wohnraum gefunden habe. Er habe AlG II-Leistungen beantragt, allerdings noch nicht bewilligt bekommen, weshalb er mittellos sei und selbst nicht für eine Privatunterkunft sorgen könne. Er habe schon mehrere Nächte am Bahnhof genächtigt. Er habe mit der Antragsgegnerin Kontakt aufgenommen, die ihn auf Grund belegter Notunterkünfte aber nicht untergebracht habe.

Mit Schriftsatz vom 8. November 2018 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin habe zu keinem Zeitpunkt die unmittelbare Gefahrenabwehr verweigert. Dem Antragsteller sei im Rahmen seiner Vorsprache am 7. November 2018 erklärt worden, dass ihm für die unmittelbare Gefahrenabwehr ein Schlafplatz für eine Nacht in einem Wohncontainer angeboten werden könne. Damit sei die Antragsgegnerin ihrer Pflichtaufgabe hinreichend nachgekommen. Eine mittelfristige Lösung könne dem Antragsteller nicht geboten werden, da alle Notunterkünfte belegt seien. Der Antragsteller sei daraufhin zur Diakonie gegangen. Auch dieser sei erklärt worden, dass dem Antragsteller nur eine Unterkunft für eine Nacht angeboten werden könne und keine Aussicht auf die Zuweisung einer Wohnung in Freising bestehe. Ein erkennbarer Wille, sich anderweitig um Wohnraum zu bemühen, habe beim Antragsteller nicht festgestellt werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

2. Die Antragsgegnerin hat als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer - unfreiwilligen - Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729). Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch kann allerdings nur angenommen werden, soweit der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 - 4 CE 06.2465 - BayVBl 2007, 439).

Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Darlegung eines Anordnungsgrundes wie auch eines Anordnungsanspruchs ist vorliegend Genüge getan.

Die Antragsgegnerin ist für die Unterbringung des Antragstellers insbesondere sachlich und örtlich zuständig, weil die Obdachlosigkeit des Antragstellers im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eingetreten und durch die vorübergehenden, wechselnden Schlafplätze auch nicht wieder entfallen ist.

Nach dem Vorbringen des Antragstellers liegt auch eine unfreiwillige Obdachlosigkeit vor. Der wohl gegenteiligen Annahme der Antragsgegnerin, kann mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht gefolgt werden.

Zwar sind Personen, denen Obdachlosigkeit droht, zur Selbsthilfe verpflichtet, so dass die Sicherheitsbehörde auf eigene Maßnahmen verzichten kann, wenn sich der Betroffene durch die Inanspruchnahme anderweitiger Hilfsangebote oder durch den Einsatz eigener Sach- oder Finanzmittel in zumutbarer Weise aus eigener Kraft geeigneten Wohnraum verschaffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 - 4 CE 16.2575 - juris Rn. 9; B.v. 13.2.2014 - 4 CS 14.126 - juris Rn. 6). Allein der Umstand, dass die Suche nach einer neuen Unterkunft nicht von Anfang an mit dem notwendigen Nachdruck betrieben worden ist und die eingetretene Wohnungsnot daher möglicherweise auch auf eigenem Verschulden beruht, stellt aber noch keine Verletzung dieser Selbsthilfeobliegenheit dar. Erst wenn von einer tatsächlich bestehenden Option der Unterbringung bzw. der Beschaffung einer Unterkunft ohne sachlich nachvollziehbaren Grund kein Gebrauch gemacht wurde, kann die dadurch eingetretene oder fortdauernde Obdachlosigkeit als „freiwillig“ angesehen werden.

Dem Anspruch auf obdachlosenrechtliche Unterbringung kann insbesondere auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Antragsteller seine Bemühungen um eine neue Wohnung nicht auf den näheren Umgriff um Freising hätte beschränken dürfen. Angesichts des ihm nach Art. 11 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG zustehenden Grundrechts auf Freizügigkeit kann ihn die Antragsgegnerin als diejenige Körperschaft, in der er bisher gewohnt hat und offenbar weiterhin wohnen will, nicht auf einen möglichen Umzug in einen weit entfernten Ort mit einem möglicherweise größeren oder preisgünstigeren Wohnungsangebot verweisen und sich damit ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr entledigen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2017 - 4 CE 17.1661 -, juris; B.v. 4.4.2017 - 4 CE 17.615 - NVwZ-RR 2017, 575 Rn. 6).

Ein Anordnungsanspruch entfällt auch nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Unterbringung für eine Nacht angeboten hat und durch dieses Angebot ihrer Unterbringungsverpflichtung hinreichend nachgekommen wäre, denn vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller seine Obdachlosigkeit derart kurzfristig aus eigener Kraft hätte beseitigen können. Er wäre daher nach dieser Nacht erneut in die Obdachlosigkeit entlassen worden; dies zumal der Antragsteller nach den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzulegenden Maßstäben auch hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er nicht über Mittel verfügt, aufgrund derer es ihm möglich wäre, sich, wenn auch nur vorübergehend, eine Unterkunft anderweitig zu beschaffen. Letzterem ist die Antragsgegnerin auch nicht entgegengetreten.

Vor diesem Hintergrund sind auch keine Zweifel am Anordnungsgrund in Gestalt der Eilbedürftigkeit ersichtlich. Das Abwarten einer Hauptsachentscheidung ist dem mittellosen Antragsteller, der ohne die begehrte vorläufige Regelung darauf angewiesen wäre, sich weiterhin von Nacht zu Nacht einen Unterschlupf zu suchen, zumal zur kalten Jahreszeit, nicht zuzumuten. Die Eilbedürftigkeit wird auch durch die zwischen dem Auszug des Antragstellers und seinem Ersuchen um obdachlosenrechtliche Unterbringung verstrichene Zeit nicht in Frage gestellt.

Dem Antragsteller steht somit ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft zu, der sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände auf einen Unterbringungsanspruch gegen die Antragsgegnerin verdichtet hat. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller daher zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorübergehend eine Unterkunftsmöglichkeit einfacher Art, die Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet, zur Verfügung zu stellen. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin keine solche Unterkunft hat, hat sie eine solche, ggf. durch privatrechtliches Handeln, zu beschaffen, wobei die Unterkunft sich nicht zwingend im Stadtgebiet befinden muss. Die Räume dürfen allerdings nicht „zu weit“ entfernt sein, da die Stadt andernfalls ihren Aufgaben (Kontakthalten, Ermöglichen des Stellens von Anträgen, Überprüfen des Zustands der Unterbringung etc.) nicht hinreichend gerecht werden kann. Eine wohnungsmäßige Versorgung kann der Antragsteller demgegenüber nicht verlangen. Die Zurverfügungstellung einer Sozialwohnung kann vom Antragsteller obdachlosenrechtlich nicht begehrt werden, die Unterbringung in einem Mehrbettzimmer oder auch in einem Wohncontainer ist ausreichend.

Die sicherheitsrechtliche Unterbringung stellt dabei angesichts ihres Überbrückungscharakters auch keine Dauerlösung dar. Der Anspruch auf vorläufige Unterbringung besteht nur, soweit und solange der Antragsteller die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe des Sozialleistungsträgers in zumutbarerer Weise und Zeit beheben kann. Der Antragsteller ist daher darauf hinzuweisen, dass er gehalten ist, sich ggf. unter Inanspruchnahme der ihm zustehenden Beratungs- und Hilfsangebote alsbald um eine anderweitige Unterkunft zu bemühen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 35.3 des Streitwertkatalogs 2013.

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 11


(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der

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bei uns veröffentlicht am 30.01.2017

Tenor I. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. IV. De

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2017 - 4 CE 17.1661

bei uns veröffentlicht am 27.10.2017

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 4 CS 14.126

bei uns veröffentlicht am 13.02.2014

Tenor I. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J., Kelheim, beigeordnet. II. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Dezember 2013 wird aufgehoben.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2017 - 4 CE 17.615

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1. Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Nr. 2 des Beschlusses vom 1.12.2016) hat keinen Erfolg.

a) Die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin (§ 67 Abs. 2 VwGO) innerhalb der gesetzlichen Fristen (§ 147 Abs. 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) eingelegte und begründete Beschwerde ist allerdings entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht deshalb unzulässig, weil die in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genannten formellen Anforderungen nicht eingehalten wären.

Zwar verlangt das Gesetz einen „bestimmten Antrag“, der aus dem Antrag auf Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses und dem Sachantrag bestehen muss. Ein Beschwerdeantrag kann sich aber nach allgemeinem Verständnis auch sinngemäß aus den Beschwerdegründen ergeben. Es genügt, wenn sich aus dem innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO Vorgetragenen mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2016 - 15 CS 16.1106 - juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 21). Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin mit der ausdrücklich erhobenen „Beschwerde gegen den Beschluss des VG Augsburg vom 1.12.16“ und dem erneut gestellten Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, sie im Rahmen der Obdachlosenfürsorge vorläufig unterzubringen, den Inhalt ihres Eilrechtsschutzbegehrens unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat.

Die Beschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keine Beschwerdegründe dargelegt und sich mit der angegriffenen Entscheidung nicht inhaltlich auseinandergesetzt hätte. Sie hat vielmehr unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie eines aktuellen ärztlichen Attests konkret dargelegt, warum sie derzeit nicht bei ihren Eltern und Großeltern untergebracht werden kann und dass ihre Bemühungen um Anmietung einer eigenen Wohnung in jüngster Zeit erfolglos geblieben sind. Sie ist damit den aus Sicht des Verwaltungsgerichts maßgebenden Erwägungen entgegengetreten und hat sich insoweit mit dem Inhalt des angegriffenen Beschlusses auseinandergesetzt.

b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin hinsichtlich der begehrten vorläufigen Obdachlosenunterbringung auch nach gegenwärtigem Stand keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Bei der rechtlichen Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens ist allerdings auch neues Vorbringen der Antragstellerin zu berücksichtigen. Die betreffenden Aussagen und Beweismittel müssen entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners nicht etwa deshalb außer Betracht bleiben, weil sie dem Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren bewusst vorenthalten worden sein könnten. Der vom Bevollmächtigten des Antragsgegners zitierten Rechtsprechung einiger Oberverwaltungsgerichte, wonach es dem (Beschleunigungs-)Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO zuwiderlaufe, wenn das Beschwerdegericht die für das Beschwerdeverfahren „aufgesparten“ Gründe erstmals prüfe (so VGH BW, B.v. 8.11.2004 - 9 S 1536/04 - NVwZ-RR 2006, 74; NdsOVG, B.v. 20.7.2012 - 12 ME 75/12 - juris Rn. 9; offen OVG LSA, B.v. 18.9.2008 - 3 M 511/08 - juris Rn. 4), kann nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat weder für das erstinstanzliche Eilverfahren eine Verpflichtung zum umfassenden und abschließenden Sachvortrag noch für das Beschwerdeverfahren eine (formelle) Präklusion angeordnet. Daher ist der Beschwerdeführer nicht gehindert, neue Gründe vorzutragen und neue Beweismittel vorzulegen, selbst wenn ihm diese bereits früher bekannt waren bzw. zur Verfügung standen oder sogar von ihm erst nachträglich geschaffen wurden (vgl. OVG NRW, B.v. 26.3.2004 - 21 B 2399/03 - juris Rn. 23; Jeromin in Gärditz, VwGO, 2013, § 146 Rn. 34; Happ in Eyermann, VwGO, § 146 Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 146 Rn. 42; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch u.a., VwGO, § 146 Fn. 138; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 83; Käß, BayVBl 2009, 677/680 f.).

Im vorliegenden Fall führt das den bisherigen Sachvortrag ergänzende Beschwerdevorbringen jedoch nicht zu einer von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichenden rechtlichen Beurteilung. Die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegende, u.a. auf eine telefonische Anfrage des Antragsgegners gestützte Annahme, dass der Antragstellerin bei ihren Großeltern, wenn auch ohne ihre Lebensgefährtin, eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehe und es somit schon an einem Anordnungsgrund fehle, wird durch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert in Frage gestellt.

Die Antragstellerin trägt zwar in Form einer eidesstattlichen Versicherung vor, sie könne „aus zwingenden medizinischen Gründen nicht bei ihren Eltern und Großeltern untergebracht werden“; ein neutrales Umfeld sei zwingend erforderlich, da die ständigen Konflikte ihren psychischen Zustand verschlechterten und zu einer psychischen Destabilisierung führten. In dem dazu eingereichten Attest der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie wird jedoch lediglich referiert, dass „laut Angaben der Patientin“ zu Hause mit den Eltern eine wiederkehrende Konfliktsituation bestehe, weswegen ein Zusammenleben mit den Eltern nicht möglich sei, so dass der Aufenthalt in einem neutralen Umfeld empfohlen werde. Über einen ähnlich tiefgreifenden Konflikt mit den Großeltern hat die Antragstellerin demnach den behandelnden Ärzten nicht berichtet. Auch aus ihrer eidesstattlichen Versicherung und den sonstigen Unterlagen ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es mit den Großeltern - über deren Ablehnung einer gemeinsamen Aufnahme der Antragstellerin und ihrer Lebensgefährtin hinaus - zu ernsthaften Streitigkeiten gekommen wäre, die der Antragstellerin eine zumindest vorläufige Rückkehr dorthin unzumutbar machen könnten. Bezeichnenderweise wird auch in der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin im Parallelverfahren Az. 4 CE 16.2460 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung über ein am 2. Dezember 2016 geführtes Telefongespräch mit den Großeltern der Antragstellerin lediglich deren Weigerung erwähnt, die Lebensgefährtin mit in ihr Haus aufzunehmen. Daraus kann geschlossen werden, dass die Bereitschaft zur (isolierten) Aufnahme der Antragstellerin unverändert fortbesteht.

Da für die Sicherheitsbehörde grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, einer (nicht unter Art. 6 Abs. 1 GG fallenden) nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder einem sonstigen persönlichen Näheverhältnis bei der Wohnungszuweisung Rechnung zu tragen, kann es der Antragstellerin im Hinblick auf den im Obdachlosenrecht geltenden Vorrang der Selbsthilfe (dazu allgemein Ruder, VBlBW 2017, 1/6 f. m.w.N.) auch unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer allgemeinen Lebensstellung zugemutet werden, das Unterbringungsangebot ihrer Großeltern bis auf weiteres in Anspruch zu nehmen. Dies liegt im Übrigen auch in ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse, da sie bei einer bestehenden Unterbringung im familiären Umfeld erheblich günstigere Aussichten haben dürfte, in absehbarer Zeit angemessenen eigenen Wohnraum anzumieten, als dies bei einer Wohnungssuche aus einer Obdachlosenunterkunft heraus der Fall wäre.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert im Beschwerdeverfahren aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO) war ungeachtet der nach dem Vorstehenden ohnehin fehlenden Erfolgsaussichten auch deshalb abzulehnen, weil die nach § 117 Abs. 2 ZPO abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keine Angaben zum aktuellen Kontostand des Girokontos enthält, auf das die Sozialleistungen laut Bescheid des Jobcenters regelmäßig überwiesen werden.

Dr. Zöllner Dr. Peitek Dr. Schübel-Pfister

Tenor

I.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J., Kelheim, beigeordnet.

II.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Dezember 2013 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Räumungsbescheid der Antragsgegnerin vom 8. November 2013 wird wiederhergestellt.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller war mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit in die städtische Notunterkunft der Antragsgegnerin eingewiesen worden. Die Antragsgegnerin ließ die Wohnung des Antragstellers wegen Schwarzschimmelbefall beginnend mit dem 18. Februar 2013 räumen und setzte ihn in einen auf dem gleichen Grundstück aufgestellten Wohncontainer um (Einweisungsbescheid vom 6. März 2013 befristet bis zum 6. April 2013).

Mit Räumungsbescheid vom 8. November 2013 hob die Antragsgegnerin die Einweisungsverfügung vom 6. März 2013 auf und verpflichtete den Antragsteller, den Wohncontainer bis zum 3. Dezember 2013 zu räumen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Da der Antragsteller über eigene Mittel verfüge, die es ihm erlaubten, sich selbst eine Wohnung zu beschaffen, liege eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht mehr vor.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 abgelehnt. Ein Anspruch auf Obdachlosenunterbringung bestehe nur solange, wie die untergebrachte Person von Obdachlosigkeit bedroht sei. Dies sei beim Antragsteller nicht mehr gegeben. Soweit er sich auf seine finanzielle Situation, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Situation am Wohnungsmarkt berufe, sei darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe der nach Sicherheitsrecht erfolgenden Obdachlosenunterbringung sei, jede auf Sozialleistungen angewiesene Person unterzubringen, bis sie eine Wohnung gefunden habe. Der Obdachlose habe sich nach dem Grundsatz des Vorrangs seiner Selbsthilfe und Eigenverantwortung selbst mit allen zumutbaren Anstrengungen zu bemühen, die Notlage zu beseitigen, da seine eigenen Interessen inmitten stünden, deren Wahrung zunächst seine Angelegenheit sei. Nachweise darüber, dass er sich bemüht habe, einen geeigneten Wohnraum zu finden und ihm dies nicht möglich gewesen sei, habe der Antragsteller nicht erbracht. Sein Vortrag, ihm sei es nicht möglich gewesen, geeigneten Wohnraum zu finden, sei nicht substantiiert und werde auch durch keinerlei Nachweise belegt. Auch ergebe sich aus den von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht, dass es ihm aufgrund seines Gesundheitszustands nicht möglich sei, einen geeigneten Wohnraum zu suchen. Dass der Antragsteller sich eigenständig um geeigneten Wohnraum bemühen müsse, sei mit ihm in der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2013 im Verfahren RN 4 K 12.1959 besprochen worden. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller einen Zeitraum von sieben Monaten eingeräumt, bis sie den Räumungsbescheid erlassen habe. Die streitgegenständliche Anordnung solle nach Mitteilung der Antragsgegnerin erst im März/April 2014 vollzogen werden, so dass die gesetzte Frist (3. Dezember 2013) ohnehin hinfällig sei.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegen getreten ist.

II.

1. Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz zu bewilligen, weil er bedürftig ist (vgl. Bescheid über die die Rente wegen voller Erwerbsminderung ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt des Landkreises Kelheim vom 9. Oktober 2013 zur Abdeckung der Kosten der Obdachlosenunterkunft) und die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).

2. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, ist begründet. Der angefochtene Räumungsbescheid erweist sich bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, so dass kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung besteht. Die Antragsgegnerin müsste nach einer Räumung erneut sicherheitsrechtlich gegen die dann eintretende Obdachlosigkeit des Antragstellers einschreiten. Denn dem Antragsteller steht keine anderweitige Wohnmöglichkeit oder Unterkunft zur Verfügung und es ist ihm - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht möglich, die Wohnungslosigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen. Allein der Umstand, dass die Sozialhilfebehörde im Fall eines Umzugs bereit ist, die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen, führt nicht zum Vorrang der Selbsthilfeverpflichtung des Antragstellers. Wie die Arztpraxis A. unter dem 24. Januar 2014 bestätigt hat, ist der Antragsteller wegen seiner schweren Erkrankungen (Persönlichkeitsstörungen, Äthylismus, Hypertonie, Depression) nicht in der Lage, auf dem Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu suchen. Dies ist angesichts der schweren Alkoholabhängigkeit des Antragstellers glaubhaft. Dementsprechend ist es ohne Belang, dass über die vorgetragenen erfolglosen Bemühungen um eine Wohnung keine Nachweise vorliegen. Dass das im Räumungsbescheid um Unterstützung des Antragstellers bei der Wohnungssuche gebetene Sozialamt dem Antragsteller ein Wohnungsangebot unterbreitet hätte, ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin geht zu Unrecht von einer missbräuchlichen Nutzung der Obdachlosenunterkunft aus; ihr kommt auch bei der Frage, ob eine Gefahr vorliegt, die eine Obdachlosenunterbringung notwendig macht - entgegen der Antragserwiderung vom 10. Dezember 2013 an das Verwaltungsgericht - kein Ermessensspielraum zu. Dieses Ermessen reduziert sich angesichts der Umstände des Einzelfalls zu einem Anspruch auf sicherheitsbehördliches Einschreiten.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine im Eilverfahren ergangene Anordnung, mit der sie verpflichtet wurde, dem Antragsteller sowie dessen Ehefrau und Kindern vorläufig eine Obdachlosenunterkunft zuzuweisen.

Der Antragsteller musste die zusammen mit seinen Angehörigen bisher bewohnte Mietwohnung, die im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gelegen war, aufgrund eines rechtskräftigen Räumungsurteils verlassen. Nachdem die Antragsgegnerin ihm im Vorfeld des Räumungstermins mitgeteilt hatte, dass er und seine Familie aus rechtlichen Gründen nicht als Obdachlose untergebracht werden könnten, stellte er am 28. Juli 2017 einen Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz.

Mit Beschluss vom 9. August 2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht München die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller sowie dessen Ehefrau und Kindern ab 11. August 2017 zur Behebung der drohenden Obdachlosigkeit eine Notunterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.

Die Antragsgegnerin war zur vorläufigen Unterbringung des Antragstellers verpflichtet, da es sich um eine „unfreiwillige Obdachlosigkeit“ handelte, die ein sicherheitsrechtliches Einschreiten erforderlich machte. Der gegenteiligen Annahme der Antragsgegnerin, wonach schon wegen des fehlenden Nachweises hinreichender und rechtzeitiger Bemühungen des Antragstellers um Ersatzwohnraum eine Gefahrenlage nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ausgeschlossen sei, kann nicht gefolgt werden.

Zwar sind Personen, denen Obdachlosigkeit droht, zur Selbsthilfe verpflichtet, so dass die Sicherheitsbehörde auf eigene Maßnahmen verzichten kann, wenn sich der Betroffene durch die Inanspruchnahme anderweitiger Hilfsangebote oder durch den Einsatz eigener Sach- oder Finanzmittel in zumutbarer Weise aus eigener Kraft geeigneten Wohnraum verschaffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 4 CE 16.2575 – juris Rn. 9; B.v. 13.2.2014 – 4 CS 14.126 – juris Rn. 6). Allein der Umstand, dass die Suche nach einer neuen Unterkunft nicht von Anfang an mit dem notwendigen Nachdruck betrieben worden ist und die eingetretene Wohnungsnot daher möglicherweise auf eigenem Verschulden beruht, stellt aber noch keine Verletzung dieser Selbsthilfeobliegenheit dar. Erst wenn von einer tatsächlich bestehenden Option der Unterbringung bzw. der Beschaffung einer Unterkunft ohne sachlich nachvollziehbaren Grund kein Gebrauch gemacht wurde, kann die dadurch eingetretene oder fortdauernde Obdachlosigkeit als „freiwillig“ angesehen werden.

Ein solcher Ausnahmefall liegt beim Antragsteller ersichtlich nicht vor. Dass ihm in dem Zeitraum nach Bekanntwerden der Wohnungskündigung oder nach Festlegung des Räumungstermins ein konkretes Angebot zum privaten Anmieten einer für seine Familie geeigneten Wohnung vorgelegen hätte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Wegen der im Großraum München und daher auch an seinem bisherigen Wohnort bestehenden Wohnungsknappheit war und ist es ihm auch nach Erhalt von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nicht ohne weiteres möglich, sich aus eigener Initiative kurzfristig eine angemessene neue Wohnung zu verschaffen. Dass der Antragsteller sich in seiner speziellen persönlichen Situation – als erwerbsloser Ausländer ohne hinreichende deutsche Sprachkenntnisse – bei der Wohnungssuche im Wesentlichen der Vermittlungsdienste eines Wohlfahrtsverbands bedient und darüber hinaus wohl keine eigenen Anstrengungen unternommen hat, schließt seinen Hilfsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin als örtlich zuständiger Sicherheitsbehörde nicht aus.

Dem Anspruch auf obdachlosenrechtliche Unterbringung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Antragsteller seine Bemühungen um eine neue Wohnung nicht auf das Gemeindegebiet habe beschränken dürfen. Angesichts des ihm nach Art. 11 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG zustehenden Grundrechts auf Freizügigkeit kann ihn die Antragsgegnerin als diejenige Gemeinde, in der er bisher gewohnt hat und offenbar weiterhin wohnen will, nicht auf einen möglichen Umzug in einen anderen Ort mit einem möglicherweise größeren oder preisgünstigeren Wohnungsangebot verweisen und sich damit ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr entledigen (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 4 CE 17.615 – NVwZ-RR 2017, 575 Rn. 6).

Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller zur Abwehr einer drohenden Obdachlosigkeit eine geeignete Notunterkunft zur Verfügung zu stellen, entfällt auch nicht allein deswegen, weil ihm und seiner Familie mittlerweile – wie die Antragsgegnerin vorträgt – Grundsicherungsleistungen bewilligt worden sind. Selbst wenn deren Höhe ausreichen sollte, um die laufenden Kosten für eine angemessene Wohnung im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zu zahlen, entfiele damit unter den gegebenen Umständen nicht schon automatisch die sicherheitsrechtliche Unterbringungspflicht. Solange nicht feststeht, dass sich dem Antragsteller auf dem örtlichen Wohnungsmarkt tatsächlich die Möglichkeit zum Abschluss eines Mietvertrags bietet, bleibt die Antragsgegnerin zum vorläufigen Einschreiten verpflichtet.

Die Beschwerde ist daher sowohl bezüglich des Hauptantrags als auch bezüglich des – auf den Zeitraum ab 1. September 2017 beschränkten – Hilfsantrags zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts, mit der sie verpflichtet wurde, der Antragstellerin vorläufig eine Obdachlosenunterkunft zuzuweisen. Die Antragstellerin wohnte bis zum Herbst 2016 in der Gemeinde G.; nach dem Verlust ihrer dortigen Wohnung kam sie bei einer Bekannten in der Gemeinde H. unter. Deren Wohnung musste sie am 16. Februar 2017 gegen 19.00 Uhr verlassen. Die Antragstellerin begab sich daraufhin in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin, wo sie vom 16. bis 21. Februar 2017 ein Zimmer in einer Pension anmietete. Nachdem ihre finanziellen Mittel aufgebraucht waren, beantragte sie am 22. Februar 2017 bei der Antragsgegnerin eine obdachlosenrechtliche Unterbringung, die diese ablehnte.

Mit Beschluss vom 9. März 2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, der Antragstellerin zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen. Hiergegen richtet sich die am 20. März 2017 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese insbesondere ihre örtliche Zuständigkeit zur Unterbringung der Antragstellerin bestreitet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2017, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.

a) Die Antragsgegnerin ist für die obdachlosenrechtliche Unterbringung der Antragstellerin örtlich zuständig, weil die Obdachlosigkeit im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin eingetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liegt der gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG für die örtliche Zuständigkeit entscheidende Anlass für die Amtshandlung im Bereich der Gefahrenabwehr dort, wo die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Die Gefahr für Leib und Leben im Sinn des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG liegt deshalb dort, wo die Gefahr eintritt. Maßgeblich ist also nicht, wo die Antragstellerin gemeldet ist oder war bzw. wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo sie obdachlos geworden ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2016 - 4 CE 16.2297 - juris Rn. 7; B.v. 7.1.2002 - 4 ZE 01.3176 - BayVBl 2003, 343; jeweils m.w.N.).

Hier ist die Obdachlosigkeit, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich (dazu BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729/730) gehandelt hätte, sind weder von der Antragsgegnerin plausibel vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ausweislich der Akten gelangte die Antragstellerin nach dem Verlust ihrer Wohnung in G. offenbar eher zufällig in die Gemeinde H., wo sie nach einiger Zeit von ihrer Bekannten zum Verlassen der Wohnung aufgefordert wurde. Ein Rückkehrwunsch oder objektive Bindungen an das Gebiet der Gemeinde H. sind nicht geltend gemacht, so dass das Weiterziehen in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht treuwidrig erscheint. Dort hat die Antragstellerin auf eigene Kosten mehrere Nächte in einem Pensionszimmer verbracht, bevor sie bei der Antragsgegnerin um Obdach ersucht hat. Dass die Antragstellerin durch Gebrauchmachen von dem ihr (über Art. 11 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) zustehenden Grundrecht der Freizügigkeit in gewissem Umfang darauf Einfluss nehmen kann, wo die Obdachlosigkeit eintritt, ist angesichts der Regelungsstruktur des Sicherheitsrechts hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729/730).

b) Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeschriftsatz vom 20. März 2017 vorträgt, dass ihr mangels zwischenzeitlicher Vorsprache der Antragstellerin deren derzeitiger Aufenthaltsort nicht bekannt sei, lässt dies weder den Anordnungsanspruch noch den Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entfallen. Eine Pflicht zur täglichen bzw. regelmäßigen Vorsprache bei der Antragsgegnerin während des laufenden Antragsverfahrens auf obdachlosenrechtliche Unterbringung besteht nicht. Zudem war ausweislich der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts noch am 23. März 2017 - also mehrere Tage nach Abfassung des Beschwerdeschriftsatzes - eine Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses an die Antragstellerin persönlich im Stadtgebiet der Antragsgegnerin möglich (vgl. den Nachweis durch die Postzustellungsurkunde, Bl. 35 der VG-Akte). Die Mutmaßungen der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin entweder ortsabwesend sei oder inzwischen über eine anderweitige Unterkunft verfüge, sind vor diesem Hintergrund spekulativ und nicht durch entsprechendes Tatsachenvorbringen belegt.

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Beschwerdevortrag, wonach die Antragstellerin eine Unterbringung im Rahmen des Kälteschutzprogramms der Antragsgegnerin abgelehnt habe. Die von der Antragsgegnerin in den Wintermonaten nach ihren eigenen Ausführungen angebotene (bloße) Nächtigungsmöglichkeit lässt weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund entfallen, weil Obdachlose grundsätzlich Anspruch auf ganztägige Unterbringung haben (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 - 4 C 16.2638 - nicht veröffentlicht; Huttner, Die Unterbringung Obdachloser durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, 2014, Nr. 4.7/S. 31; Ruder, VBlBW 2017, 1/9). Im Übrigen werden die von der Antragsgegnerin belegbaren Kälteschutzräume nur für die kurzfristige Notaufnahme von nicht obdachlosenrechtlich unterzubringenden Personen vorgehalten, während die Antragstellerin nach den obigen Ausführungen gerade zum Kreis der von der Antragsgegnerin zu versorgenden Obdachlosen gehört (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2002 - 4 ZE 01.3176 - BayVBl 2003, 343).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Hälfte des Auffangwertes angemessen erscheint (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.