Verwaltungsgericht München Beschluss, 15. Dez. 2014 - M 11 S 14.50690

bei uns veröffentlicht am15.12.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist ukrainischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben über Polen mit einem polnischen Visum, gültig bis 1. August 2014, auf dem Landweg am 07. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juni 2014 beim Bundesamt ... (im Folgenden Bundesamt) einen Asylantrag.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragte mit Schreiben vom 04. Juni 2014 und 7. Juli 2014 eine Verlassenserlaubnis, da er zu seiner Schwester, die Ärztin sei, nach ... (Deutschland) reisen wolle. Er sei bei Übergriffen in seiner Heimat misshandelt worden. Er habe ein Schädel-Hirntrauma und leide an Bewusstseinsstörungen. Atteste wurden nicht vorgelegt.

Am 24. Juli 2014 richtete das Bundesamt ein Aufnahmeersuchen an die Republik Polen unter Bezugnahme auf das erteilte Visum. Die zuständige polnische Behörde erklärte mit Schreiben vom 30. Juli 2014 ihre Bereitschaft für die Aufnahme des Antragstellers gem. Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO).

Mit Bescheid vom ... November 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gem. § 27 a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund des erteilten Visums gem. Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich. Die Überstellung nach Polen sei innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 bzw. 2 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.

Am 19. November 2014 wurde der Bescheid mit Einschreiben zur Post gegeben.

Mit Telefax vom 27. November 2014 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes vom ... November 2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen (Klageverfahren M 11 K 14.50689). Gleichzeitig beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers im vorliegenden Eilverfahren,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünde ein inländisches Vollstreckungshindernis. Der Antragsteller sei reiseunfähig. Er leide an einer schweren depressiven Periode und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit beachtlicher Suizidgefahr, die im Falle einer Abschiebung akut werde. Eine fachärztliche Stellungnahme werde nachgereicht. Das Gericht werde ersucht, hierfür eine Frist von nicht weniger als zwei Wochen zu gewähren.

Mit Schreiben vom 21. November 2014 legte die Antragsgegnerin die Verwaltungsakte vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist zulässig, insbesondere rechtzeitig binnen Wochenfrist gestellt (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG), jedoch nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B.v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage nach derzeitiger Einschätzung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG kommt es für den vorliegenden Beschluss im Eilverfahren, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung an.

Die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung ist zulässig, insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 74 Abs. 2 AsylVfG erhoben worden, aber aller Voraussicht nach unbegründet, da die Abschiebungsanordnung nach Polen nicht zu beanstanden ist.

Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Im vorliegenden Fall ist gem. Art. 12 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) die Republik Polen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ist, wenn der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedsstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Dies gilt gem. Art. 12 Abs. 4 Satz 1 Dublin-III-VO auch dann, wenn das Visum, aufgrund dessen der Antragsteller in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten nicht verlassen hat. Der Regelung des Art. 12 Dublin-III-VO liegt das Verursacherprinzip zugrunde, wonach derjenige Staat, der durch die Erteilung von Aufenthaltstitel oder Visum eine Ursache für die Einreise des Schutzsuchenden gesetzt hat, auch für die Durchführung des Verfahrens zur Gewährung von internationalem Schutz zuständig ist.

Polen hat in Beantwortung des Aufnahmegesuchs des Bundesamts mit Schreiben vom 30. Juli 2014 seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers bestätigt.

Die Antragsgegnerin war auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO wegen systemischer Mängel im Aufnahmestaat gehalten, die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Es sind keine wesentlichen Gründe für die Annahme ersichtlich, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Polen systemische Schwachstellen aufweisen würden, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta (GRCh) mit sich brächten.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der bislang ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die umfangreichen Nachweise im angefochtenen Bescheid) ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller in Polen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Bremen, B. v. 4.3.2014 - 1 V 220/14 - juris, m. w. N.). Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen vielmehr, dass die Aufnahmebedingungen in Polen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen (vgl. VG Karlsruhe, U. v. 29.10.2013 - A 1 K 1565/13 - juris, m. w. N.).

Asylbewerber werden über den Ablauf des Asylverfahrens informiert und erhalten Unterkunft, Verpflegung, medizinische und psychologische Betreuung (siehe auch Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 6.12.2013, zitiert in VG Wiesbaden, U. v. 19.2.2014 - 5 K 651/13.WI.A -, juris Rn. 24).

Asylbewerber haben in gleichem Umfang Anspruch auf - kostenlose - medizinische Versorgung wie polnische Staatsangehörige, wozu auch die psychologische Betreuung gehört (vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 25.9.2013, BT-Drs. 17/14795 S. 6f.). Damit sind in Polen auch posttraumatische Belastungsstörungen, an denen der Antragsteller leiden soll, behandelbar.

Der Abschiebung der Antragsteller stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, zu deren Prüfung das Bundesamt in Fällen der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG verpflichtet ist (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris).

Eine Reiseunfähigkeit liegt dabei nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand unmittelbar durch die Reise selbst oder als unmittelbare Folge hiervon voraussichtlich wesentlich verschlechtern würde (BayVGH, B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris RdNr. 6).

Die Reiseunfähigkeit wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und Suizidgefahr wurde erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, aber nicht glaubhaft gemacht. Ein ärztliches Attest wurde trotz Ankündigung nicht vorgelegt.

Sollte die Suizidgefährdung konkret belegt werden, wäre die Abschiebung nach amtsärztlicher Abklärung ggf. unter (fach-) ärztlicher Aufsicht durchzuführen.

Der Antragsteller hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 18. Juni 2015 - M 11 K 14.50689

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 11 K 14.50689 Im Namen des Volkes Gerichtsbescheid vom 18. Juni 2015 11. Kammer Sachgebiets-Nr. 710 Hauptpunkte: Dublin-III-VO; Ablauf der Überstellungsfrist

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. März 2014 - 10 CE 14.427

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt. Gründe

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 29. Okt. 2013 - A 1 K 1565/13

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Verwaltungsgericht Trier Beschluss, 18. Sept. 2013 - 5 L 1234/13.TR

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Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet. 2. Die Antragsgegneri
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Juli 2016 - M 7 S 16.50425

bei uns veröffentlicht am 13.07.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Die Antragsteller, ukrainische Eheleute und ihr am … geborener Sohn …,

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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 11 K 14.50689

Im Namen des Volkes

Gerichtsbescheid

vom 18. Juni 2015

11. Kammer

Sachgebiets-Nr. 710

Hauptpunkte: Dublin-III-VO; Ablauf der Überstellungsfrist; Abschiebung nach Polen; Herkunftsland: Ukraine; Reiseunfähigkeit behauptet

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

..., geb. ...1994

c/o ...

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

... - Beklagte -

beteiligt:

... wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 11. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin am 18. Juni 2015 folgenden Gerichtsbescheid:

I.

Der Bescheid der Beklagten vom ... November 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben über Polen mit einem polnischen Visum, gültig bis 1. August 2014, auf dem Landweg am 07. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juni 2014 beim Bundesamt ... (im Folgenden Bundesamt) einen Asylantrag.

Der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers beantragte mit Schreiben vom 04. Juni 2014 und 7. Juli 2014 eine Verlassenserlaubnis, da er zu seiner Schwester, die Ärztin sei, nach ... (Deutschland) reisen wolle. Er sei bei Übergriffen in seiner Heimat misshandelt worden. Er habe ein Schädel-Hirntrauma und leide an Bewusstseinsstörungen. Atteste wurden nicht vorgelegt.

Am 24. Juli 2014 richtete das Bundesamt ein Aufnahmeersuchen an die Republik Polen unter Bezugnahme auf das erteilte Visum. Die zuständige polnische Behörde erklärte mit Schreiben vom 30. Juli 2014 ihre Bereitschaft für die Aufnahme des Klägers gem. Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO).

Mit Bescheid vom ... November 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gem. § 27 a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund des erteilten Visums gem. Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich. Die Überstellung nach Polen sei innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 bzw. 2 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.

Am 19. November 2014 wurde der Bescheid mit Einschreiben zur Post gegeben.

Mit Telefax vom 27. November 2014 stellte der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers einen Eilantrag (M 11 S 14.50690) und erhob Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,

den Bescheid des Bundesamtes vom ... November 2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünde ein inländisches Vollstreckungshindernis. Der Kläger sei reiseunfähig. Er leide an einer schweren depressiven Periode und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit beachtlicher Suizidgefahr, die im Falle einer Abschiebung akut werde. Eine fachärztliche Stellungnahme werde nachgereicht. Das Gericht werde ersucht, hierfür eine Frist von nicht weniger als zwei Wochen zu gewähren.

Mit Schreiben vom 21. November 2014 legte die Beklagte die Verwaltungsakte vor.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab (M 11 S 15.50690).

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2015 teilte der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers mit, die Überstellungsfrist sei abgelaufen. Der Bescheid solle mit Gerichtsbescheid aufgehoben werden.

Die Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 14.11.2001 auf eine Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtskte in diesem Verfahren und im Verfahren M 11 S 14.50690 sowie der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 VwGO).

Die Klage ist auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes ... vom ... November 2014 gerichtet (vgl. 1. Teil des Klageantrags); nach dessen Aufhebung hat das Bundesamt ein Asylverfahren durchzuführen und über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden, so dass es einer ausdrücklichen Entscheidung über den 2. Teil des Klageantrags nicht bedurfte.

Die so ausgelegte Klage ist zulässig und begründet, denn der Bescheid ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 HS 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Polen oder auf den Zeitpunkt der ablehnenden Eilentscheidung, die dem Bundesamt am 17. Dezember 2014 zugestellt wurde, abzustellen ist, da die sechsmonatige Überstellungsfrist auch im letztgenannten Fall abgelaufen ist. Demnach ist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO die Zuständigkeit für das Verfahren auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Der Asylantrag ist daher nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig und eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG ist nicht mehr möglich (vgl. VG Regensburg U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 19; VG München U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627 -; VG Augsburg U. v. 11.9.2014 - Au 7 K 14.50016 - juris Rn. 31). Dass der Mitgliedstaat ausnahmsweise nach Fristablauf weiterhin zur Übernahme bereit wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der streitgegenständliche Bescheid ist damit im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht objektiv rechtswidrig.

Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid auch in seinen Rechten verletzt. Zwar handelt es sich bei den Regelungen der Dublin III-VO um objektive Zuständigkeitsvorschriften, die den Asylbewerbern grundsätzlich keine subjektiven Rechte verleihen (vgl. Beck’scher OK AuslR/Günther, Stand 1.9.2014, § 27a Rn. 30).

Wenn allerdings die Überstellungsfrist in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat abgelaufen ist und alleine die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Asylbewerber dies als Ausfluss des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem nunmehr zuständig gewordenen Staat geltend machen (vgl. VG Regensburg U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20; VG Regensburg U. v. 23.10.2014 - RN 3 K 14.30180 - juris; VG Augsburg U. v. 11.9.2014 - Au 7 K 14.50016 - juris Rn. 32; VG München U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627 -; VG Göttingen B. v. 30.6.2014 - 2 B 86/14 - juris; VG Magdeburg U. v. 28.2.2014 - 1 A 313/13 - juris; Beck’scher OK AuslR/Günther, Stand 1.9.2014, § 27a Rn. 39; a. A.: VG Düsseldorf B. v. 18.9.2014 - 13 L 1785/14.A - juris; einschränkend: VG Würzburg B. v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn.14: subjektives Recht nur, wenn sich der andere Mitgliedstaat auf den Ablauf der Überstellungsfrist beruft).

Somit war der Bescheid aufzuheben. Es ist nun Sache der Beklagten ein ordnungsgemäßes behördliches Verfahren durchzuführen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1

Der am 6. September 2013 gestellte Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2013 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – in Verbindung mit §§ 34a Abs. 2, 75 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), geändert durch den insoweit gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG seit dem 6. September 2013 anwendbaren Artikel 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474), zulässig.

2

Mit dem vorgenannten Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG und Art. 16 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet. Gegen beide Entscheidungen ist in der Hauptsache eine Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid das Asylverfahren des Antragstellers ohne Sachprüfung abgeschlossen hat (vgl. insoweit BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 - und vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Januar 2013 - 20 B 12.30348 -, juris; Urteil der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP), so dass § 80 VwGO anwendbar ist.

3

Des Weiteren wurde der Antrag ungeachtet der Frage, welche Frist für eine Antragstellung bei bereits vor Inkrafttreten der Änderung des § 34a AsylVfG bekannt gegebenen Bescheiden gilt, jedenfalls fristgerecht gestellt.

4

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

5

Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen. Insoweit finden die in den Fällen der vorliegenden Art in der Vergangenheit geltenden Einschränkungen, die darauf gründeten, dass aufgrund der bislang geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine angeordnete Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat kraft Gesetzes nicht nach §§ 80, 123 VwGO ausgesetzt werden durfte, keine Anwendung mehr, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten, zumal der Gesetzgeber insoweit die für offensichtlich unbegründete Asylanträge geltende Bestimmung des § 36 Abs. 4 AsylVfG, der zufolge eine Aussetzung der Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes angeordnet werden darf, nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat und die Gesetzesmaterialen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Gesetzauslegung bieten.

6

Die Bundestags-Drucksache 17/13556, die der Änderung des § 34a AsylVfG zugrunde liegt, enthält keine Angaben zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. In der Bundestagssitzung vom 7. Juni 2013 (vgl. Plenarprotokoll 17/244 S. 30891 ff, insbesondere S. 30895) wurde alsdann vor der Beschlussfassung in 2. und 3. Lesung ausdrücklich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingegangen und darauf hingewiesen, dass nur noch entscheidend sei, ob dem Aussetzungsinteresse des Schutzsuchenden Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Behörde einzuräumen sei.

7

Die Materialien über die Beteiligung des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG.

8

In der Bundesratsdrucksache 495/1/13 vom 21. Juni 2013 ist festgehalten, dass der Bundesratsausschuss für Innere Angelegenheiten dem Bundesrat gegenüber unter 3. eine Empfehlung folgenden Inhalts abgegeben hat:

9

„Der Bundesrat stellt aber fest, dass die Änderungen in § 34a AsylVfG ergänzungsbedürftig sind, weil sie das verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Anträgen nach § 80 Absatz 5 VwGO ungeregelt lassen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei dem nächsten Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes vorzusehen, dass im beschleunigten Verfahren bei Unbeachtlichkeit und offensichtlicher Unbegründetheit von Asylanträgen (§ 36 AsylVfG) entsprechende Bestimmungen ergänzt werden. Die Aussetzung der Überstellung darf nur angeordnet werden, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber erkennbar sind, sodass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH vom 21. Dezember 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10).“

10

In der Sitzung des Bundesrates vom 5. Juli 2013 (vgl. Stenografischer Bericht, Plenarprotokoll 912, S. 401, 429 - Anlage 19) gab alsdann die rheinland-pfälzische Staatsministerin Margit Conrad eine Erklärung dahingehend zu Protokoll, dass die vorstehend zitierte Entschließung aus dem Innenausschuss nicht mitgetragen werden könne, weil sie den gerade wieder eingeführten einstweiligen Rechtsschutz wieder relativieren würde.

11

Bei der anschließenden Beschussfassung des Bundesrates schloss sich alsdann nur eine Minderheit des Bundesrates der dargestellten Beschlussempfehlung an (vgl. Plenarprotokoll 912, S. 401 zu Punkt 14, Ziffer 3).

12

Demnach kommt eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, so dass die bei der Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO für kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verwaltungsakte allgemein geltenden Grundsätze Anwendung finden müssen. Danach haben die Gerichte die Erfolgsaussichten der in der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen. Zu einer weitergehenden Einzelfallbetrachtung sind sie grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).

13

Ausgehend hiervon erscheint es der Kammer interessengerecht, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, weil sie die Erfolgsaussichten der Klage unter Berücksichtigung der Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses des OVG Rheinland-Pfalz vom 19. Juni 2013 - 10 B 10627/13.OVG –, auf die die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylVfG verweist, als zumindest offen einstuft, da der dortige Sachverhalt – insbesondere im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Probleme - mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar erscheint, und in dem von dem Antragsteller vorgelegten fachärztlichen Attest, auf das die Antragsgegnerin in ihrer ausführlichen Antragserwiderung nicht eingegangen ist, nachvollziehbar dargelegt ist, warum bei dem Antragsteller aufgrund besonderer Umstände seines Einzelfalles in Italien eine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Lage zu befürchten sei, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten auszufallen hat.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

15

Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger, ein Ehepaar und seine vier Kinder, sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit.
Sie reisten am 23.12.2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten am 25.01.2013 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Bei einer Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 20.02.2013 gaben der Kläger zu Ziff. 1) und die Klägerin zu Ziff. 2) an, sie hätten am 24.10.2012 in Polen einen Asylantrag gestellt. Sie seien dort erkennungsdienstlich behandelt worden und hätten die Adresse von einem Lager erhalten. Sie seien dann aber nicht ins Lager sondern nach Warschau gefahren. Am Bahnhof hätten sie eine tschetschenische Familie kennengelernt, die ihnen angeboten habe, eine Woche bei ihnen zu bleiben. Der Kläger zu Ziff. 1) habe in der Wohnung Renovierungsarbeiten vorgenommen, so seien aus einer Woche zwei Monate geworden. Da ihnen das Geld ausgegangen sei, hätten sie sich entschlossen, nach Deutschland weiterzufahren.
Mit Schreiben vom 29.04.2013 und vom 02.05.2013 erkannten die polnischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Behandlung der Asylanträge an.
Mit Bescheid vom 03.06.2013 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an.
Am 27.06.2013 haben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben, zu deren Begründung sie auf den Gesundheitszustand ihrer Kinder abheben.
Sie beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 03.06.2013 zu verpflichten, ihnen in die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise: zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klagen abzuweisen.
11 
Sie ist der Auffassung, einer Rückführung nach Polen stünden keine Gründe entgegen.
12 
Dem Gericht lag die einschlägige Akte des Bundesamtes vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akte sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn sie ist in der Ladung auf diese Rechtsfolge ihres Ausbleibens hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die zulässigen Klagen sind in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.
15 
Ziffer 1 des angegriffen Bescheids ist rechtmäßig. Denn die Asylanträge sind im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da die polnische Republik gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 für die Behandlung der Asylanträge zu diesem Zeitpunkt noch für die Behandlung der Asylanträge zuständig war.
16 
Auch die Abschiebungsandrohungen im angegriffenen Bescheid sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG, dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen.
17 
Auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse können sich die Antragssteller nicht berufen.
18 
Die Regelungen in § 26a, § 27a AsylVfG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 = NJW 1996, 1665 = DÖV 1996, 647) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Regelungen in Art. 16a GG und im Asylverfahrensgesetzkann der Ausländer, der in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Der Ausländer ist mithin mit einer Behauptung ausgeschlossen, in seinem Fall werde der Drittstaat - entgegen seiner sonstigen Praxis - Schutz verweigern. Der Ausländer kann sich auch nicht darauf berufen, ein - niemals völlig auszuschließendes - Fehlverhalten der Behörden im Drittstaat könne in seinem Fall zu einer Weiterschiebung in den Herkunftsstaat führen.Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG (nunmehr § 60 AufenthG) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 3 AufenthG berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG, der sich allerdings nur auf die in Anlage I zum AsylVfG bezeichneten Staaten, nicht jedoch auch auf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bezieht, hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.
19 
Auch Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, von einer Überstellung der Kläger nach Polen abzusehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - , InfAuslR 2012, 108 = AuAS 2012, 56 = NVwZ 2012, 417) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. Nach dieser Entscheidung wäre es jedoch auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.
20 
Die Kläger sind weder von einem der oben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen noch weist das Asylverfahren in Polen systemische Mängel auf.Durchgreifende Anhaltspunkte für erhebliche systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen bestehen nach aktueller Rechtsprechung nicht (vgl. etwa: VG Lüneburg, Beschlüsse vom 25.10.2013 – 2 B 48/13 - und 10.10.2013 – 2 B 47/13 -; VG Berlin, Beschluss vom 24.10.2013 – 33 L 450.13 A - ;VG Regensburg vom 16.10.2013 – RN 9 S 13.30520 - ; VG Stade, Beschluss v. 02.10.2013 – 3 B 3029/13 -; VG Kassel, Beschluss v. 27.08.2013 – 9 L 984/13.K.S.A - ; VG Schleswig, Beschluss v. 27.08.2013 – 1 B 43/13 -; VG Osnabrück, Beschluss v. 26.09.2013 – 5 B 133/13 -; VG Hannover, Beschluss v. 30.08.2013 – 1 B 6140/13 - ; VG Oldenburg, Beschluss v. 16.08.2013 - 3 A 5177/13 - ; VG Braunschweig, Beschluss v. 29.07.2013 – 8 B 434/13 - ; VG Saarbrücken, Beschluss vom 24.06.2013 - 6 L 839/13 -;). Nach dieser Rechtsprechung, die das erkennende Gericht teilt, hat Polen die rechtlichen Regelungen des vergemeinschafteten Asyl- und Flüchtlingsrechts der europäischen Union in den wesentlichen Grundzügen in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt (UNHCR, Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees for the Office of the High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report - Universal Periodic Review: Poland, vom November 2011, abrufbar unter www.refword.org).
21 
Die Entscheidungen in Asylverfahren sollen innerhalb von 6 Monaten getroffen werden; im Schnitt dauert ein Asylverfahren 18 Monate (Dublin Transnational Project, General information on asylum and Dublin in Poland, www.dublin-project.eu/dublin/Poland).Im Jahr 2012 wurden die Asylanträge von 2.435 Asylbewerbern beschieden. In 3,5% der Fälle wurde Flüchtlingsschutz, in 5,7% der Fälle wurde subsidiärer Schutz und in 10,3% der Fälle wurde humanitärer Schutz gewährt (insgesamt 19,5% Schutzgewährungen; zum Vergleich: das Bundesamt hat in 14,9% der Fälle Flüchtlingsschutz gewährt, in 11,9% der Fälle subsidiären Schutz und in 2,4 % der Fälle humanitären Schutz, insgesamt in 29,2% der Fälle Schutzgewährungen; vgl. zu all diesen Zahlen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge , Das Bundesamt in Zahlen 2012, www.bamf.de). Auf Asylbewerber aus der Russischen Föderation entfielen dabei 1072 entschiedene Asylanträge. 41 Asylbewerber aus der Russischen Föderation erhielten einen Flüchtlingsstatus (3,8%,), 104 subsidiären Schutz (9,7%) und 137 humanitären Schutz (12,7%), insgesamt also 26,2% einen Schutzstatus, wohingegen 790 Asylanträge abgelehnt wurden (UDSC, Polish Asylum Procedure, 2012, www.ekiba.de/download/Polish_Asylum_Procedure.pdf; zum Vergleich: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Jahr 2012 in 1.208 Fällen über Asylanträge von Asylsuchenden aus der Russischen Föderation mit einer Schutzquote von 14,4% entschieden; dabei wurde in 0,9 % der Fälle eine Asylanerkennung ausgesprochen, in 10,4 % der Fälle die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und in 3,1 % der Fälle ein Abschiebungsverbot festgestellt ). Insgesamt lässt sich mit den Jahren der Zuwachs ablehnender Entscheidungen feststellen (Gesellschaft für bedrohte Völker , Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen, 2011, S. 8). In diesem Zusammenhang wird eine restriktive Auslegung und Handhabung der Flüchtlingsanerkennung beklagt (Comité Belge d‘Aide aux Refugiés , Polish asylum procedure and refugee status determination, 2011, S. 15 ff., 33). Schwierigkeiten macht der Zugang zur rechtlichen Beratung und Vertretung im Asylverfahren. Ein staatliches System der Rechtshilfe gibt es nicht. Allerdings sind in diesem Feld NGOs tätig, die aber den Bedarf nicht decken können. Dies gilt insbesondere für die Gewahrsamszentren (GfbV, Flüchtlinge in Polen. Mangelnder Schutz an EU-Außengrenze, progrom 2012, Heft 4, S. 41 f.; UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; insgesamt The Jusuit Refugee Service , Protection interrupted. The Dublin regulation’s impact on asylum seekers’ protection, 2013, abrufbar unter www.refworld.org). In diesem Zusammenhang ist auch problematisch, dass die Übersetzung durch qualifizierte Dolmetscher nur unzureichend gewährleistet ist. In vielen Fällen erfolgt eine Übertragung mit Hilfe informeller Kontakte (UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; Helsinki Foundation for Human Rights, Migration Is Not a Crime, 2013, S.19, www.intervencjaprawna.pl/wp.content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf).Insgesamt ist deshalb zur rechtlichen Regelung und der Praxis der Asylverfahren festzustellen, dass grundsätzlich von einem ordnungsgemäßen und nicht übermäßig langen Verfahren gesprochen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzelfall nicht geprüft wird, gibt es nicht. Insbesondere bei der Information der Asylantragsteller und bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beratung gibt es aber Mängel.
22 
Was die Aufnahmebedingungen angeht, werden Asylbewerber in Polen entweder in einem der sog. Aufnahmezentren, in einer der geschlossenen Gewahrsamszentren oder in einem Abschiebezentrum aufgenommen. Dabei erfolgt die Aufnahme regelmäßig in einem der Aufnahmezentren (GfbV, Situation, a.a.O., S. 4). Dort wird den Asylbewerbern die erforderliche Verpflegung zur Verfügung gestellt, außerdem bekommen sie ein kleines Taschengeld und ggf. Reisegeld für erforderliche Fahrten. Kinder können die örtliche Schule besuchen; ihnen steht Schulmaterial kostenlos zur Verfügung (GfbV, Situation, a.a.O., S. 6, JRS, Protection, a.a.O., S. 186). Eine medizinische Basisversorgung war und ist in der Regel gewährleistet. Schwierigkeiten machte in der Vergangenheit allerdings der Zugang zu einer zufriedenstellenden medizinischen Versorgung insbesondere für Kinder und traumatisierte Asylbewerber (GfbV, Situation, a.a.O., S., 5; Huma network, Access to healthcare and living conditions of asylum seekers and undocumented migrants in Cyprus, Malta, Poland and Romania, www.ec.europa.eu/ewsi/UDRW/-imgaes/items/doc_20498_605665099.pdf). Dies hat sich zwischenzeitlich gebessert. Denn nach der aktuelleren Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – BT-Drucksache 17/14713 – gestaltet sich die gesundheitliche Versorgung nunmehr wie folgt:
23 
Im Rahmen der Dublin-Verfahren und in gerichtlichen Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten von russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volkszugehörigkeit, die über Polen nach Deutschland einreisen, werden sehr häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen vorgetragen.
24 
Nach aktueller Auskunft der Liaisonbeamtin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Polen ist die medizinische Versorgung dort für Asylbewerber wie folgt sichergestellt:
25 
Die Behandlung von Asylbewerbern, die eine medizinische Versorgung und eine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen müssen, ist in Polen kostenlos und erfolgt grundsätzlich durch qualifiziertes Personal. Die medizinische Versorgung während des Flüchtlingsverfahrens umfasst alle Ausländer (gemäß Artikel 73 des polnischen Flüchtlingsgesetzes), die einen Antrag auf Flüchtlingsschutz gestellt haben und sich bei der Sozialhilfe-Abteilung des Amtes für Ausländer registriert haben, unabhängig von ihrer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen oder außerhalb. Personen im Flüchtlingsverfahren haben den gleichen Anspruch auf den Umfang der medizinischen Versorgung wie polnische Staatsangehörige (ausgeschlossen sind lediglich Kurfahrten). Die medizinische Versorgung von Personen im Flüchtlingsverfahren in Polen koordiniert das Zentrale Krankenhaus des Innenministeriums in Warschau. Die medizinische Versorgung umfasst:
26 
- Durchführung sog. epidemiologische Untersuchungen – alle Ausländer, die zum ersten Mal einen Antrag auf Flüchtlingsschutz stellen, werden in der Aufnahmeeinrichtung in Biala Podlaska oder in Podkowa Lesna-Debak epidemiologisch untersucht. Die Untersuchung beinhaltet die Feststellung, ob der Ausländer an Infektionskrankheiten leidet (darunter Tuberkulose, Hepatitis B und C Typ, HIV, Geschlechtskrankheiten).
- In jeder Aufnahmeeinrichtung in Polen gibt es medizinische Behandlungs- räume, dort stehen Krankenschwestern, ein Arzt und ein Kinderarzt zur Verfügung.
- Kranke Personen, die spezielle Untersuchungen benötigen, werden ans Krankenhaus oder zu speziellen Untersuchungen überwiesen. Die Untersuchungen finden entweder im Zentralen Krankenhaus des Innen- und Verwaltungsministeriums statt oder auch in anderen Krankenhäusern, mit dem das Zentrale Krankenhaus eine Vereinbarung unterschrieben hat.
- Zahnbehandlungen.
- Psychologische Hilfe.
- Rehabilitation.
27 
Nach dem Bericht der Helsinki Foundation for Human Rights (Helsinki-Stiftung) „Migration is not a crime“ aus dem Jahr 2013 erhalten Ausländer schriftlich und mündlich alle erforderlichen Informationen über die Möglichkeit, medizinische und psychologische Betreuung zu erhalten. In allen Zentren können die Ausländer medizinische Hilfe erhalten, wobei es – wie auch in deutschen Unterkünften – Sprachschwierigkeiten mit dem medizinischen Personal geben kann. Zudem können sich z. B. Opfer von Übergriffen innerhalb der Unterkünfte an die Polizei wenden.
28 
Behandelbarkeit von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) in Polen
29 
Laut Auskunft der Liaisonbeamtin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Polen vom April 2013 wird gemäß Artikel 68 des polnischen Flüchtlingsschutzgesetzes vom 13. Mai 2003 jeder Ausländer, der in seinem Antrag auf Flüchtlingsschutz erklärt hat, dass er Opfer von psychischer oder physischer Gewalt ist, vor seiner Anhörung im Flüchtlingsverfahren an einen Psychologen verwiesen. Dieses Gespräch findet im Amt für Ausländer in Warschau statt. Während dieses Gesprächs ist neben dem Psychologen auch ein Dolmetscher anwesend, der ebenso wie der Psychologe vom Budget des Amtes für Ausländer bezahlt wird. Nach diesem Gespräch verfasst der Psychologe eine Stellungnahme, aus der hervorgeht, ob bei dem Antragsteller ein Verdacht auf eine PTBS besteht und ob die Teilnahme eines Psychologen an der Anhörung erforderlich ist. Wenn der Psychologe festgestellt hat, dass seine Anwesenheit bei der Anhörung im Flüchtlingsverfahren erforderlich ist, nimmt er an der Anhörung teil. Er beobachtet das Verhalten und die Reaktionen des Antragstellers, er hat das Recht, Fragen zu stellen, und vom Anhörenden kann er verlangen, von bestimmten Fragen abzusehen. Nach der Anhörung verfasst der Psychologe eine Stellungnahme, die Bestandteil der Akte im Flüchtlingsverfahren ist, auf die sich der Entscheider im Bescheid berufen muss. Sofern der Psychologe eine PTBS festgestellt hat, informiert er den Antragsteller über die Erforderlichkeit der Behandlung und die Kontaktaufnahme mit dem Psychologen in der Aufnahmeeinrichtung, in der der Antragsteller untergebracht ist. Der Zugang zum Psychologen ist kostenlos, und es gibt keine festgelegte Zahl an Gesprächen mit dem Psychologen (jeder Fall wird individuell behandelt). Wenn es erforderlich ist, verweist der Psychologe per Überweisungsschein an einen Psychiater zur weiteren Behandlung.
30 
Das polnische Amt für Ausländer arbeitet derzeit mit vier Psychologen zusammen (einer davon ist speziell für den Umgang mit Minderjährigen geschult), die Erstgespräche mit Antragstellern durchführen und auch an den Anhörungen teilnehmen. Darüber hinaus gibt es in jeder Aufnahmeeinrichtung Psychologen, die dort Dienst haben und zu denen Antragsteller uneingeschränkten Zugang haben.
31 
Antragsteller können sich sowohl an die Psychologen, mit denen das polnische Amt für Ausländer zusammenarbeitet, als auch an die Psychologen, die für nichtstaatliche Organisationen tätig sind, wenden. Die Informationen zum Zugang zum Psychologen erhalten Antragsteller in den Aufnahmeeinrichtungen, in denen sie untergebracht sind. Nach alledem ist davon auszugehen, dass für psychisch kranke Menschen systemische Mängel im in Polen praktizierten Asylverfahren nicht bestehen (so auch Verwaltungsgericht – VG – Saarland, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 3 L 961/13).
32 
Dass sich die Gesundheitsfürsorge in den letzten Jahren verbessert hat, ergibt sich aus einem chronologischen Abgleich der Jahresberichte von Amnesty International. Denn letztmals im Jahresbericht 2010 hat sich die Organisation darüber beklagt, dass Flüchtlinge und Asylsuchende sich beim Zugang zu Gesundheitsfürsorge und zum Arbeitsmarkt nach wie vor Schwierigkeiten ausgesetzt sähen. In den Folgejahren findet sich dies nicht mehr.
33 
Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen in Polen führt die Bundesregierung in der o.g. Antwort anschließend aus:
34 
Der Bericht der Helsinki-Stiftung „Migration is not a crime“, der sich auf eine Überprüfung der sechs „Guarded Centres for Foreigners“ in Polen, also der sechs geschlossenen/bewachten Ausländereinrichtungen im Herbst 2012 beschränkte, rügt zwar im Einzelnen die Einweisungs- und Versorgungsbedingungen in dieser Art von Einrichtungen, hebt aber auch hervor, dass sie ziemlich unterschiedlich organisiert und ausgestattet sind (siehe Seite 36 des Berichts).
35 
Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht der Helsinki-Stiftung zur Unterbringungssituation u. a., dass die Zentren offiziell für die Unterbringung von Ausländern umgebaut, zum Teil umfänglich renoviert wurden und sich in gutem Zustand befinden. Die umfangreiche Regulierung des Aufenthalts in diesen Unterkünften ist zwar verglichen mit den Verhältnissen in Deutschland erheblich restriktiver, erreicht aber nicht die Qualität einer Inhaftierung. Des Weiteren ist die Möglichkeit, mit der Welt außerhalb des jeweiligen Zentrums in Kontakt zu treten, sichergestellt; gleiches gilt für Besuche von Verwandten und die Möglichkeit, sich an internationale Organisationen zu wenden (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 3 b 185/13MD). Einem Bericht des U.S. Department of State zufolge hat die polnische Regierung zusätzlich zu den geschlossenen/bewachten Einrichtungen für Ausländer elf offene Zentren für Asyl- suchende initiiert, die sich in den Gebieten Warschau, Bialystok und Lublin befinden und ungefähr 2.000 Personen aufnehmen können.
36 
Insgesamt ergibt für Polen danach das Bild eines asylverfahrensrechtlichen Regimes und von Aufnahmebedingungen, das den Maßgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und des asylrechtlichen System der Europäischen Union in den Grundlinien genügt. Das Refoulement-Verbot wird im Grundsatz eingehalten, es werden geordnete Asylverfahren geführt und in überschaubarer Zeit Entscheidungen getroffen, die Einzelfallentscheidungen darstellen und es werden den Asylbewerbern während des Asylverfahrens im Großen und Ganzen auch ausreichende Lebensgrundlagen (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Hilfe) zur Verfügung gestellt. Allerdings gibt es, wie dargestellt, nach wie vor Mängel. Soweit vereinzelte Missstände oder Mängel beschrieben werden, lässt dies nicht den Schluss zu, dass systematisch gegen die Vorschriften der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) verstoßen werden würde oder menschenrechtswidrige Aufnahmebedingungen vorherrschten. Legt man die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgeführten Gründe für die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO und den sich daraus ergebenden strengen Maßstab an die Qualifizierung als systemische Mängel an, so stellen sich die aufgeführten Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Polen auch in der Summe nicht als systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dar.
37 
Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bestehen somit nicht, insbesondere ist die medizinische und psychologische Versorgung für die Kläger in ausreichendem Maße sichergestellt.
38 
Der Abschiebung stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, zu deren Prüfung das Bundesamt in Fällen der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - anders als sonst in Asylverfahren - ausnahmsweise verpflichtet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris). Aus den von den Klägern zu 1) und 2) vorgelegten, ihre Kinder betreffenden Attesten ergibt sich insbesondere keine Reiseunfähigkeit.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, § 83b AsylVfG.

Gründe

 
13 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn sie ist in der Ladung auf diese Rechtsfolge ihres Ausbleibens hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die zulässigen Klagen sind in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.
15 
Ziffer 1 des angegriffen Bescheids ist rechtmäßig. Denn die Asylanträge sind im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da die polnische Republik gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 für die Behandlung der Asylanträge zu diesem Zeitpunkt noch für die Behandlung der Asylanträge zuständig war.
16 
Auch die Abschiebungsandrohungen im angegriffenen Bescheid sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG, dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen.
17 
Auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse können sich die Antragssteller nicht berufen.
18 
Die Regelungen in § 26a, § 27a AsylVfG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 = NJW 1996, 1665 = DÖV 1996, 647) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Regelungen in Art. 16a GG und im Asylverfahrensgesetzkann der Ausländer, der in den Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Der Ausländer ist mithin mit einer Behauptung ausgeschlossen, in seinem Fall werde der Drittstaat - entgegen seiner sonstigen Praxis - Schutz verweigern. Der Ausländer kann sich auch nicht darauf berufen, ein - niemals völlig auszuschließendes - Fehlverhalten der Behörden im Drittstaat könne in seinem Fall zu einer Weiterschiebung in den Herkunftsstaat führen.Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG (nunmehr § 60 AufenthG) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 3 AufenthG berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG, der sich allerdings nur auf die in Anlage I zum AsylVfG bezeichneten Staaten, nicht jedoch auch auf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bezieht, hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.
19 
Auch Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, von einer Überstellung der Kläger nach Polen abzusehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - , InfAuslR 2012, 108 = AuAS 2012, 56 = NVwZ 2012, 417) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. Nach dieser Entscheidung wäre es jedoch auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.
20 
Die Kläger sind weder von einem der oben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen noch weist das Asylverfahren in Polen systemische Mängel auf.Durchgreifende Anhaltspunkte für erhebliche systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen bestehen nach aktueller Rechtsprechung nicht (vgl. etwa: VG Lüneburg, Beschlüsse vom 25.10.2013 – 2 B 48/13 - und 10.10.2013 – 2 B 47/13 -; VG Berlin, Beschluss vom 24.10.2013 – 33 L 450.13 A - ;VG Regensburg vom 16.10.2013 – RN 9 S 13.30520 - ; VG Stade, Beschluss v. 02.10.2013 – 3 B 3029/13 -; VG Kassel, Beschluss v. 27.08.2013 – 9 L 984/13.K.S.A - ; VG Schleswig, Beschluss v. 27.08.2013 – 1 B 43/13 -; VG Osnabrück, Beschluss v. 26.09.2013 – 5 B 133/13 -; VG Hannover, Beschluss v. 30.08.2013 – 1 B 6140/13 - ; VG Oldenburg, Beschluss v. 16.08.2013 - 3 A 5177/13 - ; VG Braunschweig, Beschluss v. 29.07.2013 – 8 B 434/13 - ; VG Saarbrücken, Beschluss vom 24.06.2013 - 6 L 839/13 -;). Nach dieser Rechtsprechung, die das erkennende Gericht teilt, hat Polen die rechtlichen Regelungen des vergemeinschafteten Asyl- und Flüchtlingsrechts der europäischen Union in den wesentlichen Grundzügen in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt (UNHCR, Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees for the Office of the High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report - Universal Periodic Review: Poland, vom November 2011, abrufbar unter www.refword.org).
21 
Die Entscheidungen in Asylverfahren sollen innerhalb von 6 Monaten getroffen werden; im Schnitt dauert ein Asylverfahren 18 Monate (Dublin Transnational Project, General information on asylum and Dublin in Poland, www.dublin-project.eu/dublin/Poland).Im Jahr 2012 wurden die Asylanträge von 2.435 Asylbewerbern beschieden. In 3,5% der Fälle wurde Flüchtlingsschutz, in 5,7% der Fälle wurde subsidiärer Schutz und in 10,3% der Fälle wurde humanitärer Schutz gewährt (insgesamt 19,5% Schutzgewährungen; zum Vergleich: das Bundesamt hat in 14,9% der Fälle Flüchtlingsschutz gewährt, in 11,9% der Fälle subsidiären Schutz und in 2,4 % der Fälle humanitären Schutz, insgesamt in 29,2% der Fälle Schutzgewährungen; vgl. zu all diesen Zahlen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge , Das Bundesamt in Zahlen 2012, www.bamf.de). Auf Asylbewerber aus der Russischen Föderation entfielen dabei 1072 entschiedene Asylanträge. 41 Asylbewerber aus der Russischen Föderation erhielten einen Flüchtlingsstatus (3,8%,), 104 subsidiären Schutz (9,7%) und 137 humanitären Schutz (12,7%), insgesamt also 26,2% einen Schutzstatus, wohingegen 790 Asylanträge abgelehnt wurden (UDSC, Polish Asylum Procedure, 2012, www.ekiba.de/download/Polish_Asylum_Procedure.pdf; zum Vergleich: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Jahr 2012 in 1.208 Fällen über Asylanträge von Asylsuchenden aus der Russischen Föderation mit einer Schutzquote von 14,4% entschieden; dabei wurde in 0,9 % der Fälle eine Asylanerkennung ausgesprochen, in 10,4 % der Fälle die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und in 3,1 % der Fälle ein Abschiebungsverbot festgestellt ). Insgesamt lässt sich mit den Jahren der Zuwachs ablehnender Entscheidungen feststellen (Gesellschaft für bedrohte Völker , Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen, 2011, S. 8). In diesem Zusammenhang wird eine restriktive Auslegung und Handhabung der Flüchtlingsanerkennung beklagt (Comité Belge d‘Aide aux Refugiés , Polish asylum procedure and refugee status determination, 2011, S. 15 ff., 33). Schwierigkeiten macht der Zugang zur rechtlichen Beratung und Vertretung im Asylverfahren. Ein staatliches System der Rechtshilfe gibt es nicht. Allerdings sind in diesem Feld NGOs tätig, die aber den Bedarf nicht decken können. Dies gilt insbesondere für die Gewahrsamszentren (GfbV, Flüchtlinge in Polen. Mangelnder Schutz an EU-Außengrenze, progrom 2012, Heft 4, S. 41 f.; UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; insgesamt The Jusuit Refugee Service , Protection interrupted. The Dublin regulation’s impact on asylum seekers’ protection, 2013, abrufbar unter www.refworld.org). In diesem Zusammenhang ist auch problematisch, dass die Übersetzung durch qualifizierte Dolmetscher nur unzureichend gewährleistet ist. In vielen Fällen erfolgt eine Übertragung mit Hilfe informeller Kontakte (UNHCR, Submission, 2011, a.a.O., S. 3; Helsinki Foundation for Human Rights, Migration Is Not a Crime, 2013, S.19, www.intervencjaprawna.pl/wp.content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf).Insgesamt ist deshalb zur rechtlichen Regelung und der Praxis der Asylverfahren festzustellen, dass grundsätzlich von einem ordnungsgemäßen und nicht übermäßig langen Verfahren gesprochen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzelfall nicht geprüft wird, gibt es nicht. Insbesondere bei der Information der Asylantragsteller und bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beratung gibt es aber Mängel.
22 
Was die Aufnahmebedingungen angeht, werden Asylbewerber in Polen entweder in einem der sog. Aufnahmezentren, in einer der geschlossenen Gewahrsamszentren oder in einem Abschiebezentrum aufgenommen. Dabei erfolgt die Aufnahme regelmäßig in einem der Aufnahmezentren (GfbV, Situation, a.a.O., S. 4). Dort wird den Asylbewerbern die erforderliche Verpflegung zur Verfügung gestellt, außerdem bekommen sie ein kleines Taschengeld und ggf. Reisegeld für erforderliche Fahrten. Kinder können die örtliche Schule besuchen; ihnen steht Schulmaterial kostenlos zur Verfügung (GfbV, Situation, a.a.O., S. 6, JRS, Protection, a.a.O., S. 186). Eine medizinische Basisversorgung war und ist in der Regel gewährleistet. Schwierigkeiten machte in der Vergangenheit allerdings der Zugang zu einer zufriedenstellenden medizinischen Versorgung insbesondere für Kinder und traumatisierte Asylbewerber (GfbV, Situation, a.a.O., S., 5; Huma network, Access to healthcare and living conditions of asylum seekers and undocumented migrants in Cyprus, Malta, Poland and Romania, www.ec.europa.eu/ewsi/UDRW/-imgaes/items/doc_20498_605665099.pdf). Dies hat sich zwischenzeitlich gebessert. Denn nach der aktuelleren Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – BT-Drucksache 17/14713 – gestaltet sich die gesundheitliche Versorgung nunmehr wie folgt:
23 
Im Rahmen der Dublin-Verfahren und in gerichtlichen Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten von russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volkszugehörigkeit, die über Polen nach Deutschland einreisen, werden sehr häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen vorgetragen.
24 
Nach aktueller Auskunft der Liaisonbeamtin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Polen ist die medizinische Versorgung dort für Asylbewerber wie folgt sichergestellt:
25 
Die Behandlung von Asylbewerbern, die eine medizinische Versorgung und eine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen müssen, ist in Polen kostenlos und erfolgt grundsätzlich durch qualifiziertes Personal. Die medizinische Versorgung während des Flüchtlingsverfahrens umfasst alle Ausländer (gemäß Artikel 73 des polnischen Flüchtlingsgesetzes), die einen Antrag auf Flüchtlingsschutz gestellt haben und sich bei der Sozialhilfe-Abteilung des Amtes für Ausländer registriert haben, unabhängig von ihrer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen oder außerhalb. Personen im Flüchtlingsverfahren haben den gleichen Anspruch auf den Umfang der medizinischen Versorgung wie polnische Staatsangehörige (ausgeschlossen sind lediglich Kurfahrten). Die medizinische Versorgung von Personen im Flüchtlingsverfahren in Polen koordiniert das Zentrale Krankenhaus des Innenministeriums in Warschau. Die medizinische Versorgung umfasst:
26 
- Durchführung sog. epidemiologische Untersuchungen – alle Ausländer, die zum ersten Mal einen Antrag auf Flüchtlingsschutz stellen, werden in der Aufnahmeeinrichtung in Biala Podlaska oder in Podkowa Lesna-Debak epidemiologisch untersucht. Die Untersuchung beinhaltet die Feststellung, ob der Ausländer an Infektionskrankheiten leidet (darunter Tuberkulose, Hepatitis B und C Typ, HIV, Geschlechtskrankheiten).
- In jeder Aufnahmeeinrichtung in Polen gibt es medizinische Behandlungs- räume, dort stehen Krankenschwestern, ein Arzt und ein Kinderarzt zur Verfügung.
- Kranke Personen, die spezielle Untersuchungen benötigen, werden ans Krankenhaus oder zu speziellen Untersuchungen überwiesen. Die Untersuchungen finden entweder im Zentralen Krankenhaus des Innen- und Verwaltungsministeriums statt oder auch in anderen Krankenhäusern, mit dem das Zentrale Krankenhaus eine Vereinbarung unterschrieben hat.
- Zahnbehandlungen.
- Psychologische Hilfe.
- Rehabilitation.
27 
Nach dem Bericht der Helsinki Foundation for Human Rights (Helsinki-Stiftung) „Migration is not a crime“ aus dem Jahr 2013 erhalten Ausländer schriftlich und mündlich alle erforderlichen Informationen über die Möglichkeit, medizinische und psychologische Betreuung zu erhalten. In allen Zentren können die Ausländer medizinische Hilfe erhalten, wobei es – wie auch in deutschen Unterkünften – Sprachschwierigkeiten mit dem medizinischen Personal geben kann. Zudem können sich z. B. Opfer von Übergriffen innerhalb der Unterkünfte an die Polizei wenden.
28 
Behandelbarkeit von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) in Polen
29 
Laut Auskunft der Liaisonbeamtin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Polen vom April 2013 wird gemäß Artikel 68 des polnischen Flüchtlingsschutzgesetzes vom 13. Mai 2003 jeder Ausländer, der in seinem Antrag auf Flüchtlingsschutz erklärt hat, dass er Opfer von psychischer oder physischer Gewalt ist, vor seiner Anhörung im Flüchtlingsverfahren an einen Psychologen verwiesen. Dieses Gespräch findet im Amt für Ausländer in Warschau statt. Während dieses Gesprächs ist neben dem Psychologen auch ein Dolmetscher anwesend, der ebenso wie der Psychologe vom Budget des Amtes für Ausländer bezahlt wird. Nach diesem Gespräch verfasst der Psychologe eine Stellungnahme, aus der hervorgeht, ob bei dem Antragsteller ein Verdacht auf eine PTBS besteht und ob die Teilnahme eines Psychologen an der Anhörung erforderlich ist. Wenn der Psychologe festgestellt hat, dass seine Anwesenheit bei der Anhörung im Flüchtlingsverfahren erforderlich ist, nimmt er an der Anhörung teil. Er beobachtet das Verhalten und die Reaktionen des Antragstellers, er hat das Recht, Fragen zu stellen, und vom Anhörenden kann er verlangen, von bestimmten Fragen abzusehen. Nach der Anhörung verfasst der Psychologe eine Stellungnahme, die Bestandteil der Akte im Flüchtlingsverfahren ist, auf die sich der Entscheider im Bescheid berufen muss. Sofern der Psychologe eine PTBS festgestellt hat, informiert er den Antragsteller über die Erforderlichkeit der Behandlung und die Kontaktaufnahme mit dem Psychologen in der Aufnahmeeinrichtung, in der der Antragsteller untergebracht ist. Der Zugang zum Psychologen ist kostenlos, und es gibt keine festgelegte Zahl an Gesprächen mit dem Psychologen (jeder Fall wird individuell behandelt). Wenn es erforderlich ist, verweist der Psychologe per Überweisungsschein an einen Psychiater zur weiteren Behandlung.
30 
Das polnische Amt für Ausländer arbeitet derzeit mit vier Psychologen zusammen (einer davon ist speziell für den Umgang mit Minderjährigen geschult), die Erstgespräche mit Antragstellern durchführen und auch an den Anhörungen teilnehmen. Darüber hinaus gibt es in jeder Aufnahmeeinrichtung Psychologen, die dort Dienst haben und zu denen Antragsteller uneingeschränkten Zugang haben.
31 
Antragsteller können sich sowohl an die Psychologen, mit denen das polnische Amt für Ausländer zusammenarbeitet, als auch an die Psychologen, die für nichtstaatliche Organisationen tätig sind, wenden. Die Informationen zum Zugang zum Psychologen erhalten Antragsteller in den Aufnahmeeinrichtungen, in denen sie untergebracht sind. Nach alledem ist davon auszugehen, dass für psychisch kranke Menschen systemische Mängel im in Polen praktizierten Asylverfahren nicht bestehen (so auch Verwaltungsgericht – VG – Saarland, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 3 L 961/13).
32 
Dass sich die Gesundheitsfürsorge in den letzten Jahren verbessert hat, ergibt sich aus einem chronologischen Abgleich der Jahresberichte von Amnesty International. Denn letztmals im Jahresbericht 2010 hat sich die Organisation darüber beklagt, dass Flüchtlinge und Asylsuchende sich beim Zugang zu Gesundheitsfürsorge und zum Arbeitsmarkt nach wie vor Schwierigkeiten ausgesetzt sähen. In den Folgejahren findet sich dies nicht mehr.
33 
Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen in Polen führt die Bundesregierung in der o.g. Antwort anschließend aus:
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Der Bericht der Helsinki-Stiftung „Migration is not a crime“, der sich auf eine Überprüfung der sechs „Guarded Centres for Foreigners“ in Polen, also der sechs geschlossenen/bewachten Ausländereinrichtungen im Herbst 2012 beschränkte, rügt zwar im Einzelnen die Einweisungs- und Versorgungsbedingungen in dieser Art von Einrichtungen, hebt aber auch hervor, dass sie ziemlich unterschiedlich organisiert und ausgestattet sind (siehe Seite 36 des Berichts).
35 
Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht der Helsinki-Stiftung zur Unterbringungssituation u. a., dass die Zentren offiziell für die Unterbringung von Ausländern umgebaut, zum Teil umfänglich renoviert wurden und sich in gutem Zustand befinden. Die umfangreiche Regulierung des Aufenthalts in diesen Unterkünften ist zwar verglichen mit den Verhältnissen in Deutschland erheblich restriktiver, erreicht aber nicht die Qualität einer Inhaftierung. Des Weiteren ist die Möglichkeit, mit der Welt außerhalb des jeweiligen Zentrums in Kontakt zu treten, sichergestellt; gleiches gilt für Besuche von Verwandten und die Möglichkeit, sich an internationale Organisationen zu wenden (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 3 b 185/13MD). Einem Bericht des U.S. Department of State zufolge hat die polnische Regierung zusätzlich zu den geschlossenen/bewachten Einrichtungen für Ausländer elf offene Zentren für Asyl- suchende initiiert, die sich in den Gebieten Warschau, Bialystok und Lublin befinden und ungefähr 2.000 Personen aufnehmen können.
36 
Insgesamt ergibt für Polen danach das Bild eines asylverfahrensrechtlichen Regimes und von Aufnahmebedingungen, das den Maßgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und des asylrechtlichen System der Europäischen Union in den Grundlinien genügt. Das Refoulement-Verbot wird im Grundsatz eingehalten, es werden geordnete Asylverfahren geführt und in überschaubarer Zeit Entscheidungen getroffen, die Einzelfallentscheidungen darstellen und es werden den Asylbewerbern während des Asylverfahrens im Großen und Ganzen auch ausreichende Lebensgrundlagen (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Hilfe) zur Verfügung gestellt. Allerdings gibt es, wie dargestellt, nach wie vor Mängel. Soweit vereinzelte Missstände oder Mängel beschrieben werden, lässt dies nicht den Schluss zu, dass systematisch gegen die Vorschriften der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) verstoßen werden würde oder menschenrechtswidrige Aufnahmebedingungen vorherrschten. Legt man die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgeführten Gründe für die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO und den sich daraus ergebenden strengen Maßstab an die Qualifizierung als systemische Mängel an, so stellen sich die aufgeführten Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Polen auch in der Summe nicht als systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dar.
37 
Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bestehen somit nicht, insbesondere ist die medizinische und psychologische Versorgung für die Kläger in ausreichendem Maße sichergestellt.
38 
Der Abschiebung stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, zu deren Prüfung das Bundesamt in Fällen der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - anders als sonst in Asylverfahren - ausnahmsweise verpflichtet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris). Aus den von den Klägern zu 1) und 2) vorgelegten, ihre Kinder betreffenden Attesten ergibt sich insbesondere keine Reiseunfähigkeit.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, § 83b AsylVfG.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, Abschiebungsmaßnahmen aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 sowie aus der Zurückschiebungsverfügung der Bundespolizeiinspektion R. vom 2. Dezember 2013 bzw. Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Entscheidung über diesen Antrag durchzuführen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus ihrem Vorbringen nicht ergibt, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung oder Zurückschiebung zusteht.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Vollziehung der Abschiebung aus der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 zu untersagen, bleibt ohne Erfolg. Insoweit ist

die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Aussetzung der mit Bescheid vom 20. Januar 2014 angeordneten Abschiebung ist allerdings unzulässig. Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG verweist § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ausdrücklich auf das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist somit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Die Antragstellerin kann insoweit im noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (Az. M 12 S7 14.30364) effektiven Rechtsschutz erlangen. In diesem Verfahren macht die Antragstellerin ebenfalls geltend, dass in ihrer Person sowohl inlandsbezogene als auch zielstaats-bezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Käme das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren bei summarischer Prüfung zum Ergebnis, dass die geltend gemachten Abschiebungshindernisse vorlägen, so hätte es die aufschiebende Wirkung der Klage (M 12 K 14.30132) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 anzuordnen, so dass die Abschiebungsanordnung bis zu einer anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vollziehbar wäre. Damit hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Vollzugsmaßnahmen aus der Abschiebungsanordnung vom 20. Januar 2014 zu unterlassen, vollständig erreicht.

Im Übrigen handelt es sich bei einer Rechtsstreitigkeit über die Entscheidung des Bundesamtes nach § 34a Abs. 1 AsylVfG um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 80 AsylVfG, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen aus der Zurückschiebungsverfügung vom 2. Dezember 2013 durchzuführen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Für eine diesbezügliche einstweilige Anordnung fehlt (wohl schon) das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Zurückschiebungsverfügung durch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 auf andere Weise erledigt hat (s. § 43 Abs. 2 VwVfG).

Eine Zurückschiebungsanordnung auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG stellt einen belastenden anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthaltsG, Stand August 2013, § 57 Rn. 17), der durch die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 13. Januar 2014 und die Entscheidung des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 obsolet geworden ist und sich deshalb dadurch erledigt hat. Rechtsgrundlage für eine mögliche Abschiebung der Antragstellerin nach Ungarn ist damit ausschließlich die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zurückschiebungsanordnung noch Rechtswirkungen entfaltet, hätte es die Antragstellerin versäumt, gegen die Zurückschiebungsverfügung als belastenden Verwaltungsakt entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung Rechtsmittel einzulegen, so dass die Zurückschiebungsverfügung bestandskräftig geworden wäre. Vorläufigen Rechtsschutz hätte die Antragstellerin im Übrigen auch nur im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurückschiebungsverfügung erlangen können. Daher stünde auch § 123 Abs. 5 VwGO einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO entgegen.

Soweit das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. Februar 2014 davon ausgegangen sein sollte, dass der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Abschiebung unabhängig von der asylverfahrensrechtlichen Streitigkeit aus § 34a AsylVfG als (zusätzliche) ausländerrechtliche Streitigkeit auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG zu behandeln sei, hilft auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG gerichtete Eilantrag in einem solchen Fall gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde und nicht gegen die Antragsgegnerin zu richten gewesen wäre. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.