Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2015 - 7 K 7616/13


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.1959 in Wetzlar geborene Kläger wandte sich mit Schreiben vom 13.08.2011 erstmals an die Beklagte und beantragte die Anerkennung körperlicher Fehlbildungen als Conterganschäden. Er wies darauf hin, dass seine am 01.07.1960 geborene Schwester anerkannte Contergangeschädigte sei. Er sei eineiiger Zwilling. Sein Zwillingsbruder sei bereits 6 Tage nach der Geburt an schwersten inneren Organschädigungen (Herzmuskelschädigungen) verstorben. Seine eigenen Schäden umfassten seit der frühesten Kindheit die inneren Organe, insbesondere im Bereich des Enddarms. Dieser sei im Alter von 14 Jahren mit schlimmen Folgen operiert worden. Dies habe zu Stuhlhaltungsproblemen geführt. Diesbezüglich habe er sich vor einigen Jahren an Prof. I. gewandt, der eine verpflanzende Operation von Nervengewebe als möglich erachtet und auch einen Zusammenhang mit Contergan für möglich gehalten habe. Ferner sei er – der Kläger – von Geburt an Asthmatiker und habe bis ins frühe Erwachsenenalter unter einem Leistenhoden gelitten. Dieser sei operiert worden, weise aber nicht die normale Größe auf, was zu einer bedingten Zeugungsunfähigkeit geführt habe.
3Mit am 21.09.2011 eingegangenem Formantrag vertiefte der Kläger seine Angaben. Seine am 16.05.1930 geborene Mutter habe unter beständig starken Schmerzen gelitten, die ihr zeitlebens die Einnahme von Medikamenten, darunter Contergan, aufgezwungen hätten. Eine Conterganschädigung seiner Person sei ihm durch Presseberichte und Gesprächen mit der Schwester ins Bewusstsein gerückt. Im Alter von 14 Jahren habe er sich in der Kölner Kinderklinik einer sog. Whitehead-Operation unterzogen, die nervale Innervation des Darms und des Anus weitgehend zerstört und starke Vernarbungen nach sich gezogen habe. Unterlagen hierüber gebe es nicht mehr. Bis heute gebe es deshalb Probleme mit dem Stuhlgang. Die hiermit verbundenen Umstände belasteten ihn auch psychisch sehr stark. Der Leistenhoden rechts sei im Alter von ca. 10 Jahren operiert worden. Die Versorgung sei aber nicht fachgerecht erfolgt. Der Hoden sei im Leistenkanal stecken geblieben und sei unterentwickelt. Seine Ehe sei trotz Kinderwunsch kinderlos geblieben. Wegen des Krebsrisikos sei der Leistenhoden später erneut operiert worden. Zudem habe er Probleme mit den Augen, leide unter starker Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit und Netzhautablösungen. Von Geburt an sei er Asthmatiker und habe bis zum Ende der Pubertät unter Blutarmut und Untergewicht gelitten. Schließlich leide er an Arthrosen. Auch sei eine Operation des Karpaltunnels erfolgt. Massive Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule träten hinzu. Außerdem habe er einen Internisten wegen Problemen mit der Schilddrüse kontaktieren müssen.
4Mit Bescheid vom 24.08.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die medizinische Kommission habe festgestellt, dass die Fehlbildungen nicht auf die Einnahme thalidomidhalter Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen durch die Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen seien. Die Beklagte stützte sich hierbei auf folgende sachverständige Stellungnahmen: In einer Stellungnahme vom 03.05.2012 führte Herr Prof. K. aus augenärztlicher Sicht aus, dass sich nach den vorgelegten Befunden beim Kläger keine Augenschädigungen erkennen ließen, die auf eine Conterganschädigung zurückgeführt werden könnten. Herr Dr. X. erklärte in seiner Stellungnahme vom 18.06.2012, dass die Schädigungen am Darm auf eine heute nicht mehr übliche Hämorrhoiden-Operation zurückzuführen seien. Im Übrigen sei als Conterganschädigung des Darms nur ein Afterverschluss bei Geburt berücksichtigungsfähig. Der Leistenhoden sei kein Beleg für eine Thalidomidembryopathie. Herr. Dr. T. -I1. erklärte in seiner Stellungnahme vom 19.07.2012, dass die Schilddrüsenveränderungen nicht mit Contergan in Verbindung gebracht werden könnten. Gleiches gelte für Asthma und einen Zustand nach Hörsturz sowie eine Stammvarikosis der Beine. Herr Dr. H. kommt in seiner Stellungnahme vom 25.07.2012 zu dem Ergebnis, dass keine orthopädischen Fehlbildungen zu verzeichnen seien, die einen Conterganschaden darstellten. Arthorosen seien degenerative Entwicklungen.
5Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. In der Gesamtschau ergebe sich, dass insbesondere der Leistenhoden und die Analkanalstenose auf die Einnahme thalidomidhaltiger Medikamente zurückzuführen seien. Er verwies auf den frühen Tod seines Bruders. Neonatale Sterblichkeit infolge innerer Organschäden werde als typische Organschädigung beschrieben. Dies gelte insbesondere für kardiovaskuläre Fehlbildungen. Augenschädigungen seien gleichfalls als typische Thalidomidschäden erfasst. Gleiches gelte für die Stenose. Die Whitehead-Operation sei zur Erweiterung des After-Ausgangs erfolgt. Vor dem 20. Lebensjahr seien Härmorrhoiden außergewöhnlich; sie seien folglich als Grund der OP auszuschließen. Auch Schädigungen im Genitalbereich zählten zu den typischen Thalidomidschäden.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Hierbei bezog sie sich auf die fachärztliche Stellungnahme der Humangenetikerin Prof. Dr. L. vom 18.10.2013. Hiernach weise der Kläger keine Symptomkombination auf, wie sie für Thalidomidembryopathien beschrieben werde. Die dargestellten Symptome seien solche, die auch in der Allgemeinbevölkerung zu beobachten seien. Insbesondere lägen keine Extremitätenfehlbildungen vor. Eine Analatresie habe nicht vorgelegen. Anderenfalls habe sogleich nach der Geburt eine Operation erfolgen müssen. Die Analstenose sei Folge einer Hämorrhoidenoperation. Leistenhoden würden bei Thalidomidgeschädigten nur in Verbindung mit Extremitätenfehlbildungen vereinzelt beobachtet. Solche Fehlbildungen weise der Kläger jedoch nicht auf. Arthrosen der Gelenke seien Verschleißerscheinungen, die auch in der Allgemeinbevölkerung zu verzeichnen seien. Für angeborene Wirbelsäulenschäden fänden sich in den medizinischen Befunden keine Anhaltspunkte. Auch die Kurzsichtigkeit sei eine in der Allgemeinbevölkerung häufig vorkommende Beeinträchtigung. Im Übrigen wiesen die Augen keine Conterganschädigung auf. Auch die übrigen Symptome – Hörsturz, Knoten in der Schilddrüse, Asthma, Stammvarikosis – seien Beschwerden, die sich erst im Laufe des Lebens ausbildeten und nicht durch Thalidomidexposition bedingt seien.
7Der Kläger hat am 05.12.2013 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
8Er beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2013 zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu gewähren.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie tritt dem Vorbringen des Klägers unter Hinweis auf die vorliegenden sachverständigen Stellungnahmen entgegen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die Klage ist nicht begründet.
16Der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2012 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 05.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.06.2009 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1847) – ContStifG –.
17Die Gewährung von Leistungen nach § 13 ContStifG – Kapitalentschädigung, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und Conterganrente – setzt gemäß § 12 Abs. 1 ContStifG Fehlbildungen voraus, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werdenkönnen. Mit der durch den Gesetzgeber gewählten Formulierung ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bewusst weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine über jeden Zweifel erhabene Kausalitätsfeststellung unmöglich ist.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 - und vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 -.
19Mit dieser Beweiserleichterung ist darauf Rücksicht genommen, dass sowohl die Aufklärung der Thalidomideinnahme durch die Mutter als solche, als auch die eindeutige Feststellung eines naturwissenschftlichen Zusammenhangs zwischen der Einnahme und einer Fehlbildung nach mehr als 50 Jahren an Grenzen stoßen. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass nur theoretische Kausalzusammenhänge in dem Sinne ausreichen, dass Thalidomid als Ursache für die Fehlbildungen nicht auszuschließen ist. Hiermit ließe sich angesichts der Vielfalt anderer möglicher Ursachen der Kreis der anspruchsberechtigten Personen nicht verlässlich eingrenzen. Denn einer Thalidomidembryopathie vom Erscheinungsbild her ähnliche Fehlbildungen treten auch in der Allgemeinbevölkerung auf. Es muss daher mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit gerade die Einwirkung von Thalidomid während der embryonalen Entwicklung sein, die in einen ursächlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Fehlbildungen gebracht werden kann. Bloße Behauptungen oder Vermutungen reichen hierfür nicht aus.
20Es bedarf keiner Aufklärung der Frage, ob die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft thalidomidhaltige Präparate der Grünenthal GmbH eingenommen hat. Dieses kann – entgegen der Auffassung des Klägers – weder aufgrund des Geburtsdatums noch aufgrund des Umstandes als sicher vorausgesetzt werden, dass die um ein Jahr jüngere Schwester als Contergangeschädigte anerkannt ist. Gleiches gilt für die Tatsache, dass sein Zwillingsbruder wenige Tage nach der Geburt an einem angeborenen Herzfehler verstarb.
21Nach den Feststellungen aller beteiligter Sachverständiger sind die Fehlbildungen und körperlichen Leiden des Klägers jedenfalls nicht auf die Einnahme von Thalidomid durch die Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen. Sie sind ihrem Erscheinungsbild nach nicht so beschaffen, dass sie mit der erforderlichen Gewissheit mit einer Thalidomideinnahme in Verbindung gebracht werden können. Sie sind in keiner Weise für thalidomidbedingte Missbildungen charakteristisch und wurden auch nicht in Einzelfällen in ihrer konkreten Form als thalidomidbedingt festgestellt.
22Vgl. zur Bedeutung des Erscheinungsbildes für die Annahme eines Kausalzusammenhangs: Begründung des Gesetzentwurfs über die Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind“, BT-Drs. VI/926, S. 8, ferner OVG NRW, Beschluss vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 -.
23Die Fachärztin für Humangenetik Prof. Dr. M. L. führt in ihrem Gutachten vom 18.10.2013 aus, dass der Kläger keine spezifischen Symptome einer Thalidomidembryopathie, insbesondere keine thalidomidtypischen Extremitäten-fehlbildungen aufweist. Sie bewertet damit das Vorliegen einer Thalidomidembryopathie als in hohem Maße unwahrscheinlich. Diese Schlussfolgerung gründet sich nicht nur auf den Hinweis auf fehlende äußerliche Extremitätenfehlbildungen, sondern auch auf eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den vom Kläger geltend gemachten übrigen Leiden. Insbesondere führt Frau Prof. Dr. L. in ihrem Gutachten aus, dass die Analstenose (Verengung des Afterkanals) auf die – auch klägerseits unbestrittene – Whitehead-Operation zurückzuführen ist, eine veraltete Operationstechnik, die nur zur Behandlung hämorrhoidaler Beschwerden zur Anwendung kam. Sie ist damit nicht mit einer Thalidomidschädigung in Verbindung zu bringen. Dies auch dann nicht, wenn man unterstellt, dass die Operation der Behandlung einer Analatresie resp. Analstenose diente, die in Ziffer 2.11 der Medizinischen Punktetabelle angesprochen ist. Denn entsprechende Schädigungen wurden bei Thalidomidgeschädigten nach den auch von Klägerseite nicht bestrittenen Feststellungen von Prof. Dr. L. nur in Zusammenhang mit Extremitätenfehlbildungen beobachtet. Nicht erklärbar bliebe anderenfalls auch der Umstand, dass die Operation des Klägers erst im Alter von 14 Jahren erfolgte, eine Analatresie jedoch sogleich nach der Geburt operativ zu behandeln ist. Zwar wendet der Kläger zu Recht ein, dass hämorrhoidale Beschwerden im Kindesalter selten sind. Mit dieser zutreffenden Aussage ist jedoch noch nicht belegt, dass die Operation der Behebung einer thalidomidbedingten Fehlbildung diente. Vor allem spricht die fehlende Vergesellschaftung mit Extremitätenfehlbildungen dagegen. Vergleichbares gilt nach den Fesestellung von Frau Prof. Dr. L. für den als thalidomidbedingt geltend gemachten einseitigen Leistenhoden. Dieser wird im Übrigen mit einer Häufigkeit von 2-5 % der Jungen beschrieben. Auch ist hiernach eine (entsprechende) Anwendung der Ziff. 2.13 der Punktetabelle – wie die der Ziffer 2.11 bei der Analatresie – nur im Fall vorhandener Extremitätenfehlbildungen denkbar.
24Die Schlussfolgerungen von Frau Prof. Dr. L. werden durch die Feststellungen der bereits zuvor mit den Fehlbildungen auf ihren jeweiligen Fachgebieten befassten Ärzten untermauert. So verneint Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 03.05.2012 einen Zusammenhang des augenärztlichen Befundes mit einer Conterganeinnahme durch die Mutter, was sich für eine bloße Kurzsichtigkeit auch dem medizinischen Laien ohne Weiteres erschließt. Dies gilt auch für die übrigen augenärztlichen Befunde. Zu der gleichen Bewertung kommt Herr Dr. X. in seiner Stellungnahme vom 18.06.2012 auf urologischem Gebiet. Herr Dr. T. -I1. teilt diese Bewertung in seiner Stellungnahme vom 19.07.2012 aus allgemeinmedizinischer Sicht ebenso wie Dr. Dr. H. in seiner Äußerung vom 25.07.2012 aus orthopädischer.
25Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass zu weiterer Aufklärung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Die Annahme des Klägers, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien auf eine Thalidomideinnahme durch seine Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen, ist zwar angesichts des familiären Hintergrundes – des frühen Todes seines Zwillingsbruders und der Anerkennung der jüngeren Schwester als Contergangeschädigte – nachvollziehbar und durchaus verständlich. Sie findet aber in den objektivierbaren medizinischen Erkenntnissen zu seiner Person keine Entsprechung und bleibt damit spekulativ. Damit ist der angesprochene Grad einer wahrscheinlichen Thalidomidschädigung erkennbar nicht erreicht. Ansätze zu weiterer Sachverhaltsermittlung sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
26Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 VwGO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:
- 1.
eine einmalige Kapitalentschädigung, - 2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3, - 3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und - 4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt
- 1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro, - 2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro, - 3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.
(1) Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, werden an die Leistungsberechtigten gewährt, die bei Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes lebten, und nach Maßgabe des § 13 Abs. 5 Satz 2 an deren Erbinnen und Erben.
(2) Wurden Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht, können die Conterganrente und eine Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.