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Der Schriftsatz des Klägers vom 02.11.2004 gibt der Kammer keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erlassenen Auflagen zur Hundehaltung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.1 S.1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist § 4 i.V.m. § 2 PolVOgH. Gemäß § 4 PolVOgH treffen die Halter von gefährlichen Hunden im Sinne von § 2 PolVOgH besondere Pflichten, insbesondere ist ihnen ein Leinen- und Maulkorbzwang aufzuerlegen. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Regelungen der PolVOgH keine Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2002 - 6 CN 8/01 - (NVwZ 2003, 95) keine der Regelungen der PolVOgH zu beanstanden (siehe Beschl.v. 06.05.2003 - 1 S 411/03 - Juris.web). Im Übrigen hat die Kammer bereits in ihrem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 27.12.2002 - 2 K 3660/02 - darauf hingewiesen, dass es sich bei den vom Bundesverwaltungsgericht mangels gesetzlicher Ermächtigung für nichtig erklärten Regelungen der Niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere vom 05.07.2001 (geändert vom 12.09.2001) ausschließlich um Regelungen der abstrakten Gefahrenabwehr gehandelt hat, in denen aus der Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse, einem Typ oder einer entsprechenden Kreuzung die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts angenommen worden war. In § 2 PolVOgH wird jedoch nicht auf die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer Rasse, einem Typ oder einer entsprechenden Kreuzung abgestellt, sondern vielmehr auf die konkrete Verhaltensweise eines individuellen Hundes; hierfür gibt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nichts her.
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Gemäß § 2 PolVOgH gelten als gefährliche Hunde im Sinne dieser Verordnung Hunde, die, ohne Kampfhunde gemäß § 1 PolVOgH zu sein, aufgrund ihres Verhaltens die Annahme rechtfertigen, dass durch sie eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen oder Tieren besteht. Gefährliche Hunde sind insbesondere Hunde, die bissig sind (Nr.1), in aggressiver oder Gefahr drohender Weise Menschen oder Tiere anspringen (Nr.2) oder zum unkontrollierten Hetzen oder Reißen von Wild oder Vieh oder anderen Tieren neigen (Nr.3). Die Kammer brauchte nicht zu entscheiden, ob der Hund „Bajer“ bissig ist, denn bei diesem handelt es sich nach ihrer Ansicht jedenfalls deshalb um einen gefährlichen Hund, weil er in Gefahr drohender Weise andere Hunde anspringt.
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Nach Nr.2.2 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zur Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - VwVgH - vom 15.12.2003 (GABl S.166) liegt ein Anspringen in aggressiver oder Gefahr drohender Weise in der Regel vor, wenn der Hund den Körperkontakt aufgrund eines kämpferischen Angriffs herbeigeführt hat. Gefahr drohend ist das Anspringen, wenn aus der Sicht des Angesprungenen - objektiv nachvollziehbar - die Möglichkeit einer Verletzung bestanden hat und dieser sich deshalb durch das Anspringen in seinem körperlichen oder seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt sieht. Da § 2 Nr.2 PolVOgH von der Gefährlichkeit eines Hundes auch dann ausgeht, wenn dieser in Gefahr drohender Weise zwar keine Menschen, sondern nur Tiere anspringt, kommt es in diesen Fällen entscheidend darauf an, dass aus der Sicht des Hundeführers objektiv nachvollziehbar die Möglichkeit einer Verletzung seines Hundes bestanden hat und dieser sich deshalb durch das Anspringen des von ihm ausgeführten Hundes in seinem körperlichen oder seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt sieht. Ebenso ist unbeachtlich, dass der Hund „Bajer“ die anderen Hunde nicht angesprungen, sondern wegen der Größenverhältnisse - der Dobermann griff jeweils einen erheblich kleineren Hund an - diese am Genick gepackt hat.
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Nach Ansicht der Kammer steht fest, dass der Hund „Bajer“ am 26.08.2002 einen angeleinten Kampfhund angegriffen hat, am 28.10.2002 einen Cocker-Spaniel und am 29.07.2004 einen Chinesischen Faltenhund. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Hunde, und ggf. in welchem Umfang, dabei verletzt worden sind. Aus der Sicht der jeweiligen Hundeführer hat jedenfalls - objektiv nachvollziehbar - die Möglichkeit einer Verletzung bestanden und diese haben sich deshalb durch das Packen des von ihnen ausgeführten Hundes im Genick in ihrem körperlichen oder seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt gesehen.
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Symptomatisch ist dabei nach Ansicht der Kammer der Vorfall am 29.07.2004; dieser hat sich zwar erst nach der letzten Behördenentscheidung ereignet, bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich jedoch um einen Dauerverwaltungsakt, bei dem auch Veränderungen der Sachlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind (siehe Eyermann/Jörg Schmidt, § 113, Rd.Nr.48 m.w.N sowie speziell zur Hundehaltung VG Karlsruhe, Urt.v. 26.03.2002 - 10 K 2428/02). Hinsichtlich dieses Vorfalls berichtete die Zeugin ... der Polizei, dass sie abends gegen 20.00 Uhr mit dem angeleinten Chinesischen Faltenhund und ihren zwei Kindern im Alter von sieben und fünf Jahren spazieren gegangen sei, als sich plötzlich der Dobermann sowie der Kanadische Schäferhund genähert hätten. Wörtlich berichtete die Zeugin Folgendes:
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Als ich dann mit dem Hund dort stehen geblieben war, blieb der Dobermann kurz vor uns stehen und fixierte meinen Hund. Er hatte eine völlig starre Körperhaltung und ich hatte den Eindruck, dass er jederzeit zu einem Angriff bereit ist.
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Der Herr ... war zu diesem Zeitpunkt immer noch vor dem DRK-Gebäude stehen geblieben und machte keinerlei Anstalten sich um seine Hunde zu kümmern. Erst nach mehrmaligem Rufen kam er auf unsere Straßenseite und blieb ca. 2 Meter hinter seinem Dobermann stehen.
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Er sprach immer wieder auf mich ein, dass der Hund nichts machen würde, war aber nicht bereit, seinen Hund in irgendeiner Form zurückzuhalten. Ich hatte den Eindruck, dass der Herr ... es genießt, dass ich vor seinem Hund Angst hatte.
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In dem Moment, in dem ich mich bewegte, sprang der Dobermann nach vorne und griff meinen Hund an. Hierbei hat er meinen Hund in den Nacken gebissen und meinen Hund geschüttelt. Herr ... machte auch in dieser Situation keinerlei Anstalten, seinen Hund zurückzuhalten oder zurückzurufen. Da ich zwischenzeitlich schon angefangen hatte zu schreien, sagte der ... lediglich, ich solle ruhig sein.
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Erst als meine Kinder anfingen zu schreien und zu weinen, hat der ... eingegriffen und seinen Hund weggezogen.
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Daraufhin beteuerte er immer wieder, dass meinem Hund nichts passiert sei und es auch nicht schlimm ist, wenn er ein bisschen Fell verloren habe. Erst als Herr ... dann sah, dass mein Hund im Nacken blutete, wurde er sofort etwas kleinlaut und zog sich sichtlich zurück. Als ich ihm dann noch im Vorbeigehen sagte, dass ich wisse wer er sei, hat er sich noch kurz mit 4-5 jüngeren Männern unterhalten und ist nach einer Weile mit beiden Hunden in seinem Auto (roter ... mit Fahrradträger) weggefahren.
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Herr ... hat keinerlei Anstalten gemacht, sich für den Vorfall zu entschuldigen oder sich in anderer Art und Weise um mich gekümmert.
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Ich habe dann später meinen Hund angeschaut und auch mit dem Hundehalter gesprochen und wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass der Hund nicht zum Tierarzt muss. Die Wunden im Nacken sind zwischenzeitlich geschlossen und ich habe sie selbst mit entsprechender Creme eingerieben.
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Der helle Hund des Herrn ... hat sich in der ganzen Situation ruhig verhalten und hat nicht in irgendeiner Form eingegriffen.
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Der Kläger bestreitet zwar die Gefährlichkeit sämtlicher Vorfälle, angesichts der Vielzahl der - noch zahlreichen weiteren - aktenkundig gewordenen Vorfälle, die von ganz unterschiedlichen Zeugen berichtet wurden, hat die Kammer jedoch keine Zweifel daran, dass sich diese jedenfalls im wesentlichen wie von den Zeugen berichtet abgespielt haben. Der Kläger stellt diese Vorfälle im Kern auch nicht in Abrede, sondern bringt jeweils nur Entschuldigungen vor, die in erster Linie dahin gehen, dass sich der jeweilige Hundeführer falsch verhalten habe. Darüber hinaus hat die Beklagte nunmehr auch Lichtbilder vorgelegt, die zeigen, wie der unangeleinte Dobermann „Bajer“ ohne Beißkorb zwischen den Tischen eines Straßencafés herumläuft und die nach Ansicht der Kammer eindrucksvoll belegen, dass der Hund allein wegen seiner Größe jedenfalls dann Furcht einflößend wirkt, wenn er vom Kläger nicht sicher unter Kontrolle gehalten wird, was aufgrund der zahlreichen aktenkundigen Vorfälle offensichtlich nicht der Fall ist.
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Der Einstufung des Hundes „Bajer“ als gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Nr.2 PolVOgH, weil er in Gefahr drohender Weise andere Hunde anspringt, steht nicht entgegen, dass die - auch nach Ansicht der Beklagten - anerkannte Ethologin Frau Dr. ... in ihrem Gutachten vom 31.05.2003 zu dem Schluss kommt, dass der Hund alle mit ihm durchgeführten Tests sehr gut bestanden habe und ungefährlich sei. Bei dem Dobermann handelt es sich offenbar um keinen von Natur aus aggressiven und deshalb gefährlichen Hund. Auch scheint der Kläger durchaus in der Lage zu sein, auf den Hund einzuwirken; hierzu ist der Kläger jedoch offensichtlich nicht immer bereit. Vor allen Dingen dann, wenn sich andere Hundeführer nach Ansicht des Klägers falsch benehmen oder wenn sie sich selbst oder den von ihnen ausgeführten Hund von dem freilaufenden Dobermann bedroht fühlen und den Kläger deshalb in aggressiver Weise auffordern, den Dobermann zu sich zu nehmen, fühlt sich der Kläger angegriffen und ist nicht mehr bereit, auf den Dobermann einzuwirken. Möglicherweise hat die dann entstandene aggressive Atmosphäre dazu geführt, dass sich der Dobermann auf die anderen Hunde gestürzt hat. Da bei einem Dobermann aber gerade wegen dessen Größe und auch Rasse aus der Sicht der anderen Hundeführer objektiv nachvollziehbar die Möglichkeit einer Verletzung besteht, handelt es sich bei diesem um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Nr.2 PolVOgH, obwohl er von seiner Wesensart her - jedenfalls nach dem Gutachten - von Natur aus an sich nicht gefährlich ist.
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Die Beklagte durfte somit die in der Verfügung genannten Auflagen erlassen, die den in § 4 Abs.1 bis 4 PolVOgH aufgeführten Pflichten entsprechen.
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Die Kammer geht auch davon aus, dass der Kläger nach wie vor Halter des Hundes „Bajer“ ist. Er hat zwar einen zwischen ihm und seiner Mutter am 02.12.2002 geschlossenen „Kaufvertrag“ vorgelegt, nach dem an diesem Tag „das Besitzrecht“ an dem Hund auf die Mutter des Klägers übergeht. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Akten wird der Hund jedoch nach wie vor ausschließlich vom Kläger ausgeführt und befindet sich auch bei diesem und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Mutter des Klägers tatsächlich Halterin geworden ist. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nicht bestritten, Halter des Hundes zu sein.
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Ein Ermessensspielraum ist der Behörde nach dem Wortlaut des § 4 PolVOgH nicht eröffnet. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Auflagen sind gegenüber dem Halter eines gefährlichen Hundes im Sinne von § 2 PolVOgH zwingend zu erlassen.
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Auch die auf das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz gestützte Androhung eines Zwangsgeldes ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie die Kammer bereits in ihrem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 27.11.2002 ausgeführt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
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