Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. März 2016 - M 12 S 16.30137

bei uns veröffentlicht am23.03.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage M 12 K 16.30136 wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat am ... Januar 2916 beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage (M 12 K 16.30136) anzuordnen.

Zur Begründung trug sie vor, der Antragsteller habe seinen Wohnsitz in ... gehabt. Der Antragsteller könne darauf vertrauen, dass die Behörden untereinander die Adressen austauschen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Tatbestands des Urteils im Verfahren M 12 K 16.30136 vom 2. März 2016 verwiesen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung erfolgreich sein wird, denn der streitgegenständliche Bescheid begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Gerichts im Verfahren M 12 K 16.30136 vom 2. März 2016 verwiesen.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 80 AsylG.

...

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. März 2016 - M 12 S 16.30137 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 75 Aufschiebende Wirkung der Klage


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 02. März 2016 - M 12 K 16.30136

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Januar 2016 wird in den Nr. 1, 3 und 4 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Asylantrag des Klägers fortzuführen und innerhalb einer Frist von drei M

Verwaltungsgericht Trier Beschluss, 18. Sept. 2013 - 5 L 1234/13.TR

bei uns veröffentlicht am 18.09.2013

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet. 2. Die Antragsgegneri

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Januar 2016 wird in den Nr. 1, 3 und 4 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Asylantrag des Klägers fortzuführen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¼, die Beklagte ¾.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist - nach eigenen Angaben - ein am ... geborener eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 30. Juni 2014 ins Bundesgebiet ein (Bl. 29 der Behördenakte) und stellte am 15. Juli 2014 einen Asylantrag.

Beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 15. Juli 2014 erklärte der Kläger, er habe sein Herkunftsland im Jahr 1999 verlassen. Er sei über den Sudan (5 Jahre), Libyen (2 Monate 3 Wochen), Italien (1 Woche) und Österreich (1 Tag) nach Deutschland gereist.

Der Kläger erhielt eine Aufenthaltsgestattung (Bl. 31/32 der Behördenakte) und wurde dem Landkreis ... (... bis ..., ...) zugewiesen (Bl. 33 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen mit der Bitte, diesen auszufüllen (Bl. 40 der Behördenakte). Eine Reaktion darauf ist aus der Akte nicht ersichtlich.

Mit weiterem Schreiben vom 7. Dezember 2015, mit PZU zugestellt am 9. Dezember 2015, übersandte die Beklagte dem Kläger erneut den Fragebogen mit der Bitte, diesen ausgefüllt zurückzusenden (Bl. 52 der Behördenakte). Eine Reaktion des Klägers darauf ist aus der Akte nicht ersichtlich.

Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2015 bat die Beklagte den Kläger, Tatsachen vorzutragen, die bei einer Entscheidung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen wären (Bl. 68 der Behördenakte). Das Schreiben konnte dem Kläger nicht zugestellt werden, weil der Adressat unter der Anschrift ... in ... nicht zu ermitteln war (Bl. 71 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 11. Januar 2016 stellte die Beklagte fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nr.1), dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Nr.2), die Abschiebung nach Eritrea wurde angedroht (Nr.3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.4; Bl. 73 der Behördenakte).

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe das Verfahren mehr als einen Monat nicht betrieben, § 33 Abs. 1 AsylG. Das Asylverfahren sei daher einzustellen, § 32 AsylG.

Am ... Januar 2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über den Asylantrag zu entscheiden.

Zur Begründung trug sie vor, der Kläger sei im Oktober 2015 nach ... in die ...-Strasse ... umgezogen. Der Kläger habe weder ein Schreiben vom 1. Oktober 2015 noch ein Schreiben vom 7. Dezember 2015 erhalten. Der Kläger könne sich darauf verlassen, dass die Behörden untereinander die richtigen Adressen austauschen.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, er habe den ausgefüllten Fragebogen am 16. Oktober 2015 dem Bundesamt zugeschickt. Er legte einen Einlieferungsbeleg vor. Als Fluchtgrund trug er in einem übergebenen Schreiben vom 1. März 2016 im Wesentlichen vor, er sei mit seiner Mutter in den Sudan geflohen. Die Mutter sei im Jahr 2013 gestorben. Im Sudan sei er zweimal inhaftiert gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2016, in dem festgestellt wurde, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nr.1), dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Nr.2), die Abschiebung nach Eritrea wurde angedroht (Nr.3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.4; Bl. 73 der Behördenakte).

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der Nr. 1, 3 und 4 des Bescheides auch begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Soweit die Klage begründet ist, ist der Kläger in seinen Rechten verletzt; im Übrigen ist er nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.

Der Asylantrag gilt nicht als zurückgenommen; die Einstellung des Asylverfahrens ist nicht rechtmäßig (Nr.1 des Bescheides).

Der Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Asylverfahren nicht betreibt, § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es wird vermutet, dass der Ausländer das Asylverfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gem. § 15 AsylG nicht nahgekommen ist, § 33 Abs. 2 Nr.1 AsylG. Der Ausländer ist auf die nach Absatz 1 eintretende Rechtsfolge schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen, § 33 Abs. 4 AsylG. Im Falle der Antragsrücknahme stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenth vorliegt, § 32 Satz 1 AsylG. In den Fällen des § 33 ist nach Aktenlage zu entscheiden, § 32 Satz 2 AsylG.

Die gesetzliche Fiktion einer Antragsrücknahme stellt eine scharfe Sanktion für den unterstellten Wegfall des Bescheidungs- bzw. Rechtsschutzinteresses des Asylantragstellers dar. Bei der Auslegung von § 33 Abs. 1 AsylG ist angesichts der dargestellten Folgen einer Rücknahmefiktion die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten. Der Erlass einer Betreibensaufforderung setzt daher voraus, dass während des Verfahrens ein besonderer Anlass zu Tage getreten ist, aus dem sich ergibt, dass der Betroffene an der Weiterverfolgung seines Asylantrags kein Interesse hat. Der Betroffene ist auf Zweifel an diesem Interesse hinzuweisen und ihm ist Gelegenheit zu geben, diese auszuräumen (BVerfG, B. v. 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl. 1999, 166). Da das Nichtbetreiben für den Asylbewerber gravierende Folgen auslöst, muss die Belehrung unzweifelhaft deutlich machen, was vom Asylbewerber verlangt wird und welche Folgen eine Nichtbefolgung der Aufforderung auslöst. Etwaige Unklarheiten gehen zulasten der Behörde.

Vorliegend wurde der Kläger mit Schreiben der Behörde vom 1. Oktober 2015 und vom 7. Dezember 2015 gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und für die Prüfung des Asylantrags erforderliche Angaben zu machen, § 15 AsylG. Selbst wenn diese Schreiben eine Betreibensaufforderung gem. § 33 Abs. 1 darstellen sollten, so enthalten sie nicht den Hinweis auf die Rechtsfolge des § 33 Abs. 1 AsylG, § 33 Abs. 4 AsylG. Für den Kläger war nicht zu erkennen, welche Folgen es haben würde, wenn er der Aufforderung, seine Asylgründe schriftlich darzulegen, nicht nachkommen würde. In den allgemeinen Hinweisen (Bl. 6 bis 9 der Behördenakte) ist der Hinweis zwar enthalten, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelten kann, aber nur für den Fall der Unterlassung der Mitteilung des Wohnungswechsels (Bl. 8 der Behördenakte), nicht für den Fall des Nichtvortragens erforderlicher Informationen.

Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Einlieferungsbeleg vorgelegt, mit dem er nach eigenen Angaben am 16. Oktober 2015 einen ausgefüllten Fragebogen an das Bundesamt gesandt hat. Aus der Unterschrift des „...“ (eines Mitarbeiters beim Bundesamt) auf dem Einlieferungsbeleg am 19. Oktober 2015 ergibt sich, dass der ausgefüllte Fragebogen offenbar an diesem Tag beim Bundesamt eingegangen ist. Ein klägerisches Schreiben ist unter diesem Datum aber nicht in der Akte, so dass davon ausgegangen werden muss, das das vom Kläger übersandte Schreiben zwar beim Bundesamt eingegangen ist, aber nicht zur Akte gelangt ist. Die Behandlung des Asylantrags als zurückgenommen und die Einstellung des Verfahrens ist daher auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger der Betreibensaufforderung nachgekommen ist. Wenn der Fragebogen innerhalb der Behörde nicht zur Akte gelangt ist, liegt das im Verantwortungsbereich der Behörde.

Damit erweist sich die Einstellungsverfügung als rechtswidrig. Rechtswidrig und damit aufzuheben sind auch die getroffene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

Über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 2 des Bescheides) wurde von der Behörde nach Aktenlage entschieden. Der Kläger hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren (weder in der Klagebegründung noch in der mündlichen Verhandlung) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten vorgetragen. Auch in dem Schreiben vom 1. März 2016, das er in der mündlichen Verhandlung übergeben hat, sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten enthalten, so dass die Feststellung, dass solche nicht vorliegen, rechtens ist.

Der Klage war nach alledem zum Teil stattzugeben, zum Teil war sie abzuweisen. Die Kostenentscheidung bestimmt sich entsprechend dem Teil des Unterliegens und Obsiegens nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der am 6. September 2013 gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2013 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – in Verbindung mit §§ 34a Abs. 2, 75 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), geändert durch den insoweit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG seit dem 6. September 2013 anwendbaren Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), zulässig.

2

Mit dem vorgenannten Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG und Art. 16 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet. Gegen beide Entscheidungen ist in der Hauptsache eine Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid das Asylverfahren des Antragstellers ohne Sachprüfung abgeschlossen hat (vgl. insoweit BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 - und vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Januar 2013 - 20 B 12.30348 -, juris; Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP), so dass § 80 VwGO anwendbar ist.

3

Des Weiteren wurde der Antrag ungeachtet der Frage, welche Frist für eine Antragstellung bei bereits vor Inkrafttreten der Änderung des § 34a AsylVfG bekannt gegebenen Bescheiden gilt, jedenfalls fristgerecht gestellt.

4

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

5

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen. Insoweit finden die in den Fällen der vorliegenden Art in der Vergangenheit geltenden Einschränkungen, die darauf gründeten, dass aufgrund der bislang geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine angeordnete Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat kraft Gesetzes nicht nach §§ 80, 123 VwGO ausgesetzt werden durfte, keine Anwendung mehr, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten, zumal der Gesetzgeber insoweit die für offensichtlich unbegründete Asylanträge geltende Bestimmung des § 36 Abs. 4 AsylVfG, der zufolge eine Aussetzung der Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes angeordnet werden darf, nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat und die Gesetzesmaterialen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Gesetzauslegung bieten.

6

Die Bundestags-Drucksache 17/13556, die der Änderung des § 34a AsylVfG zugrunde liegt, enthält keine Angaben zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. In der Bundestagssitzung vom 7. Juni 2013 (vgl. Plenarprotokoll 17/244 S. 30891 ff, insbesondere S. 30895) wurde alsdann vor der Beschlussfassung in 2. und 3. Lesung ausdrücklich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingegangen und darauf hingewiesen, dass nur noch entscheidend sei, ob dem Aussetzungsinteresse des Schutzsuchenden Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Behörde einzuräumen sei.

7

Die Materialien über die Beteiligung des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG.

8

In der Bundesratsdrucksache 495/1/13 vom 21. Juni 2013 ist festgehalten, dass der Bundesratsausschuss für Innere Angelegenheiten dem Bundesrat gegenüber unter 3. eine Empfehlung folgenden Inhalts abgegeben hat:

9

„Der Bundesrat stellt aber fest, dass die Änderungen in § 34a AsylVfG ergänzungsbedürftig sind, weil sie das verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Anträgen nach § 80 Absatz 5 VwGO ungeregelt lassen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei dem nächsten Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes vorzusehen, dass im beschleunigten Verfahren bei Unbeachtlichkeit und offensichtlicher Unbegründetheit von Asylanträgen (§ 36 AsylVfG) entsprechende Bestimmungen ergänzt werden. Die Aussetzung der Überstellung darf nur angeordnet werden, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber erkennbar sind, sodass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH vom 21. Dezember 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10).“

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In der Sitzung des Bundesrates vom 5. Juli 2013 (vgl. Stenografischer Bericht, Plenarprotokoll 912, S. 401, 429 - Anlage 19) gab alsdann die rheinland-pfälzische Staatsministerin Margit Conrad eine Erklärung dahingehend zu Protokoll, dass die vorstehend zitierte Entschließung aus dem Innenausschuss nicht mitgetragen werden könne, weil sie den gerade wieder eingeführten einstweiligen Rechtsschutz wieder relativieren würde.

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Bei der anschließenden Beschussfassung des Bundesrates schloss sich alsdann nur eine Minderheit des Bundesrates der dargestellten Beschlussempfehlung an (vgl. Plenarprotokoll 912, S. 401 zu Punkt 14, Ziffer 3).

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Demnach kommt eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, so dass die bei der Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO für kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verwaltungsakte allgemein geltenden Grundsätze Anwendung finden müssen. Danach haben die Gerichte die Erfolgsaussichten der in der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen. Zu einer weitergehenden Einzelfallbetrachtung sind sie grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).

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Ausgehend hiervon erscheint es der Kammer interessengerecht, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil sie die Erfolgsaussichten der Klage unter Berücksichtigung der Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses des OVG Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 2013 - 10 B 10627/13.OVG –, auf die die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylVfG verweist, als zumindest offen einstuft, da der dortige Sachverhalt – insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Probleme - mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar erscheint, und in dem von dem Antragsteller vorgelegten fachärztlichen Attest, auf das die Antragsgegnerin in ihrer ausführlichen Antragserwiderung nicht eingegangen ist, nachvollziehbar dargelegt ist, warum bei dem Antragsteller aufgrund besonderer Umstände seines Einzelfalles in Italien eine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Lage zu befürchten sei, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten auszufallen hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

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Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Januar 2016 wird in den Nr. 1, 3 und 4 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Asylantrag des Klägers fortzuführen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¼, die Beklagte ¾.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist - nach eigenen Angaben - ein am ... geborener eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 30. Juni 2014 ins Bundesgebiet ein (Bl. 29 der Behördenakte) und stellte am 15. Juli 2014 einen Asylantrag.

Beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 15. Juli 2014 erklärte der Kläger, er habe sein Herkunftsland im Jahr 1999 verlassen. Er sei über den Sudan (5 Jahre), Libyen (2 Monate 3 Wochen), Italien (1 Woche) und Österreich (1 Tag) nach Deutschland gereist.

Der Kläger erhielt eine Aufenthaltsgestattung (Bl. 31/32 der Behördenakte) und wurde dem Landkreis ... (... bis ..., ...) zugewiesen (Bl. 33 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen mit der Bitte, diesen auszufüllen (Bl. 40 der Behördenakte). Eine Reaktion darauf ist aus der Akte nicht ersichtlich.

Mit weiterem Schreiben vom 7. Dezember 2015, mit PZU zugestellt am 9. Dezember 2015, übersandte die Beklagte dem Kläger erneut den Fragebogen mit der Bitte, diesen ausgefüllt zurückzusenden (Bl. 52 der Behördenakte). Eine Reaktion des Klägers darauf ist aus der Akte nicht ersichtlich.

Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2015 bat die Beklagte den Kläger, Tatsachen vorzutragen, die bei einer Entscheidung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen wären (Bl. 68 der Behördenakte). Das Schreiben konnte dem Kläger nicht zugestellt werden, weil der Adressat unter der Anschrift ... in ... nicht zu ermitteln war (Bl. 71 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 11. Januar 2016 stellte die Beklagte fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nr.1), dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Nr.2), die Abschiebung nach Eritrea wurde angedroht (Nr.3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.4; Bl. 73 der Behördenakte).

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe das Verfahren mehr als einen Monat nicht betrieben, § 33 Abs. 1 AsylG. Das Asylverfahren sei daher einzustellen, § 32 AsylG.

Am ... Januar 2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben und in der mündlichen Verhandlung beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über den Asylantrag zu entscheiden.

Zur Begründung trug sie vor, der Kläger sei im Oktober 2015 nach ... in die ...-Strasse ... umgezogen. Der Kläger habe weder ein Schreiben vom 1. Oktober 2015 noch ein Schreiben vom 7. Dezember 2015 erhalten. Der Kläger könne sich darauf verlassen, dass die Behörden untereinander die richtigen Adressen austauschen.

Die Beklagte stellte

keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 9. Februar 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, er habe den ausgefüllten Fragebogen am 16. Oktober 2015 dem Bundesamt zugeschickt. Er legte einen Einlieferungsbeleg vor. Als Fluchtgrund trug er in einem übergebenen Schreiben vom 1. März 2016 im Wesentlichen vor, er sei mit seiner Mutter in den Sudan geflohen. Die Mutter sei im Jahr 2013 gestorben. Im Sudan sei er zweimal inhaftiert gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2016, in dem festgestellt wurde, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nr.1), dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Nr.2), die Abschiebung nach Eritrea wurde angedroht (Nr.3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.4; Bl. 73 der Behördenakte).

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der Nr. 1, 3 und 4 des Bescheides auch begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Soweit die Klage begründet ist, ist der Kläger in seinen Rechten verletzt; im Übrigen ist er nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.

Der Asylantrag gilt nicht als zurückgenommen; die Einstellung des Asylverfahrens ist nicht rechtmäßig (Nr.1 des Bescheides).

Der Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Asylverfahren nicht betreibt, § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es wird vermutet, dass der Ausländer das Asylverfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gem. § 15 AsylG nicht nahgekommen ist, § 33 Abs. 2 Nr.1 AsylG. Der Ausländer ist auf die nach Absatz 1 eintretende Rechtsfolge schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen, § 33 Abs. 4 AsylG. Im Falle der Antragsrücknahme stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenth vorliegt, § 32 Satz 1 AsylG. In den Fällen des § 33 ist nach Aktenlage zu entscheiden, § 32 Satz 2 AsylG.

Die gesetzliche Fiktion einer Antragsrücknahme stellt eine scharfe Sanktion für den unterstellten Wegfall des Bescheidungs- bzw. Rechtsschutzinteresses des Asylantragstellers dar. Bei der Auslegung von § 33 Abs. 1 AsylG ist angesichts der dargestellten Folgen einer Rücknahmefiktion die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten. Der Erlass einer Betreibensaufforderung setzt daher voraus, dass während des Verfahrens ein besonderer Anlass zu Tage getreten ist, aus dem sich ergibt, dass der Betroffene an der Weiterverfolgung seines Asylantrags kein Interesse hat. Der Betroffene ist auf Zweifel an diesem Interesse hinzuweisen und ihm ist Gelegenheit zu geben, diese auszuräumen (BVerfG, B. v. 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl. 1999, 166). Da das Nichtbetreiben für den Asylbewerber gravierende Folgen auslöst, muss die Belehrung unzweifelhaft deutlich machen, was vom Asylbewerber verlangt wird und welche Folgen eine Nichtbefolgung der Aufforderung auslöst. Etwaige Unklarheiten gehen zulasten der Behörde.

Vorliegend wurde der Kläger mit Schreiben der Behörde vom 1. Oktober 2015 und vom 7. Dezember 2015 gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und für die Prüfung des Asylantrags erforderliche Angaben zu machen, § 15 AsylG. Selbst wenn diese Schreiben eine Betreibensaufforderung gem. § 33 Abs. 1 darstellen sollten, so enthalten sie nicht den Hinweis auf die Rechtsfolge des § 33 Abs. 1 AsylG, § 33 Abs. 4 AsylG. Für den Kläger war nicht zu erkennen, welche Folgen es haben würde, wenn er der Aufforderung, seine Asylgründe schriftlich darzulegen, nicht nachkommen würde. In den allgemeinen Hinweisen (Bl. 6 bis 9 der Behördenakte) ist der Hinweis zwar enthalten, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelten kann, aber nur für den Fall der Unterlassung der Mitteilung des Wohnungswechsels (Bl. 8 der Behördenakte), nicht für den Fall des Nichtvortragens erforderlicher Informationen.

Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Einlieferungsbeleg vorgelegt, mit dem er nach eigenen Angaben am 16. Oktober 2015 einen ausgefüllten Fragebogen an das Bundesamt gesandt hat. Aus der Unterschrift des „...“ (eines Mitarbeiters beim Bundesamt) auf dem Einlieferungsbeleg am 19. Oktober 2015 ergibt sich, dass der ausgefüllte Fragebogen offenbar an diesem Tag beim Bundesamt eingegangen ist. Ein klägerisches Schreiben ist unter diesem Datum aber nicht in der Akte, so dass davon ausgegangen werden muss, das das vom Kläger übersandte Schreiben zwar beim Bundesamt eingegangen ist, aber nicht zur Akte gelangt ist. Die Behandlung des Asylantrags als zurückgenommen und die Einstellung des Verfahrens ist daher auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger der Betreibensaufforderung nachgekommen ist. Wenn der Fragebogen innerhalb der Behörde nicht zur Akte gelangt ist, liegt das im Verantwortungsbereich der Behörde.

Damit erweist sich die Einstellungsverfügung als rechtswidrig. Rechtswidrig und damit aufzuheben sind auch die getroffene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

Über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 2 des Bescheides) wurde von der Behörde nach Aktenlage entschieden. Der Kläger hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren (weder in der Klagebegründung noch in der mündlichen Verhandlung) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten vorgetragen. Auch in dem Schreiben vom 1. März 2016, das er in der mündlichen Verhandlung übergeben hat, sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten enthalten, so dass die Feststellung, dass solche nicht vorliegen, rechtens ist.

Der Klage war nach alledem zum Teil stattzugeben, zum Teil war sie abzuweisen. Die Kostenentscheidung bestimmt sich entsprechend dem Teil des Unterliegens und Obsiegens nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.